von Paul Tingen; Übersetzung: Dr. Andreas Hau, Artikel aus dem Archiv
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Anfang 2012 erhielt der Star-Mixer Manny Marroquin eine ungewöhnliche Anfrage: Ob er zwei Songs des nächsten Linkin-Park-Albums mischen wolle − und zwar im Wettbewerb mit rund einem Dutzend weiterer Top-Mixer. Auf den Gewinner wartet der Auftrag, das gesamte Album zu mischen; die Verlierer bekommen, na ja … gar nichts.
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Die Band, ihr Produzent Rick Rubin und der Warner-Brothers-Chairman Rob Cavollo wollten sich die Mixes blind anhören, die CDs wurden mit einer anonymen Buchstabenkennung versehen. Ein fairer Shoot-Out. Grundsätzlich klingt das nach dem alten Prinzip »Möge der Beste gewinnen«. Aber in diesem Fall gehörten alle Gefragten bereits zum erlauchten Club der besten Mixer. Keiner von ihnen hatte es nötig, seine Expertise unter Beweis zu stellen, und die Aussicht, angesichts Schlange stehender Kunden wertvolle Arbeitszeit zu verlieren, schien wenig verlockend. Dennoch warfen zehn Top-Mixer ihren Hut in den Ring.
Der Gewinner hieß Manny Marroquin. Ein durchaus überraschendes Ergebnis, denn massive Gitarrenwände à la Linkin Park gehörten bislang nicht zu seinem Repertoire. Seine größten Erfolge feierte er im Bereich Pop und HipHop/ R&B mit Kunden wie Alicia Keys, Bruno Mars, Lana Del Rey, Usher, Cee Lo, Pitbull, Rihanna, Flo Rida, Chris Brown, Justin Bieber, Kanye West, Christina Auguilera u.v.a.
Nichtsdestotrotz kamen Linkin Park & Co zum Ergebnis, dass Marroquins Mixes ihre Vision am besten transportierte. Das gesamte Album mischte Marroquin über den Zeitraum eines Monats, indem er jeweils zwei bis drei Arbeitstage pro Woche diesem Projekt widmete. Im Juni 2012 erschien das Album unter Titel Living Things.
Marroquin kommentiert: »Die beiden Songs, die wir alle im Rahmen dieses Shoot-Outs mixten, waren Burn It Down und Lost in the Echo, die auch die beiden ersten Singles wurden. In den letzten Jahren habe ich Musik aus ganz verschiedenen Genres gemischt, von Rock bis Folk, sogar Country. Die Musik auf Living Things ist sehr breit gefächert mit Elementen von Indie Punk, Alternative Rock, HipHop, Electronica bis hin zu Country. Ich bin sicher, dass die Mixes der anderen Jungs auch toll waren, aber vielleicht haben sie sich mehr auf ein Genre konzentriert, während ich das Gefühl hatte, all die verschiedenen Einflüsse kombinieren und einarbeiten zu können. Ich bin glücklich, den Auftrag bekommen zu haben, denn der Albummix wurde zu einer tollen Erfahrung. Es sind wirklich coole Jungs, die wissen, was sie wollen, aber sie gaben mir auch den Freiraum, mich selbst einzubringen, was ich wirklich erfrischend fand.«
Die Geschichte um den Mix von Linkin Parks neustem Album spiegelt vieles wider, was die Musikindustrie 2012 bewegte. Und das war vor allem das Problem rückläufiger Absatzzahlen. Praktisch alle Künstler und Bands, die schon etwas länger dabei sind, kämpfen gegen ständige, teils dramatische Umsatzverluste. Linkin Park ist ein typisches Beispiel: Ihr Debütalbum Hybrid Theory (2000) verkaufte sich weltweit 24 Millionen Mal, das Folgealbum Meteora (2003) setzte 16 Millionen Einheiten ab, obwohl es sich in den Charts höher platzieren konnte als sein Vorgänger; das vierte Album A Thousand Suns (2010) verbuchte gar »nur« 1,7 Millionen Verkäufe, obgleich es in den USA, Deutschland, Australien und Großbritannien die Charts toppte.
