Love Never Felt So Good - Michael Jacksons posthum veröffentlichter Hit
David Pensados Mixmarathon
von Paul Tingen,
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Posthum veröffentlichte Alben werden meist kontrovers aufgenommen. Sofern die Musik nicht bereits vor dem Tod des Künstlers fertiggestellt war, liegt der Verdacht nahe, dass die Plattenfirma und/oder die Familie das musikalische Erbe des verstorbenen Künstlers zu Geld machen wollen.
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elbst wenn bislang unveröffentlichtes Material zutage gefördert und mit den allerbesten Absichten neu aufpoliert wird, bleibt die simple Tatsache, dass die Songs ungenutzt verstaubten, ein Indikator dafür, dass der Künstler mit ihnen nicht zufrieden war. Tatsächlich findet sich auf posthum veröffentlichten Alben nicht selten eine Menge Material minderer Qualität. Überhaupt stellt sich die Frage, wie mit unveröffentlichten Tracks verfahren werden soll. Sollten Demos oder nur teilweise fertiggestellte Studioaufnahmen in ihrer bestehenden Form veröffentlicht werden, oder sollte man sie um weitere Parts ergänzen? Und wenn ja, sollen sie modern ausproduziert werden oder im Sound und Stil ihrer Entstehungszeit? All diese Fragen stellen sich umso dringlicher im Fall des King of Pop himself, Michael Jackson. Seit seinem tragischen Tod am 25. Juni 2009 gab es endlose Kontroversen bezüglich posthumer Veröffentlichungen, angefangen mit dem Film This Is It, eine Dokumentation der Proben zu einer Konzerttour, die am 13. Juni 2009 in der Londoner O2 Arena starten sollte. Es wäre Jacksons erste Konzerttournee seit der HIStory-Tour 1997 gewesen. Teile der Jackson-Familie sprachen sich gegen eine Veröffentlichung des Konzertfilms aus, darüber hinaus gab es Gerüchte, Jackson sei bei bestimmten Szenen durch ein Body-Double ersetzt worden, und natürlich wurde der Vorwurf schamloser Profitgier in den Raum gestellt. Dennoch wurde der Film von einem Großteil der Kritiker und Fans wohlwollend aufgenommen − ein Schicksal, das dem ersten posthumen Album Michael (2010) freilich nicht vergönnt war.
Es gab Gerüchte, drei Songs seien gar nicht von Jackson eingesungen worden, wieder einmal stritten die Familienangehörigen untereinander, und die Kritiker reagierten wenig begeistert. Angeblich sind nicht weniger als acht posthume Soloalben von Michael Jackson geplant, und nach den lauwarmen Reaktionen auf Michael muss den Verantwortlichen klar gewesen sein, dass sie beim nächsten Mal etwas Besseres abliefern mussten. Jedenfalls wurde für Jacksons zweites posthumes Opus ein Team von Schwergewichten engagiert. Hauptproduzent und „Kurator“ des Albums war der legendäre L.A. Reid, Vorsitzender und CEO von Epic Records (zuvor feierte er große Erfolge als Produzent u. a. von OutKast, Toni Braxton, Mariah Carey, Avril Lavigne, Pink, Justin Bieber, Rihanna, Kanye West und Usher). Als Executive Producers fungierten Jacksons Testamentsvollstrecker John Branca und John McClain sowie der allgegenwärtige Timbaland. Von den Produzenten des Vorgängers Michael wurde nur einer zurückgeholt, der Holländer Giorgio Tuinfort, der bereits mit Größen wie Akon, Lady Gaga, David Guetta und Whitney Houston arbeitete. Neu verpflichtet für Jacksons zweites posthumes Album wurden bekannte Namen wie Babyface, Stargate und Rodney Jerkins. Auch die Mix-Engineers wurden ausgetauscht. Zum Team von Xscape, das am 13 Mai 2014 veröffentlicht wurde, gehörten Jerkins und sein Engineer Trehy Harris, Timbalands rechte Hand Chris Godbey sowie die Pop/R&B-Star-Mixer Jaycen Joshua und Dave Pensado.
