Vintage FX – Stereo-Hallgerät EMT 240 „Goldfolie“ (*1971)
von Matthias Fuchs,
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Das EMT 240 – besser bekannt als „Goldfolie“ – ist trotz seiner stattlichen Maße eine eher schlichte Erscheinung, die leicht über die verborgenen Werte hinwegtäuscht. So besitzt das EMT 240 doch wortwörtlich ein Herz aus Gold.
Der Weg zum künstlichen Nachhall hat zahlreiche technische Kuriositäten hervorgebracht. Eine davon ist die EMT Hall- oder Goldfolie. Sie ist gleichzeitig der gelungene Versuch, die legendäre Hallplatte aus gleichem Hause auf mehr oder weniger transportable Abmessungen zu schrumpfen.
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Spätestens seit Entwicklung der EMT 140 Hallplatte im Jahre 1957 ist die Traditionsfirma Elektromesstechnik Franz bekannt für wegbereitende Audiotechnik im Allgemeinen und Kunsthall im Besonderen. Die Hallplatte entstand in Kooperation mit Dr. Ing. Walter Kuhl vom Rundfunktechnischen Institut in Hamburg (IRT). Das aus dieser Kooperation entstandene 170 kg schwere Monstrum mit dem Format einer Tischtennisplatte galt für Jahrzehnte als Studiostandard in Sachen Hallerzeugung und wird noch heute von vielen Analog-Freaks hoch geschätzt.
Von der Platte zur Folie
Schon Ende der 1960er-Jahre entstand jedoch der Bedarf nach einer kompakteren Hallerzeugungs-Einheit. Bei mindestens gleicher Audioqualität sollte sie deutlich weniger Platz und Service beanspruchen und sogar mobil in Ü-Wagen funktionieren. Da Federsysteme ungeeignet und die Zeit für rein elektronische Hallerzeugung noch längst nicht reif war, entschied sich das Entwicklerteam um Walter Kuhl für eine Verbesserung des bewährten Plattenkonzepts. Um die Hallqualität zu erhalten und dennoch Größe und Gewicht reduzieren zu können, musste die Stahlplatte gegen ein Bauteil aus deutlich dichterem Material ersetzt werden.
Man entschied sich schließlich für eine Metallfolie aus einer hoch reinen Goldlegierung (24 Karat) mit Abmessungen von gerade einmal 27 x 29 cm und 0,02 mm Stärke. Sie ist in einem Spannrahmen eingehängt und erzeugt einen Nachhall von 5 Sekunden mit – zumindest theoretisch – gegenüber der Stahlplatte reduzierter Klangfärbung. Als Aufsprech-Wandler dienen zwei winzige Piezo-Systeme, welche direkt auf die Folie geklebt sind. Um das Schwingungsverhalten der Folie nicht zu beeinträchtigen, verfügen sie über hauchfeine Anschlussdrähte und kleine Gegengewichte auf der anderen Folienseite. Als Wiedergabe-Wandler werden zwei Tauchspulensysteme verwendet. Sie ähneln denen eines dynamischen Mikrofons, besitzen allerdings einen wesentlich kleineren Spulendurchmesser.
Die Nachhalldauer wird über einen motorbetriebenen Absorber aus Fiberglas gesteuert. Je nach Abstand zur Folie entzieht er dem erzeugten Schallfeld Energie und bestimmt so den Nachhall zwischen 0,7 und 5,0 Sekunden. Seine Bauform begünstigt zudem einen linearen Frequenzgang. Der Motor selbst arbeitet vollkommen ruckfrei und ist silikongelagert, um Vibrationen zu minimieren.
Ein Herz aus Gold: Das EMT 240 nutzt eine sorgfältig gekapselte Goldfolie von knapp 30 cm Kantenlänge zur Hallerzeugung. Trotz Abmessungen von 64 x 62 x 30 cm und einem Gewicht von 67 kg ist das Gerät gegenüber seinem Vorgänger, der EMT 140 Hallplatte, geradezu ein Winzling und durchaus transportabel. Das „Herz“ des äußerst aufwendig konstruierten Gerätes ist unbedingt einen Blick wert.
Bild: Matthias Fuchs
Bild: Matthias Fuchs
Ebenfalls hochinteressant sind die technischen Kniffe, mit denen die Hallfolie gegen Luft-und Körperschall abgeschirmt wird: So sind Folie und Spannrahmen in einem luftdichten Stahlblechbehälter eingeschlossen und dort mit vier Federn befestigt. Dieser Behälter ist an weiteren Federn schwingend im äußeren Stahlblechgehäuse aufgehängt. Letzteres ist mit dämpfendem Material beschichtet. Die Beschaffenheit aller Federsysteme sorgt für eine optimale Abschirmung über einen weiten Frequenzbereich. Umgebungsgeräusche von bis zu 74 dB werden absorbiert.
Die Goldfolie ist mit zwei EMT 262 Ein-/Ausgangsverstärkern im Danner-Kassetten-Format ausgestattet. Eingangsseitig gibt es eine regelbare Tiefensperre mit Einsatzfrequenz bei 100 Hz und einen Limiter sowie ausgangseitig einen Expander. So wird eine Dynamik von 65 dB erzielt. Da die Goldfolie kein Pre-Delay erzeugt, muss man im Bedarfsfall ein Delay vorschalten. Das Gerät lässt sich mit Netzspannung und via Autobatterie (24-V-Gleichspannung) betreiben.
Goldener Sound?
Wie alle EMT-Produkte zeichnet sich die Goldfolie durch eine kompromisslose Konstruktion und ebensolche Fertigungsqualität aus. Zwar betrieben zahlreiche Studios und Rundfunkanstalten in aller Welt eine Goldfolie, als vollwertigen Ersatz für die Hallplatte konnte sie sich dennoch nie durchsetzen. Die Ansichten über ihre klanglichen Qualitäten blieben geteilt. Üblicherweise wird ihr Sound gegenüber der EMT-Hallplatte als etwas dunkler, weniger breit und deutlich sauberer, allerdings auch als weniger interessant beschrieben. Einig sind sich viele EMT-Fans darüber, dass die Goldfolie vor allem mit kurzer Nachhallzeit auf perkussivem Material, Gitarren und Backing-Vocals eine besonders gute Figur macht. Hall und Programmsignale verschmelzen dann besonders gut miteinander.
Bei sorgfältiger Behandlung ist die Goldfolie so gut wie unverwüstlich – ein Grund, weshalb auch heute noch einige Exemplare ihren Dienst als „Hall für spezielle Fälle“ tun. So arbeitet sie noch in der Berliner Fuzzfactory, den Trixx- und Hansa-Studios, im Horus Studio Hannover sowie in zahlreichen internationalen Recording-Tempeln wie etwa den Air- und Powerplay-Studios sowie im Strongroom.
Die EMT-Goldfolie wurde bis 1982 gebaut und zuletzt zu einem Preis von stolzen 13.511,– Mark verkauft. Sie war damit jedoch immer noch preisgünstiger als die meisten digitalen Hallgeräte der frühen 80er. Das Gerät ist zweifellos ein technisch höchst interessantes Unikum: Kein anderer Hersteller hat sich jemals an ein ähnliches Konzept gewagt.