»Stilles« 3-D-Kopfhörer-Konzert mit Studiomix mit Adulescens
von Nicolay Ketterer,
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Ein »stilles« Konzert samt Studiomix und 3D-Simulation: Die bayerische Indie-Band Adulescens war kürzlich auf Tour, im Gepäck 150 Funkkopfhörer. Für gefühltes 3D-Panorama kam Technik der Firma Klang Technologies zum Einsatz. Ein Blick auf das Setup, die Vor- und Nachteile einer Kopfhörermischung und die Kompromisse möglichst leiser Instrumente − damit das Publikum auch nur den Kopfhörer-Sound hört.
Das Café Galao, mitten in Stuttgart, liegt vier Treppenstufen unter dem Straßenspiegel. Dunkle Dielen am Boden, an der Decke laufen zwei metallfarbige Heizungsrohre entlang. Am Ende des Raums befindet sich eine leicht erhöhte Bühne. Mittwochs und samstags finden in dem rund 50 m2 kleinen Raum Konzerte statt, erzählt Betreiber Reiner Bocka: Indie in allen Facetten, keine Coverbands.
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In der Mitte
Am Abend sind Adulescens zu Gast, eine fünfköpfige Indie-Band aus Bayern, die gerade auf »stiller« Tour ist, mit bedämpften Instrumenten und Kopfhörer-Setup für die Zuschauer samt 3D-Technik. Die Band existiert seit 2007, FoH-Mann Tobias Raunigk ist seit fünf Jahren dabei. Ein Teppich mit den Markierungen gibt den Aufbau vor. »Normalerweise gilt: MacBook aufklappen, alles anstecken und los«, erzählt er. »Gestern haben die Schlagzeug-Sounds plötzlich nicht mehr im Mix gepasst, obwohl die E-Drums eigentlich reproduzierbar sein sollten. Wir wissen nicht, warum, aber alles war verstellt. Das passiert immer wieder mal. Der Soundcheck hält sich trotzdem in Grenzen.« Sie sind praktisch »autark« angereist. »Wir haben eine Tonne Material dabei, die wir in möglichst kurzer Zeit aufbauen wollen, damit Zeit für die wichtigen Dinge − Soundcheck − bleibt«, meint Raunigk. »Das Setup wurde so vereinfacht, dass wir es theoretisch in einer Viertelstunde aufbauen können.«
Die Beschallungstechnik ist in einem großen Rack fest verkabelt, die Schlagzeugtechnik ist ebenfalls in einem Rack untergebracht, lediglich ein Multicore wird verlegt. Alle Arbeitsplätze sind »geschlossen« organisiert, mit besonders kurzen Mikrofonkabeln sowie Sub-Cores für möglichst wenig Kabel auf der Bühne. An den Keyboard-Plätzen bestehen die Mikrofonständer nur aus einem montierten Schwenkarm, um Platz und Aufbau für einen Standfuß zu sparen. »So kann man die komplette Synthesizer-Sektion wegtragen.«
Abseits der optimierten Aufbaugeschwindigkeit gilt es, sich mit der Örtlichkeit zu arrangieren. »Wir müssen Platz schaffen und die Elemente nacheinander aufbauen: Zuerst das Licht, weil es das Zentrum auf dem Teppich bildet, danach das Schlagzeug.«
Im Café Galao spielt die Band mitten im Raum. »Wir möchten, dass das Publikum außen im Kreis steht − weg von dem Konzept einer ›frontal‹ spielenden Band mit Beschallung von vorne. Passend zum 3D-Sound wollen wir, dass sich die Leute bewegen und nah bei den Musikern stehen können, um sich anzuschauen, wie die Musik entsteht.« Seinen Mixing-Arbeitsplatz bauen sie kurzerhand im hinteren Bereich auf der »ursprünglichen« Bühne auf.
