Andrew Bolooki über die Arbeit an Old Town Road von Lil Nas X feat. Billy Ray Cyrus
von Paul Tingen; Übersetzung: Konrad Feuerstein ,
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Die Geschichte des Songs Old Town Road von Lil Nas Xhat alles: eine Story à la »vom Tellerwäscher zum Millionär«, Genre-Bending und stilistische Grenzauflösung, Internet-Memes, Kontroversen und unwahrscheinliches Glück. Seine Erfolgsgeschichte ist jetzt schon legendär und wurde als »ein Fenster in die Zukunft der Unterhaltungsindustrie« bezeichnet. Sicherlich ist sie auch der Traum vieler unserer jung-aufstrebenden Leser, die sich möglicherweise in dem 19-jährigen niederländischen Beatmacher Kiowa Roukema aka YoungKio wiedererkennen, der die Grundlage für Old Town Road geschaffen hat.
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Letztes Jahr, als er seine Beats noch in seinem Zimmer im Haus seiner Eltern mit FL Studio baute, war YoungKio so pleite, dass er sparen musste, um seine Werke auf BeatStars posten zu können. Auf der Suche nach etwas Ungewöhnlichem sampelte er Banjos aus dem Nine-Inch-Nails-Stück 34 Ghosts IV und legte einen Trap-Beat darunter. Das Ergebnis veröffentlichte er auf BeatStars – in der Annahme, es sei zu schräg, um es zu verkaufen. Wenig später suchte weit weg in Atlanta ein anderer 19-Jähriger – Montero Lamar Hill aka Lil Nas X – auf BeatStars ebenfalls nach etwas Ungewöhnlichem, um damit ganz groß herauszukommen. Er dachte, ein Mashup aus Trap und Country könnte genau das Richtige sein, und kaufte YoungKios Beat für 30 Dollar. Er nahm mit dem Engineer Cinco seine Stimme zu dem Track auf und veröffentlichte das Stück am 3. Dezember 2018 in Eigenregie.
Um es zu promoten, startete Lil Nas X eine Medienkampagne ohne jegliches Budget. Der Song zog eine unglaubliche Online-Aufmerksamkeit auf sich, und im März 2019 unterschrieb Lil Nas X einen Vertrag mit Columbia, die den Vertrieb des Songs übernahmen und sich um die vertraglichen Details kümmerten – wie die Sample-Klärung mit Trent Reznor (Nine Inch Nails) und die Tantiemen-Beteiligung von YoungKio, der Wind davon bekommen hatte, dass sein Beat für einen großen Hit verwendet worden war.
Erstkontakt
Während der Song noch auf dem Weg an die Spitze der Charts war, plante Columbia bereits weiter, um möglichst schnell zusätzlich eine Alternativ-Version zu veröffentlichen, die das Thema des Trap-Country-Mashups noch erweitert: Das Naheliegendste war, einen bekannten Country-Sänger in den Mix zu werfen. Lil Nas X hatte selbst schon die Idee angesprochen, den Country-Star Billy Ray Cyrus in dem Song zu featuren, und so wurde Cyrus am 16. März vom Columbia-CEO Ron Perry zu einer Songwriting-Session ins Record Plant Studio in Los Angeles eingeladen. An dieser Stelle kommt Andrew »VoxGod« Bolooki in die Geschichte, ein in Los Angeles ansässiger Vocal-Producer, der noch am Anfang seiner Karriere steht, aber schon große Namen wie Linkin Park, Selena Gomez und Fifth Harmony in seiner Creditliste verbuchen kann.
