HomeStudio auf Profi-Niveau: Zu Gast bei Ed Thorne
von Moritz Hillmayer & Dirk Heilmann,
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Ed Thorne ist einigen vielleicht von YouTube bekannt: Dort hat der Brite bereits 24.000 Follower. Dabei ist der Kanal nur ein Nebenschauplatz – hauptsächlich ist Ed Thorne Musikproduzent und Engineer. Wir hatten Gelegenheit, ihn in seinem Londoner Studio zu besuchen.
(Bild: Ed Thorne)
Als ehemaliger Live-Techniker weiß Ed Thorne genau, worauf es bei Popularmusik im Konzertsaal ankommt: die Bassdrum und die Vocals! Das war einer der wesentlichen Gründe, warum er seine Betätigung in den Studiobetrieb verlegte: Neben Bassdrum und Vocals kamen ihm die anderen Instrumente einfach zu kurz. Also kehrte er miesen Arbeitszeiten, akustisch schwierigen Konzertsälen und ewig schweren Kisten den Rücken und richtete sich im Londoner Stadtteil Ealing ein Studio ein.
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Wir trafen Ed in seinem Allerheiligsten und sprachen mit ihm über seine Laufbahn, wie er bei YouTube gelandet ist, was für ihn die wichtigsten Punkte bei seiner Arbeit im Studio sind und welche Hilfsmittel er dafür nutzt.
Wie bist du zum Ton gekommen?
Ed Thorne: Mit 8 Jahren etwa hatte ich angefangen, Schlagzeug und Percussion zu spielen, mit 11 habe ich dann auch endlich mal Unterricht genommen. Irgendwann bin ich nach London gekommen, mit der ziemlich naiven Vorstellung, dass ich mit 25 Stadien spielen würde – das ist aber noch nicht Realität geworden. In dieser Zeit hatte ich schon viel in Bands gespielt, und wir nutzten PAs, um die ich mich kümmerte. Jahre später stand ich dann mehr hinter dem Pult als auf der Bühne, und schon bald bestritt ich damit hauptsächlich meinen Lebensunterhalt. Das Schlagzeugspielen wurde als Beruf immer unattraktiver, da die Löhne hierfür seit über 15 Jahren weitestgehend identisch geblieben sind – das ist echt traurig. Als Live-Engineer hingegen konnte ich meinen Lohn stetig etwas erhöhen und bekam trotzdem immer mehr Arbeit.
Hast du auch selbst Musik geschrieben?
Ja, als ich für mein Studium nach London gekommen bin, habe ich immer Teile von Songs geschrieben, allerdings nie einen kompletten Song. Daran habe ich mich erst vor acht Jahren gewagt – das war eine Art Therapie für mich. Dafür machte ich mehr und mehr Recordings, aber noch nichts Größeres.
Für Studios habe ich damals parallel weitestgehend Aufnahmen gemacht, zum größten Teil Drum-Recordings. 2019 habe ich mir dann gedacht, ich müsste endlich mein eigenes Zeug aufnehmen, und das ging dann einher mit meinem YouTube-Auftritt. Die Idee war, dass ich all die einzelnen Schritte des Schreibens, Aufnehmen und Produzieren festhalten wollte, um zu zeigen, welche Arbeit eigentlich in Musik steckt und dass der Wert von Musik viel mehr ist als bloß eine kostenlose Audiodatei auf einem Handy. Ich hatte also alles akribisch dokumentiert und auf YouTube gestellt, aber das hat dort natürlich niemanden interessiert. (lacht)
Aber YouTube war für dich trotzdem nicht gestorben.
Nein, ich schwenkte stattdessen auf Lehrvideos mit Grundlagen um, die vor allem für Live-Techniker interessant sein sollten. Das hat aber auch nicht funktioniert. Also habe ich noch einmal umgeschwenkt: Ich hatte hier einige Interfaces im Studio, darunter einige der üblichen Verdächtigen, die ich dann miteinander verglichen habe. Und dieses Video ging im April 2020 online, als jeder, wirklich jeder Musiker weltweit das erste Mal zu Hause sitzen musste und nichts zu tun hatte. Musiker, die sich dann überlegt haben, dass sie ihr eigenes langersehntes Album endlich aufnehmen wollten und dazu ein neues Interface brauchten. Die haben schnell gemerkt: »Okay, diese beiden Interfaces scheinen die beiden populärsten zu sein – ah, der Typ auf YouTube vergleicht die beiden!« Das Video war also ein ziemlicher Selbstläufer, und YouTube hat dadurch gelernt, dass mein Kanal für Audio-Gear ist.