Durch das Kopfhörer-Setup geht der Soundcheck bis auf das bedämpfte Schlagzeug fast unbemerkt von statten. Rein »akustisch« klingt das Ergebnis nach Dub-Getrommel, mit experimentellen leisen Gitarren-Synthie-Sounds und Subwoofer-Drones.
Vom In-ear-Monitoring zum Kopfhörer-Konzert
Die Idee zum »Kopfhörer-Konzert« entwickelte sich stufenweise, erklärt Raunigk: »Früher hatten wir mit Wedges (normale Monitorboxen; Anm.d.Red.) gearbeitet, allerdings konnten die Musiker damit die Synthesizer nicht gut hören. Mit In-ear-Monitoring hat sich die Band schlagartig verbessert: Wer jeden Fehler plötzlich hört, verbessert das eigene Spiel.« Die Band probe auch im gleichen Setup.
Irgendwann stießen sie auf die 3D-Technik der Firma Klang Technologies, die binaurale Klanggestaltung für In-ear-Monitoring anbietet. Der Vorteil? Die Band erzeuge breitwandigen Sound mit vielen Synthie-Elementen. Für die Musiker wären die vielen Elemente über »herkömmliches« Stereo-Panorama weniger differenziert wahrnehmbar, so Raunigk. »Auch ein sehr guter Mischer bekommt das nicht transparent umgesetzt, schon wegen des Übersprechens auf der Bühne.« Da helfe die virtuelle 3D-Erweiterung.
Während der letzten CD-Aufnahmen schlug der Produzent schließlich ein Konzert mit Kopfhörern vor. »Die Idee habe ich aufgegriffen und mich in die Thematik eingearbeitet. Vor einem Jahr haben wir ein Testkonzert im Proberaum vor 50 Leuten veranstaltet.« Das Schlagzeug war noch rein akustisch, Gitarren- und BassSounds wurden über herkömmliche Verstärker wie bei normalen Konzerten gespielt. »Nach dem Konzert haben wir Bewertungsbögen verteilt. Dabei kam heraus, dass den Besuchern die Becken viel zu laut waren. Die Kopfhörer haben einen internen Limiter, dadurch war es schwierig, mit dem Pegel über den Direktschall der Becken zu kommen.«
Insgesamt sei die Instrumentenlautstärke problematisch gewesen. Bei der Kopfhörerverstärkung entfällt die Feedback-Problematik einer Beschallungsanlage und das Übersprechen lauter Instrumente, allerdings gelte: »Es funktioniert nicht, die Band, so wie sie ist, hinzustellen und einfach Kopfhörer zu verteilen. Wir haben uns Gedanken machen müssen, wie wir die Backline leiser bekommen. Optisch sollte weiterhin der Eindruck einer ›fetten‹ Band bleiben, also ohne ein E-Drum-Setup.«
»Silent«-Akustik-Drums?
Schlagzeuger und Sänger Maximilian »Maxi« Wörle spielt ein altes Gretsch-Schlagzeug. »Wir wollten die Optik erhalten, und nach Möglichkeit den Sound transportieren«, meint Raunigk. Am Schlagzeug haben sie größtenteils bedämpfte Gewebefelle (Mesh-Heads) aufgezogen, verwenden je nach Trommel einen ddrum-Mono-Trigger oder einen Stereo-Trigger von Roland.« Als Becken dienen runde E-Drum-Varianten. »Wir haben günstige genommen, weil die Tour für uns ein Test war.«
Die Trigger speisen ein Alesis »SampleRack«-Modul. »Das dient zur Übersetzung auf MIDI-Signale und steuert ein MacBook mit Logic an, wo Sample-Drums getriggert werden.« Die Signale? »Maxi hat eine Soundkarte mit acht Ausgängen, die ich ans Pult bekomme: Kick, Snare, Toms als Stereo-Gruppe, dazu je eine Summe Overheads und Raumsignale.« Nebenan befindet sich ein Roland-E-Drum-Modul, für »elektronische« Sound-Ästhetik. »Am akustischen Set sollen akustisch wirkende Klänge gespielt werden.«
Das Spiel selbst bleibt »live«: »Es gibt keine Backing-Tracks. Die Band spielt ohne Click.« Durch die Samples bekommt Raunigk sauber getrennte Signale, die bereits vorbearbeitet sind. »Ich muss nicht viel machen. Im Pult verwende ich das SPL ›Transient Designer‹-Plug-in, vor allem wegen der Kopfhörerproblematik.« Die Kritik mancher Tontechniker an der Klangqualität des Hüllkurven-Werkzeugs teilt Raunigk nicht: »Ich denke, er funktioniert ganz gut, wenn man ihn zurückhaltend einsetzt.«
Im Keyboard-Setup finden sich mehrere analoge Synthesizer, dazu ein MacBook für die Piano-Sounds.