Die Diskrepanz zwischen Charterfolg und absoluten Umsätzen zeigt, dass die Verkaufsrückgänge keineswegs ein Zeichen nachlassender Popularität sind, sondern Auswirkungen einer Krise der Musikindustrie, die andere Topacts in ähnlicher Weise getroffen hat. Die Ursachen liegen auf der Hand: Downloads, ob legal oder illegal, und ein verändertes Konsumentenverhalten schaffen eine Musikkultur, in der Alben eine untergeordnete Rolle spielen. Der Fokus liegt auf einzelnen Tracks, die millionenfach auf Knopfdruck abrufbar sind. Die Folge dieses Überflusses ist eine Art Wegwerfkultur. Noch immer suchen die Künstler, Managements und Labels nach Antworten. Doch die Computertechnologie, die einerseits Teil des Problems ist, schafft andererseits auch neue Möglichkeiten für die Musiker.
In diesem Szenario fällt dem Mix-Engineer eine immer wichtigere Rolle zu. Es sind die Top-Mixer, von denen man sich jenen magischen Feenstaub erhofft, der die eigene Produktion aus der Masse heraushebt.
Leaking
Da bliebe aber noch ein weiteres großes Problem des heutigen Musikbusiness: Leaking. Immer wieder kommt es vor, dass Tracks noch vor ihrer Veröffentlichung im Internet kursieren. 2011 erzählte mir Fabian Marasciullo, dass er beim Mix von Lil Waynes Album Tha Carter IV die Festplatten ständig mit sich trug − ebenso wie eine Schusswaffe zur Verteidigung derselben! Marroquin sah sich beim Mix von Living Things plötzlich mit ähnlichen Sicherheitsbedenken konfrontiert: »Wir hatten nicht den besten Start, denn jeden Morgen wurde die Festplatte vom Sicherheitsdienst gebracht, und die Jungs bestanden darauf, den ganzen Tag in meinem Mix-Room anwesend zu sein, bis sie am Abend die Festplatte wieder zurückbrachten, weshalb ich beinahe das Projekt abgebrochen hätte.«
Der hohe Druck, den die Künstler bei den Aufnahmen verspüren, überträgt sich zunehmend auch auf die Mixer, sogar renommierte Grammy-Gewinner wie Manny Marroquin. Geboren wurde er 1971 in Guatemala; mit neun Jahren kam er in die USA. Im Rang eines Top-Mixers steht er, seitdem er im Jahr 2000 die Debütalben von Pink (Can’t Take Me Home) und Alicia Keys (Songs in A Minor) mischte. Danach ging es stetig bergauf, und in den letzten Jahren waren seine Dienste derart gefragt, dass er oft sechs Tage pro Woche teilweise 16 Stunden und mehr arbeitet. Dieses Interview musste ich deshalb in kurzen Abschnitten von je 15 bis 30 Minuten führen, wann immer Marroquin während seiner langen Mix-Sitzungen zwischen 10 Uhr morgens und 3 Uhr in der Nacht eine Pause einlegte.
Marroquins Studio
Gerade zurückgekommen von den Jungle Studios in New York, wo er Alicia Keys’ kommendes Album mixte, erklärt Marroquin im Larrabee Studio 2 in Los Angeles, dass er noch immer mit der gleichen Kombination aus analogem und digitalem Equipment arbeitet, die er seit Langem favorisiert. Die Hardware seiner Wahl ist ein riesiges 80- Kanal SSL-Pult der XL-9000K-»Super Analog«- Serie. Dazu kommen Kompressoren von API, DBX, Drawmer, Empirical Labs, Gates, Manley, Neve, Teletronix, Tube-Tech und Urei; EQs von API, Avalon, GML, Millinia, Motown und Pultec sowie Hallgeräte von AMS, Eventide, Lexicon und TC Electronics. Sein Stolz besteht darin, diese altmodischen Goodies mit den besten Plug-ins in Pro Tools zu kombinieren − ein Ansatz, der es Marroquin erlaubt, Künstler aller Musikrichtungen adäquat zu bedienen.
