Vor langer Zeit und, wie es scheint, in einer weit, weit entfernten Galaxis schrieben Menschen Songs mit Bleistift auf Papier, an der Gitarre oder am Klavier, meist alleine oder zu zweit. Irgendwie hat sich seitdem mit jeder technischen Revolution die Zahl der Beteiligten immer weiter vervielfacht. Mit dem Aufkommen von Drum-Machines und Samplern in den 1980ern waren plötzlich Nicht-Musiker in der Lage, Songs zu kreieren bzw. Teile bestehender Songs zu nutzen. Folglich mussten sowohl die Schöpfer des ursprünglichen Samples wie auch die des neuen Werks als SongAutoren gelistet werden.
In den 1990ern wurde die DAW zum neu – en Produktionsmittel, und man sollte glauben, dass die Musikszene nun von Bedroom-Songwritern dominiert wurde, die ihre Songs ganz alleine schrieben, einspielten und produzierten. Seltsamerweise war genau das Gegenteil der Fall: Zumindest im Pop/R&B-Genre wurden die Song-Credits immer länger. Was schlicht daran lag, dass es dank des Internets möglich wurde, sich auf Knopfdruck Files zuzusenden und ortsungebunden gemeinsam an Songs zu arbeiten.
Pop-, R&B- und HipHop-Songs entstehen heute üblicherweise so: Jemand kreiert einen »Beat«, meist eine Kombination aus Drum-Pattern und einer charakteristischen musikalischen Zutat wie eine Hook, ein Sample, eine Akkordsequenz oder eine Melodie. Dieser Beat wird weitergereicht an jemanden, der weitere musikalische Elemente hinzufügt. Und so geht es weiter, bis ein Künstler oder Topline-Writer eine Melodie und einen Text dazu schreibt.
Wie etabliert diese Arbeitsweise ist, erkennt man daran, dass die sogenannten Topline-Writers inzwischen eine ganze Untergruppe der Musikindustrie darstellen. Währenddessen wird der gesamte Prozess von einer Handvoll Produzenten in Gang gehalten, die manchmal, aber nicht immer, die Schöpfer des ursprünglichen Beats sind.
Ein typisches Beispiel für die immer weiter expandierenden Listen von Songwritern ist das dritte, weltweit erfolgreiche Album von The Weeknd, Starboy. Keiner der 18 Songs hat weniger als fünf Songautoren, und insgesamt sind für das Album nicht weniger als 40 Songwriter aufgeführt. Außerdem hat jeder Song zwischen zwei und fünf Produzenten, darunter so berühmte Namen wie Daft Punk, Diplo, Max Martin, Labrinth und Benny Blanco.
Als negative Auswirkung dieser modernen Arbeitsweise gerät so manches Pop/R&BAlbum mit endlosen Listen von Songautoren und Produzenten zu Stückwerk. Doch es gibt auch Gegenbeispiele, wie das bemerkenswert kohärent klingende Album Starboy, das nirgends erahnen lässt, wie viele Leute an seiner Entstehung beteiligt waren. Zu verdanken ist dies mit einiger Sicherheit den beiden Hauptverantwortlichen: Da wäre zu allererst The Weeknd himself, mit bürgerlichem Namen Abel Tesfaye, der nicht nur als Executive- Producer fungierte, sondern auch an allen Songs mit geschrieben und immerhin 13 davon co-produziert hat. Die zweite Schlüsselfigur ist Tesfayes engster Mitstreiter, Martin »Doc« McKinney, der ebenfalls als Executive Producer agierte und für elf der 18 Songs als Co-Autor und Co-Produzent gelistet ist.
