Mastering Engineer Zino Mikorey – Gegen den Processing-Wahn
von Marc Bohn,
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(Bild: Stephan Schaar)
In Episode 155 unserer Podcasts war Mastering Engineer Zino Mikorey zu Gast, der bereits für Künstler wie Nils Frahm, Hans Zimmer oder Metronomy arbeitete. Er erzählte uns seine Mastering-Philosophie, erklärte, wie er sich klanglich vom Markt abheben möchte und wie man richtig abhört, wozu auch ein richtiges Level Matching gehört. Das gesamte Interview war so inspirierend und interessant, dass wir euch hier einen Auszug davon liefern!
Zino, du machst mittlerweile nur noch Mastering und kein Mixing mehr. Warum?
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Ich habe mich erst mal dagegen gewehrt und wollte weiterhin mischen. Als ich noch gemixt habe, konnte ich natürlich noch Drums neu bauen und Bässe neu einspielen. Ich konnte wirklich helfen, um schnell voranzukommen. Dann wurden allerdings meine ganzen Mixing-Kunden immer besser, haben immer mehr gemischt und nur noch Stems abgeliefert. Dann kam es von selbst, dass man auf einmal nur noch Mastern durfte. Mittlerweile bin ich aber happy darüber, dass ich so viele unterschiedliche Projekte machen und mit Menschen arbeiten darf, die so krasse Musik machen. Da wäre ich sonst nie hingekommen. Arrangement-mäßig war ich die faulste Nuss. Da merkt man einfach, dass die Sachen so ausgecheckt und klanglich on-point sind. Daher bin ich froh, dass ich jetzt überall mit dabei sein darf und weniger Verantwortung habe.
Die siehst dich selbst eher als audiophilen statt Audio-Processing-Menschen. Was meinst du damit und welche Philosophie steckt dort dahinter?
Ich versuche, auf dem Hörer-Ende zu bleiben. Ich will immer derjenige sein, der zuhört und der keine Aktien in dem hat, was er gerade macht. Das ist mir am allerwichtigsten! Ich möchte nicht in dem gefangen sein, was ich da mit der Technik gemacht habe. Es passiert dann auch, dass man es einfach nicht schafft, es besser zu machen. Dann muss man einfach alles über einen Haufen schmeißen, obwohl man schon eine Stunde an einem Song sitzt. Dann merkt man halt, der Song braucht eigentlich gar nichts, außer ein bisschen Gain Staging und paar schöne »boxtones«. Oder er braucht genau diesen einen Boost irgendwo, und sonst braucht er gar nix.
Bis vor 10 Jahren war ich eben dieser »processende«, technische Mensch. Das macht natürlich auch Spaß, aber mit diesem Mindset verschrottet man auch mal den einen oder anderen Song, weil man mehr kaputt macht als zu retten. Ich finde, als aufstrebender Engineer muss man auch viel Zeit auf der Processing-Seite verbringen, um seinen Werkzeugkasten zu bauen.
Danach muss man aber auch wieder auf die Hörerseite kommen. Bei HiFi-Leuten heißt es, die hören nicht die Musik an, sondern ihr Setup. Genauso ist es bei Audio Engineers auch. Die hören ihre Signalketten an und sagen: Krass, wie punchy meine Kick klingt. Wenn man sich dem Processing-Wahn allerdings entwöhnt, hat man alle Möglichkeiten, weil man genau weiß, wie man die unterschiedlichen Sounds erreicht.
Wie versuchst du vom Workflow her, deinen Sound abzuheben?
Prinzipiell versuche ich, keinen Stempel zu haben. Wenn du als Künstler ein Master zurückbekommst, dann bin nicht übergriffig farbig hörbar. Das ist immer noch ganz genau dein Sound. Manchmal muss ich aber viel machen, und das geht dann schon bei den Mix-Revisionen los. Ich telefoniere mit dem Produzenten oder dem Mischer, um überhaupt auf eine Seite zu kommen, und sage zum Beispiel: »Hey! Seid ihr euch sicher, dass die Vocals so leise sein sollen?«
Meine ganze Kette, also alle Geräte, die ich benutze, sind total modifiziert oder Custom-Hardware. Die DA-Konverter haben keine messbare Verzerrung. Der AD-Konverter ist auch eigentlich nur eine diskrete Gain Stage mit dem besten Chip dahinter. Es ist so, dass die Geräte mit sauberer Technik treuer gegenüber dem Originalsignal sind und darum mehr Musik durchlassen bei gleicher Veränderung
Ich habe neulich In-The-Box gemastert und brauchte so viel Automation. Ich musste ständig was nachfahren und schauen, was da passiert. In meinem Setup ist der Sweet Spot so breit, dass das nicht passiert. Es wird sogar noch ein bisschen dramatischer, dynamischer, und das Arrangement fängt an zu Leben.
Wie sah denn die Mastering-Chain des letzten Songs aus, den du gemastert hast?
Der letzte Song, den ich gemastert habe, war von Högni Egilsson. Die Signalkette bestand aus dem analogen Soma EQ von Knif Audio, dem besten Pultec, den es gibt. Er hat echte Qs und ist ultra sauber durch Amorphous Core-Übertrager. Der liefert den Tube-Sound und dieses schwere Dunkle von einem passiven EQ. Damit habe ich das Stereobild verbreitert.
