Tape-Sound für digitale Workstations

Universal Audio Studer A800 für die UAD-2-Plattform

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Wer träumt nicht von einer analogen Bandmaschine: Vintage-Sound, Bandsättigung und der viel beschworene „Glue“-Faktor? Aber die Kosten! Universal Audio hat den lang gehegten Traum wahr werden lassen: Tape-Sound als Plug-in.

Screenshot - UAD Studer A800

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Als das Studer A800 Plugin veröffentlicht wurde, waren die Spekulationen derart ins Kraut geschossen, dass fast schon Ernüchterung einsetzte, als es sich „nur” um die Emulation einer legendären Bandmaschine handelte: Ach ja, richtig, das, was wir immer wollten! Tatsächlich stand in sämtlichen Umfragen die ultimative Tape Emulation ganz oben auf der Anwender Wunschliste. Bleibt die bange Frage: Ist die UAD Studer A800 diese ultimativeTape-Emulation? Bemerkenswert ist, dass Universal Audio nicht etwa eine Mastermaschine emuliert hat, sondern eine Multitrack-Bandmaschine. Wie wir sehen werden, hat das wesentlichen Einfluss auf den angestrebten Einsatzzweck des Plugins.

>> Bandsättigung, Tape Bump, Bandgeschwindigkeiten und NAB/CCIR – 4 Begriffe zum Thema Bandmaschine einfach erklärt <<

Mit dem Plugin konzentriert sich Universal Audio ganz auf die positiven Aspekte des Tape-Sounds, insbesondere die Bandsättigung. Sie lässt sich primär über die Inputund Output-Regler steuern. Hilfreich ist dabei das VU-Meter, auf dem sich leicht ablesen lässt, wie weit man „ins Rote” aussteuert. Der daneben liegende „CAL”-Schalter kalibriert dabei den Arbeitspegel, besser gesagt, den Bezug zwischen Aufnahmepegel und VU-Anzeige. Unterschiedliche Bandsorten vertragen nämlich unterschiedlich hohe Pegel, bevor sie hörbar in die Sättigung gehen. Mit vier seinerzeit populären Bandsorten kann die UAD A800 gefüttert werden. Das zu „Lebzeiten” der Studer A800 wohl am meisten verwendete Tape war Ampex 456; Scotch 250 ist eine ältere, weniger pegelfeste Bandsorte (empfohlene Kalibrierung +3 dB), BASF 900 und Ampex/Quantegy GP9 waren spätere Entwicklungen für besonders hohe Aussteuerung (empfohlene Kalibrierung +9 dB), für einen entsprechend besseren Rauschabstand, um gegen die aufkommenden Digitalmaschinen konkurrenzfähig zu bleiben. Der Tape-Schalter gestattet somit eine Zeitreise durch die Magnetband-Ära.

Jedes der Bänder lässt sich mit drei verschiedenen Bandgeschwindigkeiten betreiben. Die für Rock und Pop übliche Bandgeschwindigkeit war 15 Inch pro Sekunde (IPS), für Jazz- und Klassikaufnahmen wurde häufig die doppelte Bandgeschwindigkeit von 30 IPS verwendet. Beim Original gar nicht vorgesehen war die niedrige Bandgeschwindigkeit von 7,5 IPS, die nur im Semipro- und Amateurbereich verbreitet war. Die Emulation bietet diese zusätzliche Stellung für LoFi- oder Sixties Sounds.

Unter der Haube verstecken sich noch weitere Stellschrauben. Mit Klick auf das Studer-Logo öffnen sich die „secondary controls”. Standardmäßig ist „Auto Cal” aktiviert, d. h., die verschiedenen Bandsorten sind von einem Techniker korrekt eingemessen, man kann diese Einstellungen (Pegel und Bias des HF-Treibers, Höhen und Bässe im Wiedergabeverstärker des Repro- bzw. Sync-Kopfes) aber zu klanggestalterischen Zwecken manipulieren. Das letzte Paar Regler, „Hum” und „Hiss” hätte man beim Original sicher auch gern gehabt. Hier lassen sich Bandrauschen und Brummpegel regeln – für den authentischen Retro-Sound nicht uninteressant. Die Emulation hat den unbestreitbaren Vorteil, dass man beide Störgeräusche bis auf null runterdrehen bzw. über einen Schalter komplett ausschalten kann. Eher exotisch ist der EQ-Umschalter NAB/CCIR.

Der Klangunterschied ist marginal. Also eher was für Detailfetischisten, die z. B. das Setup einer bestimmten klassischen Aufnahme bis zur letzten rostigen Schraube reproduzieren möchten. Eine Neuheit im UADUniversum sind die „Gang-Controls”-Schalter: Sie verlinken sämtliche Plug-in-Instanzen im Projekt, die nun alle dieselben Settings übernehmen.

