THX trifft Vintage-Schätzchen

Studioszene Österreich − Prime Studios

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Das Prime Studio startete als hochmodernes THX-Studio für Film und Werbung. Doch seine Betreiber lieben ultra-rares Studioequipment — und bauten das Innsbrucker Studio zum Vintage-Geheimtipp aus. Wo sonst kann man an einer der legendären Abbey-Road-Konsolen sitzen, an denen Pink Floyd Dark Side Of The Moon aufnahmen?

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Es gibt Instrumente, die passen immer. Fender Rhodes, Stratocaster oder Minimoog sind das musikalische Äquivalent zum „Kleinen Schwarzen“ − ihr Klang prägte die Hörgewohnheiten mehrerer Generationen. Dasselbe gilt für altes analoges Equipment, das − sofern kompetent gehandhabt − jede Produktion zum Glänzen bringt. Diesen Glanz kann man buchen. Dazu fährt man Richtung Innsbruck und verlässt die Autobahn an der Ausfahrt „Hall Mitte“ (sollte sich jeder Musiker merken können). Nach ein wenig Gekurve steht man vor dem Prime Studio − ein unauffälliger Komplex, der aus der ländlichen Nachbarschaft kaum heraussticht und der Musikern, die Wert auf Privatsphäre legen, einen gewissen Schutz und Anonymität liefert. Überhaupt gibt es optionalen Komfort, den Musiker schätzen, die prominent im Geschäft sind: An- und Abreisetransfer, Hotelreservierungen, Catering, und sogar Privatjet-Service oder Personenschutz kann man bei den Prime Studios hinzubuchen. Nur einen Fußweg entfernt wartet das eigene Gästehaus.

Gute, ergonomische Sessel, angenehme Lounges und vor allem Ruhe, Ruhe, Ruhe gehören zu den Dingen, die man im Studio schätzt, wenn man kreativ und konzentriert arbeitet. Gerhard Buchbauer und Björn Heitzer betreiben gemeinsam das Prime Studio. Geschäftsführer Gerhard hat sich einen Traum verwirklicht: ein digitales THX-Studio und drei Studios voller feinster analoger Equipment-Schmankerl. Die Gear-Liste liest sich wie aus einem Recording-Museum − nur dass die von Vintage King gewarteten Geräte eben auch bespielt werden. Aufnahmeräume gibt es drei. Im größten, der viel Tageslicht bietet, lassen sich problemlos acht Musiker aufnehmen − bei Bedarf auch mehr. „Wir haben hier schon Blaskapellen und komplette Produktionen gefahren, bei denen wir bis auf Vocals und Akustikgitarre alles in diesem Raum postiert haben.“ Alle drei Aufnahmeräume lassen sich koppeln, sodass sich eine Band komplett separieren lässt − die Musiker sehen sich via Video-Screen.

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Respekt bitte: Das Studio-Sahneschnittchen EMI TG12345 MK IV stammt aus den Abbey Road Studios. Nur zwei der legendären Konsolen wurden in dieser Form gebaut — die andere steht auf Malta in Privatbesitz

Film wird nix ohne THX

Doch beginnen wir im „Prime Studio A“, das mit seiner THX-Zertifizierung auf Film- und Werbeproduktionen ausgelegt ist. Der Workflow ist komplett digital. Avid Pro Tools HDX, Avid Media Composer Systeme und Avid System-5-MC-32-Fader-Controller machen komplexe Produktionen dank Total-Recall recht entspannt. Die Taktung aller Studios übernimmt eine atomzeitbetriebene Antelope Isochron 10M-Rubidium-Clock, die vom CD-Standard 44,1 kHz bis zu 384 kHz tickt. Die Aufnahmen werden auf schnelle SSD-Medien gespeichert. Für Film-Post-Production steht auch ein DaVinci Color-Grading-System zur Verfügung. Ursprünglich war das Prime Studio digital ausgelegt, „… doch dann haben wir die Verkabelung rausgehauen und komplett analog verkabelt, damit wir möglichst flexibel sind“, erklärt Björn Heitzer, Toningenieur des Prime Studios. Als Abhöre kommt in Studio A eine EAW 7.1-THX-Anlage zum Einsatz, als Midfield die ATC SCM 25 A Pro sowie die unvermeidlichen NS-10. „Wenn es darauf klingt, passt es mit hoher Wahrscheinlichkeit überall.“ Auf Wunsch lassen sich kurzfristig auch andere Lautsprechersysteme anbinden.

