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Voyage Audio Spatial Mic – Ambisonics-Mikrofon zweiter Ordnung mit Digitalausgang im Test

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Voyage Audio Spatial Mic (Bild: Dr. Andreas Hau)

Ambisonics-Mikrofone bietet der Markt inzwischen einige. Die meisten arbeiten mit der kleinstmöglichen Konfiguration, die das gesamte Schallfeld dreidimensional erfassen kann: vier Nierenkapseln in Tetraeder-Anordnung. Das Spatial Mic von Voyage Audio verspricht eine deutlich höhere räumliche Auflösung durch die Verwendung von acht Kapseln. Deren Signale gibt das Spatial Mic nicht analog aus, sondern digital, wahlweise per USB- oder ADAT-Schnittstelle.

Man könnte glauben, dass so viel Technik auch ein gewisses Gewicht mit sich bringt. Umso überraschter war ich, als ich das Spatial Mic aus der Verpackung nahm: Ultraleicht ist das kompakte Mikro des kalifornischen Start-ups Voyage Audio. Dabei beinhaltet es acht Mikrofonkapseln samt mehrkanaliger Elektronik, AD-Wandler sowie ADAT- und USB-Schnittstelle. Ach ja, ein Kopfhörerverstärker ist auch noch integriert. Aber der Reihe nach!

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Inspektion

Das kompakte Gehäuse von 172 x 54 mm wiegt nur knapp 245 g und besteht aus einer Kombination aus Aluminium und Kunststoff. Auf den ersten Blick wirkt das Spatial Mic wie ein preisgünstiges USB-Mikro. Tatsächlich ist es ja auch ein USB-Mikrofon, wenn auch ein sehr besonderes, und für ein Ambisonics-Mikrofon zweiter Ordnung ist es sehr preisgünstig. Zudem hat seine unauffällige Erscheinung durchaus Vorteile, wenn man an belebten Orten Außenaufnahmen macht. Zum Lieferumfang gehört neben einer Stativhalterung auch ein Schaumstoff-Windschutz für den Außeneinsatz.

Am Mikrofon selbst gibt es nur ein zentrales Bedienelement: einen großen Drehknopf mit LED-Kranz. Dieser markiert gleichzeitig die Vorderseite, was nicht ganz unwichtig ist, denn auch wenn das Mikrofon in alle Richtungen aufnehmen kann, muss die zugehörige Software wissen, wie das Mikrofon ausgerichtet wurde. Über den Drehknopf stellt man die interne Vorverstärkung ein, wobei die obere Hälfte des LED-Kranzes als Aussteuerungsanzeige dient. Mit Druck auf den Knopf wechselt man zum ebenfalls integrierten Kopfhörerverstärker, dessen Ausgangspegel man nun am Drehrad justieren kann. Drückt man den Knopf ein weiteres Mal, justiert er den Monitor-Mix mit dem DAW-Signal.

Alle Anschlüsse befinden sich auf der Unterseite. Rechts ist der USB-Ausgang im Typ-C-Format; links daneben findet sich eine weitere USB-Buchse im Micro-Format. Diese dient nicht als Computer-Schnittstelle, sondern zur Stromversorgung, wenn das achtkanalige Ausgangssignal über den darüber liegenden ADAT-Lichtleiterausgang abgegriffen wird. Komplettiert wird die Anschlusspalette durch einen Kopfhörerausgang im 3,5-mm-Miniklinkenformat.

Die Kapselanordnung lässt sich durch den schützenden Mikrofonkorb aus Metallgeflecht nur erahnen. Durch Lösen einer Inbusschraube lässt er sich abnehmen; wir erblicken acht Kapseln, von denen vier schräg nach oben und weitere vier schräg nach unten gerichtet sind, sodass das gesamte Schallfeld gleichmäßig erfasst wird. Und zwar mit der doppelten räumlichen Auflösung einer üblichen Ambisonics-Anordnung erster Ordnung mit nur vier Kapseln.

Unter dem Mikrofonkorb verbirgt sich eine Ambisonics- Anordnung mit acht Elektret-Kondensatorkapseln.
Das Spatial Mic kann per USB oder ADAT angeschlossen werden. In letzterem Fall muss das Mikrofon über den Micro-USB-Anschluss mit Strom versorgt werden.
DAWAuf der Rückseite ist ein Gewinde für Fotostative eingelassen; eine Halterung für Mikrofonstative liegt bei.

