Mit über 75 Millionen verkauften Tonträgern, acht Brit Awards und sieben Grammys gehören Coldplay zu den erfolgreichsten Künstlern des 21. Jahrhunderts. Was sie so besonders macht, ist der Kontrast zwischen ihrem Image als »ganz normale Jungs« in einer Songs im Breitwand-Sound. Coldplay-typisch ist auch der krasse Gegensatz zwischen den Millionen Fans, die sie wie Helden verehren, und einer kleinen, aber lautstarken Minderheit, die sie uncool finden. Scheinbar kann man sie nur lieben oder hassen.
Im Laufe ihrer Karriere haben Coldplay ihren Panorama-Sound mithilfe einer beeindruckenden Zahl berühmter Produzenten perfektioniert, darunter Ken Nelson, Markus Dravs, Brian Eno, Paul Epworth und Stargate. Dabei übersieht man leicht den unbesungenen Helden des Coldplay-Sounds, Rik Simpson, der bereits seit ihrem zweiten Studioalbum A Rush of Blood to the Head (2002) für die Band tätig ist und seit Viva la Vida (2008) alle Alben koproduziert hat.
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Simpson, der gelegentlich das Pseudonym Rikademus verwendet, war auch Co- Produzent des neusten, siebten Studioalbums A Head Full of Dreams, das erneut höchst erfolgreich startete, obwohl es in den USA und Großbritannien die Chartposition 1 knapp verfehlte − an Adeles 25 war nicht vorbeizukommen. A Head Full of Dreams produzierte Simpson zusammen mit dem norwegischen Duo Stargate. Letztere teilen sich außerdem den Arrangement-Credit mit der Band. Die Zusammenarbeit mit Stargate war wieder so ein Coldplay-Kontrast, denn Rock gehört eigentlich gar nicht zum Repertoire der Norweger, die als Experten im Pop/R&B-Genre gelten und Dutzende Hits mit Künstlern wie Beyoncé, Rihanna und Katy Perry hatten. Seit Simpson 2002 anfing, mit Coldplay zu arbeiten, ist er für die Band immer wichtiger geworden. Simpson arbeitet in den beiden Studios der Band, The Bakery und The Beehive, im Norden Londons. Bei A Head Full of Dreams war er nicht nur Co-Produzent, sondern auch Aufnahme- und Mix-Engineer eines Großteils des Albums. Wer könnte uns besser erklären, wie der Coldplay-Sound entsteht? Zum Zeitpunkt des Interviews war Simpson gerade dabei, in The Beehive Coldplays Auftritt beim Super Bowl vorzubereiten. Genau dort, im Beehive, hatten die Sessions zu A Head Full of Dreams ihren Anfang genommen. Das war im Sommer 2014.
Simpsons eigene Geschichte beginnt noch viel früher: »Ich habe als Teenager angefangen, in Studios zu arbeiten, und zwar in den Swanyard Studios in Islington [im Norden Londons]. Ich bin auch Sänger und Gitarrist und habe in einer Reihe von Bands gespielt. Wir hatten ein paar Angebote von Plattenfirmen, aber es ist nichts daraus geworden. Also habe ich weiter als Engineer und Produzent gearbeitet, weil ich das sehr befriedigend fand. Außerdem begann ich mehr und mehr, Synthesizer zu spielen, und fing an, die DAW als Instrument zu betrachten. Das Studio wurde zur Band, bestehend aus einem Mann und einem Computer. Nach Swanyard arbeitete ich in den Eden Studios [im Westen Londons]. Dort arbeitete ich mit einigen großen Künstlern [wie Kasabian und Marianne Faithful]. Das wurde mein Sprungbrett, mich selbständig zu machen.
Mit den Jungs von Coldplay habe ich erstmals gearbeitet, als sie ein paar Demos für ihr zweites Album aufnehmen wollten. Wir haben uns richtig gut verstanden, also blieb ich für die eigentlichen Aufnahmen. Als das Album fertig war, fragten sie mich, ob ich mit ihnen als Techniker auf Tour gehen wollte. Nach zwei Monaten wurde mir aber klar, dass das Tourleben nichts für mich ist; ich hörte den Ruf des Studios. Sie hatten dafür wirklich Verständnis, und so habe ich weiter als Freelance-Engineer und Produzent gearbeitet, u. a. mit PJ Harvey und Portishead. Ein paar Jahre später arbeitete ich wieder mit Chris [Martin, Sänger, Keyboarder und Haupt-Songschreiber von Coldplay]. Wir schrieben einen Song für Jamelia und haben ein bisschen was für Jay-Z produziert. 2007 fragte mich Chris, ob ich Interesse hätte, der Band beim Bau eines Studios zu helfen. Das wurde The Bakery, wo ich dann Viva La Vida aufnahm und koproduzierte. Danach habe ich mich mit [dem Coldplay-Bassisten] Guy Berryman zum Produzenten-Duo The Darktones zusammengetan.
Mit der Zeit wurde The Bakery für Coldplay zu klein. Das Studio ist ziemlich eng, und die Büros des Managements sind unmittelbar darüber. Für Overdubs war es gut, aber Aufnahmen mit der ganzen Band waren schwer zu bewerkstelligen, obwohl wir das mitunter gemacht haben. Als ein paar Jahre später die Kirche/Versammlungshalle gegenüber frei wurde, haben wir dort The Beehive aufgebaut. Es ist ein viel größerer Raum, in dem ich die Band ganz komfortabel aufnehmen konnte. Wir waren alle im selben Raum, was für die Kommunikation super ist. Mit der heutigen Technologie habe ich keine allzu großen Bedenken wegen Rauschen oder eingangsseitigem Processing. Solange die Levels am Mic-Pre stimmen, konzentriere ich mich mehr darauf, den Vibe und den Kern des Songs einzufangen. Gute Kommunikation spielt dabei eine wichtige Rolle.«
Aktuell wird The Bakery weiterhin fürs Programming, Editing und Overdubs, hauptsächlich von Gitarren, genutzt. »Das Studio ist weiterhin voll funktionsfähig, aber die besten Sachen haben wir ins Beehive gebracht «, sagt Simpson. Letzteres ist ganz im Stil des 21. Jahrhunderts eingerichtet, mit einem Pro Tools HD-System, einem Raven MTi Touchscreen Controller, einigen Racks mit Outboard und nur einem SSL Matrix als Pult.