»Am Freitag, den 15. März, bekam ich einen Anruf von Whitney Taber vom Record Plant, die sagte, dass sie einen Engineer brauchte, der superkurzfristig direkt am nächsten Tag für eine Songwriting-Session mit Billy Ray Cyrus einspringt «, erklärt Bolooki. »Ich dachte, dass es eine typische Songwriting-Session für eine Country-Nummer sein würde. Aber als Billy und seine Frau Tish zusammen mit der Songwriterin Jocelyn ›Jozzy‹ Donald auftauchten, sagten sie, sie seien da, um eine Feature-Strophe für einen Song namens Old Town Road zu schreiben und aufzunehmen. Niemand hatte aber irgendwelche Dateien von dem Song dabei, also hörte ich mir die Spotify-Version an, während wir darauf warteten, dass ein Instrumental geschickt wurde.«
Bolooki hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, worauf er sich eingelassen hatte. Es war für ihn der Beginn von zwei Wochen manischer Arbeit, in denen Columbia ihn drängte, so schnell wie möglich eine neue Version von Old Town Road mit Billy Rays Gesang fertigzustellen. Bolooki erinnert sich an einige extreme Situationen: »Es gab Nächte, in denen ich vielleicht 30 Minuten schlief – auf der Couch meinem Studio.«
Vocal-Aufnahme
An dieser Stelle werden sich manche Leser am Kopf kratzen. Da die Originalversion von Old Town Road wie ein unfertiges Demo klingt, für das jemand innerhalb eines Nachmittags Vocals auf einen Beat gepfropft hat, könnte man annehmen, dass die Version mit Billy Ray Cyrus auf ähnliche Art entstanden sei: Cyrus’ Vocals in drei Stunden aufnehmen und aufschrauben – fertig. Der rohe, provisorische Charakter der Originalversion von Old Town Road ist Teil ihres Charmes und ihres Mythos, und entsprechend hat Columbia sich auch bei der Billy-Ray-Cyrus-Version nicht gerade bemüht, dieses Bild zu zerstreuen. Bei genauem Hinhören zeigt sich jedoch, dass der »Remix« mit Billy Ray Cyrus der Originalversion klanglich überlegen ist.
Wie viel Arbeit Bolooki in den Remix investiert hat, lässt sich daran erkennen, dass seine Pro-Tools-Session für Vocal-Produktion und Mix satte 108 Spuren groß ist, mit geschätzt über 300 Plug-ins. Bolooki berichtet, wie die 16 Spuren der Originalversion auf 108 aufgebläht worden sind: »Billy und Jozzy haben sich gegenseitig die Ideen zugespielt und diese Strophe in gefühlten 20 Minuten geschrieben. Nachdem sie den kompositorischen Teil erledigt hatten, legte Jozzy schnell ein Reference-Vocal zur Strophe hin, das schon fast so klang wie jetzt in der fertigen Version, zusammen mit ein paar Background-Harmonien, nur zum Spaß, und dann kam Billy rein und fing an, über ihr Reference-Vocal aufzunehmen. Er hat vielleicht zehn Takes aufgenommen, um herauszufinden, wie er am besten klingt, da er das Gefühl hatte, in dem Stück etwas fehl am Platz zu klingen. Aber Jozzy sagte: ›[Lil] Nas [X] imitiert mehr oder weniger jemanden wie dich, also solltest du wie du selbst klingen!‹ Billy erleuchtete die Vocal-Booth, wie nur eine Legende es kann. Es war wirklich fantastisch, diese Magie einzufangen. Die Session dauerte insgesamt vielleicht drei Stunden, und ich brauchte 30 Minuten, bis ich einen kurzen Comp für Billy machte, um den Track ein paar Mal zu hören, bevor wir Feierabend machten. Alle gingen mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht!«
Nachlegen
»An diesem Punkt war die Engineer-Arbeit, für die ich angeheuert worden war, abgeschlossen, und ich fragte: ›Weiß jemand, was ich damit mache?‹ Niemand wusste es. Jozzys Manager schlug vor, es an den A&R-Manager von Columbia zu senden. Alles, was sie brauchten, war ein rougher Bounce, also lag es nahe, das zu schicken, was ich vorgespielt hatte, bevor alle gingen – schließlich waren sie damit zufrieden. Aber nachdem ich Billy dabei zugesehen hatte, wie er so grandios seinen Job machte, hatte ich das starke Bedürfnis, mir die Strophe nochmal vorzunehmen – so, als hätte man mich gebeten, davon eine Vocal-Produktion zu machen. Also bestellte ich mir Essen, verbrachte weitere zehn Stunden mit meiner Vocal-Produktion und ging jede Nuance jedes Takes durch, um sicherzustellen, dass Billys Strophe wie angegossen auf dem Song saß. Ich habe sie bis 3 Uhr nachts wahrscheinlich zwei- bis dreimal neu gecompt, dann morgens in meinem eigenen Studio weitergemacht, um die Übergänge und den Vocal-Mix zusammenzubauen – ich habe versucht, jedes Wort so aggressiv wie möglich klingen zu lassen. Ich schickte es schließlich an Wes, den A&R-Mann, und seine Reaktion war: ›Ich LIEBE die Strophe!‹