Am Telefon in Los Angeles bestätigt McKinney seine zentrale Rolle in der Entstehung von Starboy, insistiert aber gleichzeitig, dass auch alle anderen wichtige Beiträge geleistet haben, allen voran Tesfaye: »Abel packt richtig mit an; er ist super-kreativ und ständig am arbeiten. Als ich zu diesem Projekt stieß, gab es bereits ein paar Songideen. Abel arbeitet eng mit Max [Martin] zusammen, und die beiden Songs [Love To Lay und A Lonely Night], die aufs Album sollten, hatten sie bereits größtenteils aufgenommen. Abel hatte außerdem die Basics des Songs [Attention] ausgearbeitet, den er mit Benny [Blanco] geschrieben hatte. Und er war bereits in Paris gewesen, um mit Daft Punk zu arbeiten. Insofern war die Entstehung dieses Albums eine ganz andere Situation als bei den anderen Alben, die ich mit Abel gemacht hatte.«
Doc McKinney hat Tesfayes Karriere bereits von Anfang an begleitet. McKinney war zusammen mit Carlo Montagnese aka Illangelo Co-Produzent und Co-Songautor von fünf der neun Songs auf The Weeknds DebütMixtape House of Balloons (2011). Die beiden co-produzierten auch alle Songs auf dem Follow-up Thursday (ebenfalls 2011). Doch anders als Illangelo war McKinney nicht am dritten Mixtape Echoes of Silence (2011) und den ersten beiden Major-Label-Alben, Kiss Land (2013) und Beauty Behind the Madness (2015) beteiligt, die The Weeknd zum internationalen Durchbruch verhalfen. »Abel habe ich Anfang 2011 kennengelernt«, erinnert sich McKinney. »Er hatte bereits mit verschiedenen Leuten Songs geschrieben und aufgenommen und ein paar Monate zu – vor vier Songs ins Internet gestellt. Henry ›Cirkut‹ Walter und Adrien ›AG‹ Gough haben an einem dieser Tracks gearbeitet; sie gehörten zu einem Production-Team namens The Dream Machine, das ich betreute. Sie meinten, ich solle unbedingt Abel auschecken.
Am ersten Januar habe ich Abel in mein Studio eingeladen, und wir haben sehr schnell jene natürliche Verbindung zueinander aufgebaut, die sich in der Musik manchmal zwischen dem Künstler und seinem Produzenten oder Songschreiber ergibt. Ich bin einiges älter als er, habe zwei Kinder und eine Familie, und sein drittes Mixtape hatte mehr sexuellen Inhalt; das haben wir irgendwie nicht zusammen hinbekommen, also habe ich mich aus diesem Projekt verabschiedet. Auch bei seinen ersten beiden Alben waren wir nicht auf derselben Wellenlänge, doch dann hat er mich gebeten, fürs neue Album als Produzent an Bord zu kommen.« McKinney ist inzwischen 45, eine ganze Generation älter als der 27-jährige Tesfaye, der so aber auf McKinneys 25-jährige Erfahrung in Sachen Songwriting und Musikproduktion zurückgreifen konnte. Mitunter wur – de McKinney daher als Tesfayes Mentor bezeichnet. Gleichzeitig blieb McKinney über seine gesamte Karriere hinweg immer auf der Höhe der Zeit, sodass es für ihn ganz natürlich ist, mit jüngeren Künstlern wie Tesfaye zu arbeiten. Oder wie er in einem anderen Interview sagte: »Was die Leute nicht begreifen: I don’t give a fuck! Ich bin mit Punk-Rock aufgewachsen und habe mit 13, 14 Jahren auf der Lower East Side von Manhattan rumgelungert.« Somit »… ist es nicht Geld, das mich motiviert. Für mich bedeutet die Musik alles. Worum es mir hauptsächlich geht, ist, Künstler zu fördern.« McKinney ist gebürtiger Kanadier, wuchs aber in Minneapolis auf, wo er seine Musikkarriere als Gitarrist in Punk-Rock-Bands begann. Es war während seiner ersten Tour im Alter von »13, 14«, dass er in Manhattan herumlungerte. Als schwarzer Jugendlicher Gitarre zu spielen, brachte ihm Hohn und Spott ein, doch zumindest konnte er auf Prince verweisen, der ganz in der Nähe eindrucksvoll bewies, dass Gitarrenkünste und musikalische Vorlieben nichts mit der Hautfarbe zu tun haben.