Die Gitarren? »Zunächst wollten wir mit Iso-Cabs arbeiten. Wir bauten einen Prototypen, waren aber mit dem Klang nicht zufrieden.« Er spricht die Kammfiltereffekte an, die im kleinen gedämmten Gehäuse auftreten. Hinzu kamen Platzprobleme: »Wir sind acht Leute auf Tour und müssen in einem Bus fahren. Die Kisten waren zu groß und zu schwer.« Stattdessen setzen sie Power Attenuator ein, Lastwiderstände zwischen Verstärkerendstufe und Lautsprecher, um die Lautstärke zu reduzieren und gleichzeitig die Endstufensättigung des Verstärkers abzurufen.
Bassist Maximilian Wallner spielt nach seinen Effekten in eine Palmer Bass-DI-Box. Sie haben aus Platz- und Gewichtsgründen auf einen Bass-Amp verzichtet. Die Röhren-Gitarrenverstärker sind auf ein Minimum gedrosselt. »Zur Abnahme haben wir eine DI-Box eingebaut.« Der Sound sei besser als eine Mikrofonabnahme bei der geringen Lautstärke, meint Raunigk.
Die Problematik der Gitarristen, zur eigenen Orientierung auf dem Kopfhörer DI-Signale ohne die gewohnte Impulsverfärbung durch Verstärkerlautsprecher zu hören? »Es ist alles ein Kompromiss. Aber aus dem jetzigen Setup konnten wir unter den Gesichtspunkten Gewichtsund Volumenersparnis trotzdem noch guten Sound herausholen.«
Kopfhörer
Der Vorteil der Kopfhörerwiedergabe für das Publikum? »Auf einer normalen PA sollte man üblicherweise mono mischen, damit die Leute positionsunabhängig hören. Mit den Kopfhörern können wir das Stereobild ausnutzen. Im virtuellen 3D-Raum kann ich die Instrumente noch weiter verteilen, das Ergebnis klingt größer. Über eine kleine Anlage würde der Klang mit den vielen Elementen nie so intensiv wirken.« Kopfhörer haben sie 150 Stück dabei, »was für die Club-Größenordnung bisher locker gereicht hat.« Einige dienen als Reserve: »Wenn die Batterien leer sind, können wir schnell den Kopfhörer bei den betroffenen Zuschauern wechseln.«
Die Kopfhörermodelle? »Wir haben ein großzügiges Sponsoring von Deutschlands größtem Silent-Disco-Verleiher bekommen, Silent Events Hamburg. Das sind die Standard-Kopfhörer nahezu aller Verleiher. Die liegen wohl um 25 bis 30 Euro, entsprechend ist die Soundqualität. Die Kopfhörer haben Schwächen, wie bei einer schlechten PA-Anlage. Die Höhenwiedergabe ist sehr dumpf. Ich muss sie in der Summe stark EQ’en. Bei manchen ist ein dynamisches Limit vorhanden, der Klang pumpt wie ein schlechter Kompressor: Leise Signale werden hochgezogen. Wenn mittig ein lautes Signal wie eine Bassdrum einsetzt, drückt das die Seitensignale mit runter. Alleine das Abfangen von Peaks in der Summe hat eigentlich nicht viel gebracht.«
Er hat die Tiefbässe der Bassdrum etwas abgesenkt, um der Problematik der Kopfhörer entgegenzuwirken. »Normalerweise hören die Leute darauf fertig gemasterte Musik mit geringem Dynamikumfang. Ich versuche, das am Pult entsprechend umzusetzen. Am Anfang habe ich einen PA-Mix gemacht − das hat überhaupt nicht funktioniert. Ich musste mir stattdessen einen ›fertig‹ geschliffenen Tonstudio-Mix aneignen.« Er mischt logischerweise auch über den Kopfhörer.