Letzterer wurde mit der wohl wichtigsten und schwierigsten Aufgabe betraut, dem Opener Love Never Felt So Good, der gleichzeitig als erste Singleauskopplung ausgewählt wurde. WAS MAN ÜBER DEN SONG WISSEN MUSS Der Song wurde 1983 von Michael Jackson und Paul Anka gemeinsam geschrieben und produziert. 30 Jahre später hüllten Tuinfort und McClain den Song in ein zeitgenössisches Arrangement mit einem fröhlichen DiscoSoul-Feel, das man einfach mögen muss. Zusätzlich gibt es eine davon unabhängige Version mit Justin Timberlake als Duettpartner von Jackson, die von Timbaland und Jerome Harmon produziert wurde. Es sollte jedoch hauptsächlich die Tuinfort-McClain-Pensado-Version sein, die das Album promoten sollte. Die enorme Wichtigkeit dieses Tracks spiegelt sich auch in der extrem langen Zeit wider, die auf den Mix verwendet wurde.
Verteilt auf insgesamt 13 Monate, arbeitete Pensado ganze zwei Monate Vollzeit an dem Song. Uns erzählte er die ganze Geschichte … Pensado erhielt die Session zu Love Never Felt So Good im April 2013, als er in einem Studio in Burbank arbeitete. „Lustigerweise wurde ich gebeten, den Mix innerhalb einer Woche abzuliefern. Ich habe sogar einige Nächte durchgearbeitet, um das zu schaffen − und dann hat es 13 Monate gedauert! Nach meiner ersten Woche im April habe ich noch ein paar Tage im Mai und Juli daran gearbeitet, dann wieder vier Tage im September, zehn Tage im März 2014 und fast den ganzen April und sieben oder acht Tage im Mai dieses Jahres. Angefangen habe ich den Mix bei Oasis Mastering in Burbank, den Rest habe ich im Echobar im San Fernando Valley erledigt, das den Produzenten Erik Reichers und Bob Horngehört. Ich habe den Song alleine gemischt, wobei mir hauptsächlich die Reaktionen von John McClain, Jon Nettlesbey und L.A. Reid als Referenzpunkte dienten − Leute mit einer dezidierten Meinung und einem Hang zum Perfektionismus. Der Abnahmeprozess schloss auch Angehörige der Jackson-Familie mit ein, folglich gab es eine starke psychologische Komponente, als es darum ging, alle diese unglaublich talentierten und willensstarken Leute mit ins Boot zu holen. Und das war auch einer der Gründe, warum das gesamte Mix-Projekt so viel Zeit in Anspruch genommen hat. Wir haben diesen gesamten Prozess sehr ernst genommen, schließlich ging es um Michael. Aus diesen Gründen haben wir viel experimentiert, und auch das hat dazu beigetragen, dass dieser Mix so zeitintensiv war.