Ausgewertet werden die Kapselsignale über das zugehörige Plug-in »Spatial Mic Converter« für Mac und Windows in den Formaten VST und AAX. Die Rohsignale (A-Format) können in Ambisonics B-Format mit AMBIX- oder FUMA-Kanalanordnung überführt werden. Dabei wird neben Ambisonics zweiter Ordnung (mit neun Kanälen) auch Ambisonics erster Ordnung (mit vier Kanälen) unterstützt. Alternativ lassen sich virtuelle Stereoanordnungen wie XY und MS und virtuelle Mikrofone erzeugen. Die Möglichkeiten sind sehr umfangreich.

Zusätzlich gibt es ein Bedien-Panel, um Mikrofon-Gain, Kopfhörer-Lautstärke und den Mikrofon-DAW-Monitor-Mix einzustellen. Hier lässt sich auch der LED-Anzeigenkranz am Mikrofon umschalten bzw. deaktivieren – Letzteres kann gerade für Außenaufnahmen hilfreich sein. Dedizierte Audiotreiber für den USB-Betrieb liefert Voyage Audio nicht. Am Mac läuft das Spatial Mic als Class Compliant Device. Auch unter Windows wird es ohne Treiberinstallation erkannt; viele DAWs erwarten aber einen ASIO-Treiber. Hier empfiehlt der Hersteller den kostenlosen Universaltreiber ASIO4All.

Praxis

Das Spatial Mic als solches ist einfach in der Handhabung. So kompakt und leicht, wie es ist, lässt es sich mühelos positionieren. Dank der internen Vorverstärkung entfällt außerdem die Schwierigkeit, acht Preamps mit exakt gleichem Gain auszusteuern. Über den USB-Anschluss gelingen Aufnahmen sehr unkompliziert. Der integrierte Kopfhöreranschluss gibt übrigens ein binauralisiertes Signal aus, sodass für praxisgerechtes Monitoring gesorgt ist. Die USB-Betriebsart wirft jedoch die Schwierigkeit auf, wie nun weitere Mikrofone bzw. die Studioabhöre eingebunden werden sollen. Am Mac könnte man das Spatial Mic mit einem weiteren Audio-Interface zu einem Aggregate Device vereinen. Das wäre aber eher eine Behelfsmaßnahme; bei längeren Aufnahmen könnten die Clocks auseinanderlaufen. Die professionellere Lösung wäre die Nutzung des ADAT-Ausgangs. Da das Spatial Mic keine Clock empfangen kann, sollte es bei Aufnahmen selbst die Clock für das gesamte System vorgeben. Wie angesprochen, muss das Spatial Mic im ADAT-Modus über ein USB-Netzteil bzw. eine Power Bank gespeist werden; der Strombedarf liegt bei 500 mA.

In der Praxis könnte auch die Kabellänge zum Problem werden. Die beiden mitgeliefertem USB-C-Kabel mit Gegenstück im Format USB-C bzw. USB-A haben jeweils eine Länge von 3 Metern. Ein ADAT-Lichtleiterkabel liegt nicht bei; die Maximallänge wäre hier etwa 5 Meter.

Klang und Möglichkeiten

Ein Vorbehalt gegenüber Ambisonics-Mikrofonen höherer Ordnung ist das erhöhte Rauschen, das sich bei so vielen Kapseln aufsummiert. Voyage Audio spezifiziert den Rauschabstand pro Kapsel mit 72 dB (A-bewertet), was einem Ersatzgeräuschpegel von 22 dB-A entspricht. Das ist recht viel; gemessen daran war ich angenehm überrascht. Zwar ist ein gewisses Grundgeräusch zu hören, aber es ist keineswegs aufdringlich und wird in vielen Anwendungen vom Nutzsignal verdeckt.

Die Möglichkeiten des Spatial Mic Converter Plug-ins sind sehr umfangreich. Das Ambisonics Filter, das das Klangbild optimiert, hat zwei Modi, wobei der zweite Modus spektral ein wenig ausgeglichener wirkt. Beide sind zusätzlich in einer Low-Noise-Variante verfügbar, die das Grundgeräusch algorithmisch reduziert. Im direkten Vergleich zu meinem Røde NT-SF1 klingt das Voyage Audio Spatial Mic jedoch etwas belegt. Es fehlt an Brillanz und Natürlichkeit; das Signal wirkt hörbar bearbeitet. Pluspunkte sammelt das Spatial Mic bei der räumlichen Auflösung. Die Lokalisationsschärfe ist deutlich höher als beim Røde und anderen Ambisonics-Mikrofonen mit nur vier Kapseln.

