In der Ausgabe 10.218 habe ich geschrieben, dass ich ein paar Songs für eine bekannte französische Band mische. Jetzt kann ich verraten, dass es sich um die Band Trisomie 21 handelte, die in den 80er- und 90er-Jahren mit ihrem intensiven und dunklen Pop-Punk und New Wave großen Einfluss hatte.
Es ist ein einzigartiges Mixprojekt, das von Manager und Labelbesitzer Oliver Lechevestrier konzipiert wurde. Ich bin nicht der einzige Mixing Engineer, es sind insgesamt acht »Dinosaurier« und 80er-Jahre-Produzenten involviert. Die Aufgabe war es, einen Song aus dem T21-Album Elegance Never Dies von 2017 auszuwählen, neu zu erfinden und neu zu mischen. Das Ergebnis ist ein herrlicher Schmelztopf aus vielen verschiedenen musikalischen Welten, da jeder Engineer dem Projekt seinen eigenen charakteristischen Sound und »Audio-Stempel« aufgedrückt hat − ein bisschen Tears For Fears hier und ein bisschen Simple Minds da, Nachhall von Placebo, The Rolling Stones, Killing Joke … alle Einflüsse sind in irgendeiner Form zu hören. Interessant, obwohl es unbeabsichtigt war, ist, dass das Album eine gewisse Kontinuität und einen durchgängigen Sound hat, als wäre es von einem einzigen Engineer im selben Studio gemischt worden. Und in gewisser Weise … war es auch so! »Ladies and Gentlemen, welcome to the world of mastering!« − dem letzten und immer wichtiger werdenden Schritt in der Produktionskette. Barry Grint von Alchemy Mastering in London stellte das Album von T21 für Vinyl zusammen. Er erklärte mir, dass in Projekten, wo Daten aus vielen verschiedenen Quellen geliefert werden, die Bindung einfach dadurch entsteht, dass sie im selben Raum gemastert werden. »Alle Tracks laufen über dasselbe Pult und werden über dieselben Monitore abgehört!« Ein System, das Barry offensichtlich gut kennt und dem er vertrauen kann.
Da er sich stark auf eine dynamische EQ-Bearbeitung verlässt, ist er froh, die Möglichkeit zu haben, das Stereobild zu beeinflussen und anzupassen (er war sehr darauf bedacht, keine Geheimnisse zu verraten). Nur in der Mastering-Regie ist es möglich, einen klaren, unvoreingenommenen und objektiven Eindruck vom Gesamtklang und der Balance zwischen jeder Mischung zu bekommen sowie wichtige und finale Anpassungen vorzunehmen.
Meiner Meinung nach war es immer das Hauptziel von Mastering, ein einheitliches Frequenzbild und einen scheinbar durchgängigen Pegel von mehreren Songs aus einem Paket zu erzielen. Wen interessiert es? Heutzutage wird Musik oft »gemischt« gehört. Alben werden selten von Anfang bis Ende abgespielt, und einzelne Titel werden zu einer unendlichen Playlist hinzugefügt. Um ehrlich zu sein: Mich interessiert es! Und ich denke, dass es viele Musikkenner gibt, die es ebenfalls interessiert und die sich gerne ganze Alben und einen kompletten Gig anhören.
Den Künstler interessiert es offensichtlich auch! Das Mastering hilft, ein Album förmlich zusammenzukleben, und bringt uns eine kohärentere und flüssigere Version von rohen Mischungen. Wie machen die Mastering-Magier das?
Kai Blankenberg (Skyline Tonfabrik, Düsseldorf) erzählt mir, dass er im Mastering-Prozess damit beginnt, den für ihn am besten klingenden Mix auszuwählen und danach versucht, alle anderen genauso gut klingen zu lassen. Seine Favoriten unter den analogen EQs sind der Neve 1073 oder der Manley Massive Passive. Aus der digitalen Domäne nutzt er den dynamischen EQ von Brainworks, um »Sachen zu reparieren und die Tiefen auszuheben«. Es hat erstaunlich gut beim Remastering des Udo-Lindenberg-Katalogs funktioniert.
