Viele Köche versüßen den Brei. Erfolgs-Rapper Sido setzte deshalb beim aktuellen Album VI wieder auf sein angestammtes Produzenten-Team. Wir diskutieren mit dem sympathischen Berliner Trio die Freuden und Nöte der kreativen Teamarbeit und lassen uns vom Vintage-Wahn im modernen DAW-Studio mitreißen, dessen Herzstück Pro Tools und ein Avid S3-Controller bilden …
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Das Numarek Studio: Ein gut ausgebautes Pro Tools HDX-System mit S3-Controller trifft auf reichlich Outboard-Equipment und diverse Synthesizer-Klassiker der vergangenen 40 Jahre. Neben dem Regieraum befinden sich ein großer Aufnahmeraum und eine Gesangskabine.
Sidos aktuelles Album VI schlägt im vergangenen September ein wie eine Bombe: Gold in Rekordzeit, die erste Single-Auskopplung Astronaut landet sofort auf Platz 1 der deutschen Charts und erreicht Platinstatus. Der abermals gestiegene Erfolg des wortgewaltigen und nicht unumstrittenen Berliner Rappers ist phänomenal und sicher nicht nur seinen Entertainer-Qualitäten und der Abkehr vom Gangster-Image zu verdanken. Sidos Vokalkünste werden von einem perfekt produzierten Sound getragen, der keinen Vergleich mit internationalen Größen zu scheuen braucht.
Hinter diesem Sound steht zum großen Teil ein dreiköpfiges und bestens eingespieltes Produzententeam, welches schon seit frühen Aggro-Berlin-Tagen die bisweilen derben, manchmal ironisch-humorigen Vokal-Attacken des Superstars musikalisch kongenial unterstützt. Wir treffen das Trio in seinem Studio in Berlin Kreuzberg.
IM TEAM — VERTRAUEN STATT EGO
Drei kreative Egos am Pult − wie funktioniert das?
Marek Pompetzki: Wir sind sehr diszipliniert. Wir treffen uns alle jeden Morgen im Studio, schalten die Geräte an und legen los. Das ist wie ein normaler Arbeitstag. Paul NZA: Arbeitet man alleine, dreht man sich wesentlich eher im Kreis. Bei uns gibt es an jedem Punkt des kreativen Prozesses sofortiges Feedback. Das kann sehr helfen, die Richtung beizubehalten.
Verteilt ihr verschiedene Aufgaben – bereiche untereinander? Marek: Jeder hat zwar sein Spezialgebiet − bei Paul ist es das Drum-Programming und Synthesizer, bei Cecil Klavier und Orchester Arrangements, und ich habe die Gitarren und den Mix. Aber grundsätzlich über – schneiden sich unsere Fähigkeiten in weiten Bereichen. Im Prinzip kann jeder nahezu alles machen. Cecil Remmler: Wir kennen uns schon sehr lange. Marek und Paul arbeiten seit über zehn Jahren zusammen, ich bin seit fünf Jahren dabei. Marek: Wir sind zudem immer offen für Experimente − etwa mit neuem Equipment und den daraus resultierenden neuen Workflows, Außerdem machen wir ja auch noch andere Sachen, etwa Musik für Werbeclips. Die Vielseitigkeit hilft dabei, über Jahre hinaus produktiv im Team zu arbeiten.
Welche Vorgaben macht Sido? Paul: Sido sagt in groben Zügen den Vibe an − in welche Richtung er musikalisch und inhaltlich gehen will. Detaillierte Vorgaben macht er kaum. Dank unserer langen Zusammenarbeit weiß er, was er von uns erwarten darf und bekommen kann.
BEATS BAUEN, ANHÖREN, AUSSUCHEN
Wie gestaltet sich euer Workflow? Paul: Wir bauen erst mal so 20 bis 30 Beats − also nicht nur Drums, sondern komplette Instrumentals. Dabei haben wir die Vorgaben im Blick, toben uns aber in allen Richtungen aus. Marek: Oft basteln zwei von uns am Beat, während der dritte zuhört, das Ergebnis direkt kommentiert und damit auch daran mitwirkt. Wir machen fast alles zusammen. Beim Drum-Programming hat Paul sicher einen Schwerpunkt. Er nimmt auch mal Stems mit nach Hause und schraubt mithilfe seines Modularsystems daran herum. Am nächsten Tag geht es dann gemeinsam weiter. Toll wäre es, Pauls Modular- und Vintage-Synthesizer direkt in das Studio zu integrieren. Wir brauchen echt mehr Platz …
Welche Sound- und Sample-Quellen nutzt ihr?