Über ein Control-Panel können die Funktionen des Einstellrads am Mikrofon auch ferngesteuert werden.
Das Spatial Mic Converter Plug-in wandelt die Kapselsignale in Ambisonics B-Format zweiter Ordnung.
Wahlweise kann das Spatial Mic Converter Plug-in virtuelle Mikrofone in Mono oder Stereo erzeugen – auch mit so starker Bündelung, wie sie mit echten Mikrofonen nicht möglich wäre.

Deutliche Vorteile hat das Spatial Mic beim Erzeugen von virtuellen Mikrofonen. Praktischerweise hat Voyage Audio bereits entsprechende Presets angelegt, denn die vielen Optionen dürften Novizen überfordern. Wenn man einen singenden Gitarristen aufnimmt, lassen sich Stimme und Gitarre recht gut separieren. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die einfachste wäre, virtuelle Mikrofone mit Achtercharakteristik auf Mund bzw. Gitarre auszurichten, sodass die jeweils unerwünschte Schallquelle in der Null liegt. Für die Gitarre könnte man sogar eine Blumlein-Stereoanordnung wählen. Die Separation von Stimme und Gitarre gelingt mit dem Spatial Mic sehr viel besser als mit dem NT-SF1.

Zusätzlich hat Voyage Audio dem Plug-in weitere Modi spendiert, die eine starke Richtwirkung ohne rückwärtige oder seitliche Nebenkeulen ermöglicht. Bei Bedarf ist so noch mehr Separation möglich. Allerdings: Je stärker das Processing, desto stärker auch die klanglichen Nebenwirkungen. Das Klangbild wirkt künstlich und verliert teilweise auch an Bassgehalt. Dennoch können diese Modi sehr nützlich sein, um Teilaspekte aus dem Gesamtklang zu heben.

Die Kapseln des Spatial Mic sind recht präzise aufeinander abgestimmt – hier exemplarisch die Kapseln 5 bis 7.
Die virtuelle Kugelcharakteristik zeigt einen Bassabfall unter 100 Hz, der für eine echte Druckempfängerkapsel untypisch wäre.
Das Spatial Mic Converter Plug-in kann auch virtuelle Mikrofone serzeugen. In Nierencharakteristik ist der Frequenzgang weitgehend ausgewogen.

Fazit

Das Spatial Mic von Voyage Audio ist ein durchdachtes Ambisonics-Mikrofon, das sich von der Konkurrenz vor allem durch seine hohe räumliche Auflösung absetzt. Dank Ambisonics zweiter Ordnung erfasst es das Schallfeld sehr präzise und eröffnet komplexe Möglichkeiten der Nachbearbeitung. Gleichwohl gehen diese mit einem etwas höherem Grundrauschen einher, das die acht Elektret-Kapseln erzeugen. Clevere Algorithmen helfen, Rauschanteile zu unterdrücken; allerdings lassen sie den Klang »bearbeitet« erscheinen – da klingen einige Konkurrenten wie das NT-SF1 von Røde oder das Sennheiser AMBEOVR Mic natürlicher. Streiten kann man sich auch über die mechanische Ausführung: Das Gehäuse in Leichtbauweise ist empfindlich für Handling-Geräusche; gleichwohl wirkt das Space Mic ausreichend robust und ist sehr transportfreundlich. Die Stärken des Voyage Audio Space Mic liegen m. E. im Bereich Sounddesign und Virtual Reality sowie generell in Bereichen, wo Separation und Nachbearbeitungsmöglichkeiten wichtiger sind als absolute High Fidelity. In diesem Anwendungsbereich ist auch die Einbindung über USB von großem Vorteil: einstöpseln – loslegen!

Voyage Audio Spatial Mic (Bild: Dr. Andreas Hau)

 

Hersteller/Vertrieb: Voyage Audio / Mega Audio

Unverbindliche Preisempfehlung: 1.024,– Euro

Internet: www.voyage.audiowww.megaaudio.de

Unsere Meinung:

+++ Ambisonics zweiter Ordnung mit hoher räumlicher Auflösung
++ doppelte Schnittstellenausstattung: USB und ADAT
++ einfache Handhabung
– empfindlich für Handling-Geräusche
– Integration in ein Studio-Setup schwierig

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