Ich glaube, es wurden sechs verschiedene GitarrenParts ausprobiert sowie einige verschiedene Bass-, Keyboard- und Drum-Parts. So wie das heute läuft, konnte es passieren, dass ich eines Morgens aufwache und einen neuen Gitarren-Part auf dem Computer fand. Also ziehe ich ihn in die Session, bette ihn ein, schicke das File raus und warte auf Rückmeldung.“ Wo Pensado mischte, spielte keine große Rolle, weil er komplett in-the-box arbeitete. Dabei war Pensado, der in den 70ern und 80ern seine Karriere als Live-Mixer in Atlanta begann, bis er 1990 nach Los Angeles zog, lange dafür bekannt, große SSL-Pulte zu bevorzugen. Er arbeite noch immer gerne analog und mit Pult, beteuert Pensado, und sein neues Studio-Setup wird ihm das erlauben, wenn der Kunde es bevorzugt und über ein entsprechendes Budget verfügt. Letzteres war bei Love Never Felt So Good natürlich kein Hinderungsgrund, doch hatte Pensado triftige Gründe, den Song im Rechner zu mischen. „Ich wollte diesen Song nicht analog mischen,“ erklärt Pensado, „weil der ursprüngliche Track, mit dem ich arbeitete, und das ganze Feel des Songs bereits sehr analog klangen. Alle beteiligten hatten ihre eigene Auffassung, welche Richtung der Song einschlagen sollte − die einen wollten einen sehr modernen Sound, andere wollten lieber etwas Klassisches. Mir ging es darum, die Integrität des Songs zu stärken; ich wollte versuchen, etwas hinzubekommen, das Michael begeistert hätte, wäre er noch am Leben. Ich wollte ein klassisches Thriller-Feel, aber gleichzeitig sollte den Leuten beim Hören sofort klar sein, dass dies etwas Neues ist. Um das zu erreichen, musste die Aufnahme mit neuer Technologie und frischem Sound aufgepeppt und in Szene gesetzt werden.
Aus diesem Grund habe ich kein Pult verwendet und mit Ausnahme des Bricasti Reverbs auch keinerlei Outboard. Außerdem musste ich im Rechner arbeiten, weil ich viel M/S-Processing verwendet habe [M/S-Matrizierung auf analoger Ebene ist verlustbehaftet; Anm.d.Übers.] Der ungewöhnlichste und schwierigste Aspekt war nämlich, dass Paul Ankas Piano-Part und alle Vocals von Michael − ein Lead-Vocal in der Mitte und Background-Vocals in Stereo − sich auf einer einzigen Stereospur befanden. Es gab keine andere Möglichkeit. Was ich getan habe, ist ziemlich clever, und ich bin echt stolz darauf. Ich habe den UAD Brainworks V2 im MS-Modus verwendet. Ich dachte mir, dass die wichtigste Information, die ich von den Keyboards benötige, sich im Seitensignal befindet, während das meiste, was ich von Michael brauchte, im Mittensignal enthalten ist. Die Keyboards und die Vocals habe ich unterschiedlich bearbeitet, indem ich im Seitensignal, d. h. den Keyboards, bei 1,2 kHz 12 dB herausgedreht habe, während ich im Mittensignal, also den Vocals, bei 500 bis 600 Hz und bei 5 bis 6 kHz angehoben habe. Wenn du dir das anschaust, fragst du dich, wie um Himmels Willen das gut klingen kann, aber es funktioniert.“
Vocals und Drums
Für heutige Verhältnisse ist die Pro-Tools-Session zu Love Never Felt So Good geradezu minimalistisch. Die 36 Spuren umfassen Gruppenspuren, Effektspuren, Mix-Tracks sowie zwei Drums- und Bass-Subgruppen. Oben angeordnet sind die Mixdown-Tracks mit Rough-Mix, Master, Mix-Bus und Final Mix. Darunter kommen fünf Gruppenspuren, All Vox, All Drums, All Music, Bass und All Efx (5 − 9), und darunter acht Effektspuren (10 − 17). Die Audio-Tracks beginnen mit Spur 18, der bewussten Stereospur mit Michael Jacksons Vocal und Paul Ankas Piano plus zwei parallele Effektspuren, dann eine Bass-Spur samt paralleler Effektspur, zwei Gitarrenspuren und schließlich Stereo-Keyboard, Stereo-Streicher sowie Klavier-Spuren in Stereo. Beginnend mit den Gruppenspuren führt Pensado uns von oben nach unten durch die Session: „Diese fünf Tracks habe ich immer in meiner Session, weil sie mir erlauben, die Drums, die Musik usw. als Ganzes zu bearbeiten sowie in Relation zueinander. Außerdem hilft es mir, in jedem dieser Elemente für Zusammenhalt zu sorgen. Beispielsweise habe ich in dieser Session in der All-Music-Gruppenspur die Mitten etwas abgesenkt, weil ich mehr Platz für Michaels Stimme schaffen wollte. Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass man die Einzelspuren korrekt EQen sollte, bevor man sie auf einer Gruppenspur zusammenfasst; folglich benutze ich nur selten EQ auf der Gruppe. In diesem Fall kommt der EQ vom Brainworx Saturator, mit dem ich die Ausdehnung in den Mittenfrequenzen manipulieren kann, zum Einsatz. Außerdem habe ich den Massey L2007 auf die All-Drums-Gruppenspur gegeben, weil mir schien, dass die Drums nicht genug miteinander verschweißt waren; sie klangen nicht so recht wie eine Performance, und ein bisschen Limiting vom Massey hat geholfen, das zu beheben. Die Effektspuren gehören zu meinem Ausgangs-Template, aber nichts in meinen Sessions bleibt am Ende so, wie es anfangs eingestellt war.