»Das SSL-Pult ist mein Haupt-Mix-Tool. Absolut alles, was ich tue, durchläuft dieses Pult. Vielleicht bin ich old-school, weil ich lieber auf einem Pult mische; ich verwende aber schon eine Kombination aus analogem Outboard und digitaler Software. Das bedeutet, dass etwa die Hälfte meiner Effekte von Software kommt, und die andere Hälfte von Hardware. Obwohl die Plug-ins über die letzten drei Jahre besser geworden sind, finde ich noch immer, dass es dem Sound an Tiefe fehlt, wenn er den Rechner nie verlassen hat. Also lege ich die Sachen weiterhin auf mein SSL-Pult, das wunderbar runde Höhen und einen herrlichen Bass hat.
Digitaler Sound hat seine eigenen Reize. Manchmal brauchst du diesen Crunch-Sound, und viele Pop-Mixes erfordern eher einen In-Your-Face-Sound als besonders viel Wärme. Es hängt ganz davon ab, was gewünscht wird. Aber egal was kommt, ich mische nie komplett im Rechner.«
Zielsetzung
Das gesamte Linkin-Park-Projekt, einschließlich der beiden Wettbewerb-Songs, mixte Marroquin in seinem Raum in den Larrabee Studios. »Mein Ansatz war, mir vorzustellen, wie ich − als Musikfan − Linkin Park 2012 gerne hören möchte. Ich kann sie nicht neu erfinden oder ihnen einen komplett neuen Sound verpassen, aber ich fand, dass sie 2012 einen aggressiven Sound mit »Balls« haben sollten und eine sehr modern klingende Rhythmussektion. Es sollte keine HipHop-Rhythmussektion sein, aber auch kein geradliniger Rock. Drums, Bass und Vocals sollten aggressiv klingen, und der Gesamtklang sollte Präsenz haben. Ich betone immer sehr die Vocals, in diesem Fall Chester [Bennigton] und Mike [Shinoda]. Alles drehte sich um sie, die Rhytmusgruppe und die Gitarrenwand.
Für den Shoot-Out hatte ich keine Instruktionen bekommen, aber danach traf ich mich mit den Jungs, um an Burn It Down weiterzuarbeiten, denn das sollte die Single werden, und sie hatten noch kleine Änderungen am Arrangement vorgenommen, nachdem ich den Song für den Wettbewerb gemischt hatte. Mein erster Mix hatte ein paar Tage in Anspruch genommen, also habe ich ihn wieder aufgerufen und einige Änderungen vorgenommen. Die Jungs der Band, Rick Rubin und Rob Cavallo waren anwesend. Sie sind alle sehr starke Persönlichkeiten, und wenn ich wirklich darüber nachgedacht hätte, wäre ich wohl ziemlich eingeschüchtert gewesen!
Woran wir auch gemeinsam gearbeitet haben, war die Dynamik. Uns war sehr wichtig, dass die Refrains dich richtig anspringen, wenn sie einsetzen. Wir wussten, dass es die erste Single werden würde, von daher wollten wir die richtige Balance finden zwischen dem, was sonst noch da draußen läuft, und dem, was die Band ausmacht.
In mancher Hinsicht hat uns dieser Song die Blaupause für das Album geliefert, aber gleichzeitig war unser Ansatz, jedem Song seine eigene Identität zu geben. Wie gesagt, gibt’s auf dem Album eine Menge verschiedener musikalischer Einflüsse von HipHop bis hin zu fast schon Country-artigen Akkordwechseln.«
Gitarren und Keyboards von Burn It Down wurden mehr oder weniger wie eine Einheit behandelt. Es gab keine großen Unterschiede in ihrer Bearbeitung. Einige Spuren wurden durch dasselbe Outboard geschickt, um für ein bisschen »Glue« zu sorgen. »Gaia 2.03.1« ist der Hook-Synth. Manny Marroquin bezeichnet dies als einen Kristallisationspunkt und findet, »dass solche Sachen einfach einzuarbeiten sind. Ist erst der Rhythmus perfekt, kannst du immer Kristallisationspunkte einfügen, weil ihr Charakter durchschimmern wird.«
Burn it down
Wie geht Marroquin vor, wenn er einen Song wie Burn It Down mischt? »Ich fange immer mit den Drums an«, erklärt er, »sogar dann, wenn es gar keine Drums gibt. Ich meine damit: Wenn der Groove steht, wird alles andere ein bisschen einfacher. Dann füge ich den Bass hinzu, was bei diesem Song ein Synth-Bass war. Ich verbringe eine ganze Menge Zeit damit, nur die Drums und den Bass zu bearbeiten, bis sie genau so klingen, wie’s mir vorschwebt. Wenn ich mit dem Groove zufrieden bin, nehme ich die Vocals dazu und achte darauf, dass sie mit den Drums gut zusammenpassen. Ich greife nicht unbedingt zu EQ und arbeite an den Vocals auch noch nicht im Detail, aber es ist mir wichtig, dass der Vibe stimmt.
