Sing meinen Song − exklusiver Blick hinter die Audio-Kulissen der TV-Produktion
von Marc Bohn,
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2016 ging das von Xavier Naidoo moderierte Tauschkonzert in die dritte Runde. Mit dabei waren neben Naidoo dieses Mal: Nena, Samy Deluxe, der Schweizer Sänger Seven, Annett Louisan, Wolfgang Niedecken sowie Sascha Vollmer und Alec Völkel, die man als »The Boss Hoss« kennt. Bevor es aber ans Set nach Südafrika ging, wurden die insgesamt 50 Songs der sieben Sänger und Sängerinnen im Studio mit der Band »Groschs Eleven« arrangiert. Wir waren damals in Mannheim dabei und durften einen Blick hinter die Audio-Kulissen der beliebten TV-Produktion werfen.
Das Studio, in dem sich die Musiker auf die Produktion von »Sing meinen Song − Das Tauschkonzert« vorbereiten, liegt in einem Mannheimer Gewerbegebiet und gehört zur Naidoo-Herberger Produktion. Dort treffe ich auf die bekannten Gesichter von Axel Müller (Sax), Christoph Moschberger (Trompete) und Johannes Goltz (Posaune), die in unserem Brass-Recording-Special in S&R 02.2016 die Vergleichsaufnahmen eingespielt haben
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Beim Betreten des Studios spürt man sofort: Hier wird kreativ und vor allem konzentriert gearbeitet. Dennoch herrscht unter den Beteiligten eine sehr lockere Stimmung. Kaum zu glauben, dass die insgesamt zehn Musiker und drei Engineers bereits seit fast vier Wochen zusammensitzen und die insgesamt 50 Songs mit einem der sieben Sänger intensiv proben. Als ich dort ankam, saßen gerade alle zusammen beim gemeinsamen Mittagessen. Annett Louisan war auch dabei. Sie ist eine der sieben Sängerinnen und Sänger, die in insgesamt acht Sendungen jeweils einen Song des anderen auf ihrer Art und Weise performen wird. Als Abschluss gibt es dann in der finalen Folge eine Art Best Of, in dem jeder nochmal seinen Lieblingssong singt.
Trotzdem ist den Musikern eine gewisse Anstrengung anzumerken. »Alle hängen gerade nach über drei Wochen Proben etwas durch«, erklärt uns Christoph, »aber wir sind ein eingespieltes Team und wissen mit dieser Situation umzugehen. In drei Staffeln und gemeinsamen Side-Projekten haben wir zusammen knapp 200 Titel aufgenommen. Da lernt man sich schon gut kennen und weiß, wie man mit solchen Stresssituationen umgeht.«
»Sing meinen Song − Das Tauschkonzert«, auf der Studioszene 2020!
DAS ARRANGEMENT Die musikalische Leitung hat während der Produktion zu »Sing meinen Song − Das Tauschkonzert« Mathias Grosch, der gleichzeitig auch Arrangeur und Keyboarder der Band ist (www.groschton.de). Er sucht im Vorfeld zusammen mit den Künstlern ihre Songs aus und bespricht die Stilrichtung. Bevor es ins Studio geht, hat Mathias bereits für manche Songs eine konkrete Vorlage des Arrangements erstellt. Das muss die Band dann nur noch umsetzen. Die einzelnen Sektionen nehmen dann vielleicht noch partielle Änderungen vor.
Viele Arrangements entstehen aber tatsächlich erst hier im Studio als Gemeinschaftsprojekt. Dort hat jeder Musiker die Möglichkeit, seine eigenen Ideen mit einzubringen. Egos werden hintenangestellt. Wenn nur der Song feststeht und kein Arrangement vorgegeben ist, wird sich zuerst mal auf eine Tonart geeinigt, ein Groove ausgesucht, und der Rest entsteht drum herum.
Die Band Groschs Eleven setzt sich zusammen aus:
KOMMUNIKATION IST WICHTIG Weil so ein Arrangement aufgrund des engen Zeitplans in zwei bis vier Stunden entsteht, ist die Kommunikation innerhalb der Band, mit dem Sänger und auch den Tontechnikern äußerst wichtig − vor allem da die Musiker während der Proben auch räumlich voneinander getrennt sind und sich nur über Talkback-Mikrofone und Kopfhörer verständigen. Die Band mit Bass, Gitarre, Keys und Drums befinden sich gemeinsam in einem Aufnahmeraum neben der Regie, die Background Sänger in einem zweiten und die Bläser in einem dritten, der im Keller liegt. Auch Leslie und Gitarrenverstärker sind in anderen Aufnahmeräumen untergebracht. Dadurch wird ein Übersprechen der Mikrofone verringert und die Kommunikation verbessert, da diese neben einem brüllenden Amp wohl etwas schwieriger wäre. Laute Instrumente dürfen so nämlich auch laut gespielt werden, worüber sich vor allem der Gitarrist der Band freut.