1994, mit Anfang 20, entschloss sich McKinney, Minneapolis zu verlassen, da die Stadt ihm nicht genug Raum für seine musikalische Entwicklung bot, und zog nach Toronto. Dort startete er mit dem Sänger Jenny-Bear Englishman das Duo Esthero, deren Debütalbum Breath from Another (1998) zum TripHop-Klassiker wurde. In der Folge arbeitete McKinney als Songschreiber und Produzent für Künstler wie Kelis, Raphael Saadiq, Stiffed und Santigold. Aufgrund seines Backgrounds als Musiker und Gitarrist, sagt er, »… habe ich eine große musikalische Bandbreite, um mit neuen Künstlern kreativ zu arbeiten. Ich habe definitiv eine Menge Ideen und mag es, in jeden Aspekt involviert zu sein. Gerade am Anfang will ich mich gemeinsam mit den Künstlern mit jedem Aspekt auseinandersetzen.«
Neue Projekte
Obwohl McKinney das Projekt Starboy nicht von Anfang an betreute, war er auf allen Ebenen seiner Entstehung beteiligt: Songwriting, Aufnahme, Einspielen von Instrumenten, Programmierung, Produktion und Executive Production. Teilweise fand das Songwriting mit Tesfaye in McKinneys eigenem Studio in Toronto statt. Doch sieben Monate lang arbeiteten sie in den Conway Studios in Los Angeles, das sie komplett in Beschlag nahmen, sodass die Beatmaker und Musiker in allen Räumen arbeiten konnten. »Abel und ich hatten lange nicht mehr zusammengearbeitet, also haben wir erst mal nur mit Ideen herumgespielt und verschiedene Sounds ausprobiert, und daraus begannen sich allmählich Songs zu entwickeln. Er liebt es, Musik zu machen, und er war außerdem dabei, eine Welttournee vorzubereiten, daher ging es ein bisschen hektisch zu, und wir mussten uns echt anstrengen, durchweg starkes Material zu produzieren.
Unsere Vorgehensweise beim Songschreiben hat sich ständig verändert. Manche Sachen haben er und ich bei Null angefangen, andere Sachen haben wir auf früheren Ideen aufgebaut, die er oder ich einbrachten, oder aber wir haben auf Ideen der anderen Beteiligten aufgebaut.« Hier spricht McKinney an, was den Ausgangspunkt dieses Artikels bildete, nämlich dass Songwriting in den Genres Pop und R&B ein Prozess mit vielen Beteiligten ist: »PopSongwriting unterscheidet sich heute stark von traditionellem Songwriting. Produzenten und Beatmaker sind zu Songautoren geworden, denn jeder, der eine musikalische Idee einbringt, bekommt einen Credit. Das ist nicht wie in der Country-Music, wo eine Person Songtext, Melodie und Akkorde liefert und somit als Alleinautor des Songs gilt.
