Udo Audio Super Gemini – Polyfoner Hybridsynthesizer im Test
von Ulf Kaiser,
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Mit dem Super 6 gelang Udo Audio ein gelungener Start. Der Polysynth mit digitalen Oszillatoren und analoger Filterung fand aufgrund seines Klangs und seiner intuitiven Bedienbarkeit, die an Rolands Juno-Klassiker erinnert, schnell viele Liebhaber. Auf den Zuwachs in Form einer Desktopversion steht nun das Flaggschiff in den Startlöchern. Super Gemini vereint zwei Super 6 in einem 5-Oktaven-Keyboard mit Poly-Aftertouch, Ribbon-Controller und doppelter Bedienoberfläche.
(Bild: Archiv)
Der berühmteste Synthesizer mit Bedienelementen pro Layer ist Yamahas CS-80 – ein Komfort, den sich nur wenige Hersteller leisten und der hier generös aufgegriffen wurde. Hinter dem grau-weißen Instrument stehen George Hearns und Udo Audio aus dem englischen Bristol. Es wird in Kleinserie gefertigt und kommt in einem robusten, dekorativen, von Axel Hartmann gestalteten Metallgehäuse. Die Optik liegt zwischen Juno, Jupiter und CS-80, allerdings modernisiert. Durch den Zugriff auf beide Layer fällt das Instrument recht tief aus.
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Rundgang.
Die prall gefüllte Bedienoberfläche mit Fadern, Reglern und Schaltern unterteilt sich drei Ebenen oberhalb der straffen Fatar-Klaviatur: Layer 1, 2 und die Speicherverwaltung, die auch der Programmierung der Modulationsmatrix dient. Wie seine Geschwister verzichtet das Testgerät auf ein Display. An Spielhilfen findet man links einen Lever, LFO 2 und Transpose- und Portamento-Bereiche. Hinzu kommen ein Ribbon-Controller sowie der Arpeggiator/Step-Sequencer.
Klänge lassen sich monofon, unisono oder polyfon mit bis zu 20 Stimmen spielen. Man hat die Wahl zwischen Single-, Dual- und Split-Betriebsarten. Klänge werden in 128 Patches und kombinierten Performances gespeichert, die in Achterbänken abgerufen werden. Wer mit einem Patch beginnt, kann jederzeit zur Performance wechseln und einen zweiten Klang aus dem Speicher ergänzen.
Die beiden DDS-Oszillatoren (Direct Digital Synthesis) einer Stimme werden per FPGA berechnet. DDS 1 arbeitet samplebasiert und bietet fünf Basiswellenformen, Rauschen und 32 digitale Single-Cycle-Wellenformen, die sich über USB am Rechner tauschen lassen. DDS 1 hat im Super Mode Zugriff auf bis zu sechs Schwesteroszillatoren, die im Stereobild verteilt und in der Verstimmung geregelt werden können. Neu ist eine Überblendung zwischen zwei Wellenformen, die die subtraktiven und digitalen Wellenformen umfasst. DDS 2 wird algorithmisch errechnet und liefert sechs Wellenformen nebst Rauschen.
Die Oszillatoren lassen sich parallel betreiben, hart synchronisieren, kreuzmodulieren und per Ringmodulation verketten. Jeder Oszillator hat einen Oktavlagenschalter, wobei DDS 2 auch als LFO agieren kann. Er kann weiter verstimmt und bei Bedarf als Suboszillator von DDS 1 genutzt werden. Wie im Super 6 gibt es einen »binauralen« Modus, der zwei Stimmen zu einer Stereostimme zusammenfasst – ein interessantes Alleinstellungsmerkmal, das allerdings wie die Layer-Funktion zu Lasten der Polyfonie geht.
Ab hier wechselt die Klangerzeugung in die analoge Ebene. Das Signal durchläuft ein regelbares Hochpassfilter mit möglichem Tracking und in Folge ein resonanzfähiges Tiefpassfilter (SSI 2044) mit 24 dB Flankensteilheit mit zweistufiger Drive-Schaltung, Key-Tracking und direkten Modulationen durch die Hüllkurven, LFO 1 und DDS 2 (Filter FM). Es folgt der VCA, der wahlweise über Hüllkurve 2 oder eine Gate-Hüllkurve kontrolliert wird. Er kann in Abhängigkeit zur Anschlagsdynamik gebracht werden, aber auch durch LFO 1 und nunmehr DDS 2 (AM) moduliert werden.
