Addicted to audio - in a good way!

Audio-Engineer Mick Guzauski im Interview

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(Bild: Markus Thiel)

Michael Jackson, Eric Clapton, The Corrs, BB King, Quincy Jones, Jennifer Lopez, Pharrell Williams, Jamiroquai, Daft Punk … Seine nicht enden wollende Referenzliste liest sich wie das Who-is-Who der internationalen Musikbranche. Mick Guzauski kann aktuell nicht nur auf eine mehr als vier Dekaden umspannende Karriere zurückblicken, sondern zählt auch noch zu einem der gefragtesten Mixheroen der Welt.

Von dem im Keller seines Wohnhauses untergebrachten Studio Barking Doctor Recording in Mount Kisco, New York aus kümmert er sich im Auftrag seiner Klienten um den perfekten Mix hochkarätiger internationaler Top-Produktionen. Wir trafen Mick am Rande der Studioszene 2019 in Köln für ein ausgedehntes Gespräch über seinen Werdegang, Mixphilosophien und die Ups & Downs moderner Workflows in der Audioproduktion.

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Erinnerst du dich noch daran, was dich letztlich bewegt hat, in das Recording-Business einzusteigen?

Das ist wirklich schon lange her und dürfte bis in meine Highschool- oder sogar Junior-High-Zeit zurückgehen. Ich habe Musik immer geliebt, und darüber hinaus faszinierte mich die Art und Weise, wie Platten gemacht wurden. Dazu kam mein Interesse für Elektronik. Irgendwann habe ich dann einfach beides miteinander kombiniert. Ehrlich gesagt, hatte ich tatsächlich keine Ahnung, was genau ich da tat, aber meine Eltern erlaubten mir, ein kleines Studio in unserem Keller einzurichten. Nach und nach begann ich, Demos für lokale Bands und Jingles zu produzieren.

Mein Studio setzte sich dabei zunächst aus selbst repariertem Equipment zusammen, welches ich als defekt für kleines Geld bei einem High-Five-Shop ergatterte, bei dem ich zudem auch noch jobbte. So kam ich unter anderem zu zwei qualitativ gehobenen Hi-Fi-Bandmaschinen – Ampex 960 –, die bereits zur damaligen Zeit schon echt alt waren. Ich nahm über einen Mixer auf der einen Maschine auf, um dann nachher alles zusammen mit den Vocal-Overdubs auf die andere zu bouncen – und hin und her.

Mick Guzauski und Peter Walsh auf der Studioszene 2019 (Bild: Markus Thiel)

Studioszene 2019: Mixing Feedback von Sylvia Massy, Peter Walsh & Mick Guzauski

Du hast also erst mal mit einer Menge DIY-Initiative angefangen?

Ja, mein Mixer war ein komplettes DIY-Projekt. Stück für Stück hat sich eben alles weiterentwickelt und zusammengefügt. Das war halt die analoge Ära und meine später dazugekommen 4-Spur-Bandmaschinen der absolute Standard. In Rochester, New York, wo ich aufwuchs, gab es so etwas wie Aufnahmestudios einfach so gut wie gar nicht. Allerdings kamen auf der anderen Seite aus der Ecke doch ein paar Künstler wie Chuck Mangione, für den ich eine Zeit lang als FOH-Techniker mit auf Tour ging. Genauer gesagt, ging es um FOH und Stage-Monitoring aus derselben Konsole – ganz so hoch entwickelt war das Ganze noch nicht, aber für die damalige Zeit natürlich großartig.

Als sich Chuck dann 1975 entschloss, eine Platte in einem Studio in LA aufzunehmen, fragte er mich, ob ich mir das zutrauen würde. Klar hatte ich schon in einem größeren Studio gearbeitet, aber noch nie in einem Weltklasse-Studio, das war natürlich eine großartige Gelegenheit. Und so nahmen wir eine Platte mit einem 45-köpfigen Orchester bei A&M in Studio A auf, und das Ergebnis war ziemlich gut.

