Die Kunst des Mikrofonbaus

Hinter den Kulissen der Mikrofonschmiede Microtech Gefell

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Die M300 Serie aus den Hause Microtech Gefell wurde kürzlich um das M330 (ganz rechts) mit einer breiten Nieren-Charakteristik ergänzt.

Wann gibt es eigentlich genügend Mikrofone? Um es mal provokant auszudrücken: Seit rund 100 Jahren werden Mikrofone mehr oder weniger nach demselben Prinzip gebaut und mit einem SM57, das es so unverändert seit über 50 Jahren gibt, wird gefühlt jede zweite Aufnahme gemacht – und am begehrtesten sind sowieso die alten Klassiker. Warum braucht es da eigentlich immer noch Neu- und Weiterentwicklungen?

Gibt man bei Thomann den Begriff »Mikrofon« in der Suchmaske ein, werden über 8.000 Ergebnisse aufgelistet. Abzüglich verschiedenen Bundels, Mikrofonklammern etc. bleiben da in jedem Fall noch mehrere Hundert Mikrofone übrig, die zum Kauf zur Verfügung stehen – wohl gemerkt, allein bei Thomann!

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Darunter findet man Klassiker genau so wie Neuerscheinungen der letzten Jahre, die natürlich nicht allesamt nur Marketing-Gags sind, um die provokante Eingangsthese schon mal zu entschärfen. Nach welchen Kriterien müssen also Mikrofon-Hersteller arbeiten, um in dieser Flut noch mit einem sinnvollen Produkt hervorzustechen, und welche Schwerpunkte setzt dabei die deutsche Mikrofonschmiede Microtech Gefell?

Torsten Turinsky ist hier im Außenvertrieb und Bernd Kraus ist technischer Entwickler. Beide standen uns für ein Gespräch am Beispiel der M300-Serie bereit.

Welche Überlegung steht denn am Anfang der Entwicklung eines neuen Mikrofons?

Torsten: Also beim M300 war es so, dass es eine Anfrage seitens eines Lautsprecherherstellers gab für ein Nachhallverlängerungssystem, das sie in einem Saal installieren wollten. Das Mikrofon kam auch bei anderen Kunden und im klassischeren Einsatz sehr gut an, und somit war es zur Idee der Serie, also neben dem M300 (Niere), das M310 (Superniere), M320 (Kugel) und nun auch mit dem M330 (Breitniere) nur noch ein kleiner Schritt.

Ist es ein Spezialfall, dass solche Anfragen von extern reinkommen?

Bei Neukonstruktionen ist es typischer, dass wir nach eigenen Ideen eben so konstruieren, wie wir glauben, ein Mikrofon gut auf dem Markt verkaufen zu können. Allerdings können wir von Microtech Gefell, da wir ein relativ kleiner Hersteller sind, auf externe Anfragen sehr gut reagieren.

Aktuell entwickeln wir auch eine Mikrofon-Serie im Auftrag von der HTWK Leipzig und dem Fraunhofer Institut Ilmenau. Das ist noch kundenspezifisch, aber natürlich haben wir auch den Hintergedanken, dass, wenn es bereits jetzt zwei so große Abnehmer gibt, es dann auch noch andere Abnehmer interessieren muss. Es ist also nicht die Regel, es ist aber auch nicht unüblich.

Torsten Turinsky ist im Außenvertrieb bei Microtech Gefell.

Unser Kerngeschäft sind aber auch nicht Neuentwicklungen – unsere »neuen« Mikrofone sind in der Regel aus den 90ern und unsere alten aus den 30ern (lacht) – um das mal etwas überspitzt zu formulieren. Ein Großteil unserer Entwicklungsarbeit besteht darin, Produkte in ihrer Qualität zu verbessern bzw. zu erhalten. Da geht z. B. viel Zeit und Geld drauf, um einen neuen Klebstoff zu entwickeln, da ein alter aus Umweltvorgaben nicht mehr verwendet werden darf. Auch mit der Universität Jena wird gerade an Materialzusammensetzung geforscht, die in der M7-Kapsel zum Einsatz kommt – das wird ja alles hier im Land von Grund auf produziert.

Es gibt natürlich auch bei uns Neuentwicklungen, aber das ist nicht unser Fokus, sondern wir wollen für unseren Kunden die Qualität, die sie gewohnt sind, erhalten.

Wenn es keine Kundenanfrage gibt, wie findet man dann heraus, welches Mikrofon, zwischen den zig Tausend, die es derzeit auf dem Markt gibt, noch fehlt?

