DI-Box, Re-Amp-Box, Load-Box und mehr Two Notes Torpedo
Möchte man einen Bass- oder Gitarrenverstärker in voller Pracht als Aufnahme verewigen, dann gibt es eigentlich nur eine Methode: »Mikro(s) vor den Amp und ab dafür.« Dafür müssen allerdings auch die »Rahmenbedingungen« stimmen, denn eine schlechte Mikrofonierung kann ganz schön ernüchternd klingen. Mangelt es jedoch an einer standesgemäßen Speaker- oder Mikro-Auswahl, oder ist die räumliche Situation höchstens für MIDI-Aufnahmen geeignet, oder lassen die Echtzeit-Skills der Musiker zu wünschen übrig, dann sollte man diesen »Spezialisten« im Studio haben.
Der Vorsatz, einen »echten« Amp aufzunehmen und nicht den bequemeren Modeling-Amps zu verfallen, ist nicht nur löblich, sondern auch lohnend. Wenn man doch nur ein bisschen von der Vielfalt und dem Komfort der digitalen Kollegen abhaben könnte …
Konzept
Torpedo Reload ist eine All-in-One-Lösung mit Hi-Z-DI- und -Box, Multi-Impedanz-Loadbox, (plus eigenem Verstärker) und einzigartigem Speaker-Simulation-Plugin.
Aufgrund der durchdachten Integration mehrerer Geräte in einem Gehäuse wird man nirgendwo anders eine übersichtlichere Lösung für solch ein Routing finden. Das entscheidende Argument für Reload ist aber nicht der Schweizer-Messer-Aspekt, sondern die kompromisslose Ausführung und Verkupplung der einzelnen Komponenten.
Ein brauchbarer Hi-Z-In ist heute bei je – dem einfachen Audio-Interface Pflicht. Deshalb hat Two-Notes diesem Gerät nichts weniger als den klarsten und neutralsten Hi-Z-Input spendiert, den man bauen kann. Dieser 1-Megaohm-Eingang bietet maximale Bandbreite und riesigen Headroom. Das Hi-Z-Signal wird schließlich über den symmetrischen »DI«-Out mit Mikrofonpegel und Ground-Lift-Option ausgegeben.
Replay & Match
Replay stellt die Re-Amping-Abteilung von Reload dar. Das am Computer eintreffende Instrumentensignal kann über einen separaten Out an den Line-In des Reload zurückgeschickt werden, von wo es über den Amp-Out an den Instrumentenverstärker weitergeleitet wird. Für das Monitoring kann das über das eigene Speaker-Cabinet zeitgleich geschehen (am besten latenzfrei noch vor der DAW abgegriffen), aber natürlich auch später, wenn alle Takes im Kasten und fertig geschnitten sind. Der Umweg durch Reload ist nötig, um das symmetrische Line-Signal für den Instrumentenverstärker fit zu machen. Dank »Match«- Funktion kann per Level-Poti und LED-Kontrolle der an den Amp geschickte Pegel sehr genau und schnell an den des Originals angepasst werden.
Re-Act Power-Attenuation
Das teure Herzstück des Gerätes − die RE-ACT-Sektion − ist der Zusammenschluss einer »reaktiven« Loadbox und einer linearen, verzerrungsarmen 70-Watt-»Hi-Fi«-Endstufe. Diese durchdachte Kombination bietet zahlreiche Vorteile gegenüber einem normalen Power- Attenuator. Die Loadbox verwandelt die Leistung eines bis zu 100 Watt starken Amps (4 − 16 Ohm) in Wärme um und kann ihm dabei das komplexe Impedanz-Verhalten eines echten Speakers vorgaukeln.
Reload kommt durch eine gekonnt abgestimmte Schaltung aus Widerständen, Spulen und Kondensatoren sehr nah an das elektronische Äquivalent eines echten Speakers heran, wobei das kritische induktive Verhalten im oberen Frequenzbereich (welches zu noch mehr Höhen führt) voll erhalten bleibt.
Das auf diese Weise also »maßstabsgetreu« geschrumpfte Amp-Signal kann schließlich wieder mit der linearen Endstufe des Reload verstärkt werden, um so ein oder mehrere Cabinets (ebenfalls 4 − 16 Ohm) völlig unabhängig von der Impedanz und Lautstärke des Gitarren- oder Bass-Amps anzufeuern. Der Verstärker »sieht« somit immer dieselbe Last und verhält sich dementsprechend konstant, und dank authentischer Z-Kurve glücklicherweise auch konstant so, wie man es von seinem Amp kennt!
Da bei niedriger Lautstärke Bässe und Höhen in Relation leiser empfunden werden, hat Two-Notes für den Speaker-Ausgang einen »Contour«-EQ nach »Loudness«-Manier integriert.
Reload ist mit einer »Security-Load« und einem Überhitzungsschutz ausgestattet, sodass auch dem empfindlichen, antiquierten Röhrenschatz keinerlei Gefahr droht.
Wall of Sound III
Die mitgelieferte Software »Wall Of Sound III« bringt die beliebte Speaker-Simulation des Two Notes Torpedo als Plugin auf den Rechner. Hierbei handelt es sich um eine der aufwendigsten digitalen Cabinet-/Mikro-Simulation am Markt. WOS basiert auf der etablierten Convolution-Technik, welche für 1:1- »Abdrücke« von Speaker- und MikrofonKurven prädestiniert ist. Two-Notes hat diese Technik für die virtuelle Mikrofonierung um zwei wichtige Features erweitert: Torpedos eigene Impuls-Responses (es können alternativ auch selbst erstellte oder 3rd-Party-IRs geladen werden) lassen sich virtuell (innerhalb eines Dreiecks von ca. 3 x 1 m) im Raum bewegen. Das zweite Alleinstellungsmerkmal ist, dass über den Parameter »Overload« eine Simulation des natürlichen Verhaltens echter Lautsprecher im Grenzbereich beliebig hinzugefügt werden kann.