Praxis

Das UAD Studer A800 ist keine simple Dreckschleuder! Genau wie die Original-Hardware klingt die UAD Studer A800 erst mal recht clean. Anders als bei Uralt-Bandmaschinen der 60er und frühen 70er wird die Bandbreite nicht hörbar beschnitten, und die Klangfärbung ist relativ subtil. Die Hauptanwendung ist daher nicht als Effekt auf Subgruppen oder der Summe, sondern als Mehrspur-Bandmaschinen-Emulation in den Einzelspuren. Universal Audio empfiehlt, das Plug-in jeweils in den ersten Slot zu laden.Wie bei einer echten Mehrspurmaschine sollte man das Plug-in nach Art des Signals aussteuern. Denn in analogen Tagen war es üblich, beispielsweise die Snare und die Toms weit in den roten Bereich zu fahren, während man Becken und Hi-Hat eher niedrig aussteuerte, um harsches Zerren in den Höhen zu vermeiden. Von Bandsättigung profitieren eben nicht alle Signale gleichermaßen – und das ist der besondere Vorteil dieser Multitrack-Tape-Emulation: Die Signale werden einzeln verdichtet und harmonisch angereichert. Eine heiße Snare führt nicht zu harschen Hi-Hats.

Außer auf Drums lassen sich natürlich auch auf Gitarren tolle Ergebnisse erzielen, LeadGesang erfährt gesteigerte Festigkeit, bei Bass instrumenten verbessert sich Definition und Durchsetzungskraft im Mix.

Außerdem erhalten sie zusätzlichen Wumms über den Tape Bump. Mittels des Repro-EQs lässt sich die Bassanhebung durch leichtes Zurückdrehen des LF-Reglers weitgehend ausbügeln.Leider werden dafür aber keine Presets mitgeliefert,standardmäßig wurde ein Tape Bump von im Schnitt 3 dB belassen. Interessant: Auch in der höchsten Bandgeschwindigkeit in Tateinheit mit Samplingraten von 96 oder gar 192 kHz reicht der Frequenzgang nur wenig über 20 kHz hinaus. Wenn man in der Stellung „Input” misst, bei der nur der elektronische Signalweg der Studer A800 ohne die Bandsektion emuliert wird,sieht man auch warum: Der Frequenzgang ist durch steile Filterschaltungen auf ca. 22Hz – 22 kHz begrenzt.

Game Changer?

Das Studer A800 Plug-in ist UAD-2 only, UAD-1-Besitzer bleiben außen vor – schade. Angenehm: Das Plug-in ist nicht so leistungshungrig,wie befürchtet. 40 Mono oder 24 Stereo-Instanzen schafft eine UAD-2 Quad; eine UAD-2 Solo entsprechend zehn Mono- bzw. sechs Stereo-Instanzen. Da das Studer A800-Plugin als Channel-Insert gedacht ist, werden je nach Umfang der Session allerdings eine ganze Menge Instanzen fällig. In der Praxis bestätigt sich die Herstellerempfehlung, das Plugin in den ersten Slot zu laden, denn das A800-Plug-in verändert alle folgenden Mix-Entscheidungen. Es tritt tatsächlich ein gewisser „Glue”-Faktor ein: Das Klangbild wirkt homogener, und man muss weniger schrauben, um Einzelspuren aufeinander abzustimmen. Auf Vocal-Spuren ist zudem ein gewisser De-EsserEffekt spürbar; die Sprachkonsonanten stechen weniger stark hervor. Das Mischen wird insgesamt entspannter; man befasst sich wieder mehr mit Klanggestaltung als mit Reparaturarbeiten. Speziell auf Drums- und Percussion-Spuren hilft das StuderPlug-in zudem, scharfe Transienten einzufangen und ohne heftige Kompression eine angenehme Lautheit zu erreichen. Die klanggestalterischen Möglichkeiten beschränken sich nicht allein auf Sättigungseffekte. Zusätzliche „Goodies” sind Exciterartige Sounds durch verdrehen des HF-EQs im Aufsprechverstärker. Drastische Effektsounds bis hin zu Lo-Fi-Britzeln sind über den Bias-Regler möglich. Der Repro-EQ kann für eine weiche, breitbandige Klangabstimmung genutzt werden.

Fazit

Das Studer A800-Plug-in ist zweifellos ein großer Wurf. Nicht umsonst hat Universal Audio über ein Jahr daran gearbeitet und alte Bandspezialisten zurate gezogen. Ob das Plug-in nun hundertprozentig klingt wie die Hardware? Muss man das wirklich wissen? Ein alterndes 400-Kilo-Ungetüm in Betrieb zu halten und mit sündhaft teuerem 2-Zoll-Band zu füttern, ist für die wenigsten eine gangbare Alternative. Entscheidender als absolute Authentizität ist, dass das Studer-Plug-in überzeugend klingt und im Mix wichtige Funktionen kompetent besetzt: Sättigung, dynamische Verdichtung, „Glue”, bei Bedarf auch Klangauffrischung oder Lo-Fi-Effekte. Mit 349 Dollar ist das UAD Studer A800-Plug-in nicht ganz billig, andererseits gibt es nichts wirklich Vergleichbares. Oder um den Preis einmal in eine analoge Perspektive zu rücken: Das ist in etwa der Preis einer einzigen Rolle 2-Zoll-Tonband!

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