Schließlich wechselt die Klangerzeugung zurück in die digitale Ebene und bietet Part-übergreifend einen doppelt schaltbaren Chorus-Effekt und ein temposynchronisiertes Delay mit Freeze-Funktion.
Modulationen.
Pro Stimme gibt es zwei ADSR-Hüllkurven, die um eine initiale Verzögerung und Decay-Haltezeit ergänzt werden. Hüllkurve 1 ist invertierbar und kann im Loop und somit als LFO betrieben werden. LFO 1 ist außerordentlich flexibel. Er arbeitet zwischen 0,05 und 50 Hz, ist temposynchronisierbar und bietet vier Wellenformen sowie eine regelbare Einblendzeit. Er kann zudem die Wellenform von DDS 1 nutzen. Dieser LFO arbeitet stereo und kann in der Phase geregelt werden. Weiterhin offeriert er eine HF-Betriebsart mit möglichem Tracking, in der er als dritter Oszillator in den Audioweg geschaltet wird. LFO 2 bietet sechs Wellenformen. Er ist wahlweise dauerhaft aktiv oder wird per Spielhilfe ausgelöst.
Wie im Super 6 gibt es etliche feste Modulationsverknüpfungen, darunter die Pulsbreiten/Wellenformmodulation von DDS 1, Vibrato-, Filter- und VCA-Modulationen. Dazu steht pro Layer eine Modulationsmatrix bereit, mit der sich je acht Quellen und Ziele verknüpfen und mit bipolarer Intensität versehen lassen, einschließlich Mehrfachzuweisungen. So lassen sich LFO 2, Hüllkurve 1, DDS 2 und Parameter der Klaviatur, ein Pedal und der Ribbon-Controller auf die Resonanz, das Hochpassfilter, das Mischungsverhältnis der Oszillatoren und mehr routen. Ebenso ist es möglich, die genannten Quellen direkt mit Parametern der Bedienoberfläche zu verknüpfen. Schließlich lassen sich Noten über die Spielhilfen expressiv im Klang formen. Insbesondere der polyfone Aftertouch erfordert dafür etwas lohnende Übung.
Ergänzend bietet der Super Gemini eine umfassende MIDI-Implementation mit 5-Pol- und USB-Schnittstellen und MPE-Funktionalität. Somit lassen sich Klänge dynamisch über die DAW automatisieren. Weitere Mehrwerte erhält man über den Arpeggiator, der sich auch als polyfoner Step-Sequencer mit bis zu 64 Schritten nutzen lässt. Er ist ebenso wie das Portamento und die Transponierung pro Layer verfügbar.
Zu den Anschlüssen: Der Super Gemini bietet einen Summen- und zwei Layer-Ausgänge, jeweils stereo, dazu zwei frontseitige Kopfhörerausgänge. Ferner gibt es vier Pedalanschlüsse (Sustain, Expression, Volume, Delay Freeze). Nur auf den Audioeingang des Super 6 wurde leider verzichtet.
Praxis.
Mit seiner üppigen und übersichtlichen Bedienoberfläche ist der Super Gemini ein Traum für Synthesizer-Liebhaber. Wie der Super 6 versteht er sich nicht als Alleskönner, sondern als Performance-orientiertes Musikinstrument, bei dem man sich nicht in Details verliert. Alle relevanten Parameter stehen pro Layer sofort im Zugriff, weshalb die Klangformung automatisch zum Teil der Performance wird.
Über das fehlende Display lässt sich hingegen streiten. Vermutlich hat Udo Audio diese Entscheidung aus ästhetischen Gründen getroffen. Und tatsächlich funktioniert die Bedienung dank LEDs und sinnvoller Beschriftungen auch absolut passabel, wird aber spätestens bei der fehlenden Benennung der Klänge und der Konfiguration der Modulationsmatrix zum Kompromiss. Da sich Udo Audio für konventionelle Bedienelemente entschieden hat, gilt eine weitere generelle Einschränkung. Als speicherbares Instrument führen die Fehlstellungen der Bedienelemente nach einem Preset-Wechsel zu Wertesprüngen.
