In der vorigen Folge unserer Reportage über den Dokumentarfilm »Ehrenfeld Sessions« (S&R 12.2015) haben wir darüber berichtet, welche Möglichkeiten es am Set eines Films oder im Team eines Dokumentarfilms gibt, um das beste Ergebnis bei der Soundaufnahme zu erzielen. In dieser Episode wollen wir uns eines weiteren wichtigen Teils innerhalb des Produktions-Workflows einer Filmproduktion widmen: der Montage bzw. dem Editing. Gerade weil ein sehr guter Schnitt immer der ist, der es einem ermöglicht, der Geschichte auf die intensivste Weise zu folgen, jedoch selbst dabei im Idealfall nicht auffällt, ist wirklich gutes Editing so eine große Kunst. Auch bei einer Doku sollte man das nicht unterschätzen …
Wir haben mit den Machern von »Ehrenfeld Sessions«, Philipp Kleinebrahm und Max Braun, erneut über ihr ambitioniertes Projekt und ihre Gedanken zum Prozess beim Schnitt des ersten Trailers zum Film gesprochen. Sie verraten uns, welche Vorgehensweise sie gewählt, welche Vorüberlegungen und konzeptionellen Entscheidungen sie getroffen und welche Best Practices sie für angehende Filmemacher auf ihrem Weg bislang gesammelt haben. Den Trailer zur Doku findest du auf der Website von SOUND & RECORDING.
Zunächst wollen wir in Anknüpfung an das letzte Mal auf das Editing des gesprochenen Wortes, also von Dialogzeilen, im Filmkontext eingehen. Die Aufgabe eines »Cutters« ist es dabei nicht nur, die Bilder sinnvoll und storydienlich zu montieren, sondern auch die Montage der Tonspur gehört zu seinen Aufgaben.
Dialoge Montieren
Dass es so aussieht, als würden sich Schauspieler im Film nie versprechen, hat natürlich ganz klar mit der Wiederholbarkeit Szene beim Dreh zu tun und damit, dass Cutter und Regisseur den besten Take der Performance auswählen. Was deutlich weniger Menschen wissen: Dies ist längst nicht alles, was im Rahmen der Nachbearbeitung geschieht. Aber ein immens wichtiger Teil des SoundEditing ist die Dialogmontage, die wir uns hier im Detail anschauen.
Die Aufgabe des Cutters ist es auch, die Szene so glaubhaft wie möglich zusammenzuschneiden, sodass sie den Sinn, die Stimmung und die Story bestmöglich transportiert. Daher wird nicht selten auch der Dialog, ähnlich wie ein perfekter Vocal-Take bei einer Musikproduktion, stark geschnitten und bearbeitet. Auch wenn beim Film kaum Auto – tune wie im Studio zur Anwendung kommt, geht es doch darum, das Beste aus der Performance des Akteurs vor der Kamera herauszuholen. Dabei kann es sein, dass die Zeilen eines Dialogs allesamt aus anderen Takes stammen (jedoch wird auch häufig deutlich kleinteiliger gearbeitet).
Stellen wir uns einen Fall vor, in dem der Schauspieler einen Satz in verschiedenen Takes auf verschiedene Arten gespielt und anders betont hat: Dem Regisseur gefällt die Intensität aus Take 1, ihm gefällt aber das Ende der Zeile aus Take 2. Vorausgesetzt, der Sprechende ist gerade nicht im Bild zu sehen, können wir ganz einfach die Audiospuren edi – tieren und zusammenschneiden, und sofort haben wir den perfekten Take. Wir müssen nur dafür sorgen, dass wir in der Zwischenzeit z. B. die zuhörende Person, die dem Sprechen – den gegenübersteht, oder anderes FootageMaterial vom Drehort ins Bild schneiden, um unsere kleine Trickserei zu vertuschen.
