In der Folge 75 unseres Podcasts war Akustikspezialist Markus Bertram von mbakustik zu Gast. Mit ihm haben wir über die Planung und den Bau der kürzlich fertiggestellten CUPRA Music Labs Studios in Frankfurt am Main gesprochen. In einer Büroimmobilie mitten im Westend entstanden dabei fünf Regieräume und eine Vocal-Booth.
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Das Team von mbakustik war für die Planung des akustischen Ausbaus, die Realisierung der Schallschutzschalen sowie den raumakustischen Ausbau verantwortlich und hat die Inbetriebnahme des Studios begleitet. Im Interview dokumentiert Markus Schritt für Schritt die Entstehung des Studios, angefangen von der Herangehensweise, der Planung bis über den akustischen Ausbau und Messungen hin zur Fertigstellung.
Markus, kannst du uns einen Überblick über das Projekt geben?
Das Studio liegt in der sechsten Etage eines älteren und mehrgeschossigen Bürogebäudes im Bankenviertel von Frankfurt. Auf der Etage waren vorher Büroräume. Die Etage, die an drei Seiten verglast ist, wurde dann komplett entkernt.
Unsere erste Aufgabe war es, einen geometrischen Entwurf zu erstellen und zu überlegen, wie viele Räume wir da reinbekommen, wie groß diese sein können und wie sie sich orientieren. Und eine Regie braucht ja auch eine bestimmte Form. Sie soll stereosymmetrisch sein, damit ein gutes Stereobild entsteht. Es soll eine Symmetrie-Achse im Raum geben, sodass, wenn man den Plan in der Mitte faltet, die linke und die rechte Hälfte genau übereinander liegen. Es soll aber auch kein Quader-förmiger Raum sein, um verschiedene Resonanzeffekte zu minimieren. Besonders für die größeren Regien gab es bereits Ideen, wie deren Geometrie aussehen könnte.
Dann haben wir angefangen, die Räume auf dem Plan anzuordnen und uns dabei schon intensiv mit der Anzahl der Räume auseinandergesetzt. In dem Fall hatten wir dann einen großen, zwei mittlere und zwei kleinere Regieräume. Dazu gibt es eine Vocal-Booth. Außerdem gibt es einen Aufenthaltsraum, der als Writing- & Kreativ-Raum genutzt werden kann, den wir geometrisch mit eingeplant haben, in dem wir aber nicht für die Akustik verantwortlich waren.
Mit welchen Tools arbeitet ihr, um solche Zeichnungen zu erstellen?
Wir arbeiten mit ganz normalen CAD-Programmen. Früher haben wir viel mit Auto CAD gearbeitet, mittlerweile arbeiten wir fast nur noch mit SketchUp. Die Software ist viel intuitiver, gerade was 3D angeht, und bedeutet für uns einen großen Zeitgewinn. Wir haben auch ein paar Plug-ins dafür selbst geschrieben, sodass wir in der Software ein paar Zusatzfunktionen haben, die auf unsere akustischen Bedürfnisse zugeschnitten sind.
(Bild: REBEL Productions GmbH (Stephan Redel))
Wie sieht die Raumaufteilung in den CUPRA Music Labs Studios am Ende aus, und welche Besonderheiten gab es bei der Planung?
Auftraggeber war SDM (Stefan Dabruck Management; Anm.d.Aut.), die sich auf Dance ausgerichtet und Künstler wie Robin Schulz, Alle Farben und Hugel unter Vertrag haben. Dort passieren 99 Prozent in der Regie. Die Vorgabe war: Wir brauchen eine repräsentative Regie auf internationalem Studio-Niveau, die zentral sitzt. Und es war auch wichtig, dass man, wenn man in der Regie sitzt, auch erkennt, dass man in Frankfurt ist. Die Regie ist deshalb so ausgerichtet, dass man durch das Fenster die Skyline von Frankfurt sieht, was gerade auch nachts cool aussieht.
Dann haben wir uns überlegt, wo wir die anderen Räume im Stockwerk verteilen. Wir hatten zum Schluss sieben oder acht Entwürfe, bis wir eine Geometrie gefunden haben, die gut passt.