Parallel habe ich aber auch immer noch weiterhin selbst geschrieben, gemixt und Musik produziert.
Und seitdem läuft der Kanal?
Um ehrlich zu sein, den Umgang mit YouTube musste ich auch erst lernen. Ich wurde getrollt, viel kritisiert, und man muss lernen, was die Leute eigentlich sehen wollen, generell, und im Detail, und wie man es aufbereiten muss. Dabei habe ich selbst am meisten gelernt, ich habe ja nie eine richtige Audioausbildung gemacht. Das war also auch sehr gut für mein eigenes technisches Verständnis. Ich habe viel am Live-Pult gelernt, musste oft Freunde anrufen, die mir bei Problemen halfen. In der Live-Branche ist das praktische Lernen manchmal der besonders harte Weg, wenn es nämlich auf Gigs mal total schiefläuft. Und auch im Studio geht es viel ums Ausprobieren.
Aber YouTube hat mir da einen Schubs in die richtige Richtung gegeben. An dem Punkt bin ich auch Universal Audio dankbar. Die haben mir eine Menge Plug-ins zum Vergleichen zukommen lassen. Da habe ich mal selbst den klanglichen Unterschied zwischen API Preamps im Vergleich zu Neve gehört. APIs haben einen Fokus in den Mitten, sind ziemlich punchy und klingen sehr tight. Neve ist ein bisschen wärmer, und der EQ ist ein bisschen ausladender. Und die SSL ist ein bisschen neutraler.
Und eine Spur aggressiver, würde ich sagen.
Genau. Jedenfalls war es super, diese Vergleiche anstellen zu können. Und natürlich hat mich dann auch das analoge Gear in den Fingern gejuckt, zunächst zum Mixen. Ich habe meinen ersten Kompressor gekauft, und noch einen und noch einen, die haben auch ihren Job getan, aber ich habe sie inzwischen doch wieder verkauft. Dann bin ich auf die 500er-Module gekommen. Nun sind meine Racks voll, eigentlich bin ich so weit auch glücklich. Ich liebäugele aber noch mit Master-Bus-Zeug. Vielleicht der Rupert Neve Portico oder ein Orbit zum Summieren?
Das kann ich gut nachvollziehen.
So bin ich also zum Ton gekommen. Ich wollte mein eigenes Ding machen und habe dabei gemerkt, dass Mixen mir ziemlich liegt. Allerdings wollte ich keinen Live-Sound mehr machen, das war mir einfach zu stressig. Lange Arbeitstage, die Schlepperei, man hat viel Verantwortung. Es kann und wird so viel schief gehen. Der Job besteht zum Großteil darin, sich an Gegebenheiten anzupassen, die man nicht ändern kann. Und man muss natürlich auf sein Gehör aufpassen. Ich war da glücklicherweise bisher sehr sorgsam, aber bei 6 kHz habe ich doch schon etwas verloren und das soll nicht schlimmer werden.
Es hört sich jedenfalls so an, als hättest du deine Passion gefunden.
Ja, so läuft es manchmal. Verrückt. Ich habe auch die Live-Welt sehr geliebt, aber es hat sich nie nach dem angefühlt, was ich bis zum Ende machen wollte. Beim Mixen im Studio kann ich meine Kreativität mehr ausleben, obwohl ich nicht am kreativen Steuer sitze. Neben dem Schlagzeugspielen, was ja meine erste Liebe war, sehe ich hier wirklich meine Zukunft. Die Methoden von live und Studio sind in der Theorie größtenteils gleich, aber in der Praxis sehr verschieden – EQs, Gates und so weiter. Nur Sättigung würde man live nicht verwenden – die PA klingt ohne oft schon schlimm genug. (lacht)
Live ist vielleicht pragmatischer?
Man muss schneller Prioritäten setzen. Muss der Gesang besser zu hören sein, damit die Leute den Song erkennen, oder die Bassdrum, damit sie tanzen können? Die Amps stehen eigentlich nur für die Musiker da, normalerweise sagst du den Gitarristen, dass die Dinger leiser sein müssen und Keyboarder sind prinzipiell bei Beginn der Show 10 dB lauter als noch beim Soundcheck. Die Akustik der Konzerthalle wird mit Klatschen gecheckt, man denkt: »Okay, heute wird’s mies«, aber die Akustik ändert sich dann eh nochmal, wenn die Leute im Saal sind, also muss man das wieder mitberücksichtigen. Im Studio ist man da wesentlich akkurater und hat mehr Zeit. Kurz gesagt: Live muss die Kick sitzen und die Vocals müssen zu hören sein. Im Studio muss man auf alles achten. Nicht nur die Instrumente, sondern auch auf Clipping, das Low End und natürlich das LUFS-Level. Oder ob man den Limiter in die Knie zwingt, weil bei 30 Hz etwas rumpelt, das man nicht hört, weil die eigenen Speaker nur bis 54 Hz runter gehen und nicht bis 30, wie meine hier.
