Für gewöhnlich braucht die Musikindustrie ein paar Wochen, um nach Weihnachten und den Feiertagen wieder etwas Fahrt aufzunehmen. Ich kann es mir noch nicht so recht erklären, aber während der Rest der Welt zurück zur Arbeit findet, wandelt das Musik-Business noch immer bis Mitte Januar etwas schlaftrunken im Pyjama umher. Vielleicht haben die Leute noch immer genug von Musik? Ich meine, wem geht es nicht so, nachdem alle Jahre wieder zig irritierende Weihnachtslieder erneut hochgewürgt wurden?
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Wie dem auch sei, während wir uns noch vom Neujahrskater erholen, saß die Music Producers Guild beisammen und hat die Kategorien für den 2022 Award zusammengetragen, der – sofern Corona-technisch möglich – im Juni in einem schicken Londoner Hotel verliehen wird.
Es hat mich gefreut zu sehen, dass sie den »Unsung Hero«-Award wieder eingeführt haben, der sich an jene richtet, die Grenzüberschreitendes geschafft haben. Studiotechniker, Assistenten, Kaffeejungs (oder -mädchen), »projektdienlich Unterstützende« und alle anderen in der Musikproduktion Involvierten, die unermüdlich hinter den Kulissen arbeiten und trotzdem öffentliche Aufmerksamkeit verdienen. (Ich frage mich gerade, ob das womöglich auch die Drogendealer einschließt …)
Und warum nicht? Das ist eine sehr wichtige Kategorie. Natürlich meine ich nicht die Drogendealer, sondern die Hunderte, vielleicht Tausende, von denen wir nie etwas mitbekommen und die nun vielleicht auch mal im Rampenlicht einen Erfolg genießen können.
Ich kann mir gut vorstellen, dass auch einige meiner Zeitgenossen aus den 80ern einen solchen Preis abgegriffen hätten, wenn es ihn damals gegeben hätte. Depeche-Mode- und U2-Produzent Flood hätte ganz sicher einen verdient. Es ist allgemeiner Konsens, dass er sich damit einen Namen gemacht hat, da er für seine Kunden so viel Tee gekocht hat, dass er fast selbst darin ertrunken wäre!
Vielleicht wäre sogar ich selbst Anwärter auf den Preis gewesen. Eine Session nach der anderen habe ich das Tageslicht manchmal tagelang nicht gesehen – fast so, als hätte ich in einem U-Boot gearbeitet! Ich schlief sogar in einer kleinen Nische im Control-Room hinter einer Bandmaschine, wo ich versuchte, zwischen den Sessions für ein paar Stunden etwas Ruhe zu finden. Eine andere neue Kategorie ist »Vocal Producer of the Year«. Interessant …
»Was treibst du in deinem Leben?«
»Oh, ich bin Vocal-Producer.«
Im Ernst!?
Selbstverständlich ist es ein entscheidender Teil des Producing-Prozesses, der allein finanziell extrem wichtig ist, aber als Musikproduzent bin ich doch etwas verunsichert. Würde in der Mitte einer meiner Produktionen jemand von der Plattenfirma reinkommen und vorschlagen, doch noch einen Vocal-Producer anzuheuern, wäre ich schon ziemlich beleidigt.
Du meinst also, ich kann Drums, Keys und Gitarren produzieren, aber keine Vocals? Was kommt als Nächstes? Brauchen wir noch jemanden, der ein Tambourine produziert? Moment mal, ich kenn da jemanden …
Meiner Meinung nach sollte man entweder das ganze Ding produzieren, oder man lässt es.