In der heutigen Popmusik fügen viele verschiedene Produzenten Dinge zur Produktion hinzu; wenn einer zwei coole Wörter beisteuert, bekommt er einen Credit als Autor. Deshalb siehst du nun viele Songwriter pro Song. So wie es auf Starboy lief, ist ganz typisch. Anfangs haben nur Abel und ich in meinem Studio gearbeitet. Er ist ein sehr starker Songwriter, aber er arbeitet gerne mit vielen verschiedenen Leuten zusammen. Daher hatten wir im Conway ein Kernteam, bestehend aus Abel, Ben [Billions, aka Benjamin Diehl], Cashmere, Cirkut, und dann kamen weitere Leute vorbei, die in verschiedenen Räumen produziert und geschrieben haben. Manchmal waren alle drei Räume belegt, aber oft war es auch ziemlich leer. Abel ist ein sehr privater Mensch. Ein Großteil der Produktion fand im Conway statt, aber Daft Punk haben ihr Ding natürlich in Paris durchgezogen, Max Martin hat auf seinem Anwesen gearbeitet, Benny in New York usw. Aber viele von ihnen sind irgendwann ins Conway gekommen.«
McKinney erklärt, wie einige der bemerkenswerten Songs auf Starboy entstanden, wie beispielsweise das punkige, gitarrenlastige False Alarm: »Das war eine der ersten Ideen, die Abel und ich entwickelten, als wir uns wieder zum Schreiben zusammentaten. Wir haben erst mal nur geredet und Musik gehört, und als wir dann in Stimmung waren, haben wir angefangen, auf Gitarren, Keyboards und Drums zu jammen. Dieser spezielle Song begann als eine Punk-Jamsession mit mir an der Gitarre. Tatsächlich entstanden viele Songs eher beim Spielen als durch Programmieren; einige befreundete Musiker sind vorbeigekommen, um mit uns zu spielen und einen Vibe zu kreieren. Dabei haben wir nicht ernsthaft versucht, einen Pop-Song oder einen Punk-Song zu schreiben. Wir haben nicht versucht, Sachen in Genres zu pressen, sondern wir haben einfach versucht, gute Musik zu machen und etwas zu schaffen, das uns ein Gefühl vermittelt.«
Ein weiterer gitarrenlastiger Track mit einer Reihe von Gitarrensoli ist Sidewalks. »Der an der Leadgitarre bin ich! Ich habe auch einige der Gitarren auf False Alarm gespielt. Ich setze nur selten meinen Namen in die Credits für die Instrumente, die ich auf Aufnahmen gespielt habe. Solche Credits wie ›Hi-Hats programmiert von X‹, ›Bass in der Bridge gespielt von Y‹ mag ich nicht; das ist zu viel. Aber Sidewalks begann mit einer Idee, die ich ungefähr ein Jahr zuvor aufgenommen hatte, und zwar mit einem Produzenten namens Bobby Raps. Schlagzeug und Gitarre waren von mir, und Bobby hat eine KillerBassline hinzugefügt. Abel hat’s gefallen, also haben wir daran gearbeitet, es auf das nächste Level zu bringen. Wir haben Ali Shaheed Jones-Muhummad von A Tribe Called Quest kontaktiert, der sehr coole orchestrale Sachen beigesteuert hat, und Kendrick [Lamar] hat einen unglaublichen Job gemacht. Ich war ganz schön im Stress, weil er so schnell aufnehmen wollte und ich immer noch in Ableton war. Also musste ich seine Vocals in Ableton aufnehmen, was keine ideale DAW fürs Vocal-Recording ist, aber natürlich war das Ergebnis dennoch unglaublich.« Hier und da finden sich auch exotisch erscheinende Elemente auf dem Album, beispielsweise das äthiopische Vocal-Sample von Aster Awake, das die Songs False Alarm und Reminder miteinander verbindet und an Tesfayes äthiopische Herkunft erinnert. Obwohl äthiopische Musik ansonsten keine hörbaren Spuren auf Starboy hinterließ, betont McKinney, dass Tesfayes Liebe zur äthiopischen Musik »eine weitere Kammer der Inspiration« war.
»Als wir versuchten, die Story dieses Albums zu kreieren, haben wir das [Sample] eingebaut, weil wir es cool fanden.« Aufhorchen lassen nicht zuletzt auch die beiden gemeinsam mit Daft Punk geschriebenen und produzierten Tracks, die Anfang und Ende von Starboy bilden. Das Titelstück, mit dem das Album beginnt, ist gleichzeitig die erste Single. Das Schlussstück, I Feel It Coming klingt wie ein Outtake von Daft Punks Millionenseller Random Access Memories. In einem Interview mit Zane Lowe erklärte Tesfaye, dass Daft Punk insbesondere beim letzten Stück versuchten, so vintage wie möglich zu klingen, indem sie klassische Mikrofone und Vintage-Outboard verwendeten, ähnlich wie sie es bereits auf Random Access Memories taten, das eine Hommage an den Funk und Soul der 1970er darstellte.