Die Umstellung, dass alle mit Kopfhörern hören? »Für mich merkwürdig, weil der Kopfhörer für einen Tonmann eigentlich ein Werkzeug im Sinne einer Lupe darstellt, zum Reinhören in Details oder zur Fehlersuche. Vom Gefühl ist es, als würde dir das Publikum auf die Finger schauen. Auf einer normalen PA kann ich einen Sänger, der an einem Tag nicht gut singt, kaschieren, indem ich ihn nach hinten mische oder mit einer Delay-Fahne überziehe. Das funktioniert auf dem Kopfhörer überhaupt nicht.«
Individuelle Lautstärke
Jedes Exemplar hat einen eigenen Lautstärkeregler. »Die Kopfhörer haben drei Kanäle, zum Beispiel für drei DJs in der Disco. Durch eine farbige LED kann jeder leicht erkennen, ob der richtige Kanal eingestellt ist − wir können den Leuten sagen, dass er rot leuchten muss, und die LED rechts sein muss, damit der Kopfhörer richtig herum sitzt. Das war auch ein Feedback vom Testkonzert, was wir vorher gar nicht als wichtig empfunden hatten: dass die Leute die Lautstärke selbst bestimmen können.« Der »stille« Kopfhörerrahmen irritiere indes auch die Zuhörer: »Wir haben gemerkt, dass sich das Publikum teilweise nicht traut, richtig zu klatschen. Daher schaut die Ein-Mann-Vorgruppe, dass Stimmung entsteht und laut geklatscht wird, um die Leute daran zu gewöhnen.« Der Einsatz? »Die Entfernung war bislang unproblematisch, die Zuschauer konnten auf die Toilette oder raus gehen, ohne den Kopfhörer abzusetzen. Die beiden AAA-Batterien halten laut Verleiher sechs bis acht Stunden, ein Status-Test zeigt, ob sie noch brauchbar sind.« Bislang seien nur wenige im Betrieb ausgefallen. Sie verwenden Einweg-Batterien, was aus Umweltgründen eine Katastrophe sei, wie er einräumt, tauschen die Batterien alle zwei bis drei Tage. »Es wäre ein logistisches Problem, über Nacht 300 Batterien zu laden. Wir bräuchten dafür einen zusätzlichen Techniker. Es gibt auch Kopfhörermodelle mit eigener Ladestation − das hat aber nicht ins Budget gepasst.« Das Signal wird auf dem sogenannten ISM-Band (863−865 MHz) gesendet. »Das war zunächst problematisch, weil die Band auch einen In-ear-Sender in diesem Bereich nutzt. Dort bekommt man nur drei Strecken unter, und wir wollen vermeiden, dass das Publikum einen schlechten Empfang hat. Deswegen müssen die meisten Musiker jetzt kabelgebunden spielen.«
Virtueller 3-D-Raum
Die 3D-Technik stammt von der Firma Klang Technologies, zur Umsetzung dient eine Klangfabrik-Prozessor-Einheit sowie die zugehörige App. Als Pult verwendet Tobias Raunigk ein Allen & Heath GLG80. Der Grund: »Wir benötigen Dante-Netzwerkfähigkeit, um die Klangfabrik zu beschicken, und ich brauche MIDI-Fader, um die Klangfabrik über das Pult fernzusteuern. Normalerweise geschieht das per Notebook oder iPad, aber im Workflow ist es für mich besser, den Zugriff am Pult zu haben. Für alle Kanäle, die zur 3D-Positionierung auf die Klangfabrik geschickt werden, muss die Bearbeitung − Equalizer, Gates, Kompressoren und Hall − vorher stattfinden. Auf der Klangfabrik wird alles nur im virtuellen 3D-Panorama verteilt und summiert, dazu kann man die Lautstärken einstellen. Das mache ich mit den MIDI-Fadern. In der Klangfabrik möchte ich Kick, Snare, Toms und Overheads als Einzelsignale positionieren. Es wäre schön, das Ergebnis in einer Gruppe zu komprimieren, aber das geht logistisch nicht. Auf Post-Fader-Effekte muss ich ebenfalls verzichten.