»Als Monitorlautsprecher verwende ich hauptsächlich die Barefoot Micromain 27 und die Augspurger Duo 8 Mini Mains. Letztere habe ich in den Staaten entdeckt. In meinen Lieblingsstudios sind Hauptabhören von Augspurger installiert; sie haben diesen Vintage American Sound. Da ist nichts übermäßig gehypet; keine Badewannenkurve, sondern sehr detailreiche Mitten. Dann habe ich diese kleineren Augspurger gehört und fand sie großartig.
Wenn ich aufnehme, summiere ich die Outputs durch unser SSL Matrix-Pult, aber beim Mixing arbeite ich in-the-box mit Hardware- Inserts und verwende meinen Raven MTi Touchscreen für die Fader. Ich würde nur zu gerne wieder an großen Pulten arbeiten, aber heute musst du in der Lage sein, eine Session mit allem Drum und Dran sofort zu öffnen, genauso wie du sie abgespeichert hast. Du kannst auch nicht mehr 20 Minuten an einem Monitor-Mix arbeiten.
Was Gear-Racks angeht, habe ich eine ganze Menge Preamps im [API] 500-Format, u. A. einiges von Thermionic Culture wie den Earlybird, den Culture Vulture und den Phoenix. Ich liebe ihre Geräte; sie schaffen einen analogen Charakter, den Plug-ins nur schwer emulieren können. Außerdem habe ich Sachen von Neve, Helios sowie UA 610 Mikrofonvorverstärker, ein paar API 3124, den Vertigo VSM2, einen GML EQ, den Alan Smart C2, einen alten LA2A, Distressors, einen Eventide H8000 usw. Dazu kommen meine vielen Modular-Synths von Mutable Instruments, Make Noise, Moog, Verbos, Monome, Audio Damage, Tiptop Audio und Qu Bit. Damit können wir ein bisschen von dem ganzen digitalen Kram wegkommen.
Plug-ins und Softsynths sind klasse, aber auch sie haben ihre Beschränkungen. Mit Modular Synths − oder jedem anderen echten Instrument − hast du die Möglichkeit, etwas Einzigartiges und Lebendiges zu schaffen. Wenn du einen Sound damit erstellst, wirst du ihn nie reproduzieren können. Er ist weg. Diese Teile haben Temperament, sie sind organisch und chaotisch − und genau das mag ich. Du musst nur immer im Aufnahmemodus bleiben! Was die Leute berührt, sind die Dinge, die du von Hand spielst. Da liegt die Emotion der Musik. Wir Technikbesessenen vergessen das manchmal.
Selbst ein beschissen aufgenommenes Piano und eine Gesangsstimme können den Menschen ein Gefühl vermitteln. Wenn wir diese großen Produktionen angehen, versuchen wir eine ursprüngliche Saat zum Blühen zu bringen. Aber es geht nur um diese ursprüngliche Saat; also darfst du es nicht übertreiben, sonst wirst du sie verlieren. Chris ist außergewöhnlich talentiert, und seine musikalischen Saatkörner sind unglaublich. Du musst die Band atmen lassen, sie mit der Saat leben lassen, damit sie ihre eigenen Persönlichkeiten einbringen und die Saat gedeihen kann. Mein Job als Produzent ist, das nicht kaputtzumachen. Es geht darum, nicht auf einen falschen Weg abzukommen; ich helfe, den Song zu dem zu machen, was er werden möchte, und versuche dabei gleichzeitig, seine Frische und Schönheit zu erhalten. Was du nicht tust, ist oft wichtiger als das, was du tust.«
Aufnehmen wie ein Italiener
Rik Simpson erzählt, wie die Aufnahmen zu A Head Full of Dreams begannen: »Die Jungs machten nur eine sehr kurze Tour, um das vorangegangene Album Ghost Stories zu promoten, denn es war ein sehr intimes Album. Im Studio begannen wir mit ein paar Ideen, die Chris mit Dan Green aufgenommen hatte, dem FoH-Engineer und Koproduzenten vieler Coldplay-Aufnahmen. Diese Demos waren in verschiedenen Entwicklungsstadien, und die Band steuerte hier im Studio neue Ideen bei. Chris nimmt selber nie Multitrack- Demos auf. So tickt er einfach nicht. Stattdessen hat er ständig sein iPhone laufen. Er hat hunderte von Gigabytes mit Voice-Memo- Files, auf denen er singt und Klavier oder Gitarre spielt. Entweder schickt er uns die Files, oder er kommt ins Studio, um uns was zu Klavier oder Gitarre vorzusingen. Aber die Band ist ziemlich demokratisch. Chris bringt vielleicht die Hälfte der Saatkörner für die Songs ein, und die anderen Samen entwickeln sich auf verschiedene Weise. Auf dem letzten Album gab es beispielsweise einen Song namens Magic, der aus einer Jamsession der anderen drei Bandmitglieder entstand. Chris schrieb dann eine Melodie und einen Piano-Part dazu. Dieses Mal haben wir die Sachen, die wir in London erarbeitet hatten, in The Beehive, z. T. aber auch im Air Lyndhurst, nach LA mitgenommen, wo wir im Henson Studio A und The Village weiter an den Songs feilten und Basic-Tracks einspielten.«
Laut Simpson stießen Tor Hermansen und Mikkel Eriksen von Stargate schon früh zu den Sessions in London und LA. Stargates Beteiligung war für viele eine Überraschung, schien doch ihr typischer Pop-Approach nur schwer mit Coldplays Rockband-Identität vereinbar. Doch »es funktionierte, gerade weil niemand damit gerechnet hatte«, so Simpson. Chris hatte schon zuvor mit Tor und Mikkel gearbeitet, weil er mit Jay-Z befreundet ist und Stargate früher in Jay-Zs Roc-The- Mic Studio in New York zugange waren. Chris wollte sie schon lange dabeihaben. Erstmals haben wir mit ihnen an einem Song namens Miracles gearbeitet, der schließlich auf dem Soundtrack zu Angelina Jolies Film Unbroken (2014) landete. Es war interessant zu sehen, wie Stargates minimalistischer Pop-Produktionsstil funktionieren würde, und dann hat sich die Band entschieden, ein ganzes Album mit ihnen zu machen.