1978 zog ich dann schließlich komplett nach LA und begann vor Ort, Kunden zu akquirieren. Die 70er- und 80er-Jahre waren eine fantastische Zeit in der Audiobranche. Es war die Prä-Homestudio-Ära, und die großen Aufnahmestudios waren echte Treffpunkte der Musik- und Studioszene. Genau das hat letztlich meine Karriere ins Rollen gebracht. Diese intensive Kommunikation unter allen Beteiligten ist etwas, was ich heutzutage wirklich vermisse. Man trifft sich viel zu wenig Face-to-Face, was auch die vielen glücklichen Zufallsbegegnungen unmöglich macht. Ich hätte in der heutigen Zeit wirklich keine Ahnung, wie ich eine Karriere wie meine noch einmal starten sollte.

Man arbeitet heute einfach nicht mehr so konzentriert und kreativ an einem Ort zusammen …

Exakt, jeder arbeitet heute ja bei sich zu Hause. Das betrifft auch mich und meine Kunden. Manchmal kommt zwar schon mal jemand vorbei, aber die meiste Zeit arbeite ich alleine, verschicke meine Mixe und bekomme den einen oder anderen Kommentar dazu zurück, oder man springt gemeinsam noch mal interaktiv online in den Mix. Man braucht heute kaum noch zusätzliche Personen, um einen Mix anzufertigen. Auch wenn der Spaßfaktor bei der gemeinsamen Arbeit früher deutlich höher war, genieße ich das Mixen immer noch sehr.

Der Workflow hat sich schon enorm verändert …

Definitiv, aber es geschah ja auch nicht über Nacht. Veränderungen sind ja ein eher schleichender Prozess. Diese Veränderungen brachten es aber auch mit sich, dass meine Arbeit mittlerweile zu fast 90 Prozent aus Mixen besteht. Der ursprüngliche Studioprozess, das gemeinsame Aufnehmen und die Session-Kultur bleiben so allmählich auf der Strecke. Ab und zu gibt es noch solche Situationen, in denen die gesamte Band quasi live – mit nur wenigen Overdubs – im Studio aufnimmt, aber dieser Old-School-Style ist wirklich selten geworden.

Ich stelle mir vor, dass es auch von der psychologischen Seite her schwieriger geworden ist. Wie gehst du damit um, dass dir beim Mixing sozusagen die gesamte Entstehungsgeschichte der Aufnahmen – ein vormals vollkommen natürlicher Teil des Gesamtprozesses – quasi unbekannt ist?

Heute bekomme ich in der Regel lediglich die Tracks und vielleicht noch einen Rough-Mix zugeschickt, um in etwa zu wissen, wohin es gehen soll. Letztlich ist es aber mein Job herauszufinden, um was es bei der Produktion eigentlich geht. Was mir in dem Zusammenhang oft bei der Arbeit fehlt, ist das unmittelbare Feedback. Bei meinem Job bedeutet das, dass ich erst im Anschluss an den Mix überhaupt ein erstes Feedback erhalte. Am Ende schickt man Material und Kommentare dazu so lange hin und her, bis es schließlich passt.

Wie bereitest du dich auf Künstler*innen vor, mit denen du vorher noch nie gearbeitet hast? Braucht es für dich da erstmal einen persönlichen Kontakt oder ein Treffen, um ein Gefühl für den/die Künstler* in und das Projekt zu bekommen?

Meistens reicht es zu telefonieren. Um ehrlich zu sein, habe ich eine Menge von Künstlern, mit denen ich regelmäßig arbeite, noch nie persönlich gesehen. Das trifft zum Beispiel auch auf Jay von Jamiroquai zu. Obwohl ich ein komplettes Album für ihn gemixt habe, sind wir uns Face-to-Face noch nie begegnet – dennoch hatten wir eine super Kommunikation und jede Menge Spaß bei der Produktion. Es ist eine echte Online-Freundschaft daraus entstanden. (lacht)

“DIE 70ER- UND 80ER-JAHRE WAREN […] DIE PRÄ-HOMESTUDIO-ÄRA, UND DIE GROSSEN AUFNAHMESTUDIOS WAREN ECHTE TREFFPUNKTE DER MUSIK- UND STUDIOSZENE.”

Welche Konsole nutzt du aktuell in deinem Studio?

Ich setzte eine Avid S6 zusammen mit einer Pro-Tools-Installation ein. Das spart mir bei der Arbeit jede Menge Zeit, da ich für kleinere Änderungen ohne großen Aufwand von einem ins andere Projekt wechseln kann. Das können je nach Feedback-Situation und eintreffenden Änderungswünschen sechs oder sieben verschiedene Sessions am Tag sein. So was würde outside-the-box gar nicht mehr funktionieren.