Stichwort Lautsprecher – das war bei dir ein aufwendiger Suchprozess, oder?
Viele Engineers sagen, dass sie ihrer Abhöre nicht hundertprozentig vertrauen können, dass sie nicht zuverlässig wiedergeben. Wenn ich hier meine PSI Audio höre, habe ich eher gegenteiliges Problem – ich höre nämlich absolut alles, jedes Detail. (lacht)
Ich habe hier diesen Wes Audio Rhea Vari-Mu-Kompressor mit einer umschaltbaren Sättigungsstufe: THD auf Medium ist bei einem Prozent, auf Hoch bei 2,5 Prozent. Auf meinen vorherigen Lautsprechern war ich mir bei Medium nicht sicher, ob ich überhaupt etwas höre, und bei 2,5 Prozent dachte ich mir: »Da tut sich schon etwas«, aber ich konnte es nicht wirklich einordnen. Auf den neuen PSI-Audio-Lautsprechern war mir schon das eine Prozent fast zu viel. (lacht) Mit den vorherigen Monitoren habe ich meine Gitarren oft mit der höheren THD-Einstellung aufgenommen, und das klang okay, und dann habe ich es später auf meinem Handy angehört, und es klang hart und spitz. Die PSI Audio ermöglichen es mir, einen Sound einzustellen, der dann auch überall sonst gut klingt.
Ich hatte übrigens auch ATCs hier, zwei total gegensätzliche Speaker. Ich hatte die mit den PSI Audio ein paar Stunden hier verglichen und sie zu diesem Zweck übereinandergestellt. Dabei ist mir aufgefallen, dass immer die, die gerade oben standen, besser klangen als die darunter. Da habe ich gemerkt, wie stark die Vibrationen und die Reflexionen von der Tischoberfläche den Klang beeinflussen. Die unteren klangen immer etwas schlechter. Das kam vermutlich daher, dass die unteren Lautsprecher Vibrationen des Tischs absorbierten und außerdem näher an der Tischoberfläche waren, wodurch eine Überhöhung bei 150 Hz entstand. So habe ich festgestellt, wie wichtig Isolatoren für den Klang sein können – ich nutze nun welche von IsoAcoustics, die helfen wirklich massiv.
Ist die Entkopplung wirklich so wirkungsvoll?
Oh ja, die Dinger lassen deine Speaker praktisch 1.000 Euro besser klingen. Wirklich Wahnsinn, wieviel besser damit die Tiefmitten definiert sind.
Nutzt du auch Kopfhörer zum Mischen oder zum Gegenhören?
Ja, das mache ich. Mein Arbeitstier ist der Sennheiser HD 490 Pro. Durch den bekomme ich noch mal einen etwas anderen Blick auf die Balance und den Gesamteindruck. Ansonsten habe ich noch diese alternativen Speaker. Was hältst du davon? Eine Bluetooth-Soundbar! (lacht)
Brillant! Das sind dann also deine Auratones?
Genau. Die klingen genau, wonach es aussieht, und das soll es auch. Was ich auch sehr empfehlen kann, ist die App Mix to Mobile. Das Plug-in ist für kleines Geld zu haben und kommt mit einer kostenlosen App fürs Smartphone. Dieses Plug-in sitzt dann am Ende deiner Master-Bus-Kette, und über WLAN oder direkt über ein USB-Kabel kann man dann den Mix direkt über das Handy gegenhören.
Das ist ziemlich clever. Es ist also nicht nur eine Simulation.
Genauso ist es. Denn man muss sich leider immer wieder klar machen, für wen und für was wir hier Musik mischen. Handys mit ihren 200 Hz bis 10 kHz gehören leider dazu. Wenn die Bassdrum keine Frequenzen über 200 Hz hat, dann hört man das einfach nicht. Auch besonders hohe Frequenzen bei zum Beispiel zerrenden Gitarren, wie schon besprochen, machen da gerne Probleme, oder wenn sich Gitarren und Vocals im Wege stehen – man hört sehr viel auf Handys.
Vielen Dank für deine Tipps und vielen Dank für das Gespräch!