CEO Wolfgang Fraissinet über das Klonen von Neumann-Mikrofonen
von Marc Bohn,
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Die Mikrofone von Neumann haben sich in den letzten 90 Jahren aufgrund ihrer hohen Qualität und durch Studioklassiker wie U 87, U 47 sowie das nun neu aufgelegte U 67 am Markt etabliert. Die Produktion läuft per Hand, eine Arbeit, die Qualität sicherstellt, aber auch ihren Preis hat. So bewegten sich die Berliner Mikrofone klanglich und preislich in einem Segment, das für User im Home-Studio-Segment eher unerschwinglich war. Das möchte Neumann jetzt ändern, und zwar ohne China-Produktion. Wir haben mit Geschäftsführer Wolfgang Fraissinet über das Konzept und den Plan für 2018 gesprochen.
Im Empfangsbereich des Firmensitzes der Georg Neumann GmbH in Berlin sind pures Vintage-Equipment und Nostalgie mit Moderne gepaart. Hinter der Glasfront einer Vitrine stehen die sündhaft wertvollen Neumann-Klassiker der Studiogeschichte neben Neuentwicklungen und Neuauflagen des Unternehmens. Daneben stehen natürlich die unzähligen Preise, die Neumann mit ihren Mikrofonen abgeräumt hat. Sabbernd stehe ich vor der Vitrine und erwische mich dabei, den Wert dieser Schätze hochzurechnen! Ergebnis: Unbezahlbar! »Alle, die uns besuchen, stehen so da!«, begrüßt mich Wolfgang Fraissinet, Geschäftsführer der Georg Neumann GmbH, und erzählt: »Die ganzen Promis, die uns besuchen, lassen sich auch gerne hier fotografieren!« Katja und ich zählen zwar nicht zu den Promis, lassen uns aber trotzdem gerne hier zusammen mit ihm ablichten. Er ist stolz auf das Unternehmen und die Neumänner! Das ist direkt zu spüren. Bei einem Kaffee setzen wir uns zusammen, und ich frage ihn, was für das Jahr 2018 auf dem Plan von Neumann steht!
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Wolfgang Fraissinet: Das Unternehmen wurde 1928 gegründet, das heißt, wir werden 2018 90 Jahre alt. Das ist zwar kein Jubiläum, aber es ist ein Meilenstein für Neumann, über eine Strecke von 90 Jahren in der Audio-Industrie als Pionier unterwegs zu sein, mit Schallplatten-Schneidanlagentechnik und Mischpulttechnik, von der Analog- in die Digital-Welt, wo wir damals sehr aktiv waren. Dazu waren wir immer in der Mikrofon-Industrie unterwegs, mit allem, was man kennt. Da gibt es ja auch legendäre Beispiele wie U 47, U 67, M 50, M 49, Röhrentechnik, trafolose Schaltungen und, und, und. Da hat Neumann viel gemacht, und die 48 Volt Phantomspeisung sind auch nicht ohne die Handschrift von Neumann entstanden. Es gibt also eine ganze Menge Entwicklungen, die über die vielen Jahre und Jahrzehnte für die gesamte Musikindustrie auch Meilensteine waren.
Die Frage ist jetzt allerdings: Wie geht es weiter? Nach 90 Jahren haben wir einen Punkt erreicht, an dem sich der Markt wieder ein Stück weit dreht, egal ob uns das als Musikliebhaber gefällt oder nicht. Wir sehen eben einfach, dass die Anzahl der professionellen Recording-Studios nicht mehr so weiterwächst, wie das eben vor 20 Jahren der Fall war, und dass weltbekannte Studios auch nicht mehr genügend zu tun haben und vielleicht auch schließen oder sich zusammenlegen. In Berlin ist es aktuell anders, hier kommen viele Studios dazu, und die alten haben auch gut zu tun. Aber weltweit ist das eben leider anders.
In dieser Situation als Unternehmen mit solch einer langen Historie zu bestehen, ist die eine Sache. Die andere ist, zu überlegen, mit welcher Vision wir in die nächsten Jahre blicken.