Gleiches gilt auch für Interviewsituationen in Dokumentarfilmen: In den meisten Fällen sind die Sätze der Interviewpartner einfach zu lang oder werden nicht beendet. Hier spricht nichts dagegen, einen Satz mit einem anderen Satzende aus dem gleichen Interview einfach zu kürzen, so lange man den Sinn der Aussage natürlich nicht verfremdet. Zusätzlich häufen sich gerade beim natürlichen Sprechen immer eine Menge »Ähs« und kleine Verhaspler, welche beim Ansehen des fertigen Interviews schnell stö- rend auffallen. Alles, was wir tun müssen, ist, diese herauszuschneiden und unsere Schnitte z. B. mit Schnittbildern von den gestikulierenden Händen des Interviewpartners oder des Gegenübers zu »kaschieren«. Ein sehr kurzer Crossfade lässt die Schnittkante unhörbar werden, solange man auf das Timing und die Sprachmelodie des Dialogs achtet. Viele erfahrene Cutter machen deshalb häufig auch gerne erst mal einen »Radio Edit«, also eine Version des Interviews, welches nur die Soundspur von störenden Versprechern bereinigt, und suchen dann die Schnittbilder, um das Video fertigzustellen.
Die erwähnten kurzen, prägnanten Sätze sind natürlich besonders beim Schnitt eines Trailers wichtig, in dem man den potenziellen Zuschauern möglichst kurz und knackig den Inhalt des Films in wenigen Worten vermitteln möchte. Wie schwierig es jedoch ist, diesen einen guten Satz zu finden und welche Überlegungen noch in den Schnitt mit einfließen können, hat uns Philipp von Astairre, welcher für den Trailer-Schnitt bei »Ehrenfeld Sessions« verantwortlich zeichnet, im Interview verraten.
Sound&Recording Ausgabe 05/16
Songwriting Special
Diese Ausgabe widmet sich dem ThemaSongwriting per App! Wir stellen euch iOS-Tools vor, die eure Kreativität beim Songwriting unterstützen und zeigen euch iOS-Hardware die umfangreiche, mobile Recording-Lösungen anbieten, wie Motive von Shure, die Lurssen Mastering Console und Lightning-Interfaces und –Mikrofone sowie Software. Eine Band die weiß wie man Songs schreibt sindAnnenMayKantereit. Mit ihrem Debüt-Album „Alles nix Konkretes“, das von Moses Schneider produziert wurde, schafften die Kölner-Jungs auf Anhieb den Sprung auf die #1 der deutschen Single Charts. Den Studio-Report findet ihr im Heft. Außerdem waren wir in Chino, USA in der Edel-Maufaktur bei Manley Labs zu Gast. Den dort hergestellten Channelstrip Manley Core haben wir für euch im Test. Für die Mixpraxis sprichtIllangelo Montagnese über die Produktion mit The Weeknd und in De/Constructed zerlegt Henning Verlage King Kunta von Kendrick Lamar.
Getestet haben wir das Roli Seaboard Rise 25, das „Volksbändchen“ sE Electronics X1R und in Love The Machines gibt´s den Klassiker Roland JP-8000.
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Wie bist du an den Schnitt des Trailers grundsätzlich herangegangen?
Zunächst steht natürlich der Zweck, den der Trailer erfüllen soll. In unserem Fall sollte es nicht ein klassischer Trailer werden, der dem Publikum die Veröffentlichung des Films ankündigt und damit sozusagen ein Werbespot ist. Stattdessen brauchten wir in der jetzigen Phase des Films einen Trailer von etwa 2 Minuten Länge, der speziell dafür gedacht war, auf potenzielle Partner und Sponsoren für das Projekt zugehen zu können, und diese davon überzeugen soll, das Filmprojekt zu unterstützen. Wir haben nämlich gemerkt, dass wir, wenn wir das Niveau halten wollen, auf dem wir begonnen haben, einfach noch Budget brauchen, um es angemessen realisieren zu können. Bei einem derartigen DIYProjekt muss man auf solche Dinge entsprechend flexibel reagieren können. Damit war es funktional eher ein Trailer, der das Projekt erklären und die Stimmung, den Look und die ästhetische Qualität zeigen sollte.