Weitere Features: Mit nur einer PluginInstanz können beliebig viele Mikros und Cabinets kombiniert werden, wobei die »Studio«- Auswahl an Mikros und Gitarren- und Bass-Cabinets einigen Spielraum bietet. Mit dem überarbeiteten »Variphi«-Parameter können sogar die resultierenden Kammfilter unterschiedlicher Phasenlagen mehrerer Mikrofone simuliert werden. Auch schön ist ein zuschaltbares Endstufen-Modeling für den Fall, dass man WOS3 nur mit einem Preamp oder Effektpedal füttern möchte.
Praxis & Sound
Zum Sound der Hardware kann man kurz und knapp sagen: Sie hat keinen! Bei vernünftig eingestellten Levels besticht der Reload durch Transparenz und pfuscht den eigentlichen »Soundmachern« Amp, Box, Raum, Mikro oder Plugin somit nicht ins Handwerk. Sogar der schwierige Part der Leistungsdrosselung wird so erledigt, wie ich es mir von meinen bisherigen Load-Boxen gewünscht hätte. Die reaktive Schaltung macht sich dabei deutlich bezahlt. Falls überhaupt Klangunterschiede zwischen Setup mit und ohne Torpedo auszumachen sind, fallen sie minimal aus, wovon man sich im AB-Vergleich bei Mikro-Abnahme sehr einfach überzeugen kann. Dank Contour-EQ fällt es zudem leicht, auch bei Zimmerlautstärke den richtigen Anteil von Low- und Top-End anzupassen, ohne den Amp aus der »heiligen« EQ-Stellung rausdrehen zu müssen. Die »Match«-Funktion ist einfach wie genial und liefert in kürzester Zeit eine perfekte Anpassung des Replay-Signals. Lediglich die zugehörigen LEDs sind bei seitlichem Blickwinkel etwas schwer zu erkennen.
Bei späterem Re-Amping ist es zu empfehlen, die Einstellung des »Replay«-Potis schon während der Aufnahme zu notieren oder zumindest das Instrument an diesem Tag zwecks nachträglichem »Match« zur Hand zu haben. Eine »zu« weit aufgerissene Endstufe klingt übrigens nicht mehr schön und ist auf Dauer ungesund für die Ausgangstufe und ggf. ihre Röhren. Dennoch kann es bei einem Power-Attenuator leicht passieren, dass man den Master-Level aus den Augen verliert.
In diesem Zusammenhang ist eine ansonsten eher störende Besonderheit des Reload als »Amp-Level-Indikator« auch noch zu etwas zu gebrauchen: Die Spule der reaktiven Load-Schaltung vibriert analog zur ausgegebenen Leistung der Endstufe mit, umso lauter, je mehr der Amp aufgerissen wird. Das ist normal und kein Grund zur Panik, allerdings ist dies ein Herd für unschöne, piepsige Feedbacks zwischen Pickup und Reload-Spule. Am besten positioniert man das Gerät deshalb in etwas Entfernung zum Instrument, sinnvollerweise auf Augenhöhe, da so auch die etwas »versteckten« Match-LEDs besser im Blick sind. Der dringend benötigte Lüfter (für Load-Box + Endstufe) ist leider nicht temperaturgesteuert und bleibt konstant eingeschaltet. Das nicht sehr laute, aber zumindest gut hörbare Geräusch spricht deshalb ebenfalls für eine etwas entferntere Aufstellung.
WOS ist gewohnt on top, was das digitale »Miking« angeht. Seit der zuletzt getesteten Version (S&R 4.2012) wurde der Impuls-Synthese-Prozess überarbeitet, wodurch sich nun auch einer der wenigen damaligen Kritikpunkte relativiert hat: Der Nahbesprechungseffekt kommt nun merklich authentischer rüber. Trotz der Ausstattung hat Two-Notes es geschafft, ressourcenschonend zu bleiben und dabei sogar niedrige Latenzen zu erlauben (unter 5 Millisekunden).
Fazit
Der auf den ersten Blick recht große Funktionsumfang des Torpedo Reload inkl. Plugin und der nicht gerade zu vernachlässigende Straßenpreis von 700,− Euro machen zunächst unschlüssig, ob man ein solches Pro-Werkzeug wirklich braucht. Eine kurze Einarbeitung macht jedoch schnell klar, dass mit dieser ultimativen Schnittstelle zwischen Amp und Recording-Interface bessere Aufnahmen zwingend werden.
Dabei ist die alternative bzw. ergänzende virtuelle Mikrofonierung per WOS3-Software mindestens genauso spannend wie die reale Abnahme des Amps im Sweetspot, ohne dass dabei gleich immer der Putz von der Decke bröckelt. In beiden Fällen kommt dank Reload die bestmöglich eingefangene Essenz des kompletten Amps zum Einsatz, womit man allein schon durch die gebotene Individualität den Produkten der digitalen Amp-Clone-Wars eine Nasenlänge voraus ist.
+++ Qualität Loadbox & Hi-Z-In
+++ RE-ACT-Konzept
+++ Match-Funktion
+++ Plugin-Umfang und -Klang
– Match-LEDs teilweise schlecht zu lesen
Hersteller/Vertrieb: Two Notes Engineering / Sound Service GmbH
UvP: 891,— Euro (Boutique Cabinets: je 8,− Euro)
www.sound-service.eu