In welche Richtungen denkt ihr da gerade?
Da gibt es zum einen natürlich technische Dinge zu lösen. Die Anforderungen im Homerecording sind nicht exakt die gleichen wie die in einem professionellen Recording-Studio, sowohl was die Einflussgrößen und Störfaktoren als auch die Professionalität der Aufnehmer angeht. Derjenige, der zu Hause sitzt und seine Gitarre aufnimmt, muss ja nicht unbedingt Tonmeister oder Tontechniker sein. Trotzdem findet man auf YouTube Produktionen, die über Nacht unendliche Klickraten erreichen, weil die Leute einfach eine gute Idee haben.
Dieser Markt entwickelt sich vollkommen anders als früher mit professionellen Aufnahmemöglichkeiten, wo geguckt wurde, wie viele CDs oder Singles man pro Woche verkauft. Diese Zeiten sind vorbei. Heute wird in Downloads gemessen! Die Leute kaufen einfach keine LPs mehr, wo 13 Songs drauf sind, von denen einem eigentlich nur zwei gefallen und die anderen eben mitgekauft werden müssen. Heute kauft man eben nur diese beiden Songs als Download. Das ist eine ganz andere Situation.
Was wir machen, um dem zu begegnen und um als Stimme der Recording-Industrie weiterhin gehört und wahrgenommen zu werden, ist, die Marktkommunikation mit bestehenden Kunden aus der professionellen Recording-Welt, aber auch die Kommunikation mit den neuen Kundengruppen aus dem Home-Studio-Segment neu aufzusetzen, neu zu denken und auch neu zu leben. Das machen wir zum Beispiel, indem wir die Neumann-Website neu launchen. Die Website ist auch ab sofort unter www.neumann.com erreichbar.
Wie sieht die neue Ansprache im Vergleich zur alten aus?
Als man so Mitte der 90er-Jahre mit digitalen Medien anfing, waren wir auch die ersten, die CD-ROM-Kataloge herausgebracht haben; da waren wir recht weit vorne. Jetzt haben wir allerdings ein paar Sprünge verpasst. Mit dem neuen Konzept wollen wir wieder den Anschluss finden. Wir sind auch sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen! Die Website ist viel interaktiver, verfügt über viel mehr Features, man liest nicht nur nach, was das Produkt kann und wo ich es mir kaufen kann, sondern man kann eben auch sagen: Ich spiele Gitarre, meine räumlichen Verhältnisse sind klein! Dann kann man sich auf elektronischem Weg bei uns Rat holen.
Die wichtige Frage für den Homerecorder ist: Was brauche ich dafür? Ein Tonmeister weiß das, aber jemand, der zu Hause aufnimmt, nicht unbedingt. Diese Leute da abzuholen, wo sie stehen, ist keine Kleinigkeit, denn das ist der größere Teil der kaufenden Bevölkerung, von der wir da sprechen. Deshalb nehmen wir das ernst und widmen uns dem auch!
Es ist für uns als Unternehmen eine mentale Umstellung und eine große Aufgabe, sich das Vertrauen dieser Zielgruppe aufzubauen und neu zu erarbeiten. Die Markenloyalität von Tonmeistern, die vor 20 Jahren ihr Studium abgeschlossen haben und ab da immer in diesem Beruf tätig waren, hat Neumann bereits. Die Markenloyalität derer, die gar kein Tonmeister-Studium haben und dennoch erfolgreich Musik produzieren, egal ob Produzent, Musiker, Tontechniker oder Homerecorder, müssen wir uns neu erwerben.
Das versuchen wir mit solchen neuen Kommunikationsmodellen, und das ist zum einen der Website-Relaunch! Wir werden aber auch weltweit kleinere Events veranstalten, wo wir Leute zusammenziehen und Produkte vorstellen oder bei einer Recording-Session dabei sind, und uns solche Prozesse auch anschauen und den Lernbaum analysieren. Oft sind das Projekte, wohin wir früher einfach nur Ware geliefert haben. Da wollen wir jetzt aktiv dabei sein.