Ich habe mit Kai an einer Reihe von Projekten gearbeitet, und eine seiner Methoden ist es, einen Mix zu zerlegen, indem er erst einmal alle unangenehmen digitalen »Frequenzen« zieht und ihn dann wieder mit wärmeren und weicheren analogen »Frequenzen« aufbaut. Dieser Vorgang funktioniert sehr gut, wenn man ein Album aus vielen unterschiedlich klingenden Mixes erstellt. Finde einen gemeinsamen EQ zwischen jedem Mix! Wenn er gut ist: booste ihn! Wenn nicht: Nimm ihn raus!
Natürlich wird das Mastering auf diese Weise durch jeden weiteren Producer und Engineer, der an einem einzelnen Projekt arbeitet, exponentiell komplizierter. Im Fall von T21 waren es ja acht! Das U2-Album Songs of Experience zählt neun Produzenten und 15 Engineers unter den Credits. Ich kann mir vorstellen, dass die Rechnung für das Mastering sehr beeindruckend war. Leider scheint es heutzutage der beliebteste Weg zu sein, das »Leben« der Musik zu limitieren und sie so laut wie möglich zu machen, um ein zusammenhaltendes Endergebnis zu bekommen. Es scheint, als wäre Lautstärke alles. Ist es aber nicht! Es ist ein ständiger Kampf, einen technisch gut klingenden Master zu präsentieren, der die Emotionen und den Dynamikumfang der originalen Aufnahme behält und mit der Lautstärke von allem anderen auf dem Markt konkurriert.
(Bild: Copyright: Leandro Manuel Emede / SUGARKANE productions)
Claudio Giussani (Energy Mastering, Mailand) glaubt, dass jede Musikrichtung ihre eigene Sprache hat: »Wenn du ein Jazz-Album masterst, behältst du offensichtlich einen großen Dynamikumfang, aber wenn du an einem Trap-Song arbeitest, brauchst du einen sehr geringen Dynamikumfang und einen sehr lauten Level!« Claudios analoge Signalkette umfasst einen Shadow Hills Mastering Compressor und seinen Lieblings-EQ, den Sontec 432. Er betont auch, wie wichtig es ist, hochwertige D/A- und A/D-Wandler zu verwenden, wobei behauptet wird, dass die von Lavry Gold immer noch die besten sind. Er weist aber auch darauf hin, dass es genauso wichtig ist zu verstehen, wie der Konsument die Musik hört. Die meisten Trap-Fans zum Beispiel hören über Bluetooth-Boxen, die bei Material mit geringem Dynamikumfang auch gut funktionieren. Auf der anderen Seite hingegen erkennt ein qualitatives Hi-Fi-System, wenn ein Mix mehr Dynamikumfang besitzt und reproduziert diesen genauer. Zum Glück erkennen die Top-Mastering-Engineers die Bedeutung, den Charakter und die Individualität des Sounds von jedem Artists zu behalten, und gehen nicht den Weg »lauter ist besser!«.
Frank Arkright (Abbey Road Mastering, London) ist ebenfalls Manley-, aber auch Avalon-EQ-Fan. Er ist einer der »musikalischsten« Mastering-Engineers, mit denen ich gearbeitet habe und besitzt jahrzehntelange Erfahrung in allen Musikrichtungen. Eine seiner prestigeträchtigsten Aufgaben war das Mastering von Candle In The Wind (welches in Goodbye England’s Rose als Tribut für Diana, der Prinzessin von Wales, umbenannt wurde), das George Martin produziert hat und eine der meist verkaufen Singles ist (33 Millionen!). Frank sagt: »Ich setze auf Lautstärke mit Dynamikumfang! Der Musikstil bestimmt normalerweise die Priorität.« Guter Rat!
Jeder Engineer hat seinen eigenen Stil und seinen eigenen Werkzeugkoffer. Was die Spreu vom Weizen trennt, ist, dass sie zuerst die Musik hören und dann instinktiv wissen, was zu tun ist und welche Tools sie nutzen. Ein guter Mastering-Job ist getan, wenn alle Songs auf einem Album zusammengehörend nach einem gemeinsamen Wiedergabe-Erlebnis klingen.
Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, es zu vermeiden, Prozesse zu kopieren, und damit viele Künstler unabhängig von ihrem Musikstil gleich klingen zu lassen. Musik, Klangfarbe, Sound und Kreativität sind so wichtig! Wie langweilig wäre es, wenn alles homogen und standardisiert wäre?