Der Sänger sitzt zusammen mit bis zu drei Tontechnikern in der Regie. Kommuniziert wird über das Monitoring-System ME-1 von Allen & Heath, das sich bereits in der zweiten Staffel etabliert hat. Eine Steuerspur aus Pro Tools schließt die Talkback-Mikrofone der einzelnen Musiker während der Aufnahme und öffnet sie wieder in den Pausen, damit alle miteinander sprechen können. Axel: »Eine solche Kommunikation muss einfach gegeben sein, da das Arrangement oft erst zusammen ›on the fly‹ entsteht und wir uns in den Spielpausen auch innerhalb unserer Sektion absprechen müssen.«
»Wenn wir als Bläser den anderen reintröten würden, hätten wir nachher keine Freunde mehr«, wirft Johannes ein. Es kommt also oft vor, dass, während die Band noch ihren Sound sucht, die Bläser einen neuen Satz schreiben oder ihr Arrangement anpassen. Durch die räumliche Trennung stören sich die Musiker nicht gegenseitig. Das Arrangieren läuft also in den einzelnen Räumen parallel ab, bevor danach gemeinsam Ideen und Verbesserungsvorschläge innerhalb der gesamten Band diskutiert werden und das Arrangement festgelegt wird. Und während die Band probt, räumen die Tontechniker bereits im Frequenzspektrum auf. Es laufen eben viele Prozesse parallel, sonst wäre das alles in der kurzen Zeit gar nicht zu realisieren.
Kleines Feature: Durch zwei Kameras und zusätzliche Monitore können sich die Musiker in ihren Räumen sogar sehen. Hier wurde an jedes Detail gedacht!
PRE-PRODUCTION IN PRO TOOLS Geprobt wird auf Klick und jedes Signal direkt in Pro Tools mitgeschnitten. Mit den Spuren können die Musiker bis zum finalen Take, der während der Produktion in Südafrika live aufgezeichnet wird, noch etwas üben. Die Vocals dienen dabei als Guide. In der Regie steht ein Pro Tools HD3-System. Das dortige Pult bleibt ungenutzt und dient lediglich als Ablage für Tastatur, Maus und den Fader-Controller, die Artist-Serie von AVID. Mit ihr werden hier zum Teil auch schon Automationen für die spätere Show geschrieben.
Der Mac Pro mit 8-Core-Prozessor arbeitet mit einer MADI-Karte, die 64 Kanäle bietet und einem Lynx Studio Aurora 16 System, mit dem simultan 16 analoge und 16 AES/ EBU-IOs möglich sind. Somit können insgesamt 96 Kanäle gleichzeitig aufgenommen werden. Im Einsatz sind während der PreProductions 72 Inputs! Zusätzlich stehen zwei ADI 648 ADAT/MADI-Converter und insgesamt zehn OctaMic-Mikrofonvorverstärker von RME auf der Equipmentliste.
In Südafrika wird ein HD3-System angemietet. Lediglich die Festplatten und Kabel werden aus Deutschland mitgenommen. Kabel sind wohl dort noch das größte technische Problem, weshalb die Techniker sogar Lötkolben und Stecker mitnehmen, um im Notfall eine passende Strippe zu basteln. Neben der Band ist die Arbeit der Tontech – niker ein elementarer Bestandteil der Produktion. Sie spielen ebenfalls eine ganz entscheidende Rolle beim Arrangement. Durch ihr musikalisches Know-how und ein geschultes Gehör hören sie direkt, wenn eine Terz mal nicht ganz stimmt und machen den Musiker darauf aufmerksam. Sie sind für Axel, Christoph und Johannes wie ein weiteres Bandmitglied.
Sound&Recording Ausgabe 05/16
Songwriting Special
Diese Ausgabe widmet sich dem ThemaSongwriting per App! Wir stellen euch iOS-Tools vor, die eure Kreativität beim Songwriting unterstützen und zeigen euch iOS-Hardware die umfangreiche, mobile Recording-Lösungen anbieten, wie Motive von Shure, die Lurssen Mastering Console und Lightning-Interfaces und –Mikrofone sowie Software. Eine Band die weiß wie man Songs schreibt sindAnnenMayKantereit. Mit ihrem Debüt-Album „Alles nix Konkretes“, das von Moses Schneider produziert wurde, schafften die Kölner-Jungs auf Anhieb den Sprung auf die #1 der deutschen Single Charts. Den Studio-Report findet ihr im Heft. Außerdem waren wir in Chino, USA in der Edel-Maufaktur bei Manley Labs zu Gast. Den dort hergestellten Channelstrip Manley Core haben wir für euch im Test. Für die Mixpraxis sprichtIllangelo Montagnese über die Produktion mit The Weeknd und in De/Constructed zerlegt Henning Verlage King Kunta von Kendrick Lamar.
Getestet haben wir das Roli Seaboard Rise 25, das „Volksbändchen“ sE Electronics X1R und in Love The Machines gibt´s den Klassiker Roland JP-8000.