Danach kommen die Gitarren und dann die Keyboards, und erst, wenn die sitzen, bringe ich die Vocals wieder rein.
Jetzt konzentriere ich mich auf die Refrains. Ich will, dass sie richtig explodieren. Ich loope die Refrains und sehe zu, dass sie so groß wie möglich klingen. Dafür verwende ich EQ, Kompression, justiere die Pegelverhältnisse usw. Anschließend arbeite ich auch an den Strophen und passe auf, dass sie in der richtigen Relation zu den Refrains stehen.
Ich höre mir immer zuerst den Rough-Mix an, vorzugsweise unmittelbar, bevor ich mit dem Mix loslege. Meistens bekomme ich dadurch eine gute Vorstellung davon, was dem Künstler und dem Produzenten vorschwebte. Normalerweise klingt die [Pro Tools-]Session mit allen verwendeten Plugins und Reglerstellungen mehr oder weniger wie der Rough-Mix, und gewöhnlich spiele ich den Song erst mal so ab, wie ich ihn bekommen habe. Dabei achte ich auf Dinge, die ich ändern möchte und fange an herumzuschrauben.
Alle benutzen die gleichen Plug-ins, folglich ist ihre Klangqualität ausreichend, und wenn jemand EQ oder einen Effekt einsetzt, dann verstehe ich das als Teil der Produktion. Kurzum, ich fange mit dem an, was ich bekomme, und baue darauf auf.
Üblicherweise rejustiere ich jedes einzelne Plug-in, das sich schon in der Session befand und füge weitere hinzu, die ich für nötig halte. Dann gehe ich zum Outboard über, das fest mit meinem Pult verkabelt ist − deshalb kann ich mit meinem Outboard superschnell arbeiten, eigentlich sogar schneller als mit Plug-ins. Wenn ich Hall hinzufügen will, weiß ich, wo ich den finde, und meist muss ich sogar nur einen Knopf drücken, um ihn zu aktivieren. Ein Plug-in aufrufen, warten, bis es geladen ist, auf die Spur geben und seine Parameter ändern dauert oft viel länger!«
Drums & Bass
»Die Drums auf Burn It Down bestehen aus drei Loops, zwei Kicks, einer Snare, drei HiHats, Overheads und fünf Crash-Spuren. Es gibt viele Instanzen vom Digidesign EQ [EQ1B, EQ4B, etc.], die Mike Shinoda dort eingesetzt hat. Er liebt den Digi EQ. Außerdem gibt’s den Avid Focusrite D3 Compressor/Limiter auf Loop 1, Kik2 und der Snare. Auch die waren alle bereits in der Session. Mike hat auch das Lo-Fi-Plug-in auf die Snare gegeben − das mag er nämlich auch sehr.
Die Snare war die größte Herausforderung, was die Drums angeht. Sie hat einen sehr interessanten Sound, musste aber dreckiger klingen, deshalb das Lo-Fi-Plug-in. Zwei der Crash-Spuren haben den Waves PS22-Breitmacher drauf, und auf einer gibt’s dann noch einen L2, um für etwas rockigen Crunch zu sorgen.
Das Outboard war ein Avalon 2044 Kompressor, gefolgt von einem Neve 1073-EQ auf der Kick und der Snare, die auf den Kanälen 4 bis 6 am Pult anliegen. Auf den gesamten Drums habe ich außerdem etwas Parallelkompression verwendet mit einem Neve 33690 Compressor plus Pultec EPQ-1A-EQ für mehr Punch. Der Culture Vulture war automatisiert, um während der Refrains die gesamten Drums und den Bass zu bearbeiten.