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Dinge, die mal eben so rumstehen: eine der zahlreichen Studer-Bandmaschinen

Lauter rare Vintage-Schätzchen Auf Outboard-Geräte lässt sich von jeder Regie aus zugreifen. Wie auf die Focusrite ISA-110-Preamps, die früher in einer Focus – rite Forte-Konsole der legendären Metropolis-Studios zum Einsatz kamen. Sie waren ursprünglich in der teuersten Konsole der Welt verbaut − 72 Kanäle kosteten damals hunderttausende Dollar. „Der Stromverbrauch dieser Konsolen lag in etwa bei dem einer mittleren Kleinstadt“, erklärt Gerhard scherzhaft. 24 dieser Schätzchen stehen in den Prime Studios zum Einsatz bereit. Überhaupt bekommen Vintage-Fans beim Betrachten der Outboards einen erhöhten Blutdruck. Was man gemeinhin als Plugin kennt, steht hier eben im Original: Pultec Equalizer EQP-1 und Mid-Range MEQ-5, Fairchild 670 Kompressor, Dolbys Model 361, GML Nova Series-7000-Preamps, eine ganze Batterie alter Neumann-Mikrofone oder die Hallklassiker EMT 250, EMT 140, EMT 245 … Seien wir ehrlich: Manche Studiobesitzer würden für eine derartige Vintage-Batterie töten. „Klar, alle Geräte, die wir hier haben, gibt’s auch als Plug-ins … Aber was denen fehlt, ist u. a. die analoge ›harmonic Distortion‹, die den Klang eben fürs menschliche Ohr angenehm macht“, erklärt Björn. Harmonisch verklärte Blicke dürfte es auch bei den Studer-Bandmaschinen geben: A827 Gold Edition, A80 Mk1 8-Track und A80 16- Track.

Legenden aufmischen

Analog-Freunde bekommen im „Studio B“ eine AMS Neve VRP-48-Legend-Mischpult oder die Neve 8016-Konsole geboten. Letztere stammt aus den legendären Caribou Ranch Studios − an den Fadern saßen schon die Beach Boys, Sir George Martin bei den Aufnahmen von America, Jeff Beck, Earth, Wind & Fire, Billy Joel, Elton John, Rod Stewart, Stephen Stills, Frank Zappa oder Chicago. Ein weiteres Highlight ist im „Studio C“ die EMI-Konsole 12345 MK IV, die früher im Abbey Road Studio 3 stand. Sie besitzt pro Kanal EQ, Kompressor und Limiter, aber insgesamt eher wenig Einstellmöglichkeiten. „Aber was man einstellen kann, klingt eben richtig gut“, findet Gerhard Buchbauer. „Diese EMI-Pulte haben den Sound der 60er, 70er und 80er geprägt. Da sie nie im Handel erhältlich waren, fungierten sie wie ein Fingerabdruck. Kein anderes Pult konnte diesen Klang erreichen.“ Für Studio C wurde in der Lautsprechermanufaktur surrounTec ein spezielles 5.1-System für Mastering entwickelt. Fazit: ein fantastisch transparentes Klangbild. „Der Frequenzbereich reicht von 5 Hz bis zu 30 kHz. „Viele meiner Referenz-CDs habe ich nach dem Hören auf diesen Boxen entsorgt“, erklärt Björn Heitzer. Bei so viel VintageSchätzchen könnte es sich für die Betreiber fast lohnen, Studiobesichtigungsgebühr für sabbernde Toningenieure zu erheben …

 

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