Wenn ich ein einzelnes Element als Stargates wichtigsten Beitrag herauspicken sollte, dann wäre es ihre Mitarbeit an den Songstrukturen und Arrangements. Und weil ihr Arbeitsstil auf Minimalismus und Raum basiert, wirkt nichts überfrachtet. Wir bemühen uns stets, nichts im Klangbild zu haben, das keine Funktion erfüllt. Alles ist aus einem bestimmten Grund da. Dasselbe Ethos hat jeder verfolgt, mit dem ich in der Vergangenheit gerne gearbeitet habe. Brian Eno hat immer gesagt: ›Koche wie ein Italiener: Verwende erstklassige Zutaten, aber sparsam.‹ Das finde ich cool. Marcus Dravs und Paul Epworth haben den gleichen Ansatz wie Stargate, nur aus einer anderen Perspektive. In jedem Fall bedeutet das: Mach keinen unnötigen Aufwand. Bleib puristisch. Sieh zu, dass man alles hören kann. Ein zusätzlicher Pluspunkt ist, dass du dir damit dynamischen Spielraum schaffst.«
Zwischen London und LA
Ansonsten war die Arbeitsweise typisch für die heutige Herangehensweise: »Schreiben, Arrangieren und Produktion, alles lief ineinander«, berichtet Simpson. »Chris lebt inzwischen in LA und die Band in London, folglich wurde auf beiden Seiten des Atlantiks oft gleichzeitig gearbeitet und Files hin und her geschickt. Bill Rahko hat das Engineering in LA übernommen, und in London hatten wir Dan (Green) und Robin Baynton. Das englische Kontingent flog alle sechs Wochen oder so nach LA, wo wir dann ein paar Wochen verbrachten, um Ideen miteinander zu verschmelzen und Takes mit der ganzen Band aufzunehmen. Anschließend flogen wir zurück, um in London wieder ein paar Wochen weiterzuarbeiten. Es war eine interessante Arbeitsweise, auch weil ich jedes Mal meine Outboard-Racks und einige der Modular- Synths nach LA und zurück versandte. Ich wollte Konsistenz zwischen den Aufnahmen an verschiedenen Orten, gleichzeitig wollte ich aber auch in der Lage sein, die Klangunterschiede der verschiedenen Räume produktiv nutzen zu können, zumal wir ständig zwischen Songs hin und her wechselten.
Tatsächlich sind oft musikalische Schnipsel zwischen Songs gewandert. Ein gutes Beispiel ist die erste Single, Adventures of a Lifetime. Der Song ist um ein Gitarren-Riff herum geschrieben, das von einem anderen Song kam, der aus diesem Riff nicht genug herausgeholt hat. Also begann man, einen neuen Song zu schreiben, dessen Ausgangspunkt ein Stereo-Bounce dieses Gitarren-Riffs war. Der ursprüngliche Song war in einem anderen Tempo und einer anderen Tonart. Wir haben das Gitarren-Riff zwei oder drei Halbtöne hochgezogen und es von 95 BPM auf 112 BPM beschleunigt, das Tempo von Adventures. Das ist auch mit ein Grund, warum der Groove und der Sound so ›abgehoben‹ wirken. Es klingt nun fast wie ein Sample.
Ich hatte ein wenig Bedenken, ob Jonny [Buckland, der Lead Gitarrist] es live spielen könnte, denn ursprünglich lagen die Töne viel bequemer auf dem Griffbrett, und langsamer war es ja auch. Aber ich war sehr beeindruckt, wie locker er es spielte, als die Proben für die Tour begannen! Es kommt häufig vor, dass wir Sachen verlangsamen oder beschleunigen, in die Länge ziehen oder stauchen, um sie in anderen Songs zu verwenden. Das mag nicht besonders natürlich klingen, aber tatsächlich stammt es ja von etwas, das vollkommen natürlich entstand. Becken klingen erstaunlich, wenn du sie schnell aufnimmst und dann langsamer abspielst. Die werden sehr texturiert und vielschichtig.