Ein paar Stunden später kam eine weitere Nachricht: ›Hast du zufällig Lust, morgen den Rest des Songs mit Billy aufzunehmen?‹ Diesmal wollten sie also hören, wie Billy den Rest des Songs singt, inklusive aller Parts von Nas, und ich sollte als Vocal-Producer wieder in die Session einsteigen. Meine harte Arbeit hatte sich gelohnt! Ich machte am 19. März eine zweite Session im Record Plant, diesmal nur mit Billy und seiner Frau. Billy war dazu bereit, so lang weiterzuarbeiten, bis wir beide der Meinung waren, mehrere Takes mit passenden Performances zu haben. Er nahm seine Parts auch in verschiedenen Charakteren auf; und dann nahmen wir noch das Summen und Pfeifen auf, eher so nachträglich. Ich sagte: ›Gib mir alles, was du hast‹, denn ich wollte ein paar Optionen haben. Danach bat das Label mich, zwei verschiedene Versionen des Songs zu machen: eine mit nur Billy, der den ganzen Song singt, und eine mit Billy und Nas als Duett.«
Überarbeiten
Auch an diesem Punkt hätte Bolooki einen schnellen Comp aus den Vocals, die er aufgenommen hatte, erstellen und an das Label oder einen Producer schicken können, und das wäre es gewesen. Doch diesmal tauchte er komplett ein. Mit dem Gefühl, hier an etwas Besonderem zu arbeiten, bat er das Label um mehr Zeit und zog sich in sein eigenes Studio zurück. Hier hat er ein Chandler REDD Mikrofon, einen Urei 1176 [Kompressor], ein Apogee Symphony I/O [Audio-Interface], Adams A7X [Monitore] und kleine Genelec-Monitore, dazu mehrere analoge Synths, ein paar Gitarren sowie eine »kick ass Nespresso machine«. Für ungefähr die nächsten zehn Tage wurde das Studio sein Zuhause, in dem er auch schlief.
»Ich sammelte alle Takes von Billy und baute eine Version, in der er das ganze Lied sang; dann machte ich eine Version, die eine Mischung aus Nas und ihm war – weil ich auch jetzt nicht sicher war, was Columbia vorhatte. Da Billy auf so viele verschiedene Arten gesungen hatte, habe ich viel Mixing- und Panning-Automatisierung eingezeichnet, um bestimmte Stimmen für bestimmte Zeilen hervorstechen zu lassen. Es klang einfach unglaublich. Seine Vocals waren magisch; es ist etwas so Authentisches an ihnen, was das Lied klingen lässt, als wäre es ein Film. Für die endgültige Version, die eine Mischung aus seinen und Nas’ Vocals war, brauchte ich sechs oder sieben Tage zum Compen, was echt irre war.«
Finalizing des Songs
Mit Columbia im Nacken, die so schnell wie möglich das fertige Stück von Bolooki haben wollten, tauchte er nun in jene intensive Phase ein, in der er kaum aß oder schlief und einen Eisbeutel für sein Handgelenk brauchte. »Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch die Arbeit an Nas’ Original-Gesangsspuren wieder aufgenommen, da ich sie mit Billys Vocals auf ein Level bringen wollte.
Jedes Mal, wenn das Label um etwas bat, stellte ich sicher, dass ich alle Aspekte bedacht hatte, bevor ich es zurückschickte. Wenn sie mich baten, ein Arrangement zu ändern, entdeckte ich dabei zehn weitere Dinge, an denen ich arbeiten wollte, also würde es immer eine Weile dauern, ihnen die neue Version zu schicken. Zwischen dem Label und mir ging es mehrmals hin und her, um verschiedene Arrangement-Optionen und Mix-Anpassungen durchzugehen. Das war für mich total okay, und ich dachte immer noch, dass es anschließend noch an einen Mixer geschickt würde, um es fertigzustellen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Typ, den sie als Fill-in-Engineer eingestellt hatten und der dann noch zum Vocal-Producer wurde, auch als Produzent und sogar als Mixer fungieren sollte, der sicherstellt, dass das Arrangement des Songs und der Sound jeder Spur auf den Punkt kommen. Aber das ist halt der Deal: Manchmal tut man einfach alles, was nötig ist, um eine Platte fertig zu bekommen – egal, wie man ursprünglich an den Job gekommen ist.
