Interview mit Sounddesigner Michael Schwendler (Dynamedion)
von Marc Bohn, Artikel aus dem Archiv
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Mainz ist gefühlt das Sounddesign-Zentrum in Deutschland, was unter anderem am dort angesiedelten Unternehmen Dynamedion liegt, das bereits bei der Vertonung von Games wie Mortal Kombat 10, Die Siedler, der Anno Reihe u.v.m. mitgewirkt hat. Ihr Lead-Sounddesigner Michael Schwendler erzählt uns, was seine Aufgabe ist, wie er an das Sounddesign von Computerspielen herangeht und wo er die Herausforderung dabei sieht.
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Michael, erzähl uns doch mal, was dein Background ist und wie du zu Dynamedion kamst?
Ich habe eigentlich Umweltschutz studiert, konnte aber nach dem Studium keinen Job finden. Irgendwann hat mir dann jemand von Dynamedion erzählt, die Computerspiele vertont. Deren Gründer Pierre Langer kenne ich schon aus meiner Jugend. Da ich hobbymäßig Musik gemacht habe, kamen wir schnell ins Gespräch. Ich habe dann zwei Jahre lang als freier Mitarbeiter lizenzfreie Musik für Dynamedion komponiert. Allerdings habe ich mich als Composer nie wirklich wohlgefühlt, da mir einfach der musikalische Background gefehlt hat. Irgendwann wurde eine Stelle bei Dynamedion frei. Hier kam ich erstmals mit Sounddesign in Kontakt. Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich Sounds in Spiele eingebaut, das wurde damals noch mittels Text gescriptet. Nebenbei habe ich erste kleine Sounddesign Jobs übernommen und mich immer weiter in das Thema eingearbeitet. Schnell habe ich festgestellt, dass mir Sounddesign gut liegt und viel Spass bereitet. Als ich damals 2003 bei Dynamedion angefangen habe waren wir zu dritt in einer kleinen Wohnung, mittlerweile sind wir zwei mal umgezogen und zählen (ohne die ganzen externen Mitarbeiter) über 20.
Was ist deine Aufgabe bei Dynamedion?
Bei Dynamedion bin ich als Lead-Sounddesigner tätig und zudem arbeite ich als Sounddesigner für die BOOM Library. Bei Dynamedion kümmere ich mich um alles, was an Sounddesign produziert wird, nehme externes und internes Feedback entgegen und übernehme die Qualitätskontrolle. Früher habe ich auch die Sounds in Computerspiele eingebaut, das übernehmen mittlerweile andere Mitarbeiter.
Wie sieht die Herangehensweise bei der Vertonung eines Computerspiels aus, und wie entstehen die Ideen zu den Sounds?
Hier gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Zum einen bietet Dynamedion eine Komplettvertonung an, bei der ein Spieleentwickler an uns herantritt und die Erstellung aller benötigten Sounds, sowie deren Integration – also der Einbau in das Spiel – von uns übernommen wird. Hierzu bekommen wir Zugang zum Spiel, können es uns genau anschauen und ausprobieren. In Verbindung mit Asset-Listen, in denen alle Objekte und Gegenständen, die im Spiel vorkommen gelistet sind und die uns der Spieleentwickler zur Verfügung stellt, erstellen wir ein sogenanntes ›Soundbook‹. Dieses enthält alle für das Spiel benötigten Sounds. Die Liste wird dann abgearbeitet und alle Sounds designt, sowie parallel in das Spiel eingebaut. Im Soundbook wird zudem der Status der Sounds verwaltet und festgehalten, ob der Sound vom Entwickler abgenommen wurde, der Sound in das Spiel eingebaut ist und ob der Sound im Spiel korrekt funktioniert usw.
Bei Spielen, zu denen wir nur Additional Sounddesign beitragen, schicken uns der Spielentwickler Listen mit Sounds, die sie von uns erstellt haben möchten. Damit wir eine Vorstellung bekommen, wie es klingen soll, stellt uns der Entwickler Spotting Material (Dokumente mit Beschreibungen, Bildern usw.) zur Verfügung. Oft bekommen wir auch Videos, vor allem wenn die Sounds zu einer Animation passen müssen.
Ihr seid ja mit der BOOM Library verkoppelt. Greift ihr oft darauf zurück, oder geht ihr noch raus und nehmt auf?
Zu Beginn meiner Tätigkeit als Sounddesigner habe ich mit den damals gängigen Sound-Libraries gearbeitet – Soundideas, Hollywood Edge usw. Es kam allerdings immer wieder vor, dass wir Material selbst aufnehmen mussten, da die damals verfügbaren Libraries das benötigte Material nicht enthielten. Irgendwann kam dann die Idee, diese Aufnahmen selbst in eine Library zu packen und zu vermarkten. So entstand die BOOM Library.