Wie sehen solche Veranstaltungen aus?
Begonnen haben wir vor der eigenen Haustür im Chamäleon-Theater in Berlin. Dort haben wir eine Tontechnik eingebaut, wo inzwischen der Sound ein Teil der Choreografie ist. Wenn dort ein Stück aufgeführt wird und ein Akteur auf der Bühne sich in eine bestimmte Richtung bewegt oder zum Beispiel andeutet, dass er einen Gegenstand ins Weltall wirft, können wir den Sound über den Köpfen des Publikums so erzeugen, dass sie das Gefühl haben, die Sternschnuppe fliegt über sie hinweg. Solche Dinge gehen natürlich nur, wenn man nicht nur in Mono oder Stereo denkt, sondern eben auch den räumlichen Sound, den wir ja jetzt auch über VR-Mikrofone erleben, hörbar macht.
Dazu hängen wir nicht einfach nur mehrere Lautsprecher an die Decke, sondern wir schauen auch in Bereiche, die für die Audio-Industrie wirklich neu sind. Sennheiser hat hier mit dem Begriff »Ambeo« Ambience und Stereo kombiniert. Das ist ein räumlich hörbares Konzept mit Lautsprecher-Anordnungen und Kanalzahlen, die weit oberhalb dessen liegen, was wir normalerweise mit 5.1 und 7.1 abbilden, weil wir da einfach in die dritte Dimension gehen und noch einen Layer oben draufsetzen. Damit breiten wir die Hörkugel über dem Publikum aus. Das haben wir jetzt im Chamäleon umgesetzt, und seitdem gab es dort viele Vorführungen und Premieren. Das Feedback des Publikums ist durchweg positiv, sodass der Wunsch da ist, dies auch in anderen Locations umzusetzen.
An dieser Stelle gehen Sennheiser und Neumann wirklich zusammen. Die dort installierten Lautsprecher sind unsere Neumann Studiomonitore. Wir können damit natürlich keine Festivals beschallen, das ist aber auch nicht unser Ziel. Aber in einem Raum, wo wir ein definiertes Areal haben, können wir unsere Studiomonitore anbieten und stehen auch beratend zur Seite. Das funktioniert sehr gut, wir haben schon viele Anfragen von anderen Bühnen, die dieses Konzept für ihr Haus auch gerne hätten.
Wir können aber hier nicht einfach das Chamäleon-Konzept nehmen und sagen, wir stülpen das jetzt über eine andere Bühne. Die räumlichen Verhältnisse sind immer anders, die verwendeten Materialien, die Positionierung des Publikums ist immer unterschiedlich, auch die Anzahl der Personen spielt eine große Rolle, was die Nachhallzeit angeht.
Es macht uns Spaß, daran zu arbeiten, da wir unser Wissen, was wir in den letzten 90 Jahren aufgebaut haben, nicht nur dazu einsetzen, um neue Produkte zu bauen und zu entwickeln. Wir können die akustischen Fragen von Kunden lösen, die über Gewerke wie das reine Herstellen und Liefern von Audiogeräten weit hinausgehen. Ich glaube, das passt gut zu uns, und es ist glaubhaft, weil wir bereits bewiesen haben, wie man den guten Ton in die Halle und ins Studio bekommt. In diesem Bereich arbeiten wir gerade sehr stark und werden ihn auch noch weiter ausbauen!
Neumann steht ja für eine hohe Qualität − eine Qualität, die natürlich ihren Preis hat. Wird es Produkte für das Segment Homerecording von Neumann geben, die preislich an die Zielgruppe angepasst sind?