Die meisten Edits und Mixes habe ich an den Adams-Monitoren im Studio durchgeführt, aber die letzten Tweaks und den letzten Bounce habe ich zu Hause mit meinem UAD Apollo Mk2 und meinem Lieblings-Kopfhörer Sony MDR-7506 gemacht, bis ich die Session schließlich am 1. April um 7 Uhr morgens einreichte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch mehr Nächte durchgemacht. Also war ich zu gefühlten 110 % tot und schlief erstmal 16 Stunden am Stück, sobald ich diese WeTransfer-Mail erhalten hatte, die bestätigt, dass die Session hochgeladen worden ist. Der Song erschien am 5. April, und kurz darauf explodierte das Internet.«
Tools
Obwohl Bolookis Geschichten von 30 Minuten Schlaf pro Nacht, Deodorant, Sehnenscheidenentzündung und Eisbeuteln sicherlich einen Teil der Entstehungsgeschichte der Billy-Ray-Cyrus-Version von Old Town Road ausmachen, möchten unsere Leser sicherlich mehr über die technischen Aspekte erfahren: Was genau hast du getan und wie? Per Skype aus L.A. kam der »VoxGod« dem gern nach, indem er einen tiefen Einblick in seine Arbeitsweise gab. Er begann mit den Mikrofonen:
»Mein Lieblingsmikrofon ist das Telefunken ELA M 251. Ich benutze eigentlich nicht besonders gern Vintage-Mikrofone, weil es immer viel Zeit kostet, ihre Anomalien mit dem Pencil-Tool herauszuzeichnen. Allerdings hatte The Record Plant kein 251, also haben wir die eine Seite eines AKG C24 verwendet, das stereo aufnimmt, und es in einen Neve 1073 [Preamp] und dann in den Tube-Tech CL-1B [Kompressor] geschickt. Mit dem 1073-EQ schneide ich das Rumpeln unter 80 Hz weg. Während der Aufnahme fahre ich die meiste Zeit den Output-Regler des 1073. Ich nehme mit ziemlich konservativen Leveln auf und passe manuell das Level an, um alle Takes von Anfang an aufeinander abzustimmen. Wenn ich die Vocals aufnehme, habe ich schon im Kopf, wie ich sie compe. Ich habe eine Vocal-Spur in Pro Tools vorbereitet, und absolut jeder einzelne Take läuft dort durch. Ich sammle im Grunde das gesamte Material über diese eine Spur, und dann compe ich einen Lead, der nur eine lange WAV-Datei ist, ohne irgendwelche Doubles oder Backgrounds. Wenn es überlappende Parts gibt, muss ich sie vielleicht auf verschiedene Spuren legen. Aber weitestgehend ist mein erstes Ziel, ein einziges langes Lead-Vocal-Comp zu bekommen.
Ich compe nur mit einem Clicktrack, und manchmal lege ich einen Tiefpassfilter auf den Beat, der bei sehr niedriger Lautstärke spielt, sodass man nur die Bässe im Hintergrund hört. Ich habe sehr wenig oder gar kein AutoTune und keine Effekte auf den Vocals, denn ohne AutoTune ist es einfacher zu compen. Die Stimme ist also völlig trocken, außer, dass ich eine Tonne Kompression hinzugebe, um die Raum- und Mikrofongeräusche zu verstärken. Wenn man beim Compen nur das High-End von den Vocals kommen lässt, sucht man Takes nicht nur nach Performance, sondern auch nach dem Ton aus, insbesondere, wenn sie hell klingen. Die helleren Takes transportieren oft auch die beste Emotionalität. Sie sind vielleicht rhythmisch oder tonal nicht ganz stimmig, aber diese Dinge sind reparabel. Beim Comping setze ich auch viel Clip-Gaining ein. Wenn man so compt, ist es perfekt, wenn man fertig ist. Wenn man den Gesang nur mit einem Clicktrack gut klingen lässt, weiß man, dass man ihn auf den Punkt produziert hat. Nur sehr wenig EQ ist dafür erforderlich, und dann muss man nur noch ein paar geschmackvolle Effekte hinzufügen, dazu die Gesangsfahrten, Tuning und Timing.«
Workflow
Selbst am Ende seines manischen 15-tägigen Rund-um-die-Uhr-Einsatzes für Old Town Road nahm Bolooki immer noch an, dass das Stück anschließend von jemand anderem gemixt werden würde, »… aber als ich danach fragte, meinte Wes: ›An einem Nummer-1-Hit gibt es nicht mehr viel herumzupfuschen.‹ Trotzdem dachte ich immer noch nicht, dass ich den finalen Mix dieses Riesensongs abliefern würde.«
Bolooki erklärt die enorme Größe der Session zum Teil damit, dass sie aus drei Sessions besteht, die zu einer zusammengefügt worden sind. »Ich hatte eine Billy-Ray-Pro-Tools-Session vom 16. März und eine weitere vom 19. März, dann kombinierte ich diese beiden. Nachdem ich damit fertig war, gab mir das Label Nas’ ursprüngliche Session, die ich dann in meine schon kombinierte Session einbaute. Deshalb gibt es drei Gruppen von Audiospuren, jede mit ihren eigenen Gruppeneffekten.