In dem Abschnitt, in dem Mike rappt, verändert sich die Rhythmussektion komplett. Sie wechselt zu einem ganz anderen Loop, und auch hier ging’s mir darum, dass der Rhythmus tight und sicher steht. Eins der größten Probleme war, die verschiedenen Abschnitte zusammenzuhalten. Der Bass ist die Indigo-Spur mit einem Sansamp-Plug-in drauf und wieder dem Digi EQ sowie der eben erwähnten 33690-Pultec-Kette.«
Vocals
»Es gibt zwei Lead-Vocals: Chesters, der aus zwei Pro-Tools-Spuren besteht und auf dem Pultkanal 27 anliegt, und Mikes, der auf einer Pro-Tools-Spur war, die auf Kanal 28 anliegt. Chesters Backing-Vocals sind auf den Pultkanälen 31 bis 34 und Mikes Dopplungen auf 29/30.
Auf Chesters Vocals ist der Digi EQ und das Medium Delay sowie der R Compressor. Als Hardware-Signalkette habe ich auf seiner Stimme den Tube-Tech CL-1B-Kompressor mit einem Avalon 2055 EQ und einem DBX 906-De-Esser dahinter verwendet. Auf dem Gesang war außerdem eine Menge Parallelkompression vom Distressor, manchmal auch von einem 1176.
Auf Mikes Vocals sind ähnliche Effekte. Chesters Lead-Vocals habe ich außerdem auf eine Ampex ATR-102 Bandmaschine mit 1- Zoll-Band überspielt, um einen Tape-Delay-Effekt zu erreichen; deshalb ist auf der Spur, die ich dann wieder in Pro Tools aufgenommen habe, ein Time Delay Plug-in drauf. Ansonsten gibt’s ein Brigadier-Pedal auf einigen Backing-Vocals.
Dann habe ich mit dem Reverb One und dem Waves Super Tap Delay eine Hall- sowie zwei Delay-Effektspuren in Pro Tools eingerichtet; diese Effekte habe ich hauptsächlich für die Vocals verwendet.
Der Rest ist EQ und Kompression vom SSL-Pult, dazu der AMS DMX 15-80S als Harmonizer und Hall vom AMS RMX 16 und Lexicon 480 sowie Delays vom Lexicon PCM42.«
Manny’s De-Esser-Trick
»Übrigens habe ich einen SSL-Sidechain als zusätzlichen De-Esser verwendet. Der DBX 902 ist toll, aber er bearbeitet nur einen Frequenzbereich. Am Pult kann ich einen Sidechain kreieren, der auch andere Frequenzen erfasst. Das ist der bestklingende De-Esser-Prozess, den ich kenne; er basiert auf einem alten Trick, den ich mir beim Engineer Barney Perkins abgeschaut habe:
Ich lege das Vocal-Signal auf zwei benachbarte Kanäle des SSL-Pults; der erste Kanal dient als Sidechain, der zweite ist der eigentliche Vocal-Kanal. Auf Kanal 1 stelle ich am Kompressor eine schnelle Attack-Zeit ein, dann aktiviere ich das Hi-Pass-Filter und suche am EQ mit extremen Einstellungen nach den Frequenzen, die ich entfernen will. Diese Frequenzen senke ich aber nicht ab, sondern hebe sie mit +12 dB schmalbandig an. Meistens liegen diese Frequenzen bei 6 bis 7 kHz, wo die meisten S-Laute liegen. Der erste Kanal betont also das, was ich wegnehmen will! Dieser Kanal läuft nicht auf die Stereosumme, du hörst ihn also im Mix nicht. Dann drücke ich den Link-Button, um Kanal 1 und 2 miteinander zu verkoppeln, und aktiviere den Kompressor auf Kanal 2.
Was nun passiert, ist Folgendes: Je mehr ich Kanal 1 aufdrehe, desto mehr senkt der Kompressor auf Kanal 2 per Ducking die Zischelfrequenzen ab, die ich reduzieren will. Der Fader von Kanal 1 wird quasi mein Threshold-Regler. Deshalb habe ich auch die Bassfrequenzen auf Kanal 1 beschnitten, denn ich möchte nicht, dass die auf Kanal 2 verschwinden. Durch das Sidechaining werden die Frequenzen, die du auf Kanal 1 betonst, auf Kanal 2 geduckt.«