« Subgruppen und Post-Fader-Effekte wären lediglich über eine zusätzliche Klangfabrik-Einheit mit weiteren Ausgangskanälen konfigurierbar. Durch das Fehlen von Post-Fader-Effekten lässt sich beispielsweise kein Hall im Bezug auf die 3D-Panorama-Gestaltung generieren. »Ich verwende separaten Hall und Delay für den Hauptgesang, dazu jeweils eigenen Hall für die Backing-Vocals und die Instrumente. Die Stereo-Effektsignale kann ich in der 3D-Matrix so positionieren, dass es zueinander passt.«
Die interne Konfiguration? Sie verwenden ein 19-Zoll-KlangfabrikModell, konfiguriert für sechs User − die Gesamtsumme sowie den Monitor-Sound der fünf Musiker. »Wir sind auf 32 Eingänge limitiert. Dazu gehören alle Instrumente und Gesangsmikrofone, aber auch alle Effekte, die im 3D-Bild positioniert werden müssen.« Klang Technologies verspricht binauralen 3D-Sound. Wie bei bisherigen binauralen Verfahren funktioniert die Illusion prinzipbedingt nur per Kopfhörer. Der Hersteller stellt den Unterschied zwischen stereo und dem eigenen 3D-Algorithmus für In-ear-Monitoring in einem Demo-Video vor, das Ergebnis lässt sich mit Kopfhörer nachvollziehen (www.klang.com/de/demo). Die Räumlichkeit wirkt beeindruckend, gleichzeitig verschieben sich durch den Algorithmus Frequenzspektren − eine Hi-Hat wirkt auffällig präsent. Raunigk: »Das Problem hatte ich mit der Snare. Die lag bisher immer in der Mitte − sozusagen ›auf dem Kopf des Hörers‹. Gestern hatte ich sie testweise leicht nach vorne rechts gelegt, und das Ergebnis klang viel besser und setzte sich im Mix besser durch.« Das Konzept verlange Anpassung. »Was die Klangfabrik angeht: Wenn ich mehr Höhen will, schiebe ich das Signal im Panorama nach oben und umgekehrt. Die Unterschiede, die sich durch den Wechsel auf den 3D-Prozessor ergeben, kann ich dadurch teilweise kompensieren.«
Subwoofer zum »rütteln«
Parallel zu den Kopfhörern lassen sie Subwoofer mitlaufen, »damit man die Tiefen spürt, aber nur so laut wie nötig, weil es im Club leise sein soll.« Sie haben zwei aktive HK Audio Actor-15-Zoll-Subs im Gepäck. Aufgrund der engen Platzverhältnisse verwenden sie im Club spontan den vorhandenen Subwoofer. Raunigk trennt das Signal übers Pult mit einem High-Cut bei 80 Hz. »Die Trennfrequenz ist jeden Tag anders. Ich höre mir kurz an, was der Subwoofer schafft, und stelle den EQ passend für den Raum ein. In kleinen Clubs wie hier funktioniert das gut, bei größeren Läden können Laufzeitunterschiede entstehen.«
Konzert