Die Hymne für‘s Leben
Ein weiterer Song, der auf interessante Weise zustande kam, war Hymn for the Weekend. In seiner Grundform existierte dieser Song seit dem Beginn der Sessions, aber es war ziemlich schwierig, den richtigen Ton zu treffen. Wir haben viele verschiedene Versionen aufgenommen, und einige Takte oder Teile früherer Versionen fanden ihren Weg auf die finale Version. Am Ende war der Song ein Hybrid aus verschiedenen Stilrichtungen mit starken Hip-Hop/R&B-Elementen. Wenn du dir die Drums in den Strophen genau anhörst, merkst du, dass sie viel Swing haben und Sample-basiert sind. Der Haupt-Beat ist eine Kombination aus echten und programmierten Drums. Ich glaube, Stargate haben das mit Samples in Structure in Pro Tools gemacht. Mikkel und Tor haben eine enorme Sample-Library. Die großen Produzenten, mit denen ich in der Vergangenheit gearbeitet habe, hatten generell eine riesige Palette von Sounds, aber sie kamen oft wieder auf eine Handvoll ihrer Lieblings-Sounds zurück, von denen sie wussten, dass sie funktionieren, und die auch Teil ihrer Klangsignatur geworden sind. Selbst wenn es nicht genau derselbe Sound ist, hat er oft dasselbe Ethos. So etwa ›Oh, das ist ein Brian-Eno-Whomp‹ oder ›Das ist eine Stargate Kick-Drum‹. Der Anfang des Songs Violet Hill auf Viva La Vida ist ein großes Ambient-Intro mit Davide Rossi an den Streichern und Jon Hopkins an den elektronischen Instrumenten. Sie hatten gejammt, und dann habe ich das, was sie gemacht hatten, durch einen Eventide H3000 gejagt. Heraus kam dieses große Ambient-Ding. Als die Platte erschien, gab es viel Gerede, dass das ein klassischer Eno-Sound sei, dabei war er gar nicht anwesend. Aber irgendwie war seine Energie im Raum gefangen, und wir haben etwas getan, das er getan hätte.«
Rik Simpson beschreibt seine Vorgehensweise bei den Aufnahmen zum aktuellen Album: »Generell versuche ich im Studio, soweit es geht, die Band als Einheit spielen zu lassen, denn sie sind eine klasse Live-Band, und wenn sie zusammenspielen, haben sie den Coldplay-Sound quasi im motorischen Gedächtnis. Für mich hat das etwas Magisches. Es ist wie mit dem Analog-Equipment, das ich zuvor erwähnte: Es ist etwas, das sonst niemand tun kann. Was mich betrifft, glaube ich, dass ich wirklich gut darin bin, die Band aufzunehmen und wie sie selbst klingen zu lassen, und anschließend diejenigen Teile auszuwählen, die am besten klingen und das richtige Gesamtbild ergeben. Manchmal spielt die Band zu einem Click- Track, aber häufig erstellen wir eine Tempo- Map und einen Click-Track anhand ihrer Live- Performances. Sie spielen einen Song fünf Mal, und dann analysieren wir, was sie machen. Wenn sie dazu tendieren, beim Wechsel in den Chorus schneller zu werden, dann spiegelt sich das in der Tempo-Map wider. Ich bin übrigens schon gespannt, wie die neuen Tempo-Controls in Melodyne 4 mich bei diesem Prozess unterstützen werden.
Bevor sie loslegen, lade ich mein Pro- Tools-Template, das 64 Spuren hat, die alle permanent auf Aufnahme geschaltet sind. Für die Band selbst reichen wahrscheinlich 24 Spuren, aber dann gibt es noch jede Menge andere Sachen wie Raummikros und zusätzliche Mikros, falls einer eine Mandoline, Kuhglocke oder was auch immer in die Hand nimmt. Das Template ist für alle Eventualitäten gerüstet. Festplattenspeicher ist heute so billig, dass es völlig egal ist, wenn da hundert Stunden an Audiospuren aufgenommen werden, auf denen gar nichts zu hören ist. Und selbst ein Mikro, das gar nicht absichtlich benutzt wurde, kann tatsächlich irgendetwas Interessantes aufnehmen, das als Effekt oder Ambience Verwendung findet.
Was Gesangsmikrofone für Chris angeht, haben wir über die Jahre so ziemlich alles ausprobiert. Für dieses Album wollten wir einen klaren, dynamischen Sound voller Menschlichkeit und Leben. Ich habe Klangvergleiche zwischen alten Neumann U47, U67 und einer ganzen Reihe neuer, vom U47, Telefunken ELA M251 usw. inspirierter Mikros gemacht. Ich kann sie nicht mal mehr alle aufzählen, aber das Soyuz SU17 hat sie alle weggeblasen. Das ist ein handgefertigtes russisches Mikro, das sehr künstlerisch designt ist und fantastisch klingt, ganz pur und voll. Manchmal hat er [Chris Martin] auch ein Shure SM58 genommen, weil er es liebt, das Mikro in der Hand zu halten und seinen Gesang über die Lautsprecher zu hören. Da kann er alles vergessen und sich der Performance hingeben. Natürlich versuche ich ständig, ihm ein teureres Mikro zum Singen zu geben, das richtig klasse klingt; aber wenn er sich wohlfühlt, legt er eine super Performance hin.
Viele dieser SM58-Aufnahmen sind tatsächlich auf dem Album gelandet, und ich finde, sie klingen klasse, obwohl ich nie Takes mit dem Soyuz und dem SM58 zusammenschneiden würde. Als die Aufnahmen anfingen, bat ich ihn, ein Telefunken M80 als Handheld- Mikro zu verwenden. Ich habe eben versucht, etwas zu finden, das besser klang als ein SM58. Aber später bei den Sessions sind wir aufs SM58 zurückgekommen, weil er das Gewicht des Mikros angenehmer empfand. Sowohl für das SM58 als auch für das Soyuz habe ich einen UA 610 als Mikrofonvorverstärker verwendet, der klasse klingt und ein wunderbares, verlässliches Arbeitspferd ist. Das Klavier in The Beehive ist ein Upright Piano, ein Yamaha Disklavier, mit einem sehr schönen Klang und dem Vorteil von MIDI. Das ist im Allgemeinen auch die einzige Verwendung von MIDI bei Coldplay. Wenn die ganze Band im Studio zusammenspielt, kann ich unmöglich das Signal der Piano- Mikros verwenden, weil da jede Menge Übersprechen von den Drums drauf ist. Also schneide ich gleichzeitig die MIDI-Daten mit, und wenn dann alle Takes eingespielt sind und die Band den Raum verlassen hat, nehme ich das Piano alleine auf, indem ich Chris’ MIDI-Daten zurückspiele. So bekomme eine saubere Aufnahme derselben Performance. Zur Abnahme des Klaviers verwende ich zwei sE Electronics 4400a-Mikros, die den alten AKG C414 EBs am nächsten kommen.«
Die Akustikgitarren nehme ich mit zwei Kleinmembran-Kondensatormikros auf, entweder Telefunken M60 oder Neumann KM84, die in einem 45-Grad-Winkel auf den zwölften Bund ausgerichtet sind. Dazu kommt womöglich ein Raummikro; etwas Knarziges wie das Coles 4038 kommt da gut. Vor den Gitarrenboxen stehen ein SM57 und ein Royer [Bändchenmikro, vermutlich das R-121]; die Bassbox wird mit einem Shure SM7 abgenommen. Von Bass und Gitarre nehme ich immer auch das DI-Signal auf, nur für den Fall, dass ich die Sounds später noch verschönern möchte, indem ich sie nochmal durch den Amp jage. Synths liefen im Allgemeinen durch den [Thermionic Culture] Earlybird und manchmal den Rooster. Letzterer färbt sehr, besonders bei digitalen Synths. Es ist schön, bereits bei der Aufnahme ein bisschen Crunch hinzuzufügen. Abgesehen von den modularen Synths haben wir auch den Moog Voyager XL, Roland Juno-60, Roland Juno- 106, Sequential Prophet-6, Mellotron M4000D, EMS VCS3 und den Oberheim OB8 eingesetzt. Meine Schlagzeugmikrofonierung besteht hauptsächlich aus den üblichen Verdächtigen, abgesehen von einem alten STC Coles 4021 ›Ball & Biscuit‹-Mikrofon, das ich als Mono-Overhead liebe, und ein paar Telefunken ELA M251 als Overheads. Alles andere ist eher Standard. Ich spiele mit verschiedenen Raummikrofonen herum, abhängig davon, wie viele Bandmitglieder ich gleichzeitig aufnehme und was der Song erfordert. Das Coles mag ich recht gern, weil es ziemlich schmierig und dreckig klingt. Und B&K Mikros [heute DPA] mag ich recht gern, weil sie das entgegengesetzte Ende des Sound- Spektrums markieren; ihr Klang ist sehr Hi-Fi. An der Snare verwende ich ein Shure SM57, aber manchmal nehme ich auch ein Neumann KM84, wenn der Song eher zerbrechlich ist und die Snare diesen zarten Touch braucht. Für die Kick habe ich ein dynamisches Telefunken M82-Mikro, das für die Kick- Drum-Abnahme designt ist und richtig gut klingt. Es klingt dick und punchy, aber nicht zu scheppernd. Die AKG Kick-Drum- Mikros klingen für meinen Geschmack zu ›klopfig‹.