Dann habe ich einen High-Shelf bei 680 Hz gesetzt, weil das Orchester sehr gut aufgenommen wurde. Die Musiker sind total on-point. Man hört es an und denkt: »Ja, ihr habt alles perfekt gemacht.« Bei einem Orchester geht es total viel um Tuning. In dem Moment, in dem eine Geige leicht verstimmt ist, ist das Signal sofort harsch. Da kannst du nichts dagegen tun. Es lässt sich auch nicht reincutten. Man bräuchte einen EQ, der an der Stelle immer mitgeht. Aber hier waren sie schön gestimmt.
Ich wollte ein bisschen mehr Excitement und Räumlichkeit ins Gesicht geben. Aber die ganzen Bell-Filter von meinem Tube-EQ waren zu sehr im Weg und machen zu viel Phase. Das heißt, ich habe sogar noch den ganzen Mittenbereich, den ganzen Fleischbereich, mit angehoben, damit es nicht zu »geräuschig« wird.
Unten herum habe ich nur bei 56 Hz einen 0,5-dB-Shelf gesetzt, weil ich oben aufgemacht habe. Dann ist unten der ganze Grundtonbereich gleich. Zum Vergleich gehe ich immer zurück auf den Mix und merke, dass ich viel näher drin bin. Ich kann dann den ganzen unterschiedlichen Stimmen viel besser folgen. Durch den High-Shelf des passiven Röhren-EQs habe ich auch eine leichte Spulensättigung. Das heißt, das Signal wird auch ein bisschen trockener, etwas kratziger, aber sehr subtil und natürlich. Um das Ganze schön hinzustellen, habe ich dann unten noch ein halbes dB Bass dazu getan, damit einfach alles in Balance bleibt.
Dann läuft das Signal in den Eksa von Knif Audio. Bei dem gebe ich auch wieder unten was dazu, aber ein bisschen höher, weil das ein schneller EQ ist. Da drehe ich dann noch mal 162 Hz um ein Viertel dB rein. Ich möchte damit ein bisschen Schnelligkeit, eine Spritzigkeit, damit die oberen Bässe der Celli sich bewegen.
Dazwischen sitzt noch der Maselec MEA-2. Das ist ein EQ, den ich komplett umgebaut habe. Alle Kabel, die Power Supply und alle OP-Verstärker sind neu. Den hatte ich schon zwei Mal, und das ist jetzt mein dritter – ich habe ihn vorher immer wieder verkauft. Der ist wie ein paralleler Clipper. Bei dem ist ein halbes dB schon ein Statement. Da hast du schon was »Brettiges«, das Sound macht. Mit dem mache ich nur ein halbes dB bei 332 Hz mit einem weiten Q-Faktor. Das heißt, ich möchte gerne diese 332 Hz drin haben, aber nicht mit dem Eksa, der schnell ist; der würde zu viel Dynamik machen und Transienten erzeugen. Das würde mich ablenken. Ich will es auch nicht mit dem Tube-EQ machen, denn der würde das Signal beim Boosten eher abdunkeln. Mit dem Maselec bekomme ich zwar 332 Hz, aber gleichzeitig kriege ich 660 Hz und 1.320 Hz. Weil er nämlich auch Distortion erzeugt, kriege ich nicht nur die Frequenz, die ich booste, sondern auch die Oktaven davon. Dadurch habe ich dann sowas Festes!
Nutzt du extra Equipment, was vielleicht nicht jeder einsetzt?
Der Soma, der ist schon so der Mastering-EQ! Den haben mittlerweile viele! Der Maselec MEA-2 ist auch sehr klassisch und bringt den UK Sound. Der Eksa ist m. E. ein besserer Sontec EQ. Ich habe mit Jonte Knif eine Custom-Version davon gebaut, die viel weitere und feinere Q-Werte liefert und auch frequenztechnisch ganz anders auflöst. Er arbeitet komplett in Viertel-dB-Schritten, was genial zu dosieren und nur super Super Wide Q mit ganz feinen Abstufungen ist. Da kann ich viel mehr Phase und Timing Sound über die Qs machen.
Er hat vier Ein- und Ausgänge und ist eine kleine Mastering-Konsole mit Makros. Ich kann zum Beispiel das Level innerhalb der analogen Kette verändern, ohne dass sich mein Abhör-Level verändert. Das heißt, am AD-Konverter kommt immer das gleiche Level an. Dann habe ich mein Master, bin schon mega happy und kann sagen, die analoge Kette soll 1 dB oder 2 dB weniger Level haben, aber das Level am AD bleibt gleich laut.
Ich arbeite auch analog, da ich, wenn ich einen Impuls habe, nicht in eine Liste reingehen und dann 1.000 EQs angucken will, mit denen jeder von unseren Rechnern voll ist. Ich versuche, es immer so übersichtlich wie möglich zu halten.
Man merkt deinen Enthusiasmus zum Mastering. Was, würdest du sagen, fasziniert dich am meisten daran?
Schön ist einfach, dieses Leben leben zu dürfen, inmitten der Musik und den Musikern. Das ist das größte Geschenk! Es fasziniert mich, dass ich gefunden werde und die Künstler:innen ihre Platten nach bestem Wissen und Gewissen fertig machen und mir dann vertrauen, mit meinem Geschmack und meiner Erfahrung das beste Ergebnis für die Ewigkeit zu erzeugen.