Zu irgendeinem Zeitpunkt müssen alle diese Effektspuren in meinem Mix aktiv gewesen sein, aber nach und nach habe ich sie alle deaktiviert, vermutlich weil die Effekte zu aufgesetzt klangen. Letztlich habe ich nur den Split-Harmony-Track auf den Gitarren eingesetzt sowie den BricastiHall, was ein Outboard-Gerät ist. Ich habe das Large-Hall-Preset modifiziert und außerdem [auf den Effekt-Returns] die Bässe ein wenig abgesenkt. Wie ich schon sagte, habe ich den Mix damit begonnen, dass ich den Vocals/PianoTrack mit dem Brainworx V2 im MS-Modus bearbeitete. Das Piano ist die Triebfeder der Musik und liefert gemeinsam mit dem Bass den harmonischen Content − die Gitarren habe ich im finalen Mix mehr als ein rhythmisches Element eingesetzt. Das bedeutete, dass ich einen Kompromiss finden musste, der sowohl Michaels Gesang als auch dem Klavier genügend Platz einräumte. Plugins machen diese Mid/Side-Geschichte besser als die analoge Welt, und das von Brainworx ist eins meiner Lieblings-Plugins. Ich verwende aber auch andere wie Mathew Lanes Dr. MS. Zusätzlich zum [Brainworx] V2 habe ich den McDSP AE400 auf dem Piano/Vocal-Track als Multiband-Kompressor/EQ eingesetzt. Bei 78 Hz expandiere ich, und bei 1,2, 5,5 und 10 kHz nehme ich ein wenig weg − das letztere Setting arbeitet auch ein bisschen als DeEsser. Abschließend verwende ich auch noch einen Massey CT Compressor, der auf eine moderate Kompression mit mittlerem Attack und schnellem Release eingestellt ist. Auf den Vocals habe ich jedes Plugin, das ich hatte, ausprobiert; außerdem auch einiges an Outboard, und am Ende war ich wirklich glücklich mit dieser Kombination. Nach dem Piano/Vocal-Track war mein nächster Schritt, die Drums richtig hinzubekommen. Der Piano/Vocal-Track war nicht zu einem Click-Track aufgenommen, sodass die Drums hier und da ein wenig wegdrifteten. Wie du im Edit-Window siehst, sind alle Kick-und -Snare-Schläge einzeln positioniert, und das Gleiche gilt auch für die übrigen Schlagzeug- und Percussion-Elemente, die zum Teil aber nach dem Editing in die Session zurück überspielt wurden, sodass du die einzelnen Regions nicht mehr siehst.