Gegen Ende der Sessions haben wir Chris’ finale Vocals in The Woodshed aufgenommen, das ist ein klasse Studio in Malibu mit Blick aufs Meer. Beyoncés Vocals wurden in Chris’ Haus an der Ostküste aufgenommen. Das geschah sehr schnell und quasi mit Hausmitteln. Wir haben im Zimmer von Chris’ Kindern eine Gesangskabine für sie gebaut. Ich kam nur mit einem Laptop, einem Avalon Mikro-Preamp und einem Telefunken ELA M251, das sie als Gesangsmikro bevorzugt. Es war toll, weil sie eine erstaunliche Sängerin ist. Wir haben da wirklich nichts zusammengeschnitten. Wir haben den Bridge-Part geloopt, und sie hat dazu gesungen. Sobald sie herausgefunden hatte, was sie singen wollte, hat sie ihre Parts gelayert. Ich habe tatsächlich alles davon benutzt. Ich musste auch gar nicht viel damit anstellen; so klingt sie einfach. Nachdem wir uns geeinigt hatten, in welche Richtung Hymn for the Weekend gehen sollte, hatten wir die Aufnahmen ziemlich schnell im Kasten; aufgenommen wurde hauptsächlich im Henson. Nur die Bläser waren ziemlich schwierig. Wir haben Sample-Bläser versucht, wir haben’s mit echten Musikern versucht, nämlich Bruno Mars’ Bläser, The Regiment Horns, die eines Abends in The Woodshed kamen, und dann haben wir’s mit Orchester-Bläsern versucht. Aber nichts schien so richtig zu passen. Zu guter Letzt habe ich dann die verschiedenen Brass-Parts durch einen Culture Vulture gejagt, das Ergebnis in Pro Tools aufgenommen und in Teile zerschnitten, damit es wie ein Sample klingt − und plötzlich hat es Klick gemacht!
Auch Beyoncés Gesang hat dem Song unendlich viel gegeben. Plötzlich war sie ein weiblicher Engel, der zum Protagonisten des Songs spricht. Am Anfang von Hymn for the Weekend gab es einen glücklichen Zufall. Ich war dabei, Chris’ Vocals zusammenzuschneiden und ein Wort zu ändern. Ich versuchte, das gleiche Wort in Beyoncés Takes zu finden, wofür ich alle Vocal-Files übereinander aufgereiht hatte, um sie schnell durchhören zu können. Zufällig drückte ich auf Play, als alle Spuren gleichzeitig aktiv waren − und das ist es, was du am Anfang des Songs hörst. Denn es klang unglaublich. Du musst einfach immer experimentieren und für Zufälle offen sein. Die Textänderung haben wir am Ende gar nicht mehr gebraucht.«
Mischen unter der Dusche
Wie heute üblich, verbrachte Simpson viel Zeit damit, Rough-Mixes zu erstellen und die Spuren schon während der Aufnahmephase aufzupolieren. Nichtsdestotrotz war der Final- Mix ein neuer Arbeitsabschnitt. Zwei Songs des Albums, Adventure of a Lifetime und Army of One wurden vom Lieblings-Engineer des Stargate-Teams gemischt, Phil Tan. Die übrigen Songs mischte Rik Simpson. Für uns beschreibt er seine Arbeitsweise − und warum er dafür einen wasserfesten Mono-Lautsprecher benötigt …
Als wir mit den Aufnahmen durch waren, zeigten die Rough-Mixes schon recht gut, wo wir hinwollten. Es war nicht nötig, im Mix irgendetwas zu reparieren. Trotzdem wollte ich mich noch einmal so richtig durch die Songs wühlen, um zu sehen, wie weit ich sie noch pushen könnte. Also habe ich Ende August zwei Wochen im Studio 2 des Air Lyndhurst in London gebucht und Mitte September noch einmal eineinhalb Wochen im Henson. Ins Air ging ich allein wegen der Raumakustik, denn das Pult habe ich überhaupt nicht benutzt − bis auf den Lautstärkeregler. Ich habe auch meine eigenen Lautsprecher mitgebracht. Teilweise war es auch eine Kopfsache. Wenn du woanders hingehst, gibt dir das eine andere Perspektive, und du fühlst einen zusätzlichen Druck, noch härter zu arbeiten und das Projekt in einem neuen Licht zu sehen. Beispielsweise gelang es mir, die Bässe richtig tight zu bekommen und insgesamt eine dreidimensionale Tiefe herauszuarbeiten. Außerdem war mir wichtig, dass die ganzen Vocal-Layers so elegant wie möglich arrangiert waren.
