Kolumne von Peter Walsh

No Strings Attached

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Marty Willson-Piper
Marty Willson-Piper (Bild: Anthony Collins)

Letztes Wochenende bei einem Spaziergang entlang der Southbank hatte habe ich ganz unverhofft den charismatischen Gitarristen, Sänger und Songschreiber Marty Willson-Piper getroffen. Ich hatte Marty seit bestimmt 30 Jahren nicht mehr gesehen. Mit seiner Frau Olivia, ihrerseits Violinistin, und der Kamera am Anschlag stand er an einem der belebtesten Touristenorte Londons. Ich erkannte ihn sofort, vor allem, weil ich am Tag zuvor ein aktuelles Foto von ihm auf Facebook gesehen hatte. Normalerweise bin ich nicht gut darin, mir Gesichter und Namen zu merken, also war es ein weiterer Zufall, dass ich nicht direkt an ihm vorbeigelaufen bin.

Vor Jahren habe ich (bekanntermaßen) Paul McCartney nicht erkannt, als er das Studio betrat, in dem ich gerade mischte. Mir bricht noch immer kalter Schweiß aus, wenn ich nur an die Worte damals denke: Paul? Welcher Paul? …

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»Hey Marty!«, rief ich selbstbewusst. Er musterte mich von oben bis unten, als ob ich einer seiner Fans wäre, der um ein Autogramm bitten möchte. Es war eiskalt, weshalb mein Gesicht halb vom Wollschal verdeckt war und ich Mütze heruntergezogen hatte. Außerdem war es einige Zeit her und so gab ich ihm ein paar Sekunden, um zu registrieren, wer ich war.

James Stevenson mit einer seiner 12-saitigen Fender (Bild: Peter Risingham)

»P…P… Peeeeete?«, antwortete er vorsichtig, als wolle er eine Bestätigung. Ich nickte zustimmend und half ihm, meinen Namen zu vervollständigen. »Wie zum Teufel geht es dir?«, fuhr er fort. »Ich kann es nicht glauben, wir sind gerade aus Portugal angekommen.« »Ich weiß!«, sagte ich (das hatte ich auch auf Facebook gesehen). »Wir leben dort«, fuhr er aufgeregt fort. »Ja, ich weiß«, sagte ich, »ich habe es auf eurer Insta-Seite gesehen …«. »Wir sind gerade dabei, eine Tour durch UK zu starten«, antwortete Marty. Auch das wusste ich natürlich. Und so ging das Gespräch mehrere Minuten lang weiter.

Zu diesem Zeitpunkt gab es nicht viel, was Marty mir erzählen konnte, was ich nicht schon wusste, dank des täglichen Blogs, den er in den letzten drei Jahren geschrieben hat. Marty ist ein ebenso guter Schriftsteller wie Musiker, und ich schaue von Zeit zu Zeit in seinen Blog hinein. Seine Reflexionen über das Leben als Künstler und seine Erfahrungen On-the-road sind eine sehr unterhaltsame Lektüre. Tatsächlich erkenne ich mich ein wenig wieder in dem, was er schreibt, und ich habe das Gefühl, dass wir in vielerlei Hinsicht eine ähnliche Sichtweise auf das Leben haben. Arbeit ist Leben, und Leben ist Arbeit. Die beiden gehören zusammen wie Gibson und Marshall, wie Neve und Studer!

Marty und ich kennen uns schon lange. Wir lernten uns 1985 kennen, als ich nach Sydney reiste, um ein Album für die australische Band The Church zu produzieren. Wir waren beide jung und wild – Mitte 20 – und wollten die Welt erobern. The Church hatten später einen großen US-Hit mit Under The Milky Way, immer noch einer meiner absoluten Favoriten.

Damals führte mich Marty in die wunderbare Welt der Rickenbacker-Gitarre ein, die Mitte der 60er-Jahre durch John Lennon und George Harrison in Songs wie A Hard Day’s Night berühmt wurde – durch ihn lernte ich den unverwechselbaren Sound der elektrischen 12-saitigen Ricky-Gitarre kennen, wie man ihn z. B. in der Byrds-Coverversion von Bob Dylans Mr. Tambourine Man hört. Rickenbacker 12-Saiter erhalten ihren charakteristischen schrillen Klang dadurch, dass bei ihnen die Oktav- und Basissaiten anders als sonst üblich vertauscht aufgezogen werden. Außerdem trägt natürlich die Semi-Akustik-Konstruktion zum holzigen Timbre bei. Allerdings sind sie in Sachen Recording knifflige Biester und schwierig in tune zu halten.

Aus dem einen oder anderen Grund neige ich dazu, mir nicht viele meiner früheren Produktionen anzuhören, aber ein Album, das ich mir immer wieder anhöre, ist Heyday, das ich mit The Church in den originalen EMI 301 Studios auf analogem Band durch eine frühe SSL aufgenommen und abgemischt habe. Es ist (meiner bescheidenen Meinung nach) eine großartig klingende Platte, die – neben Martys großartiger Musikalität – auch den unverwechselbaren Klang und Charakter einer Rickenbacker-Gitarre einfängt. Hör dir Songs wie Tristesse und Disenchanted an. Während der Aufnahmen zu diesem Album wurde mir klar, wie wichtig es ist, die richtige Gitarre zu verwenden, um einen bestimmten Sound zu erreichen. Rickenbackers eignen sich vielleicht nicht für alle Musikstile, aber sie haben den unverwechselbaren Sound vieler Künstler geprägt, darunter auch The Church. Hört mal rein – ihr werdet wissen, was ich meine.

Die Fender-Electric-XII-Familie (Bild: James Stevenson)

Die 12-saitige E-Gitarre ist im Laufe der Jahre in vielen meiner Produktionen aufgetaucht. Ein weiteres legendäres Beispiel ist die Fender Electric 12. Mein lieber Freund und Gitarren-Guru James Stevenson machte mich 1987 mit dieser großartig klingenden Gitarre bekannt, als ich an dem Album House of Dolls arbeitete, dem ersten von vielen Alben, die ich für Gene Loves Jezebel produzierte. Ein weiteres fantastisches Beispiel findet sich auf dem Song Break the Chain aus dem Album Heavenly Bodies von 1993. Die Fender hat etwas weniger von dem Ricky-Touch, aber der Sound ist solider und direkter. Gitarren wie diese haben so viel Charakter, dass sie ein Teil der Familie wurden – James hat fünf davon und bezeichnet sie als seine »Babys«!

Ich bin gerade dabei, ein neues Album mit James und Gene Loves Jezebel aufzunehmen, und bestimmt wird die Fender einen weiteren Gastauftritt haben. Vielleicht hole ich sogar Marty und seine Rickenbacker ins Aufnahmestudio, um ein Duett zu spielen. Quasi eine 24-saitige E-Gitarre – das wäre ein Spaß!

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