Rund 100 Leute sind am Abend gekommen, der Laden ist mit den Sitzgelegenheiten gerammelt voll. Raunigk bittet das Publikum, die Smartphones in den Flugmodus zu schalten, um Einstreuungen zu vermeiden. Adulescens setzten größtenteils auf 3-Minuten-Songs – kurze, sphärische Indie-Rock-Nummern in Richtung früherer Coldplay-Songs, mit Gitarren- und Synthesizer-Effektsounds sowie Disco-Rhythmen. Über die Kopfhörer entsteht der Eindruck einer großen effektgeladenen Produktion. Die Bassdrum-Samples sind im Mix sehr laut wahrnehmbar, generell überzeugen die digitalen Klänge in ihrer ausladend »produzierten« Ästhetik, lediglich bei schnellen Ride-Patterns auf den »Ersatz-Becken« klingt das Ergebnis deutlich nach »Konserve«. Die 3D-Effekte? Besonders atmosphärisch wirken gelegentliche Panoramafahrten des Gesangshalls sowie die »Außer-Stereo-Positionierung« der Background-Vocals und Synth-Flächen. Die »erweiterte« Anordnung der Hall- und Delay-Fahnen vermittelt ein sortiertes, differenziertes Klangbild. »Echte« 3D-Illusion tritt allerdings selten auf, das Ergebnis vermittelt eher ein erweitertes Stereobild statt natürlicher Räumlichkeit. Und ohne Kopfhörer? In der Stille macht sich ein maschinell summender Geräuschteppich der Technik bemerkbar, die Bassdrum vermittelt die lautesten »Nebengeräusche«. Die Subwoofer-Signale klingen wie Bassanteile einer Musik, die aus einer Nachbarwohnung übertragen wird.
Grundsätzlich funktioniert die abgeschlossene Intimität der Kopfhörer-Performance gut, lediglich laute Gesangspassagen stechen heraus, nicht zuletzt wegen der deutlichen akustischen Lautstärke im Raum. Zurück zum Kopfhörerklang und dem Summen-EQ am Abend. Der sehe »wild« aus, meint Raunigk, er habe das Frequenzband bei 1 kHz stark und bei 2,5 kHz leicht rausgezogen. Mit einem guten Kopfhörer klänge es ohne Korrektur »traumhaft«. Manche Nerds hatten auch hochwertige Ohrstöpsel dabei, haben sie eingestöpselt. Die hatten allerdings den Summen-EQ drauf. Sie überlegen, künftig mit einem größeren System zu arbeiten, um auch eine separate Summe ohne EQ anbieten zu können. Das bisherige Fazit? »Für uns hat das Konzept Zukunft, im Hinblick auf den ›großen‹ Sound, den die Band macht und möchte. Dafür brauchen wir eine große Bühne oder Kopfhörer. Mit dem Kopfhörer entsteht bei den Hörern ein Tunnelblick: Man sieht, dass die Leute die Augen zumachen und in der Musik versinken. In unseren Augen verstärkt das den Effekt, den die Musik hat − eintauchen, abtauchen, alles um sich herum vergessen.« Der Musikstil sei allerdings entscheidend, ob sich das Konzept lohne und sich der »einhüllende« Effekt einstelle. Während des Konzerts wird gesammelt, um den freien Eintritt zu kompensieren und als »Beihilfe« für die Band, um die Unkosten abzumildern. Das Publikum scheint zufrieden. Smartphones tauchen indes nur selten auf. »Bei jedem Konzert gab es bisher einen, der komplett durchgefilmt hat«, erläutert Bassist Maximilian Wallner am Abend. Das bringt für den Klang natürlich wenig, denn ohne Kopfhörer ist der Sound eher »geht so …«