Die texanische Firma Warm Audio hat sich auf die Fahnen geschrieben, klassische Studiotechnik für jedermann erschwinglich zu machen. Mit Preamps im API-Stil und einem waschechten 1176-Clone ist ihr das bereits bestens gelungen. Nun hat sich Warm Audio an eine weitere Legende gewagt, den Pultec-EQ.
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Wenn es noch eines Beweises bedürfe, dass die Zeit kreisförmig verläuft, dann wäre er in diesem Karton: ein 19-Zoll-Gerät, das aus den 50ern oder 60ern stammen könnte und doch einer der Stars der NAMM Show im Januar 2015 war. Im Netz herrschte sogleich helle Erregung. Ein klassischer Pultec-style EQ für deutlich unter 1.000 Euro? Oha! Ein echter EQP-1A von Pulse Techniques − die Firma wurde vor wenigen Jahren wiederbelebt und fertigt diesen Kultklassiker wieder nach Orginalrezeptur − kostet mal eben das Vierfache!
Auf den ersten Blick sieht man dem Warm Audio EQP-WA das drastisch gesenkte Preisniveau nicht an. Das geschmackvolle Grau-Blau der Frontplatte gibt dem Gerät den gewissen Nierentisch-Charme, die Regler und Stufenschalter sind schön groß und griffig. Erst bei genauerer Betrachtung entdeckt man Risse im Raum/Zeit-Kontinuum: Statt einer klassischen Pilot-Lampe dient eine dicke rote LED als Betriebsanzeige − als der originale EQP-1 Mitte der 1950er erschien, waren Leuchtdioden noch Science-Fiction! Ebenfalls nicht ganz stilecht sind der schmächtige Netzschalter und die Stufenrasterung der Potis. Es besteht zudem der dringende Verdacht, dass die dicken schwarzen Knöpfe nicht aus Bakelit, sondern aus Plastik bestehen (die Pathologen von CSI Cologne ermitteln). Aber sonst ein properes Kerlchen!
Was´n?
Für die wenigen Leser, die nicht bereits seit den 50ern durch Aufnahmestudios tingeln, sollten wir vielleicht kurz klären, womit wir es überhaupt zu tun haben. Das unverkennbare Vorbild des Warm Audio EQP-WA ist der EQP-1A von Pulse Techniques, kurz Pultec. Ursprünglich wurde dieser Equalizer für die Telekommunikationsbranche entwickelt, um die Sprachqualität von Telefonübertragungen zu verbessern. Schon bald wurde er aber auch von Aufnahmestudios entdeckt. Denn er eignete sich ausgezeichnet zur Kompen – sation der mit Magnetband einhergehenden Kopierverluste sowie zur kreativen Klanggestaltung.
“Sweetening-EQ” ist ein treffender Begriff für den Pultec: Nicht das schmalbandige Herausfiltern, sondern vielmehr das Abrunden eines Signals steht im Vordergrund. Mehr Fundament in der Kick, mehr Grip für Gitarren, schön klingender Glanz auf Lead-Vocals, für diese Aufgaben ist solch ein EQ ein tolles Werkzeug. Kein braves Arbeitstier, sondern ein Charaktergerät, von dem man immer mal wieder überrascht wird − und eigentlich immer positiv.
In den 70ern wurden diese unhandlichen Pultec-EQs von Opamp-basierten ParametricEQs verdrängt, die weit umfangreichere Regelmöglichkeiten bei drastisch reduziertem Platzbedarf boten und sich leicht in jeden Mischpultkanal integrieren ließen. Was man in jener Space-Age-Euphorie jedoch übersah, war, dass diese allmächtigen Parametric-EQs trotz guter technischer Daten nicht annähernd die (subjektive) Klangqualität ihrer Vorgänger erreichten, die selbst bei kräftigen Eingriffen bemerkenswert natürlich klangen.
Als audiotechnische Geheimwaffe wiederentdeckt wurde der Pultec-EQ erst Mitte der 1980er, als die Firma Pulse Techniques längst ihre Pforten geschlossen hatte. Eingeleitet wurde das Revival durch die dänische Firma Tube-Tech, deren PultecClone sofort rasanten Absatz fand; später folgten viele weitere Firmen wie Mercury Audio und Manley.