Klang.
Auf Basis des Super 6 deckt der Super Gemini ein Klangspektrum ab, dass sich zwischen real- und virtuell-analog und frühen Hybridsynthesizern bewegt. Der Fokus liegt auf einer geradlinigen Umsetzung, die auch ohne Effekte überzeugt. Trotz seiner Optik ist das Testgerät kein Nachbau der Roland Juno- und Jupiter-Serie oder ein zweiter CS-80. Vielmehr hat es durch die virtuell-analogen und samplebasierten Oszillatoren und das SSI-Filter eine eigene Stimme.
Elektronische Klänge wie Flächen, Bässe, Sequenzen, Melodieklängen und Sync-Sounds gelingen ebenso gut wie leicht experimentelle Sounds. Den generellen Charakter würde ich als ausgewogen und eher schlank beschreiben, dazu gleichermaßen rund und offen sowie teil geprägt durch die digitalen Wellenformen.
Flächen gelingen weich, druckvoll und mitunter etwas aggressiv. Per Pulsbreitenmodulation, Stereo-Modus und Chorus lässt sich eine bemerkenswerte Breite erreichen.
Besonders gefallen mir die sanften Sounds. In den Presets finden sich prächtige Melodieklänge, Streicher, Arpeggios und E-Pianos. Böse und explizit perkussive Klänge sind nicht der primäre Kaufgrund für diesen Synthesizer, lassen sich aber ebenso erzielen wie dicke Unisono-Sounds. Modulationen im Audiobereich, Kreuz- und Ringmodulation sorgen für atonale Komponenten und Biss.
All das gilt bereits im Single-Modus. Durch den zweiten Layer lässt sich die Komplexität erhöhen. Hier spielt das Testgerät sein Konzept voll aus, da beide Klänge im Zugriff stehen.
Die Oszillatoren klingen bis in höchste Lagen sauber. Schade lediglich, dass die Suboszillator-Funktion von DDS 2 nicht unabhängig von dessen Hauptwellenform nutzbar ist.
Das Tiefpassfilter überzeugt mit schönem Obertonverhalten, das bei Sweeps gut zur Geltung kommt. Der zweistufige Drive liefert Klangvarianten mit mehr Nachdruck, während die Resonanz markant und ohne große Pegel- und Basseinbußen ausfällt. Sie reicht in die Selbstoszillation und liefert in Kombination mit den schnellen Hüllkurven spielend perkussive und druckvolle Klänge. Das Hochpassfilter ist per Fader steuerbar und entpuppt sich als sinnvolle Ergänzung, um Klänge auszudünnen und »luftig« zu gestalten.
Die Effekte schließlich fallen eher einfach aus. Der Chorus ist nicht auf BBD-Niveau, aber durchaus praktisch. Gleiches gilt für das simple Delay, mit dem sich im Nu temposynchrone Effekte aber auch Feedbacks und endlose Echos erzeugen lassen.
Fazit.
Der Super Gemini ist der tolle große Bruder des Super 6 – ein Synthesizer mit seltener, doppelter Bedienoberfläche, die zum Zupacken animiert. Die Klangerzeugung wurde gegenüber dem Super 6 fortentwickelt und ist dank Layering zu komplexeren Sounds fähig. Klanglich bewegt man sich zwischen der analogen und digitalen Hybridwelt, wobei sich das Instrument durch klangliche und funktionale Eigenständigkeit neben der Konkurrenz bestens behauptet. Trotz einiger Kritikpunkte darf man Super Gemini als traumhaften Synthesizer für Sound-Designer und Performer bezeichnen. Dank Extras wie der größeren Klaviatur mit polyfonem Aftertouch und dem Ribbon-Controller relativiert sich der Preis von 3.999 Euro, der unterhalb einer Kombination von Super 6 (2.699 Euro) und einer Desktopversion (2.179 Euro) liegt. Für alle, die mit dem Kauf eines Super 6 liebäugeln oder diesen regelmäßig einsetzen, gibt es hier also die Luxus-Alternative. Gratulation!