Wenn man sich solche Gedanken vorher macht, trifft man auch im Laufe des Prozesses andere Entscheidungen und kommt viel eher zu einem Ergebnis, das genau das für einen tut. Zum Beispiel wussten wir nach diesen Überlegungen, dass wir viel mehr Augenmerk darauf legen müssen, dass wir die »Mood« des Films richtig rüberbringen und dass es für diesen speziellen Trailer weniger wichtig ist, auf die Geschichte einzugehen, die wir erzählen wollen oder die einzelnen beteiligten Bands. Das hilft, ein gemeinsames Verständnis davon zu bekommen, in welche Richtung sich das Projekt entwickeln soll, und erleichtert dadurch die Zusammenarbeit im Team. Das hat uns ermöglicht, unseren konzeptionellen Prozess zu beschleunigen.
Wie darf man sich dann die ersten Schritte vorstellen?
Wenn es an den tatsächlichen Schnitt und die Bearbeitung geht, ist das absolut Wichtigste, sich mit dem Material vertraut zu machen. Und damit meine ich, das Material wirklich gut zu kennen. Dabei ist es nicht wichtig, ob man das Material selbst gedreht hat oder es sich um eine Auftragsarbeit handelt. Selbst wenn man das Material selber gefilmt hat, ist der erste Schritt als Cutter, sich das Material sehr konzentriert anzusehen und sich dazu Notizen zu machen. Man sucht nach den besten Takes einer Einstellung, den besten Performances der Schauspieler/Akteure, aber auch deutlich kleineren Dingen, die später im Schnitt interessant und nützlich sein könnten − beispielsweise Kameraschwenks, Lichtreflexe in der Linse und gerade beim Dokumentarfilm die kleinen zufälligen Dinge, die vor der Kamera passiert sind; Begegnungen oder besondere Blicke, die helfen, eine Stimmung zu unterstreichen, beispielsweise Lacher. Eben diese besonderen Momente, die irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt im Schnitt genau das passende fehlende Puzzleteil sein könnten, die eine spezielle Sequenz perfekt ergänzen.
Wenn man das Material auswendig kennt, fallen einem diese Shots dann ein, und man kann sie mithilfe seiner Notizen leicht wiederfinden und sofort benutzen. Gerade bei Dokumentarfilmen, wo der eigentliche Film erst wirklich im Schnitt entsteht und aus vielen Einzelteilen ein großes, sinnhaftes Ganzes wird, kann das den Unterschied zwischen einer langweiligen Bildersammlung und einem spannenden Film machen. Natürlich können da die Tools der Schnittsoftware (non-linear Editing Software − NLE) sehr behilflich sein, z. B. indem man direkt im Material Marker setzt und diese sinnvoll benennt.
Ich empfehle übrigens wirklich jedem, sich ein gutes System auszudenken, diese Notizen und Marker zu katalogisieren, damit man sie später auch wirklich benutzen kann und Dinge wiederfindet. Ich musste − wie wahrscheinlich jeder Cutter − erst selbst die Erfahrung machen, wie es ist, sich viele Stunden Material wieder und wieder ansehen zu müssen, nur weil man vergessen hatte, sich Notizen zu machen oder diese nicht mehr lesen konnte! (lacht)
Hattest du bereits ein spezielles Bild dazu im Kopf, was Aufbau und Ästhetik betrifft?
Ja, die hatte ich, jedoch haben wir diese im Team vorher festgelegt. Auch wenn man als Cutter große Freiheiten hat, Looks und die Ästhetik eines Films zu beeinflussen, hatten wir − wie bei vielen Filmprojekten − bereits vorher eine grobe Richtung, in die wir visuell mit dem Film gehen wollten. Da einem vor allem das Material vorgibt, wie weit man einen gewissen Stil nachher im Schnitt ausreizen kann, ist es wichtig, sich über solche Sachen schon Gedanken zu machen, bevor man bei der ersten Kamera auf »Record« drückt.
Der Look des Films sollte sehr Spielfilm- ähnlich sein und generell Licht- und Farbstimmung des Spätsommers/Herbstes einfangen. Das bedeutet für uns eine recht war – me Farbpalette mit viel Orange, häufig eine tiefstehende Sonne etc. im Kontrast zu den deutlich kühleren Shots und Farben, die wir für die Nachtszenen benutzen, bei denen wir das Kölner Club- und Konzert-Leben portraitieren. Generell soll es also recht farbenfroh sein, mit einem leichten Vintage-Touch alter Filmkameras.
