Die Band am Scheideweg, das kennen viele: schnell sicher ins warme, sozialversicherungspflichtige Nest der Vollzeitbeschäftigung springen oder doch noch die eine Band (weiter-)machen, die man schon immer machen wollte? SCHMUTZKI haben sich für Letzteres entschieden und setzen nicht nur vom Titel ihres ersten Albums her alles daran, es richtig krachen zu lassen.
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Als CASPER vor ein paar Jahren sang: »Jetzt sind wir 27, bald alt und grau / Keiner wurd’ Rockstar von uns, niemand Astronaut«, war ihm klar, dass es für den Weltraum nicht mehr reichen würde − aber dass der Jugendtraum, es mit der Musik noch einmal zu schaffen, ausgeträumt sein sollte, mit Sicherheit so nicht − im Gegenteil. In diesen Zeilen des Bielefelder Indie-Rappers wird das Schicksal eines jeden ambitionierten Musikers auf den Punkt gebracht, der von dem, was meistens gemeinsam mit Kumpels zwischen Hansa-Paletten, Beerbong und auf alten, versifften Perser-Teppichen irgendwo in einem alten Proberaum seinen Anfang nahm, mal leben wollte.
Heute von der Musik leben zu können ist ein Privileg. Und doch kennen wohl viele den Antrieb und die Energie, die das freisetzt, was man gemeinsam auf einer Bühne schafft und was einem viel mehr geben kann, als ra(s)t – loser Pendler in einem 9-to-5-Bürojob zu sein. SCHMUTZKI haben die im CASPER-Zitat besungene Altersgrenze bereits überschritten und ziehen dennoch ihr Band-Ding durch. Nach ihrer Debüt-EP Mob (2014) und ihrer Herbst-Tour im Vorprogramm von WIZO dürfte das Trio aus dem Schwabenland schon einigen geläufig sein. Das nun erscheinende Album namens BÄM ist Ausdruck dieser klaren Entscheidung − zugunsten der Musik als Lebensmittelpunkt.
Und so knüpft der Album-Opener Meine Party auch gut an dieses Credo an: frech, unkonventionell, latent sympathisch upgefuckt im Text, die Musik irgendwo zwischen 70sMod-Punk und den heutigen The Briefs. Auch der Titelsong BÄM setzt dies unter Zugabe von Synthis fort. Bei Rodeo, der klassischen Single, wird es etwas tanzbarer, melodramatischer und verträumter − hier lassen UK-Größen wie The Wombats oder We Are Scientists grüßen. Musikalisch geht es weiter querfeldein durchs Indie/Punkrock-Beet − mal ein bisschen Kraftklub, mal die frühen Ärzte, mal die älteren Fotos.
In erster Linie nehmen sich SCHMUTZKI nicht allzu ernst und machen Musik, die Spaß bringen und sich und den Leuten eine gute Zeit bereiten soll. Und genau das ist doch der Grund, weswegen man hier eigentlich angetreten ist. Wenn nun dabei auch noch was für die Miete rausspringt, hat das dem bürgerlichen Lebensentwurf zunächst für eine gute Weile die Stirn geboten.
Für alle Freunde des melancholischen Punkrocks: Das ist was für euch. Drei junge Herren Anfang zwanzig aus Bonn spielen unter dem Namen LYGO treibenden, emotionsgeladenen Punkrock, irgendwo zwischen Turbostaat, Kaput Krauts und Pascow. Wild, wütend, manchmal verzweifelt, immer intensiv, so wie das sein muss. Und sowieso ging Deutschpunk aus Bonn schon immer gut, wenn man beispielsweise an Canal Terror oder Molotow Soda denkt.
LYGOs erstes Album Sturzflug klingt rough, ungestüm und authentisch − eben so, wie die Band klingt, wenn sie im Jugendzentrum bei dir um die Ecke spielt und beispielsweise in Störche (zu dem es auch ein DIY-Video auf YouTube zu sehen gibt) gegen den Winter ansingt. Die Mischung aus Schroffheit und Fragilität im Sound der Band ist charakteristisch und wurde gekonnt von Produzent Nico Vetter (prettylivesessions) eingefangen.
Titel wie Kinderzimmerleben, Eskapismus oder Flaschenpfandromantik verdeutlichen dies und umreißen gut den inhaltlichen Kosmos der Band. Wer auf inhaltlich anspruchsvollen, energetischen Punkrock steht und mit anfangs genannten Referenzen etwas anzufangen weiß, der sollte diese Band definitiv weiter im Auge behalten.
80er-Elektro-Pop aus Berlin − das ist in dieser Kombination nicht unbedingt neu, darf aber trotzdem mal wieder Erwähnung finden. Die 25-jährige Vanessa Schulz alias NESSI treibt seit einigen Jahren als Gitarristin und Songwriterin innerhalb des Musikbusiness’ ihr Unwesen, kennt die Irrungen und Wirrungen, mit denen man als MusikerIN innerhalb dieser Branche zu kämpfen hat.
2014 kam eine erste EP namens Twentythreeyears, welche noch relativ Singer/Songwriter-lastig war, basierte diese noch mehr auf Akustik-Songs mit Gitarre. Schon zu diesem Zeitpunkt gibt es Auftritte im Vorprogramm von den Babyshambles, Mando Diao oder bei Rock am Ring. Hin zum Album hat sich der Fokus mehr in Richtung Bandkonzept verschoben, wodurch man sich auf natürliche Weise dem Pop näherte.
Rolling With The Punches ist Single- und gleichzeitig Album-Titel ihres Debüts. Und es macht das, was es kann, und ist das, was es ist: tanzbar, positiv, angenehm unbeschwert und doch mit einem Schuss Melancholie (wenn’s balladesker wird). Gut für den (Ladies-)Ausgehabend mit vielen Drinks zum Start ins Wochenende. Nebenbei spielt NESSI übrigens noch in der Punkband CANDYCUNT. Sympathisch.
Max Braun mag Kaffee, Vinyl und Punkrock. Als Musiker, Songwriter, Journalist und Selbstständiger pendelt er zwischen Bühne, Studio, Redaktion und Büro. Darüber hinaus studiert er Medienkulturwissenschaft und Ökonomie der Medien im Master an der Universität Köln. Bei Max dreht sich alles um Musik. Noch mehr Infos zu angesagten NewcomerBands findest du im Music-Scene-Blog auf der S&R-Website.