Ich habe nicht wirklich viel an dem herumgemacht, was sie mir geschickt hatten. Wenn man sich das Original anhört, da gab es einige AutoTune-Anomalien, da das Plug-in einige Noten aus der Skala herausgeschubst hat. Die Tonart des Songs ist ein wenig seltsam, also musste ich eine Automatisierung auf Nas’ AutoTune-Instanzen legen, um bestimmte Noten in bestimmten Passagen zu umgehen, damit AutoTune die Noten nicht falsch zuordnet. Ich habe auch viele Vocal-Rides gemacht und die Lautstärke jeder Phrase angeschoben, damit jedes einzelne Wort kristallklar klingt, und etwas Panning-Automatisierung in den übereinander geschichteten Parts. Sie wollten, dass Billy und Nas in den Pre-Chorussen gleichzeitig singen, und ich wollte verhindern, dass Billys Harmonien die Lead-Vocals von Nas überdecken, also habe ich durch Panning jedem seinen eigenen Raum gegeben.
Auf allen Gesangsspuren von Nas X liegt eine Insert-Effekt-Kette, die aus Antares AutoTune Efx, Avid EQ3 7-Band, Waves SSL Channel, Waves RDeEsser und Waves L2 besteht. Ich habe ein paar Änderungen vorgenommen, auch an einigen der Delay- und Reverb-Sends, aber nichts Irrsinniges. Die Aux-Spur mit dem Air Phaser gab im Pre-Chorus etwas Modulation hinzu; Waves RVox und UAD Precision K-Stereo ließen Nas’ Lead-Vocal etwas mehr hervorstechen.
Der ursprüngliche Engineer, der Nas’ Vocals aufgenommen hat, hatte etwas gemacht, was ich normalerweise nicht tun würde, was aber hier einen großen Unterschied macht. Ich habe es als Trick übernommen: Der Waves L2 am Ende der Effektkette schlägt auf jeder einzelnen Vocal-Spur richtig hart zu. Zuerst dachte ich: Es ist ziemlich extrem, das auf jeder einzelnen Gesangsspur zu bringen, und es bricht alle Regeln für das Gain-Staging. Also nahm ich es weg, bemerkte aber dann, dass er es für den Sättigungseffekt dort platziert hatte und es sehr den Ton der Stimme verbesserte. Es war Teil von Nas’ Sound.«
Billy Ray Cyrus’ Lead-Gesang in der Strophe ist ein Beispiel für die erstaunliche Komplexität von Bolookis Gesangs-Treatments. Das Audiomaterial ist auf fünf Spuren verteilt, vier davon mit der gleichen Insert-Effektkette aus Melodyne, FabFilter Pro-Q3, FabFilter Pro-DS und Waves CLA-76. Die fünfte Spur ersetzt den Pro-DS [DeEsser] durch das Avid ModDelay 3 und gibt ein Send zum RVB2-Aux mit dem SoundToys EffectRack hinzu. Alle fünf Audiospuren sind auf eine Aux-Gruppenspur (35) geroutet, auf der Pro-Q3, Waves C6, RVox, Distresser und SSL-Channelstrip sowie nicht weniger als sieben Sends an Delay- und Reverb-Aux-Spuren und eine weitere Distressor-Aux-Spur liegen. Auffällig ist, dass die Viertel- und Achtel-Delay-Aux-Spuren vier Plug-ins auf dem Insert (Waves H-Delay, Pro-Q3, MetaFlanger und DVerb) und ein Send an das Reverb-Aux des RVB1 haben. Das bedeutet, dass allein die Stimme in der Strophe insgesamt 38 Plug-ins hat!
Bolooki: »Ich habe vor ein paar Jahren mit einem Mixer gesprochen und ihn gefragt, wie er so einen polierten Sound hinbekommt. Er sagte: ›Du kannst nicht einfach ein Plug-in anschmeißen, du musst mehr Kontrolle übernehmen und sicherstellen, dass du die Effekte absichtlich in verschiedenen Einstellungen an verschiedene Orte legst.‹ Es gibt viele Effekte, aber keiner von ihnen ist dominant. Nichts soll dem Songtext und der Vocal-Performance im Weg stehen. Ich hätte wahrscheinlich die Hälfte dieser Effekte löschen können, und es hätte genauso geklungen, aber die Leute mochten es so, wie es war, also habe ich alle so gelassen.