Ich habe meine Outboard-Racks ins Air mitgenommen, außerdem meine Augspurgers und meine Barefoots. Auch mein IK Multimedia iLoud habe ich mitgebracht, das ist ein tolle, kleine Boombox. Und dann noch diesen kleinen, wasserfesten Mono-Lautsprecher, den viele Leute unter der Dusche benutzen. Das Teil nennt sich ›Boom Movement Swimmer‹ und eignet sich super, um zu checken, wie etwas auf kleinen Speakern klingt. Ich habe zehn verschiedene Mini-Lautsprecher getestet, und dieses Teil ist super. Ich habe es fast immer dabei. Ich verwende es recht häufig beim Mischen, um die Vocal- Levels und das ganze atmosphärische Zeug zu checken, das du in Mono nicht immer hörst. Und ja, ich hatte das Ding auch schon unter der Dusche dabei, wo es echt klasse klingt. Nur mischen kannst du dort schlecht!« Laut jüngsten Erhebungen sind Computerlautsprecher mit einem Anteil von 55% das von amerikanischen Musikkonsumenten am häufigsten verwendete Wiedergabemedium. Von daher macht Simpsons Monitoring über Mini-Speaker durchaus Sinn. Er beschreibt seinen Mix-Prozess: »Während der ersten Phase lässt die Band mich mehr oder weniger alleine arbeiten. Wir haben so viel Zeit damit verbracht, die Parts richtig hinzubekommen und sind uns soweit einig, dass an diesem Punkt nichts mehr rausgeworfen werden muss. Alles Unnötige haben wir bereits entfernt. Ich glaube, ich habe die ganzen zwei Wochen im Air alleine gearbeitet. Ich bin das gesamte Album durchgegangen, habe meine Mixes rausgeschickt und alle waren wirklich glücklich damit. Später im Henson waren wir alle zusammen und haben überall das letzte Feintuning gemacht. Danach ging alles direkt zum Mastering, das die wunderbare Emily Lazar übernahm.
Die Pro-Tools-Session zu Hymn for the Weekend besteht aus 171 Spuren mit jeder Menge Plug-ins, VCA- und Effektspuren usw. Rik Simpson erklärt die etwas ungewöhnliche Struktur von oben nach unten, die seinen Mix-Prozess in umgekehrter Reihenfolge reflektiert, denn seine finalen Mastering-Tracks befinden sich im oberen Teil.
Ganz oben ist die Lead-Vocal-VCA-Spur. Direkt darunter befindet sich eine ungewöhnliche Spur namens »Sync Pip«. Simpson erklärt: »Die Vocals richtig einzubetten, gehört zu den Dingen, die beim Mix die meiste Aufmerksamkeit erfordern. Weil ich diese Spur häufig anfasse, platziere ich sie ganz oben. ›Sync Pip‹ hat einen Rechteck-Impuls, den ich immer an den Anfang jedes Mix-Files setze. Wenn ich Stems ausspiele, kann ich die immer wieder synchron bekommen, selbst wenn die Latenz sich ändert. Pro Tools ist nicht so fehlerfrei, wie wir es uns wünschen. Es kommt vor, dass sich Sachen leicht in beide Richtungen verschieben, selbst wenn der Latenzausgleich angeschaltet ist. Mit dem ›Pip‹ am Anfang des Files kann ich meine Drums- und Bass-Stems ausrichten, sodass sie perfekt synchron sind. Diesen Trick habe ich von der Welt des Films übernommen, wo man das analog mit der Filmklappe löst.
Die nächste Spur in Orange ist der ausgespielte Mix. Das ist aber nicht das Final-Mix- Master, denn das nehme ich über feinste Analogwandler auf mein Pro Tools ›Print Rig‹ mit höherer Abtastrate auf dem Laptop auf. Diese Spur hier ist nur meine ›Limiter-Testspur‹. Normalerweise mische ich ohne Limiter, aber ich benutze diese Spur immer mal wieder zum Gegenhören, wie es wohl nach dem Mastering klingen wird. Es ist schade, dass wir so etwas machen müssen, denn am liebsten möchte ich die Aufnahmen dynamisch und verzerrungsfrei belassen, insofern ist es ein Balanceakt. Wenn du das Limiting in deinen Mix-Prozess mit einbeziehst, kannst du die Verzerrungen minimieren und sehr gut klingende, laute Aufnahmen machen.
Direkt darunter ist die Mix-Out-Spur (lila), durch die ich den Mix jage; darauf ist das iZotope-6-Plug-in, das auf Brickwall-Limiting eingestellt ist. Das Ergebnis wird auf der Spur darüber aufgenommen. Im Kommentarfeld der Limiter-Testspur und im Session-Header ganz oben steht: ›HenStb, RikMix, Ref8, 48k, X 20150923B‹. Das bedeutet, dass der Final Mix im Henson Studio B von mir erstellt wurde. Ref8 besagt, dass es davor schon sieben Versionen gab. Die Abtastrate ist 48 kHz; X bedeutet, dass der Mix mit Limiting gemacht wurde, und zum Schluss kommt das Datum, 23. September 2015. Das B heißt, dass ich die Session an diesem Tag zum zweiten Mal abgespeichert habe. Es ist überlebensnotwendig, Namenkonventionen zu haben und alles so gut wie möglich zu organisieren, insbesondere, wenn du mit verschiedenen Leuten an verschiedenen Orten zusammenarbeitest. Wir achten darauf, dass jeder sich an dasselbe System hält, sonst weiß niemand, wenn er eine Session öffnet, mit welcher Version er arbeitet und was wer wann und wo getan hat.