Wir haben seit einiger Zeit schon versucht, das Portfolio auch in einen unteren Preisbereich zu senken. Da haben wir zum Beispiel das TLM 102 [ca. 600 Euro; Anm.d.Red.], mit dem wir uns in einem für uns ungewohnten Preissegment bewegen, was sich dort aber sehr gut etabliert hat. Mitte der 90er gab es auch mal ein TLM 193, was ungefähr bei 1.500 DM lag. Wir wollten damals die Tontechnik des Mikros nicht einschränken, aber das Feature-Set. Nicht jeder braucht ein drei- oder fünffach umschaltbares Großmembranmikrofon, wenn zu 90% sowieso nur die Niere verwendet wird. Also wollten wir denen, die genau wissen, dass sie nie die Umschaltbarkeit benötigen, etwas anbieten, was eben den Hauptnutzen abbildet. Das TLM 193 war also ein reines Nierenmikrofon mit normaler Großmembrankapsel, die auch in anderen Neumann-Mikrofonen Einsatz findet und einen relativ hohen maximalen Schalldruckpegel hat. Man konnte damit also nicht nur singen, sondern eben auch instrumental sehr viel machen.
Das TLM 103 und 102 waren danach die logischen Abfolgen. Bei ihnen können wir durch die Bauform, die Größe und auch durch die Möglichkeit, in Serie Elektronik herzustellen, die Kosten so weit senken, das wir das Mikro für 600 bis 700 Euro statt 1.300 oder 2.000 Euro verkaufen können. Das hat natürlich dazu geführt, dass diejenigen, die im Homerecording-Studio ja auch Geld für ihren Rechner ausgeben, wieder das Gefühl haben: Ok, das ist ein Mikrofon, das kann ich mir leisten, und es steht im Wert zum Rest meines Equipments in einem fühlbar vernünftigen Verhältnis. Es ist natürlich etwas anderes, wenn ich zu jemandem, der sich gerade für 3.000 Euro ein MacBook Pro gekauft hat, sage, er solle sich ein U 87 kaufen. Das kostet nämlich genauso viel! Das ist einfach schwer zu vermitteln, auch wenn es Gründe dafür gibt.
Insofern haben wir uns preislich in Dimensionen bewegt, die für uns einen ziemlichen Handstand bedeuteten, wenn man den Qualitätsanspruch, den Neumann nun mal hat, auch weiterhin fortsetzen möchte. Aber dadurch, dass wir Feature-Sets nach unten gebracht haben und die Fertigungsmöglichkeiten einer so großen Unternehmensgruppe mit all ihren serientauglichen Möglichkeiten genutzt haben, konnten wir die Kostenvorteile so nutzen, um eben auf diese Preise zu kommen.
Für die Zukunft wird es im Homerecording-Bereich auch einige Überraschungen geben, die über den Bereich der reinen Mikrofontechnik weit hinausgehen. Wir haben in der Vergangenheit sehr viel im Bereich der Signalverarbeitung und der Mischpulttechnik entwickelt. Durch die gesamten Schaltungsentwicklungen unserer Elektronik haben wir jede Menge Möglichkeiten, auch darüber nachzudenken, wie wir mit unserem Wissen gerade für den Markt, der eben nicht hochprofessionell ist, Tools zur Verfügung zu stellen, die eine echte Arbeitshilfe und leicht in der Bedienung sind − also keine großen Konsolen, die für einen Laien aussehen wie ein großes Wissenschaftsinstrument −, sondern so, dass man vielleicht sogar in Form von virtuellen Geräten Signale verarbeiten kann.
Mit dem Release des neuen U 67 mit einem Preis von knapp 6.000 Euro liegen wir vom Preissegment Homerecording aber eher weiter weg!
Richtig, da liegen wir schon sehr weit auseinander. In den Stunden, bevor die NAMM gelaunched wurde, auf der wir das Mikrofon zum ersten Mal vorgestellt haben, konnten wir diverse Diskussionen in Foren verfolgen, wo über sehr detaillierte Aspekte der U-67- Neuauflage gesprochen wurde. Da ging es zum Beispiel darum, ob die Metallzusammensetzung des Trafos überhaupt noch möglich ist, weil sich EU-Richtlinien verändert haben. Nachdem der Dialog 13 Seiten lang war, schrieb jemand: „Ich hoffe sehr, die Neumann-Leute lesen hier mit und lachen sich kaputt“ – ja, mitgelesen haben wir, und an einigen Stellen waren wir auch etwas amüsiert.