Gibt es akustische Parameter und Messwerte, die man im Vorfeld erreichen möchte? Und wie unterscheiden sie sich zwischen Regie und Aufnahmeraum?
Grundsätzlich und unabhängig von diesem Projekt gibt es für mich ganz unterschiedliche Herangehensweisen an Regie- und Aufnahmeräume. Ein Regieraum ist ein Raum, in dem ich ein möglichst unverfälschtes und authentisches Abbild von dem hören kann, was ich gerade bearbeite. Dazu gehören dann die Lautsprecher und ihre Position sowie das, was sich zwischen den Lautsprechern und den Ohren befindet. Das sollte möglichst so gestaltet sein, dass es den Klang authentisch widerspiegelt.
Das Erste ist dann ein linearer Frequenzgang, das Zweite eine Ortsunabhängigkeit, damit ich keine starken Klangverfälschungen habe, sobald ich mich nach vorne oder hinten bewege. Drittens ein kurzes Ausschwingen des Raumes vor allem im Bassbereich – das nennen wir Low-Frequency-Decay. Bedeutet, dass es bei den Grundmoden nicht lange nachdröhnt. Im mittleren und oberen Frequenzbereich würden wir das Nachhallzeit nennen. Zumindest für den Frequenzgang und die Nachhallzeit gibt es gewisse Anforderungen, Richtlinien oder Werte für Regieräume, beispielsweise von der EBU, European Broadcast Union. Die haben Werte herausgegeben, die solche Regieräume erfüllen müssten. Das bedeutet aber nicht, dass das in jedem Fall immer notwendig ist.
Ein idealer Aufnahmeraum dagegen ist für mich eher wie eine Art Klangwerkstatt oder Klanglabor, wo ich die Möglichkeit habe, ganz viele unterschiedliche Dinge zu realisieren. Ich als Akustiker kann beispielsweise nicht sagen, dass es falsch ist, eine Gitarre mit Kammfilter aufzunehmen. Es gibt viele Akustikgitarren, die im Badezimmer mit Kacheln aufgenommen wurden. Natürlich ist das falsch im Sinne einer authentischen Reproduktion des Gitarren-Sounds, aber wenn es gut klingt, ist es halt Kunst. Und da gibt es im Aufnahmeraum auch kein »richtig« und kein »falsch«, solange man einen Regieraum hat, der so linear ist, dass man beurteilen kann, was im Aufnahmeraum passiert.
In diesem Studio wird aber nicht mit Sounds experimentiert, da geht es vor allem darum, Vocals in einer amtlichen Qualität aufzunehmen. In dem Fall darf die Vocal-Booth relativ klein sein. Die ist sehr verwinkelt, hat keine parallelen Wände, hat sehr viel Glasfläche und deshalb auch sehr viele Vorhänge. Damit geben wir jedem Produzenten und Engineer die Möglichkeit zu entscheiden, ob es sich hier um eine Gesangsprobe handelt, wo man durch die Skyline inspiriert wird und das Material nicht elementar für die Produktion ist, oder ob das der finale Take ist. Die Vorhänge können zugezogen oder geöffnet werden, je nachdem, ob man die Reflexionen durch die Fenster möchte oder nicht. Hier gibt es noch eine Bassfalle, die das Rumpeln entfernt. Für diesen Zweck ist man in dem Raum sehr schnell sehr weit.
Wie sah es mit der Planung von Lüftung- und Klimaanlage sowie der Heizung aus?
Wir arbeiten oft mit entsprechenden Unternehmen zusammen, die sich darum kümmern. Und wir bringen dann unser Akustik-Know-how mit rein. In dem Fall hatte der Kunde bereits einen Fachplaner engagiert, mit dem wir dann eng zusammengearbeitet haben.