Es war das erste Mal, dass ich die UAD-Distressoren einsetzte und am Ende zwei auf Billys Vocals hatte: einen als Teil seines Lead-Vocal-Aux, einen anderen, viel aggressiver eingestellt, in einer Parallelspur und zurückgemischt in den gleichen Aux. So kickten seine Vocals wirklich ass, und jedes Wort kam kristallklar heraus. Außerdem habe ich den Waves SSL Channelstrip von Nas’ Vocals auch auf einige von Billys Gesangsspuren gelegt, für eine gewisse Homogenität im Klang. Ich habe kein Problem damit, Plug-ins auf Plug-ins zu stapeln. Wenn es besser ist, ist es besser.
Einige der anderen Plug-ins, die ich benutzt habe: Es gibt ein Aux namens ›VoxDoubler‹ mit dem Waves Greg Wells VoiceCentric. Es lässt alles deutlich fertiger wirken und funktioniert parallel gemischt gut. Ich habe auf fast jedem einzelnen Vocal-Bus den Waves C6 Multiband-Kompressor mit dem Preset ›Pooch Vocal‹. Dadurch wird ein Teil des Matschs entfernt. Das Melodyne-Plug-in ist hier ausgegraut, weil ich es vorher schon geprintet habe. Ich benutze auch gerne das Pro-DS und setze es immer vor den CL76 Kompressor, weil ich es für sinnvoll halte, Probleme zu beheben, bevor man die gesamte Spur mit einem Kompressor verstärkt.«
Nachdem er Melodyne erwähnt hat, erläutert Bolooki seine Verwendung des Plug-ins und ebenso die von Antares AutoTune. »Ich benutze normalerweise beides, aber natürlich abhängig vom Song. Bei diesem Song habe ich Auto-Tune auf Billys Strophe gar nicht verwendet. Es macht mich wirklich stolz, wie er in der Kabine alles gegeben hat und wie wenig Tuning nötig war. Das AutoTune, das ich bei einigen seiner Refrain-Spuren verwendet habe, ist extrem subtil und absichtlich auf langsame, automatisierte Retune-Geschwindigkeiten in Verbindung mit automatisierten Bypässen eingestellt, sodass es nur genau dann einsetzt, wenn es benötigt wird, mit einem Minimum an Korrektur.
Ich habe Melodyne benutzt, um das Timing seiner gedoppelten Parts zusammenzuhalten, da sie ja einzeln aufgenommen worden waren. Bei mir ist Melodyne immer das erste Insert, dann EQing, De-Essing, Kompression und dann, falls nötig, AutoTune. Die Standalone-Version von Melodyne benutze ich nicht mehr, weil ich es mag, wenn Melodyne und zugleich AutoTune ineinanderlaufen. Wenn ich AutoTune hinter Melodyne liegen habe, neige ich dazu, die Dinge nicht zu übertunen, denn für mich ist Melodyne im Grunde nur ein Timing-Tool. Pitch-mäßig hat man mit Melodyne mehr Flexibilität als mit AutoTune, aber jedes hat seine eigenen Stärken. Außerdem macht Melodyne die Dinge absichtlich nicht perfekt, das gefällt mir. Also konzentriere ich mich in Melodyne hauptsächlich auf das Timing und lasse AutoTune dahinter eingeschaltet, eingestellt auf eine niedrige Retune-Geschwindigkeit, und ich benutze den Flex-Tune-Regler ziemlich oft, um viel Humanisierung zu ermöglichen.
Nachdem ich fertig war, habe ich alle Spuren eingefroren, sodass die nächste Person die Session ohne Plug-in-Diskrepanzen wiedergeben kann. Nachdem ich die Session an Columbia geschickt hatte, kümmerte sich Joe Grasso um die Finalisierung, und Eric Lagg masterte sie. Als der Song veröffentlicht wurde, hörte ich ihn mir an, verglich ihn mit dem, was ich verschickt hatte, und stelle überrascht fest, dass die veröffentlichte Version identisch und also kein Mixer eingestellt worden war. Anscheinend ist es also möglich, einen Nummer-1-Song mit einem Kopfhörer fertigzustellen.«