Massenkompatibel: Warm Audios Pultec-Clone unterscheidet sich in einigen Punkten vom Original, besteht jedoch aus guten Bauteilen und ist ordentlich verarbeitet, aber im Sinne moderner Fertigungsökonomie gestreamlined. Wir sehen zahlreiche Steckkabel, die die Potis und Schalter mit den Platinen verbinden. Das sieht nicht unbedingt »vintage« aus, hilft aber, die Fertigungskosten und damit den Kaufpreis zu reduzieren.
Texas Style
Schauen wir uns Warm Audios BudgetRemake mal näher an. Die Anordnung der Bedienelemente folgt dem Pultec-Original; als einzige Veränderungen wurde das Tiefenband um drei zusätzliche Einsatzfrequenzen nach oben erweitert, sodass nun sieben Schaltstufen zur Wahl stehen (20, 30, 60, 100, 200, 400 und 800 Hz). Das High-Cut-Band, das im Original nur die drei Schaltstufen 20, 10 und 5 kHz hat, wurde um die Schaltstufen 3 und 4 kHz nach unten erweitert. Somit sind noch drastischere Eingriffe möglich, die man z. B. für elektronische Sounds gut gebrauchen könnte. Historiker werden zudem feststellen, dass die alten Kürzel “CPS” (cycles per second) und “KCS” (kilocycles per second) durch die heute üblichen »Hz« und »kHz« ersetzt wurden. Sonst alles beim Alten.
Das Gehäuse macht einen robusten Eindruck. Im Gegensatz zum Warm Audio 1176-Clone WA76 wurde das Netzteil nicht ausgelagert. Was auch schwerlich möglich gewesen wäre, da es sich beim EQP-WA um ein Vollröhrengerät handelt. Elektronenröhren benötigen ja zwei Betriebsspannungen, eine niedrige mit hohem Strombedarf für die Heizdrähte und eine sehr hohe Spannung, oft einige Hundert Volt, für die Anodenspeisung. Mit einer üblichen 12-Volt-Wandwarze ist das kaum zu machen. Die rückseitigen Anschlüsse sind doppelt ausgeführt als XLR- und Klinkenbuchsen (parallel verdrahtet). Um Missverständnisse gleich aus dem Weg zu Räumen: Beim EQP-WA handelt es sich um ein Mono-Gerät!
Praxis
Schon beim ersten Antesten gefällt die hohe Audioqualität. Der EQP-WA ist keine Fuzzbox und kein Spielzeug, sondern ein ernst zu nehmendes Audiowerkzeug. Rauschen und Verzerrungen sind bei korrekter Aussteuerung kein Thema. Die Frequenzwiedergabe ist weder in den Bässen noch in den Höhen beschnitten; wie ich mit dem Signalgenerator feststellen konnte, reicht die Höhenwiedergabe sogar bis weit über den Hörbereich hinaus. Was übrigens nicht für alle Plug ins zutrifft, so zeigt etwa Universal Audios neuere Pultec Emulation − auch in höheren Abtastraten − einen steilen Abfall oberhalb von 20 kHz (die ältere “Legacy”-Version ist nicht bandbreitenbegrenzt).
Weniger gut gefällt mir beim Warm Audio EQP-WA die drastische Wirkungsweise des Cut-Reglers im Tiefenband. Bei Reglerstellungen oberhalb von “3” wurde das Klangbild meist schon merklich dünn, selbst in den unteren Frequenzeinstellungen 20, 30 und 60 Hz. Ob sich das bei einem echten Pultec auch so verhält, kann ich mangels eines Vergleichsgeräts nicht mit Bestimmtheit sagen. Alle mir bekannten Plugin-Emulationen gehen im Bass jedoch sanfter zu Werke.