PRE-MIXING Schon bei den Proben wird vorgemischt und mit Kompression, Hall und weiteren Effekten an der Klangästhetik gearbeitet. Das ist nur deshalb möglich, weil die Musiker in Südafrika auf der Bühne 1:1 mit derselben Mikrofonierung wie in Mannheim bei der Vorproduktion spielen. Alle Mikrofone sind identisch, Gitarristen und Keyboarder nutzen immer die gleichen Sounds, und auch das RecordingSetup ist das gleiche. Um den logistischen Aufwand zu verringern, spielen die Bläser auch mit Clip-Mics und keinen großen Studio- Mikrofonen. Bei einer solchen logistischen Meisterleistung gehört es auch dazu, darauf zu achten, an welchen Stellen man den Aufwand reduzieren kann, ohne dabei das Klangergebnis zu mindern.
Die Songs, die im Anschluss an die gesamte Staffel auf der CD landen, sind allesamt Live-Aufnahmen der Shows. Drei Wochen haben die Tontechniker danach Zeit, die Mixe für die insgesamt 50 Songs fertigzustellen. Und das parallel in verschiedenen Formaten, denn nicht nur der Sendeton wird mitgeschnitten, sondern auch der Ton für CD, DVD und Blu-ray muss dann fertig sein. Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass der Sound bereits während den Proben nahe am finalen Mix liegt.
Auch Soundfragen werden vorher im Studio geklärt: Welche Snare wird benutzt? Spielt der Drummer mit Sticks oder Besen? Setzen die Bläser Dämpfer ein? Wird die Flöte oder das Bariton-Saxofon gebraucht? Wie werden Delay und Filter eingesetzt usw.?
DER LIVE-SOUND
Die Sänger, die während der Show auf der Couch vor der Bühne sitzen, bekommen einen gemixten Sound über die PA. Sascha Kohl heißt der Live-Techniker vor Ort. Er ist unter anderem auch mit Xavier Naidoo auf Tour und dort für das Monitoring zuständig. Sascha ist von Anfang an bei »Sing meinen Song« dabei und mischt seit der zweiten Staffel die Signale direkt aus Pro Tools »für das Sofa«.
HÖRBAR GUTE STIMMUNG
Bei der Sendung geht es darum, die Songs und die Karrieren der Künstler zu präsentieren und ihre Songs unter die Lupe zu nehmen. Axel: »Im Vorfeld der Show haben wir drei Tage Zeit, uns mit jedem Künstler und seinen Songs intensiv auseinanderzusetzen. Durch unsere Leidenschaft und unsere Emotionen, mit denen wir an den Songs arbeiten, wachsen wir alle enger zusammen. Ich bin mir sicher, dass der Sänger so auch live mit einem besseren Gefühl ans Mikrofon herantritt und somit diese familiäre Stimmung, die hier herrscht, auch nach außen getragen wird.«
Es sind auch viele junge Leute mit an Bord. Thilo Zirr und Benedikt Maile sind mit gerade mal 23 und 26 Jahren bei dieser Mammut-Produktion als Tontechniker dabei und konnten bereits viele Erfahrungen sammeln. Am Ende unseres Treffens saßen wir alle noch gemeinsam zusammen, und die Musiker betonen die einzigartige Stimmung im Team. »Wir sind wie eine große Familie«, höre ich an der einen Ecke, während aus der anderen ergänzt wird, dass alle ständig voneinander lernen. Auch die Musiker von den Tontechnikern. »Wenn man am Set mit insgesamt 140 Personen sitzt, ist man froh, wenn man ein kleineres Team hat, mit dem man sich gut versteht und abends noch gemeinsam ein Bierchen trinken kann«, sagt Christoph.
KUCK MAL, WER DA SINGT
Ich steige ins Taxi, mache mich auf den Rückweg nach Köln und bin froh, dieses Team getroffen zu haben − ihr positives Flair hat auch auf mich abgefärbt. Und ich freue mich jetzt schon darauf, die eine oder andere Folge der dritten Staffel von »Sing meinen Song − Das Tauschkonzert« im Frühjahr 2016 auf VOX zu sehen, und auf den Moment, wenn ich mit dem Finger auf den TV zeige und zu meiner Freundin sagen kann: »Kuck mal, die kenne ich!« 😉
MONITORING MIT DEM ME-1 VON ALLEN & HEATH
Im Monitoring-System ME-1 von Allen & Heath stehen insgesamt 40 Inputs zur Verfügung, die während der Produktion von »Sing meinen Song« auch alle belegt sind. Sie werden aus Pro Tools über ein EthernetProtokoll an einen Router geschickt, der die Signale zu den einzelnen Einheiten weiterleitet. Das System kann in 16 Gruppen mit je 8 Instrumenten eingeteilt werden. Jeder Musiker kann damit die Lautstärke und auch das Panning jedes Signals für sich selbst regeln und seinen Monitormix mischen. Die Bedienung ist laut Christoph, Axel und Johannes sehr einfach und intuitiv. Das ME-1 wird übrigens genauso live in Südafrika verwendet. Latenz spielt dabei keine Rolle