Die BOOM Library ist mittlerweile so umfangreich, dass ich beim Sounddesign immer zuerst darauf zurückgreife und mich nur noch selten bei kommerzielle Libraries bediene. Einerseits, da ich mir um die Qualität der Sounds keine Gedanken machen muss, andererseits werde ich hier oft schneller fündig als in den kommerziellen Libraries.
Aufgrund der großen Klangbibliothek, auf die ich zurückgreifen kann, muss ich nur selten Material neu aufnehmen, das kommt aber immer noch vor. Das mache ich dann entweder in meinem Studio oder auch draußen. So habe ich kürzlich an einem Wochenende ganz früh morgens, als alles noch ruhig war, im Park Krähen aufgenommen.
Wo liegt für dich die Herausforderung beim Sounddesign von Computerspielen?
Die Vertonung sollte dem Spieler ein intensiveres Spielerlebnis geben und ihn zudem in seiner Spielerfahrung unterstützen. So geben viele Sounds dem Spieler Feedback wie zum Beispiel: ›der Schuss kam von links, also ist dort ein Gegner‹, oder ›Ich greife an und habe getroffen‹ oder ›Ich wurde getroffen und ich bin verletzt‹.
Die Herausforderung liegt darin, hierzu die passenden Sounds zu erstellen, die den Spieler in das Spiel eintauchen lassen.
Kannst du uns den Sounddesign-Prozess in einzelnen Schritten erklären? Wie entsteht ein Sound, und wie gehst du dabei vor?
Je nachdem, was ich designe, ist der Weg vom Sample hin zum fertigen Sound sehr umfangreich. Ich teile die Sounds in verschiedene Bereiche auf und arbeite mit verschiedenen Layern. Hierbei schichte ich Teile verschiedener Sounds übereinander, die zueinander passen und sich ergänzen, so, dass sie in sich eine neue Einheit bilden. Man kann die Layer zum Beispiel in die Frequenzbereiche Tief, Mittel und Hoch oder nach deren Dynamik aufteilen. Bei einer Aufteilung nach Dynamik zum Beispiel suche ich einen Sound für den Transienten, einen für den Sustain und einen für den Ausklang. Zudem bearbeite ich die Layer mit Plug-ins.
Arbeitest du viel mit Effektketten?
Auf jeden Fall, das ist essenziell. Zusätzlich zu Cubase nutze ich Soundminer. Das ist ein Programm, in dem ich meine Klangbibliotheken verwalten kann. Ich scanne also die Sounds und kann sie dann über die Infos in ihren Metadaten suchen. Wenn ich jetzt zum Beispiel nach ›Shot‹ und ›Single‹ suche, filtere ich alle Sounds aus meiner Library und mir werden nur einzelne Schüsse angezeigt.
Dann habe ich in Soundminer noch die Möglichkeit, VSTs auf die Sounds zu laden und kann beispielsweise auch den Pitch verändern. Bevor ich die Sounds in Cubase importiere habe ich die Möglichkeit, die Effekte schon drauf zu rechnen. Damit spare ich VST-Leistung in Cubase. Außerdem kann ich die Sounds in Soundminer mit meinen vorher erstellten Effektketten vorhören. So weiß ich: ›Ok, das klingt cool‹ und kann danach mit dem Sound in Cubase weiterarbeiten.
Hast du da eine Art Standard-Effektkette?
Es gibt so ein paar Standard-Sachen. Man braucht natürlich immer einen Limiter, der Pro Q von Fabfilter ist eigentlich immer dabei und diverse Halleffekte. Der Markt ist ja unerschöpflich, und deshalb ist es auch schwierig zu sagen: ›Die sind super, und die nehme ich immer!‹
Es kommt natürlich auch darauf an, was ich designen muss. Wenn ich eher real bleiben soll, bleibt es oft bei Kompressor, Limiter und EQ, bei SciFi-Sounds wird es dann schon umfangreicher.
Sounddesign ist ja sehr künstlerisch, man hat viele Freiheiten, und es gibt unzählige Möglichkeiten, einen Sound zu gestalten. Woher nimmst du immer wieder die Inspiration für neue Sounds?
Ich sehe Sounddesign als eine Mischung aus Kunst und Handwerk. Wenn man zum Beispiel einen Sound groß und fett machen will, gibt es da schon eine große technische Komponente. Man probiert neue Sachen aus, testet neue Plug-ins, verwendet andere Plug-in-Ketten. Um am Ball zu bleiben informiert man sich im Web über Neuigkeiten oder Arbeitsweisen anderer und versucht, coole Sounds aus anderen Spielen und Trailern nachzubauen! Vieles ist auch einfach Try & Error!