Um diesen Look zu bekommen, muss man natürlich auch entsprechende Bilder einfangen und schon direkt dafür sorgen, dass man draußen filmt, wenn z. B. die Sonne tief steht. Das kann man nicht in der Postproduction »oben drauf packen«.
Das Tempo des Trailers sollte schnell und aufregend wirken und sehr rhythmisch sein. Das haben wir ganz einfach geschafft, in dem wir den richtigen, schnellen Song als Untermalung gewählt und darauf dann geschnitten haben.
Welche Probleme sind während des Schnitts entstanden, die du lösen musstest?
Und wie hast diese bewältigt? Schritt 1: Das Material kennen! (lacht) Wenn man schon mehrere Terabyte Material gedreht hat und wenn man gerade in einem Trailer einen guten Querschnitt aus allem, was der Film zu bieten hat, abbilden möchte, zeigt sich besonders gut, ob das eigene System der Katalogisierung funktioniert oder nicht. Bei einem Spielfilm hat man ein Drehbuch und kann sich an der Story oder an der Shotlist entlang hangeln. Bei einem Dokumentarfilm gibt es diese Dinge nicht wirklich. Am Ende gibt es nur das Material, das tatsächlich aufgenommen wurde.
Und selbst, wenn man weiß, was man filmen möchte, zeigt sich häufig erst vor Ort, was sich für Motive, Bilder und besondere Momente ergeben. Daher muss man das Material immer wieder sichten und durchgehen auf der Suche nach dem passenden Bild, der passenden Sequenz oder auch der passenden Textzeile aus einem einstündigen Interview.
Weitere Probleme waren mit Sicherheit unterschiedliche Formate, Codecs und Bildwiederholraten. Da gerade im Rahmen einer Doku das Material vom Foto bis zur Archivaufnahme reichen kann, kann es durchaus sehr aufwendig sein, alles in ein Format zu bekommen. Auch hier hilft es, einen Workflow zu entwickeln und darauf optimal auszurichten, damit man nachher alles im Schnitt vorliegen hat. Das kostet nur leider sehr viel Zeit und kann bei Zeitdruck zum Problem werden. Die Kompatibilität zwischen verschiedenen Programmen kann auch zu Problemen führen, wenn das Projekt häufig für verschiedene Zwecke von Programm zu Programm migrieren muss. Auch dabei können feste, erprobte Workflows helfen.
Mit welchem Programm hast du gearbeitet und warum?
Eigentlich sind sich die meisten Editing-Programme auf dem Markt sehr ähnlich, und die gängigen Aufgaben kann man erledigen, egal ob in Avid oder in Final Cut Pro. Wir schneiden in Adobe Premiere Pro CC. Zum einen, weil ich mit diesem Programm am besten vertraut bin und dadurch recht schnell arbeiten kann − was die meisten von der Arbeit mit ihrer Lieblings-DAW kennen sollten −, zum anderen, weil es sehr viele Formate ohne Umwandlung in einem Projekt zulässt und obendrein in der aktuellsten Version die RAW-Videodateien unserer Blackmagic Pocket Cinema Camera verarbeiten kann, ohne dass wir diese konvertieren müssen. Da dies unsere Hauptkamera ist, spart das wirklich eine Menge Zeit.
Das Color Grading machen wir komplett in Davinci Resolve, da es ein extrem mächtiges Tool und gleichzeitig in der kleinsten Version kostenlos ist. Die Audiobearbeitung passiert komplett in Cubase.
Ehrenfeld Sessions
Auf der Suche nach kreativen Lösungsansätzen, die helfen sollen, einer stagnierenden Veröffentlichungssituation zu entgehen, kann manchmal etwas völlig Neues entstehen. So wie ich Falle der Kölner Band Astairre, die nun einen Dokumentarfilm über ihre lokale Musikszene dreht. Eine Geschichte über den Zusammenhalt einer Musikszene, über Selfmarketing und DIY-Produktion − mit 100% Lokalkolorit!
www.ehrenfeldsessions.de
www.facebook.com/ehrenfeldsessions
Hier geht’s zum ersten, zweiten, dritten, vierten und fünften Teil der Ehrenfeld-Session!