Hymn for the Weekend
Künstler: Coldplay
geschrieben von: Chris Martin, Jonny Buckland, Guy Berryman, Will Champion
produziert von: Rik Simpson und Stargate
zusätzliche Produktion von: Digital Divide
Die Master-Tracks
Rik Simpsons Master Out Limiting Testspur wird gespeist von der darunterliegenden Spur »@MasterNoLimiter« (dunkelgrün), welche die letzte Stufe eines Komplexes ist, der aus vier Master-Tracks (dunkelblau) und 13 Instrumenten- Gruppenspuren (dunkelgrün) besteht. Alle Einzelspuren von Instrumenten und Vocals sowie die Aux-Tracks der Session gehen auf eine dieser 13 Gruppenspuren und von dort auf »@All«, die ihrerseits die Spur »AllToParallel« speist.
Simpson erklärt das Routing und die Bearbeitungen: » ›AllTo Parallel‹ ist mein Haupt- Bus, auf den die gesamte Session geht. Ich habe vier Plug-ins in den Inserts dieser Spur, das Slate Digital Virtual Mix Rack (VTR) − das ist ein 500-Series Channel Strip Plug-in −, die Slate Digital Virtual Tape Machine (VTM), der UAD SSL G Bus Kompressor und der Kush Clariphonic DSP MKI EQ. Sobald alles auf dieser Spur gut klingt, fange ich an, meine Analoggeräte ins Spiel zu bringen. Es gibt zwei Prefader-Sends zu Hardware- Insert-Tracks mit dem Thermionic Culture Phoenix und dem Thermionic Culture Vulture. Diese beiden Spuren und ›@AllTo Parallel‹ gehen dann auf die Spur ›@Master- NoLimiting‹, dann justiere ich die Balance dieser drei Spuren.
Natürlich wird es lauter, und, wie du siehst, habe ich diese drei Fader etwas zurückgefahren. Außerdem gibt es einen VCAMaster- Track, mit dem ich den Pegel der analogen Parallel-Busse regulieren kann.
Auf der Spur ›MasterNoLimiting‹ selbst habe ich den Slate Digital FG-X Saturator, der für Zusammenhalt sorgt, Ozone 5 für etwas Kompression und Ozone 6, dessen EQ ich nutze, um die Bässe und Höhen ein wenig anzuheben. Außerdem gibt es drei Sends. Der erste geht zu meinem Oppo Kopfhörerverstärker, damit ich mir den Mix auf guten Kopfhörern anhören kann; der nächste geht auf den Crane Song Hedd DA-Wandler, und der dritte auf einen Burl DA-Wandler. Mein Laptop ›Print Rig‹ hat zwei Wandler; welchen ich benutze, hängt vom Song ab. Der Burl klingt schön, sehr breit und klar, aber bei einem Großteil dieses Albums hat mir die Färbung und die harmonische Tiefe des Hedd besser gefallen.«
Drums
Unter den 13 Instrument-Gruppenspuren sind die vielen Einzelspuren angeordnet. Sie beginnen mit ein paar Spuren mit sonstigen Klängen wie dem Vogelgezwitscher am Anfang des Songs. Es folgen 39 Spuren mit Drums und Percussion, die größtenteils von Stargate und Avicii programmiert sind; die mit »WC« oder »Will« gekennzeichneten Spuren hat Coldplays Schlagzeuger Will Champion von Hand eingespielt. Auffallend ist, dass auf den meisten dieser Spuren nur sehr wenige Plug-ins zum Einsatz kommen.
Simpson: »Die Vögel am Anfang des Songs hat Chris mit dem iPhone aufgenommen und mir per E-Mail zugeschickt. Ich habe eine Stereoaufnahme daraus gemacht, die klingt, als ob die Laute dich umgeben. Fast alle Schlagzeugspuren haben den FabFilter Pro-Q2 drauf, der in diesem Fall als Hochpassfilter eingesetzt ist. Bevor ich mit dem Final-Mix anfange, versuche ich immer, so viel Bassenergie wie möglich herauszunehmen. Alles was ich nicht benötige, wird entfernt; dadurch bekomme ich mehr Headroom. Das macht wirklich einen massiven Unterschied. Es gibt einen ›Main Kik‹-Track, auf dem auch das FabFilter Pro-G-Gate drauf ist.
Zusammen mit einer anderen Bassdrum-Spur geht es auf die VOG-Spur mit dem Little Labs Voice of God; das ist ein tolles Plug-in [ein Hochpass mit Resonanz] für ein besser kontrolliertes Low-End. Auf einige der anderen Schlagzeug- und Percussion-Spuren sind ausgegraute DVerb und UAD SSL E-Channel Plug-ins, die von Mikkel kamen. Ich habe sie gerendert, um die CPU zu entlasten. Sie klangen gut. Auf einer von Wills Crash-Becken-Spuren ist ein Brainworx bx_refinement Plug-in, um den Sound weniger scharf zu machen. Und auf Wills Toms ist der Kush Audio UBK-1 [Kompressor] für etwas analoge Färbung. Außerdem ist auf dem Ride-Cymbal ein UAD Maag EQ4. Ich liebe diesen EQ wegen seiner einzigartigen, luftigen Höhen, die den Sound einfach öffnen. Es gibt einen Tambourine-VCA-Track, der alle Tambourines steuert, weil ich den Pegel dem Songverlauf anpassen wollte, um sie beispielsweise im Chorus hochzufahren.«
Bass, Piano, Gitarren, Synths, Bläser
»Es gibt vier Bass-Spuren, einschließlich eines 808-Samples, das in der Bridge den Part der Bassgitarre übernimmt. Ich habe den Pro-Q und den Waves L2 auf der 808; auf den anderen Bass-Spuren ist nichts.
Dann gibt es einige Piano-Spuren, Vocal- Samples, Gitarren, Bläser sowie Moog- und Prophet-12-Hardware-Synthesizer. Die Band und ich lieben Hardware-Keyboards. Software- Synthesizer sind klasse, aber sie geben dir nicht dieselbe Tiefe wie die echten Sachen. Die Spur ›KeGuyEndProphet‹ ist ein Prophet- 12, den Guy [Berryman] eingespielt hat. Darauf ist eines meiner Lieblings-Plug-ins, das EastWest Quatntum Leap Spaces Reverb. Außerdem gibt es mehrere Spuren mit einem Chor-Sound aus Spectrasonics Omnisphere; darauf habe ich den Pro-Q2 EQ, etwas Mod- Delay, etwas UAD Dimension-D-Chorus und einen Lexicon Room Reverb.