Nutzt du noch analoges Outboard-Equipment als Ergänzung?

Sehr, sehr selten. Ich nutze einen Bricasti Reverb – zum einen, da ich ihn wirklich mag, und zum anderen, weil ich immer noch kein Plug-in kenne, das in der Lage wäre, etwas Ähnliches zu leisten. Durch die zugehörige Remote-Software fühlt es sich innerhalb der Session allerdings fast so an wie ein Plug-in. Es ist einfach perfekt integriert. Ab und an setze ich Hardware von Manley in meinen Sessions ein, zum Beispiel den Massive Passive oder den Nu Mu Kompressor. Aber der Großteil spielt sich in der DAW ab und wird mit Plug-ins – darunter viele von Universal Audio – abgedeckt.

Hast du eine generelle Herangehensweise an ein Mixing-Projekt? So etwas wie einen Guzauski-Stil oder -Sound?

Tatsächlich behaupten das viele! Ich würde allerdings von mir sagen, dass ich versuche, genau das nicht zu haben. Viele fragen mich auch, wie ich diese räumliche Tiefe in meinen Mix bekomme. Natürlich hat das mit verschiedenen Hall-Plug-ins zu tun, die ich einsetze, aber vielmehr noch mit der Tatsache, dass ich an einer Sache arbeite, bis ich vollkommen zufrieden bin. Unabhängig von unterschiedlichen Musikstilen bin ich immer bemüht, so viel unangenehme oder harsche Frequenzanteile wie möglich aus dem Gesamtsound zu filtern.

Eine Sache, die meine Karriere wohl eher behindern als fördern dürfte, ist meine Vorliebe für den Tieffrequenzbereich. Damit meine ich natürlich nicht die 50 Hz, die einen aus so manchem Auto anbrummen. Ich hatte in einem Mix mal einen Ton, der tatsächlich bei 16 Hz lag, und ich habe dafür gesorgt, dass er im Mix nicht untergeht – selbst wenn man in diesen Bereich natürlich weniger hört als spürt. Überhaupt mag ich große Bandbreiten. Ich unterstütze zum Beispiel gerne den Air-Bereich zwischen 15 und 18 kHz oder pushe ein wenig Rumble – sofern vorhanden. Da bekommt eine Bassdrum auch schon mal ein paar Subharmonien zur Unterstützung. Ich mag von allem einfach ein bisschen mehr. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass meine Ergebnisse dann oft nicht so laut klingen, wie man das von anderen gewohnt ist. Irgendwie ist alles doch immer ein Kompromiss.

Ausgehend von deinem Portfolio kann man, so glaube ich, behaupten, dass das musikalische Spektrum, welches du als Dienstleister abdeckst, unglaublich breit aufgestellt ist. Hast du bei der ganzen Auswahl Musikrichtungen, die du lieber mischst als andere?

Eigentlich nicht wirklich. Was für mich zählt, ist die Art und Weise, wie ein Song gemacht ist, also wie er produziert und aufgenommen wurde. Wenn es ein guter Song ist, spielt es keine Rolle, ob es sich um Country, R&B, Rock oder Hip-Hop handelt. Wenn das Material gut ist, bin ich glücklich damit!

Hörst du privat eigentlich noch Musik?

Das ist wirklich lustig! Ich habe früher wahnsinnig viel Musik gehört. Meine Eltern waren während meiner Schulzeit ziemlich besorgt, denn es war sozusagen das einzige, was ich den ganzen Tag lang tat – Hausaufgaben und so etwas standen da ganz hinten an.

Mittlerweile hat sich das durch die Tatsache, dass ich in der Regel den gesamten Tag mit dem Arbeiten an Musik verbringe, drastisch geändert. Wenn ich Zeit habe, sehne ich mich eigentlich nicht mehr nach Musik, sondern hauptsächlich nach Ruhe und vielleicht ein bisschen Fernsehen. Auf der anderen Seite würde ich aber, wenn ich ehrlich bin, meine Arbeit auch gar nicht wirklich als Arbeit bezeichnen, da ich es nach all den Jahren immer noch unglaublich genieße. I guess I’m addicted to my work – in a good way!

 

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