In dem Studio wurde eine lautlose Technik installiert, die sich Konvektionskühlung nennt. Ein Heizkörper ist beispielsweise ein Konvektionswärmer. Das heißt, ein Heizkörper wird mit warmem Wasser betrieben, und die Luft um den Heizkörper wird erwärmt, zirkuliert, und der Raum wird warm. Ein Konvektionskühler wird mit kaltem Wasser bzw. einem Kühlmittel betrieben. Der Vorteil ist, dass es keine Lüftergeräusche gibt. Das Problem ist nur, dass man dafür sehr große Flächen braucht, da es nicht so effektiv wie eine Klimaanlage ist. Und normalerweise hat man diese Flächen im Studio nicht, da man ja Absorber, Bassfallen und Diffusoren großflächig verteilen muss. Diese Kühlung haben wir in den raumakustischen Ausbau integriert. Auf den Rohbauwänden sitzen zuerst diese Kühlelemente, die Raumakustik haben wir davorgesetzt, die oben und unten mit Lüftungskanälen versehen wurden, damit die Luft hinter der Raumakustik an den Konvektoren vorbeiströmt. Das war nicht unaufwendig, funktioniert aber sehr gut!
Bei der Immobilie handelt es sich um ein Bürogebäude. Das bedeutet, dass in den Etagen über und unter dem Studio in Büros gearbeitet wird. Wie sieht hier der Schallschutz aus, um die Leute dort nicht zu stören, und welche Rolle spielte dabei die Statik?
Der Statiker ist ein natürlicher Feind des Akustikers! (lacht) All das, was wir machen, funktioniert besonders gut, wenn es schwer ist. Alle Schallschutzelemente bauen wir grundsätzlich so schwer wie möglich, damit sie besonders effektiv sind. Und das betrifft natürlich auch den Boden. Ein normaler Fußboden ist so aufgebaut, dass es eine Geschossfläche gibt, im Erdgeschoss wäre das direkt das Fundament, wenn es keinen Keller gibt. Darauf befindet sich eine Dämmschicht, und darauf normalerweise ein Zementestrich. Das war hier auch so; der Zementestrich war allerdings akustisch nicht so, wie wir ihn uns gewünscht haben. Deshalb wurde er rausgeschmissen. Hier ist der Statiker gefragt, der sagt: »Klar, ihr könnt einen neuen Zementestrich reinmachen, aber es gibt sta tische Beschränkungen, und er darf nicht schwerer sein als ein bestimmter Wert.« Dann berechnen wir, wieviel Estrich wir noch legen dürfen. Da gibt es dann Werte vom Statiker, die sagen, wieviel Last man pro Quadratmeter noch einbringen kann.
Natürlich spielte hier auch der Körperschall eine wichtige Rolle, der sich vor allem auf das Stockwerk darunter auswirkt. Gleichzeitig haben wir alles getan, um den Estrich so gut hinzubekommen, ohne die maximal erlaubten Belastungen des Statikers zu überschreiten. Das haben wir mit einer besonderen Federung bzw. einem federnden Material gemacht. Das geht zwar auch mit Stahlfedern, die Konstruktionen sind allerdings wesentlich schwerer. Das hat sehr gut funktioniert, und auf das Ergebnis sind wir auch sehr stolz.
Wichtig ist bei einem Estrich die Resonanzfrequenz, die proportional mit der Masse des Estrichs und der Steifigkeit der Feder verknüpft ist. Wenn wir die Masse des Estrichs beispielsweise halbieren, müssen wir die Steifigkeit der Feder auch halbieren. Wichtig ist auch, dass der Estrich keinen Kontakt zu Wänden hat und frei schwingen kann, sodass man die Federung darunter im Griff hat.
Wie sah der bauakustische Ausbau aus?
Fünf Studioräume sind komplette Raum-in-Raum-Konstruktionen. Das heißt, die Wände stehen frei, haben keinen Kontakt zum Bestandsbau, außer an den Stellen, an denen wir den Kontakt genau kennen. Eine Wandvorsatzschale wird unten auf den Rohboden gestellt, darunter gibt es ein Körperschall-isolierendes Material, was wir auch genau nach Masse der Wand auswählen. Die Decke wird von der Bestandsdecke abgehängt. Die Abhängung funktioniert ebenfalls über kleine Federn. Dann gibt es noch den Estrich, der reingegossen wird. Diese drei Bauteile sind komplett dicht.
Wie sieht die Beschaffenheit der Oberflächen in den Räumen aus?