Bernd: Das entsteht meist bei einem Gespräch mit dem Kunden und dem Vertrieb. Bei dem M310 war es so, dass es ein Kunde, der das M300 bereits besaß und schätzen gelernt hatte, dieses auch auf einer Buchlesung, also auf der Bühne, verwenden wollte, dafür aber eine Superniere brauchte. Also haben wir die Konstruktion, die damals schon langzeitbewährt war, dahingehend verändert – in dem Fall war das also nur ein geringer Mehraufwand. Das M320 und jetzt das M330 waren dann die logische Vervollständigung der Serie.

Noch zum Thema Qualität und auch Nachhaltigkeit: Es kommt nicht selten vor, dass wir Mikrofone aus den 50ern oder 60ern zum Service hier haben. Die sind dann natürlich durch Schweiß und Speichel oft extrem verschmutzt, gerade an der Kapsel kann solcher Dreck auch Beschädigungen hinterlassen. Da kann man dann entweder die ganze Kapsel tauschen oder nur die Membran und den Rest entsprechend sauber machen. Dann tauscht man noch die ausgetrockneten Kondensatoren, und danach genügt das Mikrofon auch wieder neusten Anforderungen. Diese Langlebigkeit ist auch Teil unserer Firmenphilosophie. In der Regel verkaufen wir ein Mikrofon und sehen den Kunden dann lange, lange nicht wieder.

Bernd Kraus ist bereits seit den 80er-Jahren in der Mikrofonentwicklung bei Microtech Gefell tätig.

Du hattest gerade eben die verschiedenen Charakteristiken der M300-Serie angesprochen. Oft werden modulare Mikrofone mit verschiedenen Kapseln zum Tauschen angeboten. Gibt es da verschiedene Vorteile, wenn das Mikrofon »aus einem Guss« produziert wird?

Das entscheidet letztendlich der Kunde, ob er sich für ein Solo-Mikrofon oder ein System-Mikrofon mit wechselbaren Kapseln entscheidet. Es gibt Leute, die wissen genau, dass sie diese eine Charakteristik brauchen. Diese greifen fast immer zu dem einen Mikrofon. Da kann dann nichts verschmutzen, man kann nichts verlieren und man kann – wenn man doch mal gewechselt hat – nicht versehentlich die Aufnahmen mit der falschen Kapsel gemacht haben.

Andere Kunden sind experimentierfreudiger oder haben einen breiteren Einsatzbereich, die greifen dann wahrscheinlich lieber zum modularen System.

Wie lange dauert es überhaupt, ein Mikrofon zu konstruieren, von der ersten Idee bis es im Ladenregal steht?

Beim M330 war es natürlich nur eine weitere Modifikation. Da musste ich nur eine Modifikation an dem phasendrehenden Glied vornehmen, ich habe also die Bedämpfung dort anders eingestellt, um die Richtcharakteristik zu erzeugen. Nach drei, vier Tagen hat man das eigentlich raus, dann werden noch Messungen gemacht, und die ein oder andere Kleinigkeit wird noch abgestimmt. Aber nach 14 Tagen ist man damit fertig, wenn man das Daily-Business mal außen vorlässt. Bei einer Neukonstruktion mit parallellaufendem Daily-Business kann sich das auch gerne mal ein Jahr hinziehen, bis man alle Kinderkrankheiten wegkonstruiert hat. Das ist dann viel Versuchen; Berechnen hilft da in den meisten Fällen weniger.

Und dann ist aber noch eine ganz andere Frage: Wie klingt denn das Mikrofon überhaupt?

Der schönste Frequenzgang sagt ja wenig darüber aus, ob es auch schön klingt. Unser altes M296 z. B. hatte einen wunderschönen linearen Frequenzgang, der Traum eines jeden Messtechnikers. Aber wenn ich mir das angehört haben … das war so steril, und es war da so wenig Leben in den Aufnahmen drin … Das ist als Sprechermikrofon z. B. gar nicht geeignet.

Welches sind denn eure persönlichen Lieblingsmikrofone?

Torsten: Meine Gitarren-Aufnahmen mache ich gerne mit M300-Mikros. Und ergänzen würde ich es noch gerne mit dem Röhrengroßmembranmikrofon M92.1 S. Das hat eine sehr moderne Röhrenschaltung, da es einerseits sehr natürlich und präzise klingt, auf der anderen Seite aber auch noch eine gewisse Wärme mitbringt.

Bernd: Ich mag die Röhrenmikrofone sehr, da diese immer noch eine gewisse Wärme mitbringen. Aber wenn ich mich entscheiden sollte: Ich finde, unser M930 ist spitze – ein Großmembranmikrofon in einem extrem kleinen Mikrofonkörper. Die Schaltung ist außerdem extrem hoch aussteuerbar, und es hat extrem geringes Eigenrauschen und eine sehr solide Kapsel. Das kann sich wirklich überall sehen lassen.

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