Von den Frequenzangaben auf der Frontplatte sollte man sich übrigens nicht zu sehr leiten lassen. Gerade im Tiefenband greifen die Filter sehr breitbandig bis weit in die oberen Bässe und Tiefmitten − beim EQP-WA wie den Plugin-Emulationen gleichermaßen. Einen Pultec-EQ sollte man rein nach Gehör einstellen. Nur so entdeckt man auch den beliebten Bass-Trick, wo man in der 30- oder 60-Hz-Stellung gleichzeitig anhebt und absenkt. Da die Wirkung beider Filter nicht symmetrisch ist, werden die tiefen Bässe angehoben und die unteren Mitten bei 300 − 400 Hz abgesenkt. Genau das braucht eine Bassdrum für den korrekten Wumms. Der EQP-WA beherrscht diesen Trick noch ein bisschen besser als die Software-Emulationen; die Entschlackung der Tiefmitten ist deutlich ausgeprägter.
Vielleicht noch berühmter als für seinen satten, gleichzeitig konturierten Bass ist der Pultec-EQ für sein außergewöhnlich offen und seidig klingendes Höhenband. Warm Audios Hardware-Clone macht auch hier eine sehr gute Figur. Selbst bei starken Anhebungen wirkt das Klangbild natürlich und subjektiv “richtig”. Pultecs sind »Entzerrer« im eigentlichen Wortsinn. Kaum ein anderer EQ kann etwas verhaltene Höhen so wunderbar öffnen. Pultec-EQs sind somit auch perfekte Partner für Bändchen-Mikros, die fast immer einen kräftigen Treble-Lift vertragen können (ebenso wie eine breitbandige Reduktion im Low-Band zur Kompensation des Nahbesprechungseffekts).
Der Warm Audio EQP-WA gefiel mir auch in dieser Funktion besser als die Plugin-Emulationen, mit denen ich vergleichen konnte, zumal man ihn gleich bei der Aufnahme verwenden kann. Am ehesten das Wasser reichen konnte ihm Softubes Plugin-Version des Tube-Tech EQP-1C (eigentlich die Emulation eines Clones). Durchweg erschien mir das Klangbild des Warm Audio EQP-WA natürlicher und lebhafter, weniger statisch als das der Plugin-Emulationen. Am deutlichsten hörbar war dies bei Aufnahmen mit Bändchenmikros; beim Processing im Mix stellte sich mir der Unterschied zwischen Hardware und Software weniger krass dar als zuletzt beim Warm Audios 1176-Clone WA76. Wobei der Vergleich nicht ganz einfach ist, da alle Probanden bei gleichen Reglerstellungen unterschiedlich klingen. Für einen fairen Vergleich muss sich also nach Gehör herantasten. Dabei schien die Wirkung von Warm Audios Hardware-Clone am intensivsten und: Während ich an den Plugins länger hin und her regelte, fiel es mir beim EQP-WA stets leicht, mich zügig für ein Setting zu entscheiden.
Wer den Vergleich selbst machen möchte, sollte auf Pegelgleichheit achten. Pegelneutral verhielt sich in meinen Tests nur das Tube-Tech EQP-1C-Plugin von Softube. Universal Audios Pultec-Emulationen heben den Pegel um rund 1 dB an, während der Warm Audio EQP-WA − zumindest das Testgerät − im aktivierten Zustand 1,5 dB leiser ist als im Bypass. Was für die Justage natürlich hinderlich ist, da man seine EQ-Einstellung mit einem etwas lauteren Signal vergleicht. Das sollte Warm Audio abstellen oder aber einen Trim-Regler einbauen.
Fazit
Warm Audios EQP-WA ist trotz des günstigen Preises ein seriöses Stück Audiotechnik. Zwar ist dieser Pultec-Clone ist nicht in jedem Punkt hundertprozentig originalgetreu, doch sind die Bauteile von guter bis sehr guter Qualität, und auch wenn das Gerät fertigungstechnisch ökonomisiert wurde, gibt es an der Verarbeitung nichts auszusetzen. Wer auf Originalität und das letzte Quäntchen Schönklang Wert legt, sollte sein Automobil zu Geld machen und sich die etwa viermal so teure Reissue von Pulse Techniques gönnen. Alle anderen dürfen sich freuen, in Warm Audios Clone eine bezahlbare Hardware-Alternative zu finden, die selbst den besten Plugin-Emulationen an Lebendigkeit und Authentizität überlegen ist. Sammlerstück? Nein. Arbeitsgerät? Aber ja!
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