Workflow
Zu den genauen Arbeitsmethoden der französischen Geheimniskrämer kann auch McKinney wenig berichten: »Abel hatte mit ihnen bereits in Paris gearbeitet, und das meiste davon war bereits fertig. Cirkut und ich ha – ben dann noch ein paar Sachen hinzugefügt, und als die Jungs von Daft Punk dann vorbeikamen, haben wir die letzten Schritte gemeinsam erledigt. Sie haben I Feel It Coming in LA mit echten Musikern aufgenommen, aber ich war bei diesen Sessions nicht anwesend. Auch diesen Track haben wir gemeinsam in den Conway Studios finalisiert.« Doch wie steht es mit seinen eigenen Arbeitsmethoden? Dass er gerne mit Ableton arbeitet, hat McKinney ja bereits angedeutet: »In den letzten zehn Jahren habe ich hauptsächlich mit Ableton [Live] gearbeitet, obwohl ich auch Logic und Pro Tools nutze. Ableton ist sehr transparent fürs Schreiben und Produzieren. Es ist sehr flexibel, wenn du Dinge wie die Tonhöhe oder das Tempo ändern möchtest. Aber wenn ich Filmmusik schreiben würde, dann würde ich Logic verwenden, weil es super zum Komponieren ist und klasse MIDI-Fähigkeiten hat. Pro Tools ist am besten zum Aufnehmen von echten Instrumenten und Vocals. Übrigens wurden auf diesem Album Abels Vocals von einer ganze Menge verschiedener Leute aufgenommen. Wenn er inspiriert und in der richtigen Stimmung ist, geht bei ihm alles. Wenn ich ihn aufgenommen habe, habe ich ein altes Neumann U 67 verwendet, mit dem seine Stimme unglaublich klingt, und einen Urei 1176- Blue-Stripe-Kompressor. Manchmal funktioniert bei ihm auch ein Shure SM7 oder SM57 super. Kann aber sein, dass Max Martin und Daft Punk andere Mikrofone und anderes Outboard verwendet haben.«
Ein sehr ungewöhnlicher Aspekt an McKinneys Arbeitsweise ist, dass er zum Schreiben und Arrangieren kein Keyboard als MIDI-Trigger verwendet, sondern eine Gitarre. »Ich verwende eine MIDI-Gitarre für alle Keyboard-Sounds und sogar die Drums. Ich habe auch echtes Schlagzeug, einen Bass und Keyboards in meinem Studio, aber ob ich die verwende, hängt davon ab, was das Projekt benötigt. Mein MIDI-Konverter ist der Fishman Triple Play [Pickup]. Der hat die kürzeste Latenz von allen MIDI-Gitarren, mal abgesehen von denen, die mit Tasten arbeiten. Ich arbeite schon so lange mit MIDI-Gitarren, dass ich mich an die Latenz gewöhnt habe, aber mit dem Fishman kann man absolut arbeiten. Ich habe das Teil auf dem Album häufig eingesetzt und ansonsten auch normale Gitarren gespielt. Ich habe Glück, dass Abel ein großer Fan von Gitarren ist, daher sind viele unserer Ideen auf der Gitarre entstanden.«
McKinney erklärt, dass praktisch alle Tracks auf Starboy einen langen Prozess des wiederholten Umschreibens und Umarrangierens durchliefen: »Bei Alben wie diesem, bei dem der Künstler den Ton angibt, entstehen die Songs oft in einem Kernteam von Mitstreitern. Manchmal brauchst du nur fünf Minuten, um eine Melodie und einen Chorus zu entwickeln, aber danach kann es sein, dass du eine Woche, einen Monat oder noch länger damit herumspielst. Bis ganz zum Schluss machst du immer neue Änderungen an den Vocals und manchmal auch am Song selbst. Manchmal