Amerikaner haben mich dann gefragt, wie wir das ROHS-Problem in den Griff bekommen haben. Da kann man aber einfach nur sagen: Nehmt dieses U 67, geht ins Studio, schließt eure Messgeräte an und erzählt uns, was ihr seht und hört. Wenn ich jetzt natürlich ein U 67 von 1972 danebenhalte, was seitdem in Gebrauch ist, dann kann das nicht mehr so klingen wie neu.
Damals gab es auch keine Handys, da war es egal, was das Mikrofon macht. Heute hat jeder ein Handy in der Tasche und schaltet es stumm, aber das Handy sendet und empfängt ja trotzdem weiter und schafft Störfaktoren. Darauf muss man schon achten, und wir können dann nicht einfach sagen, wir machen alles genauso wie früher, sondern wir haben uns da Gedanken gemacht und eine Lösung gefunden, wie wir das abstellen können.
“Das U 67 ist keine Massenware, die wie Brezeln hinten vom Band fällt.”
Wir haben mittlerweile eine Reihe von stolzen Eigentümern dieses neuen Serienlaufs hier, die alle durchweg zufrieden sind. Das U 67 ist aber auch keine Massenware, die wie Brezeln hinten vom Band fällt. Da steckt sehr viel Handarbeit drin, und das muss auch so sein, weil die Stückzahl, die wir international verkaufen, nicht hoch genug ist, um zu sagen, wir gehen jetzt in eine automatisierte Serienproduktion. Außerdem lassen sich bestimmte Prozesse, wo wir hören und nicht nur messen, schwer technisieren. Wenn ein Tonmeister mit einem Tontechniker spricht, und der eine alles nur hören und der andere alles messen will, sagt der eine irgendwann zum anderen: »Ich habe die Aufnahme gemessen: Sie klingt gut.« Da trifft die Kunst die Technik!
Und ein bisschen ist das hier auch so. Was wir machen, ist oft sehr eng am Künstler dran, und da ist es sehr wichtig, dass wir beides im Auge haben und nicht sagen: »Ok, technisch ist das messbar und gut, Preisschild drauf und ab!«
Was sagst du zu dem aktuellen Vintage-Trend? Die Technik entwickelt sich weiter, aber dennoch wollen alle das Alte.
Wenn man über Distortion und solche Geschichten beim U 67 spricht, ist es in dem Fall so, dass dort eine EF86-Röhre im Mikrofon verbaut ist. Diese Röhren haben diese leichte Verzerrung, die ein Röhrenmikrofon hat, die man kennen und lieben lernt. Das eine ist zu sagen, wir kaufen 1.000 Röhren, bauen 1.000 Mikrofone und dann klingen 700 dieser Mikrofone schlecht. Es geht einfach nicht nur durch das Kaufen und Einbauen dieser Röhren. Der Fertigungsprozess, der dafür notwendig ist, wird nicht veröffentlicht. Das ist etwas, was eben bei uns genau dazu führt, dass diese 1.000 Mikrofone dann eben so klingen, wie sie sollen. Das ist das Stück Know-how, von dem wir sagen, dass es zwar keine Raketenwissenschaft ist, aber für tontechnische Anwendungen ist das in der Fertigung ziemlich anspruchsvoll und bedarf auch relativ großer Anstrengungen beim Training der Mitarbeiter, die diese Dinge herstellen. Da setzt man nicht einfach einen Mitarbeiter ran, der gute Lötstellen macht, und sagt: »Hier hast du einen Bauplan, mach mal!«
Bevor wir mit der Fertigung angefangen haben, war eine Menge internes Training und ein großer Schulungsaufwand notwendig, um dahin zu kommen, dass wir überhaupt das erste Mikrofon aus der Fertigung bekommen. Die Stundenzahl, die für die Produktion eines U 67 benötigt wird, hat ihre Gründe. Aber dafür wissen eben die Leute auch, was sie für die 6.950 Dollar bekommen. Das ist dann aber auch wirklich ein Neumann U 67 und kein Fake. Das ist eben der Unterschied zwischen dem Original und der Kopie.