Ich habe einige dieser Spuren gerendert, weil Pro Tools manchmal besser läuft, wenn weniger Processing aktiv ist. Die Positionierung der Drum- und Percussion-Schläge haben erst Giorgio und sein Team gemacht, und später habe ich mich noch mal drangesetzt. Es hat mich Tage gekostet. Spur 21 mit dem Namen ›Drums‹ ist ein Kick-und-Snare-Loop, den ich übernommen habe. Ich verwende ihn mehr für den Snare-Sound und ein bisschen, um die Hi-Hat anzufetten. Die Klangfärbung auf diesen Drums und auch auf der Hi-Hat, Track 27, kommt hauptsächlich von iZotope Ozone 5. Auf den Drums habe ich bei 8 kHz um 6 dB abgesenkt, und zusätzlich habe ich mit einem High-Shelf abgesenkt. Ich verwende gerne Sättigung und harmonische Färbung als EQ; bei 130 − 800 Hz und 800 −6.000 Hz habe ich ein bisschen was dazu gegeben. Außerdem ist ein kleines bisschen Kompression drauf, und das war’s. Die Hi-Hat ist wirklich kritisch für den Groove. Für die Kick-Drum auf den Tracks 22 und 23 habe ich tatsächlich drei von meinen eigenen Samples eingesetzt, um einen etwas moderneren Sound zu erzielen. Ich wollte einem modernen Dance-Vibe so nahe wie möglich kommen. Den originalen KickSound habe ich nicht verwendet. Die Kick auf Spur 22 schicke ich auf Spur 19, die parallel mit einem Focusrite Compressor und dem [Waves] Puig Pultec-EQ arbeitet, damit der Sound mehr in-your-face klingt. Es gibt auch eine parallele Snare-Spur, Track 20, mit einem DBX 160, aber scheinbar habe ich die gar nicht verwendet.
Vermutlich habe ich das irgendwann ausprobiert und später wieder stumm geschaltet, weil’s mir dann doch nicht gefiel. Die eigentliche Snare ist Spur 24, und wieder habe ich den Sound mit einem meiner eigenen Samples ersetzt, damit es kraftvoller klingt. Dann gibt es zwei Clap-Tracks, die Spuren 25 und 26. Auf Spur 25 habe ich den SPL Transient Designer eingesetzt, einfach um ein bisschen mehr Attack zu bekommen. Der Avid Pro Limiter hält ihn nur ein bisschen im Zaum. Das ist ein sehr musikalisches Plugin; ich verwende eine kurze Attack-Zeit, nur um den Sound etwas direkter zu machen. Es ist ein schmaler Grat zwischen hypnotisch und monoton, und in diesem Song habe ich versucht, alle Frequenzen oberhalb von 800 Hz in einem durchgängigen Groove fest miteinander zu verschweißen, der dich hypnotisiert, während die Frequenzen darunter dein Interesse aufrecht erhalten. Der Clap-Track 2 verwendet ebenfalls Samples. Abschließend gibt’s noch zwei Percussion-Spuren, 28 und 29. Da mache ich ein Zugeständnis an vergangene Tage, indem ich eine Plugin-Version des EMI Beatles Kompressors verwende.
Music & Mixdown
Auf der Bass-Spur (31) ist ein Waves Renaissance RBass, den ich sehr mag; er lässt die Tiefen etwas satter klingen. Dazu kommt ein UAD Blue Stripe 1176-Kompressor, der beherzt zupackt, und ein Little Labs VOG, der etwas echten Sub-Bass hinzufügt. Cool ist, dass ich den Bass nicht mit Parallelkompression, sondern mit parallelem Re-Amping bearbeite: Auf Spur 30 ist ein Softube-Plugin, das eine SVT 810-Box emuliert, die für ihren wirklich großartigen Bass-Sound mit angenehmen Höhen bekannt ist. Die Gitarren liegen auf den Spuren 32 und 33, und ich liebe sie! Ich glaube, das sind die originalen Gitarren, die Giorgio [Tuinfort] hinzugefügt hat. Von der Gitarre auf Track 33 verwende ich mehr; sie hat die Brainworx Rockrack-Verstärkersimulation drauf, und zwar mit einem Funky-Clean-Preset, das die Gitarre wirklich sehr direkt und in-your-face klingen lässt. Außerdem hatte ich den DBX 160 auf der Gitarre, der für R&B-Gitarren super ist. Zusätzlich schicke ich sie auf die Split-Harmonizer-Effektspur (14) mit dem Waves Doubler 2 auf einem üblichen Harmonizer-Setting. Dazu kommt der Waves S1, mit dem ich die Gitarre breiter und größer machen kann, ohne dass es als Effekt hörbar wird. Den S1 setze ich auch gern auf Vocals ein. Auf den Keyboards auf Spur 34 ist der Mathew Lane Dr. MS − ein klasse Plugin.