Meistens arbeiten wir mit Trockenbau, wie in diesem Fall auch. Das heißt, wenn der Trockenbau ab geschlossen ist, gibt es einen Gipskarton oder Gips faserplatten als Oberfläche. Das ist der bauakustische Abschnitt, die zweite Phase der Planung. Da wird überlegt, wie der Schallschutz gewährleistet wird. Der ist dann abgeschlossen, wenn der Trockenbau sowie Fenster und Türen drin sind. Die dritte Phase ist der raumakustische Ausbau, der vorher schon geplant wird. Hier geht es darum, dass die Räume leise sind, sich nicht gegenseitig stören und auch noch so klingen, wie wir das wollen. Da gibt es ein weites Feld an Prinzipien, Produkten und Konstruktionen, die man einsetzen kann.
In den drei größeren Studios haben wir ein System eingebaut, was wir »Akustik Design System« nennen. Das ist im Grunde ein individueller Ausbau des Raumes, bei dem die Oberflächen komplett bedeckt sind. D. h., man sieht von der ursprünglichen Wand nichts mehr, und die Konstruktion ist beispielsweise komplett mit einem Stoff bespannt. Das ist sowohl akustisch optimal als auch gestalterisch schön. In den anderen Räumen haben wir mit Breitbandabsorbern gearbeitet. Dort sind einzelne Module an die Decken und Wände gekommen. Hier sind auch Standard- Diffusoren installiert worden, wie beispielsweise von RPG aus der Skyline-Serie oder natürlich auch welche von uns.
(Bild: REBEL Productions GmbH (Stephan Redel))
Wann werden Messungen gemacht und welche?
Wir messen sehr früh schon im Rohbau und spätestens, wenn die Raum-In-Raum-Konstruktion steht oder wir einen Raum haben, in den ein Studio reingebaut wird. Dann ist der leere Raum schon der Startpunkt für die Messung. Da machen wir eine Modal-Analyse, wo wir die Eigenmoden des Raumes analysieren. Die Eigenmoden sind Resonanzfrequenzen, die es in jedem Raum gibt. In einem quaderförmigen Raum können wir diese berechnen, in einem nicht quaderförmigen Raum maximal abschätzen. Diese Frequenzen prägen das Bassverhalten eines Raumes ganz entscheidend. Selbst wenn wir die Lage der Resonanzfrequenzen in einem quaderförmigen Raum ausrechnen – erste Längsmode beispielsweise bei 37 Hz –, dann wissen wir aber noch nicht, wie stark die Front- und Rückwand bei diesen 37 Hz mitschwingt. Wenn wir das beantworten wollen, müssten wir genau wissen, wie viele Schrauben mit wie viel Nm an welcher Gipskartonplatte angebracht sind. Das ist Quatsch, bekommt man nicht hin. Also machen wir eine Messung, um heraus zufinden, wo diese Eigenmoden liegen, wie stark der Raum bei den Frequenzen mitschwingt und wie problematisch die Eigenmoden an der Abhörposition sind. Die Modal-Analyse ist praktisch die Bestands-Analyse.
Bei der Modal-Analyse stellen wir einen Subwoofer in den Raum und messen die Antwort des Raumes auf dieses Signal. Mit Bordmitteln kann das jeder selbst machen. Man braucht eine Software, die kostenlos ist, wie beispielsweise Room EQ Wizard, man braucht ein Messmikrofon, wo es schon günstige gibt, ein Audio-Interface, und das war’s. Dort kann man sich dann den Frequenzganz, die Nachhallzeit, Low Frequency Decay und vieles mehr anschauen. Mit einer Messung kann man diese Infos alle rausholen.
Die letzte Messung ist dann das Feintuning. Die wird gemacht, wenn alles fertig ist, um Lautsprecherpositionen, Einstellungen am Lautsprecher selbst, Korrekturfilter, Bassmanagement und Co abzustimmen. An der habe ich besonders viel Freude, weil es dann auch schön ist, wenn man da nochmal effizient was rausholen kann. Beim Feintuning geben wir dann auf die Studiomonitore, also die Lautsprecher, die im Raum stehen, ein Signal und messen, was an der Abhörposition ankommt.