Welche Auswirkungen hat der Wandel der Musikindustrie für euch als Hersteller?
Als Mikrofonhersteller haben wir in den letzten Jahren von zwei Sachen auf dem Markt profitiert. Grundsätzlich zählt dazu die Demokratisierung durch das Homerecording. Es gibt jetzt viel mehr Leute, die zu Hause Musik machen und damit an die Öffentlichkeit gehen, als früher. Wir klagen zwar immer, die großen Studios gehen kaputt, aber auf der anderen Seite gibt es viel mehr Einzelpersonen oder Bands, die an die Öffentlichkeit kommen. Früher war die Schwelle: Macht man jetzt eine Platte und macht ernsthaft Musik, oder bleibt man im Proberaum? Deshalb gibt es heute auch viel mehr Leute, die ein Mikrofon für Aufnahmen brauchen.
Durch die starke Digitalisierung gibt es jetzt aber Menschen, die sich auf die wenigen verbleibenden haptischen Produkte konzentrieren, wo sie etwas in der Hand haben und erleben können, und das mit einem Sound verbinden. Alles, was früher über 19-Zoll- Geräte ging, läuft heute durch Plug-ins. Das Mikrofon am Anfang dieser Kette ist noch ein Werkzeug, das man anfassen kann und was seinen eigenen Klang hat.
Mit unseren Studiomonitoren haben wir das andere Ende der Signalkette ja auch inzwischen im Portfolio. Da haben wir aus unserer Sicht natürlich auch eine Menge Kreativpotenzial. Das, was wir über Klang und den typischen Neumann-Sound wissen, an der anderen Seite umzusetzen − was ja beides Transducer mit unterschiedlicher Zielrichtung sind − und dem Studiomonitor das Eigenleben zu geben, welches man unseren Studiomonitoren nachsagt, ist nicht damit getan, dass wir nette Gehäuse bauen und die in fünf verschiedenen Farben anbieten. Der Lautsprecher soll einfach ein guter Studiomonitor sein − wir sprechen da nicht über die Beschallung in großen Venues, das ist nicht unser Kerngeschäft. Wenn wir einen Studiomonitor entwickeln, wollen wir nicht, dass das Ding einfach nur Schalldruck produziert, sondern auch eben, dass es in die Neumann-Welt passt. Das zahlt sich für uns aus, weil unsere Kunden das merken. Wenn ich in einem Studio im Aufnahmeraum die Neumann-Mikrofone habe und in der Regie die Neumann-Monitore platziert sind, dann weiß ich, ich bewege mich immer in der Klangwelt von Neumann, und das Ergebnis ist vorhersehbar und kalkulierbar. Wenn ich in drei Studios arbeite und habe immer unterschiedliche Mikrofone und Studiomonitore, dann ist das, was ich höre, immer anders. Insofern haben wir wirklich eine wachsende Kundenzahl, nicht nur in Studios, sondern auch bei den Homerecordern, die unsere Monitore einsetzen.
Wie stehst du dazu, dass andere Hersteller die Neumann-Mikrofone U 87, U 47 und Co. klonen?
Ich sehe das zwiegespalten. Wer möchte schon, dass die eigenen Geräte kopiert werden? Andererseits: Warum kopiert man uns? Die Tatsache, dass es so viele Hersteller gibt, die versuchen, die Außenform unserer Geräte so nachzuempfinden, dass man erzählen kann „This is german design and asian engineering“ oder Ähnliches mag dazu führen, dass sich viele darüber freuen, dass sie sich für 300 Dollar ein U 87 kaufen können. Das wird aber nicht dazu führen, dass unsere Kunden, die die echten Neumann-Mikrofone kaufen, davon überzeugt sind, dass sie etwas für 300 Dollar kaufen können, was sonst 3.000 Dollar kostet.