sind wir eigentlich schon fast fertig, und die Bridge ist immer noch nicht geschrieben oder noch nicht ganz das, was man sich vorgestellt hat. Und dann kommt dieser Augenblick der Inspiration. Wir spielen mit der Tonhöhe, dem Tempo, manchmal probieren wir eine Melodie oder einen Song über einem Trap-Beat oder einem House-Beat, was auch immer. Du spielst ständig mit dem Song herum. Die Produktion kann sich verändern oder auch die Tonart, und das inspiriert dann wieder andere Veränderungen usw.«
Entscheidungen treffen
Eine wichtige Produktionsentscheidung war der großzügige Gebrauch von Antares AutoTune auf Tesfayes Vocals, obwohl dieser ein ausgezeichneter Sänger ist, der eigentlich keine Intonationskorrektur benötigt. »Wir hatten viele Gespräche deswegen«, bemerkt McKinney. »Abel hat eine schöne Stimme und kann singen; normalerweise braucht er daher kein Auto-Tune. Stattdessen haben wir es verwendet, um einen bestimmten Vibe zu erzeugen. Dabei ging es nicht darum, cool zu klingen. Du kannst ein super Gitarrist auf der Akustikgitarre sein, oder du kannst ein super E-Gitarrist sein. Das sind zwei verschiedene Dinge. Und genauso ist es beim Singen mit und ohne Auto-Tune. Im Fall eines Songs wie Sidewalk mit einem klassischen, Soul-artigen Sound gibt es so viele Soul-artige Covers mit einem entsprechenden Gesangsstil, dass es nachgeahmt gewirkt hätte, wenn Abel ohne Auto-Tune gesungen hätte. Insofern hat das auch geholfen, dem Album einen aktuellen Sound zu geben.« Ein zeitgemäßer Sound war eine wichtige Maßgabe für Starboy, doch gegen Ende des sieben Monate andauernden Entstehungsprozesses gab es noch eine weitere Herausforderung zu meistern.
McKinney und Tesfaye hatten bis dahin den Schreibprozess auf 18 Songs eingegrenzt, die stilistisch weit variierten und teils an weit verstreuten Orten rund um den Erdball aufgenommen wurden. All dies zu einem stimmigen Gesamtbild zu formen, war keine leichte Aufgabe. »Praktisch gesehen, haben wir eine Menge Zeit auf das verwendet, was wir ›Pre-Mixes‹ nennen. Bei den meisten Tracks ist Cirkut im Rechner die Rough-Mixes durchgegangen, be – vor er die Sachen den beiden Mix-Engineers Manny Marroquin und Serban Ghenea übergab. Cirkut arbeitet gerne in Cubase, und be – vor die Sachen zum Final-Mix geschickt wurden, wurden sie auf Pro Tools überspielt. Aber 18 Songs sind eine Menge Material, und das alles zusammenzuführen war schwierig. Es gibt wenige andere Künstler, vielleicht nur Prince und Michael Jackson, die von Pop zu Rock und zu HipHop wechseln können und stets überzeugend wirken. Glücklicherweise fühlt sich Abel in all diesen Genres wohl und hat die Fähigkeit, verschiedene Aspekte seiner Stimme und verschiedene Stimmfarben zu nutzen. Außerdem hatten wir ein großartiges Team und haben in einem tollen Studio gearbeitet, wo wir an den Sachen immer weiter feilen konnten. Vor allem aber hat Abel die Fähigkeit, sich immer noch für Songs begeistern zu können, an denen wir bereits fünf Monate gearbeitet haben; so hat er für die nötige Frische gesorgt. Er ist ein echter Visionär.«
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