Damit lege ich die Keyboards mehr in die Mitte als auf die Seiten, was ziemlich ungewöhnlich ist, aber schlichtweg besser funktionierte. Die Strings, für die Frank van der Heijden aus Giorgios Team verantwortlich ist, sind spektakulär. Ich habe sie mit dem Massenburg EQ bearbeitet, indem ich bei 500 Hz, 800 Hz und 4 kHz etwas weggenommen und bei 6 kHz angehoben habe; dazu kommt noch ein High-Pass bei 200 Hz. Außerdem verwende ich das iZotope Alloy-2-Plugin, und zwar seine Exciter-Sektion in einem Tube-Tape-Retro-Setting, um für ein bisschen Farbe zu sorgen. Ich komprimiere die Streicher auch mit dem Alloy-2- Plugin. Für das Stereo-Imaging habe ich iZotope Ozon 5 eingesetzt. Die Frequenzen oberhalb 10 kHz sind sehr breit, während sich das Panning zu den tieferen Frequenzen verengt. Von 10 bis 20 kHz ist es also sehr breit, zwischen 3 und 10 kHz etwas weniger breit, von 400 bis 3.000 Hz noch weniger und unter 400 Hz weitgehend mono. Ein netter Trick. Der letzte Track ist ein kurzer Piano-Part in der dritten Strophe. Der war perfekt, also habe ich ihn nicht angefasst. Die Session war in 44,1 kHz/24 Bit angelegt, und alle Audiospuren liefen auf die Busse in Rot am oberen Ende der Session (Spuren 5 − 9). Es gibt etwas Pegelautomation auf den einzelnen Spuren, weil ich nämlich wollte, dass die Musik mit der Energie von Michaels Gesang fließt. Michaels Energie bestimmt, wann diese Spuren lauter und leiser werden.
So scheint es beispielsweise, als ob der dritte Chorus in der Hälfte einbricht, aber in Wirklichkeit fing er an, mir zu entgleiten, also beschloss ich, ihn ein Stück herunterzuholen. Diese Pegelveränderungen kamen sehr spät im Mix und basieren auf meinen Erfahrungen als Live-Musiker. Ich versuche, das gleiche Gefühl zu erzeugen wie damals auf der Bühne. Die Leute meckern, dass programmierte Musik keine Dynamik hat, aber wenn du dir meine Session anschaust, siehst du, dass die Dynamik sich ständig verändert. Die Gruppenspuren laufen auf den Master-Fader-Track (2), der wiederum auf die Mix-Bus-Spur (3) mit meinen Stereo-Bus-Effekten geht. In diesem Fall habe ich das Slate Digital FX-G Mastering-Plugin verwendet, das aber nur ganz wenig eingreift; der Threshold steht fast auf Null, und es sind nur 2 dB Gain. Attack und Release stehen auf 12 Uhr, die Ratio ist 1,2:1; ich füge auch keine Transienten hinzu, und der Detail-Regler steht auf Null. Hinter dem Slate ist ein Waves L2, damit keiner von beiden allzu heftig eingreifen muss. Hätte nur einer von beiden die ganze Arbeit gemacht, hätte mir der Sound nicht sehr gefallen, aber alle beide gemeinsam machen einen viel transparenteren Sound. Ich wusste, dass Bernie Grundman den Song mastern würde, daher habe ich aufgepasst, dass der L2 und der Slate nur sehr sanft eingreifen, damit Bernie genug Spielraum hat, seine Arbeit zu machen.“