Das muss man als Unternehmen auch irgendwo aushalten können, und das können wir. Es ist nicht schön – wir können bestimmte Dinge die geschützt sind angreifen, was wir auch tun. Wir können aber nicht alles, was historisch gewachsen und Jahrzehnte alt ist, noch schützen, weil es dafür keine Schutzrechte mehr gibt. Dass es dann Firmen gibt, die sich in China oder auch in den USA dieser Designs bedienen und daraus versuchen, eigene Geschäfte zu machen, ist für uns so lange ok, wie wir uns nicht wehren und nichts tun. Aber in dem Moment, wo wir ein neues Produkt rausbringen, wie gerade das neue U 67, sind die Nachbauten Ladenhüter, solange wir nicht anfangen, Dumping-Preise anzubieten.
Die Kopien klingen erstens nicht so wie das Original, zweitens sehen sie nicht so aus wie das Original, wenn man das Gehäuse aufmacht. Und drittens vermitteln sie ja einen gewissen Schwindel, wenn man etwas, das uns gehört, plötzlich mit einem anderen Firmennamen versieht und das Ganze dann für ein Zehntel des Preises verkauft. Wenn man die Bauform des U 67 und U 87 auf dem Markt sieht, gibt es Kopien, die ebenfalls Tausende kosten. Es ist für solche Hersteller natürlich schwierig, den Kunden zu vermitteln, dass sie das Original für nur einen Tausender mehr bekommen. Aber das ist dann ein echtes Neumann mit voller Garantie, mit den Spezifikationen, die das Mikrofon damals auch hatte, mit Bauteilen, die wir extra für diese Serie anfertigen lassen. Wir kaufen nicht irgendwelche elektronische Bauteile aus dem Regal und bauen die neu zusammen, sondern wir spezifizieren Bauteile, die wir extra für unsere Produkte herstellen lassen.
U 67 für die Hosentasche
Beim Rausgehen gibt Wolfgang jedem von uns beiden noch ein kleines U 67 als Schlüsselanhänger mit. Normalerweise bin ich nicht der Merchandise-Typ − ich vermeide möglichst, mit Firmenshirts rumzurennen −, aber so ein U 67 macht sich schon gut am Schlüsselbund. Selbst der Anhänger hat Gewicht und strahlt eine gewisse Wertigkeit aus − eben Neumann-Qualität! Ich werfe noch einen letzten schmachtenden Blick auf die echten Mikrofone, die hinter der Vitrine neben den von uns verliehenen MIPA-Awards stehen, und finde es super, dass dieses international erfolgreiche deutsche Unternehmen so bodenständig geblieben ist.
Als Künstler nutze ich meine Freiheiten das Klanggeschehen nach meinem Ermessen und den Möglichkeiten meines Projekt-Studios zu gestalten. Da ich immer den Faktor “Zufall” und technisches Unwissen bewusst mit einbeziehe ergibt sich schlußendlich immer eine optimale Performance.
Will sagen, egal ob mit einem U87 oder SM7B (Shure), das Ergebnis wird immer vollkommen sein!
Allein der Aufwand für ein U87 ist ungleich höher. Das beinhaltet die Anschaffungskosten, die Raumoptimierung und Peripherie. Insofern ist für mich das SM7B für viele Projekte definitiv im Vorteil.
Ich bin gespannt, was Neumann in der Pipeline hat. Vielen Dank für den guten Artikel & herzliche Grüße aus Heidelberg.
Als Künstler nutze ich meine Freiheiten das Klanggeschehen nach meinem Ermessen und den Möglichkeiten meines Projekt-Studios zu gestalten. Da ich immer den Faktor “Zufall” und technisches Unwissen bewusst mit einbeziehe ergibt sich schlußendlich immer eine optimale Performance.
Will sagen, egal ob mit einem U87 oder SM7B (Shure), das Ergebnis wird immer vollkommen sein!
Allein der Aufwand für ein U87 ist ungleich höher. Das beinhaltet die Anschaffungskosten, die Raumoptimierung und Peripherie. Insofern ist für mich das SM7B für viele Projekte definitiv im Vorteil.
Ich bin gespannt, was Neumann in der Pipeline hat. Vielen Dank für den guten Artikel & herzliche Grüße aus Heidelberg.