Paul: Hauptsächlich eigene Sounds. Die haben sich über Jahre hinweg angesammelt. Wir nutzen N.I. Maschine und Arturia Beatstep Pro zum Programmieren, diverse analoge Synthesizer, außerdem Gitarren und Bässe sowie N.I. Kontakt mit einer großen, eigenen Sound-Library. Hin und wieder ergänzen wir die programmierten Patterns mit akustischen, live eingespielten Drums. Für Strings nutzen wir die Libraries von Spitfire Audio. Marek: Wir nehmen die Sachen gleich so auf, dass sie final verwendbar sind und für den Mix genügend klangliche Bearbeitungsoptionen lassen − also mit zahlreichen Mikros und einer entsprechenden Spurenzahl.
Wann kommt Sido wieder ins Spiel?
Cecil: Wenn wir unsere Beats am Start haben, kommt Sido dazu. Wir hören uns dann die Sachen gemeinsam an und wählen aus. Er ist sehr offen für unsere Ideen und Vorschläge
In wieweit sind Änderungen an den Demos erforderlich?
Hier und da ergänzen wir noch ein paar Dinge, wie etwa Flächen oder Effekte aus unseren Analog-Synths. Die ausgesuchten Demos schaffen es meist ohne größere Veränderungen auf das Album. Natürlich schmeißen wir bei Bedarf alles um, aber das passiert sehr selten. Paul: Gegebenenfalls werden auch mal die Drums ausgetauscht, so passiert etwa beim Song Zu Straße. Marek: Wenn Sido an seinen Alben arbeitet, fehlt ihm in Berlin oft die nötige Ruhe. Wir sind deshalb bei 30-11-80 nach Griechenland ins Black Rock Studio und für die Aufnahmen von VI nach Thailand ins Karma-Studio gereist (www.karmasoundstudios.com). Für uns ist das natürlich nicht unwillkommen. Die finale Produktion passiert aber wieder im eigenen Studio.
Welches Equipment hattet ihr im Gepäck?
Auf jeden Fall Sidos Lieblings-Mikro, das Sony C-800G. Das ist immer dabei. Außerdem Laptops, iLoks und Festplatten.
Avid S3 Pro Tools Controller: Marek Pompetzki schwört auf seinen Avid S3-Controller. Er steuert damit das umfangreiche Pro Tools HDX-System des Numarek Studios.
Marek: »Dank der programmierbaren Softkeys kann man alle Bedienelemente optimal ausnutzen. Vor allem zusammen mit der Control-Software für das iPad ist die Navigation auch in großen Sessions kein Problem. Mix-Groups sowie alle Parameter von Kanalzügen und Plug-ins sind schnell erreichbar. Zudem überzeugen die Qualität der Fader und die kompakte Größe.«
PRO TOOLS VS. OUTBOARD
Der Mix erfolgte dann wieder im heimischen Studio?
Richtig, man kennt die Räume und das Equipment. Beim Mix liegt viel Arbeit in der Vorbereitung: Spuren sinnvoll sortieren, Busse anlegen, Outboard patchen. Meist lege ich Drums und Bässe auf drei parallele Busse: Einer bleibt trocken, einer läuft über den Chandler Zener Limiter − der arbeitet die Transienten sehr gut heraus −, und der dritte läuft über den ADR Compex − er erzeugt diese typische »Led Zeppelin-Größe«. Mit diesen drei Fadern kann ich den Drum-Sound dann sehr genau steuern. Das Neve-Pult hängt oft als Summierer dahinter.
Wie sieht eine Pro-Tools-Session aus?
Als Erstes die Drums und die Bässe, dann folgen Keyboards, Klavier, die Gitarren und die Strings. Letztere werden gerne mit dem Neve 2254E-Compressor/Limiter nachbearbeitet. Es folgen weiter die Effekt-Sounds, der Master-Bus mit SSL Compressor und Chandler Curve Bender EQ und schließlich die Effekt-Returns sowie die Vocal-Tracks.
Astronaut war nicht so typisch und vergleichsweise umfangreich: Da gab es u. a. 24 Drum-Spuren, darunter allein 16 mit Marching-Drums und Snares. Glücklicherweise habe ich mittlerweile den Avid S3-Controller. Der lässt sich sehr bequem und flexibel belegen und kommt damit meiner Arbeitsweise sehr entgegen. Wenn die Vorarbeiten stehen, ist der eigentliche Mix meist an einem Tag zu schaffen.
Wo wurde das Album gemastert?
Bei Tom Coyne, Sterling Sound in New York.