›Rik End Clouds‹ ist eine kleine Sache, die ich ganz am Ende des Songs gemacht habe. Clouds ist ein Modular-Synth von Mutable Instruments, eine Art Harmonizer, Pitch-Changer und Granulator. Ein klasse Modul!«
Vocals
Die Session für Hymn for the Weekend enthält nicht weniger als 45 Vocal- Tracks (einschließlich Effekt- und VCA-Spuren). Auf den eigentlichen Lead-Vocal-Tracks sind eine große Menge Plug-ins. All diese Bearbeitungen im Einzelnen zu beschreiben, wäre im Rahmen dieses Artikels unmöglich, weshalb sich Rik Simpson auf die wichtigsten Vocal-Treatments beschränkt:
»Es war sehr wichtig, die Entwicklung und das Arrangement der Vocals richtig hinzukriegen. Viele der 45 Spuren sind Effektspuren. Es gibt nur jeweils einen Lead-Vocal-Track für die Strophen [LV Verse], die Bridge [LV Bridge] und die Refrains [LV Chorus]. Anschließend sang Chris eine Reihe von Bridge- und Chorus-Overdubs. Auf dem ›Main Verse Vocal‹ ist der Avid Channel Strip, der die Bässe etwas beschneidet, ein SPL Twin Tube für etwas Sättigung, der UBK-1-Kompressor für zusätzlichen Punch sowie der UAD Fairchild 670 und der SSL E Channel. Die einzelnen Plug-ins machen nur wenig Kompression, ich kitzele sie bloß ein bisschen, sodass jedes eine andere Charakteristik einbringt. Ich könnte auch mit einem einzelnen Plug-in kräftig zupacken, aber so klingt es nicht überkomprimiert. Der Pro Q2 agiert wieder als Hochpassfilter. In den Sends ist ein Waves HDelay, das ich woanders aufgenommen habe. Weitere Sends gehen auf die ›MainDVerb‹-Effektspur und zwei QL Spaces. Für jeden Teil des Songs verwende ich unterschiedliche Reverbs und Delays, sodass der Gesangs-Sound über den Song eine Entwicklung durchläuft.
Auf dem ›Main Chorus Lead Vocal‹ ist der FabFilter Prp-Q1 EQ, der Waves RVox, wieder der UBK-1, zwei Instanzen des FabFilter Pro- DS De-Esser, zwei Instanzen des UAD Pultec EQP-1A und der Fabfilter Pro-MB Multiband-Kompressor. Ich mag den Fabfilter De-Esser. Ich suche immer noch den ultimativen De-Esser, weil das eine ziemlich diffizile Angelegenheit ist. Ich verwende zwei, weil einer für die oberen Zischlaute zuständig ist und der andere für die tieferen Sachen um 2 kHz. Die Sends des ›Chorus Lead Vocal‹ gehen auf Effektspuren mit dem Waves HDelay, dem FXpansion Bloom mit einem weichen, breiten Stereo-Delay, das QL Spaces Plug-in mit einem Small Chamber Reverb, das UAD Echoplex als Mono-Delay und einige weitere Delays. Die Sends zu den Delays sind alle unabhängig voneinander automatisiert, damit verschiedene Wörter jeweils unterschiedliche Delays erhalten. Bemerkenswert ist außerdem ein ›Hope House M80‹-Vocal-Track, der aufgenommen wurde, als Chris noch das M80-Mikro benutzte. Diese Spur ist sehr leise gemischt. Dann gibt es eine Lead-Vocal-Dopplung, die mit ›251‹ markiert ist, was bedeutet, dass Chris auch dieses Mikro [Telefunen ELA M 251] verwendete. Aber die Main-Vocals wurden mit dem Soyuz aufgenommen. Zwei Spuren sind mit ›251 Melo Lead‹ und ›251 Melo Double‹ bezeichnet; auch diese sind leise beigemischt. ›Melo‹ steht für Melodyne, denn diese beiden Spuren sind um zwei Halbtöne nach oben transponiert. Wir haben sie in einer anderen Tonart für eine andere Version des Songs aufgenommen, und die Tonhöhenveränderung hat sie auf eine gewisse Weise verfremdet, die uns gut gefallen hat.
Am unteren Ende der Session sind Beyoncés Vocal-Tracks. Auf denen habe ich hauptsächlich das SSL E-Channel-Plug-in, UBK-1, L2, SoundToys Echoboy, Avid ModDelay und QL Space eingesetzt.«
Stereosumme
»Außer dem Vulture und Phoenix von Thermionic Culture, die ich als Hardware-Inserts parallel gefahren habe, kam ein weiteres Outboard ins Spiel, als ich den Mix auf den Laptop überspielte, synchronisiert über Ethernetkabel und die Satellite-Funktion von Pro Tools. Das ist ein weiterer Trick, den ich von den Filmleuten gelernt habe. Meine Haupt-Session in Pro Tools läuft mit 48 kHz. Ich würde schon gerne mit einer höheren Auflösung arbeiten, aber angesichts der Spurenzahlen und Plug-in-Instanzen geht das nicht.
Ich hab’s versucht, aber es funktioniert nicht. Also geht mein Main-Mix durch den Cranesong Hedd-192-Wandler und etwas Outboard in meinem Rack und dann in eine Pro-Tools-Session auf meinem zweiten Laptop. Das ist mein ›Print Rig‹, das mit 96 kHz läuft. Alles wird über meine Antelope Trinity Clock getaktet. Das läuft zwar alles tight, aber trotzdem ist auch hier der ›Pip‹ hilfreich, denn falls irgendwas driftet, kann ich es sofort wieder in Reihe bringen. Der Stereomix lief durch den Vertigo Sound VSM2 Satellite, der schaltbare MS- und LR-Inserts bietet und den Sound harmonisch anreichert; dahinter kam ein SSL Compressor, der GML EQ, und das war’s.