Dass Pensado letztlich 13 Monate an Love Never Felt So Good arbeitete, obwohl ursprünglich nur eine Woche vorgesehen war, ist nicht die einzige Ironie. Laut Pensado ist die Version, die schließlich auf Xscape landete und für die Single verwendet wurde, zu 85 % jener Mix, den er bereits nach der ersten Woche einreichte. „Und in diesen 13 Monaten haben wir nicht bloß ein bisschen an den Feinheiten gefeilt; wir haben in großem Stil experimentiert, insbesondere mit allen möglichen Instrumental-Parts! Ich war auch keineswegs gegen diese Experimente. Ehrlich gesagt, war auch ich der Meinung, dass wir den Song noch besser machen könnten. Keiner von uns ahnte, dass wir letztlich bei einem Mix landen würden, der sehr nah an dem ist, was wir ursprünglich hatten, einschließ- lich der meisten von Giorgios Parts.“ Dennoch hat sich enorme Aufwand gelohnt: Love Never Felt So Good war ein kommerzieller Hit und erntete auch von Kritikerseite Lob. In den US Billboard Hot 100 erreichte der Song Platz 9, auch in vielen anderen Ländern war er in den Top 10 vertreten, in einigen erklomm er sogar die Spitzenposition. Es war Jacksons erste einstellige Chartplatzierung in den USA seit You Are Not Alone 1995. Außerdem ist Jackson nun der erste Künstler, der in fünf Jahrzenten mit mindestens einer Top-Ten-Single in den Billboard Hot 100 vertreten war. Nicht ganz unschuldig daran ist Pensados ausgeklügelter, vor allem aber auch emotional mitreißender Mix. Das große Ziel, Jacksons zweites posthumes Album zu einem größeren Erfolg zu machen als das erste, hat das illustre Team eindeutig erreicht.
Über David Pensado
Der Grammy-Gewinner arbeitete lange in den Larrabee Studios in Los Angeles. In den Jahren um 2005 waren die drei dort stationierten Mix-Engineers — Pensado, Manny Marroquin und Pensados früherer Assistent Jaycen Joshua — zeitweise für über die Hälfte der Pop/R&B-Songs in den US-Charts verantwortlich. Im Sommer 2010 wurde Pensados Karriere von schweren gesundheitlichen Problemen jäh unterbrochen. Zwar erholte er sich wieder vollständig, doch der Zwischenfall gab ihm Zeit, sein Leben zu überdenken; er beschloss, von nun an Projekte anzunehmen, die er früher nicht gemacht hätte.
»Ich habe eine neue Richtung eingeschlagen und viele Indie-Projekte gemischt. Außerdem begannen mein Manager Herb Trawick und ich [die Internet-TV-Show] Pensado’s Place. Jeden Mittwoch kann ich in der Show mit meinen Kumpels und Kollegen abhängen. Aber ich mache auch weiterhin HipHop, Pop und R&B Projekte; ich bin besser im Geschäft, denn je.« Die wöchentliche Internet-TV-Talkrunde Pensado’s Place wird weltweit von Tausenden von angehenden und bereits etablierten Toningenieuren, Mix-Engineers und Produzenten geschaut. Zu den Sponsoren zählen große Pro-Audio-Hersteller, aber auch Bildungseinrichtungen. Ergänzt wird die Show inzwischen von den Pensado’s Awards. Seit er 2011die Larrabee Studios verließ, arbeitet Pensado in wechselnden Studios.
Derzeit ist er dabei, in sein eigenes Studio einzuziehen, das mit einem Neve-Pult, Tonnen von Outboard-Geräten und natürlich einem topmodernen Pro-Tools-Rig ausgestattet ist. Neben den Indie-Projekten, die er mehr aus Leidenschaft betreut, zählten zu seinen Major-Label-Kunden der letzten Jahre Mariah Carey, Keyshia Cole, Earth Wond & Fire und natürlich Michael Jackson.
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