Zu Besuch bei Universal Audio Inc. in Scotts Valley, Kalifornien
von Marc Bohn, Artikel aus dem Archiv
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Universal Audio ist für mich eine Marke, hinter der sehr viel Geschichte und Qualität steckt. In meinen Kopf hat sich mit der Zeit das Bild eines großen und unnahbaren Herstellers eingebrannt, mit Entwicklern und Büros auf der ganzen Welt. Das Marketing-Team ist tatsächlich über den Globus verstreut, und die Produktion findet zum größten Teil in China statt. Aber die Zentrale, in der die Entwickler, das Marketing und Co sitzen, befindet sich in einem kleinen Gewerbegebiet in Scotts Valley, Kalifornien, nur 10 Minuten vom Skater- und Surferparadies Santa Cruz entfernt, idyllisch gelegen am Rande eines Rosewoods State Parks.
Das Unternehmen wurde zwar erst 1999 neu gegründet, aber dennoch schwingt hier der historische Charme aus den 50ern und 60ern mit, als Gründungsvater Bill Putnam Universal Audio und viele analoge Studioklassiker ins Leben rief. So hängt im Foyer auch ein Bild von Bill Putnam zusammen mit Nat King Cole, das an diese Zeit erinnert. Am Empfang sitzt Maria, sie begrüßt uns freundlich mit einem »Guten Tag« und erzählt uns, dass ihr Bruder deutsch spricht und lange Zeit in Deutschland gelebt hat. Gleich darauf kommt zufällig Bill Putnam Jr. ins Foyer, begrüßt uns mit Handschlag und verschwindet wieder hinter einer Tür. Mit dem Wissen, dass der Vater dieses Mannes Universal Audio gegründet hat, schnappen wir unsere Besucherausweise, Maria wünscht uns viel Spaß, und schon geht’s los! Wir werden von Christian Stahl, dem MarketingManager für Europa, durch das Gebäude geführt.
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Sympathische Spezialisten
Wir beginnen im ersten Stock, wo sich ein typisch amerikanisches Großraumbüro mit grauen Trennwänden befindet. In jeder Ecke steht irgendwo Hardware herum, teils wirklich legendäre Schätzchen. Hier arbeiten also Produkt-Manager, Entwickler und das Marketing an den UA-Produkten? Zugegeben, die Räumlichkeiten wirken zuerst etwas trist, es gibt allerdings sehr nette Chill-Out-Areas im 70er-Jahre-Stil, eine Tischtennisplatte und einen Raum zum Musikhören mit sehr viel schwarzem Gold − Vinyl ist hip! Und die Mitarbeiter? Alle sehr nett und sympathisch. Aufgeschlossen werden uns Fragen gestellt, und ich fühle mich wie in einer verkehrten Welt.
Tech Talk
Wir treffen zuerst auf Scott Greiner, den Produkt-Manager der Apollo Interface-Serie, der mir meine ersten Fragen beantwortet.
Scott, kannst du uns die einzelnen Schritte beschreiben, die ihr während einer Produktentwicklung durchlauft?
Wir haben für uns eine Arbeitsweise entwickelt, die bereits beim User beginnt. Wir sammeln sehr viele Daten und Feedback von unseren Kunden, um im Detail herauszufinden, was sie in ihren Studios machen und wie sie mit unseren Produkten arbeiten. Wir sammeln aber auch Informationen von denen, die unsere Produkte nicht nutzen. Wir wollen wissen, wie ihre Workflows aussehen, wo sie ihre Schwerpunkte setzen und wie wir ihren Workflow verbessern können. Wenn wir aus den vielen Daten sehen, dass es irgendwo einen Punkt gibt, mit dem viele ein Problem haben, versuchen wir, dafür eine Lösung zu finden und konzentrieren uns darauf!
Wenn ihr eine Idee habt, wie geht es dann weiter?
Zuerst schauen wir uns unsere Daten über den Markt an, um zu sehen, was sich verkauft und was nicht, und versuchen herauszufinden, wohin der Markt sich bewegt. Wir wollen natürlich sichergehen, dass die Produkte, die wir entwickeln, auch auf dem Markt laufen. Wenn es dann eine konkrete Produktidee und ein Anforderungsprofil gibt, setzen wir uns mit unseren Ingenieuren zusammen, um zu prüfen, ob es überhaupt umsetzbar ist und ob es die Technologien dazu gibt. Dann schauen wir auf die Entwicklungskosten und darauf, dass der Preis für den Kunden am Ende akzeptabel ist.
Worauf setzt ihr während der Entwicklung euren Fokus?
Wir wollen immer das bestklingende Produkt herstellen, das wir können. Das bedeutet oft, dass es die besten Spezifikationen besitzt. Es gibt allerdings Bereiche, wo das Feintuning und das Zusammenspiel zwischen einzelnen Bauteilen für einen guten Klang wichtiger sind als die restlichen Spezifikationen.
Das Apollo Twin hatte bereits sehr gute Wandler, dennoch habt ihr dem MK-IIModell neue Wandlerbausteine spendiert.
Immer, wenn wir ein Produkt weiterentwickeln, sehen wir nach, ob es ein Bauteil gibt, das den Klang verbessert, ohne dabei den Endpreis für den Kunden zu erhöhen. Im Falle des Apollo Twin MK II war es so, dass wir geschaut haben, welche Wandler zum gleichen Preis verfügbar sind und die den Klang verbessern. Dann haben wir einen AD-Wandler gefunden, der aus einer ähn – lichen Reihe stammt wie der, den wir zuvor verwendet haben. Aber dieser war eben besser. Damit haben wir den Dynamikumfang um 3 dB verbessern können. Das war neben dem Quad-Processing der schwierigste Part in der Umsetzung des Apollo Twin MK II. Allerdings wollen die meisten Kunden eher mehr Leistung, um mehrere UAD-Plug-ins simultan nutzen zu können. Bei Wandlern gibt es nur wenige, die den Unterschied wirklich hören.
Das Apollo Twin ist eines der beliebtesten Audio-Interfaces auf dem Markt. Wie kam es zur Idee, es so einfach wie möglich zu halten?
Das ist ein guter Punkt. Das Design basiert auf dem originalen Apollo. Wir wollten ein Interface entwickeln, das einfach zu bedienen, aber dennoch so leistungsstark ist, dass der User damit alles in seinem Studio machen kann, was er möchte. Uns war am wichtigsten, dass du in der Sekunde, in der du etwas anschließt, auch einen Sound hörst. Du musst nicht erst tausende Einstellungen in irgendwelchen Menüs vornehmen, es funktioniert einfach!
Das war unser Hauptziel, als wir mit dem Entwurf begonnen haben. Das Apollo Twin MK II teilt das Erbe und kommt im gleichen Design wie sein Vorgänger. Die Software Console 2 ist so aufgebaut, dass der User dort alle Workflows findet, mit denen er durch seine Arbeit im Studio schon vertraut ist.
Wie sieht es mit der Latenz aus?
Viele Hersteller packen dem Kunden Plug-ins mit dazu. Diese laufen aber in der DAW und nicht in der DSP des Audio-Interfaces. Das Signal läuft dort durch die DAW, den Buffer und wird dann, manchmal mit Latenz, ausgespielt. Wenn du mit vielen Plugins arbeitest, musst du die Buffer-Size im Rechner höher stellen, damit der Prozessor sie verarbeiten kann. Das erzeugt allerdings Latenz. Das Apollo ist das einzige Audio- Interface, das die Plug-ins mit einer geringen Latenz in der integrierten DSP berechnen kann, egal wie der Buffer eingestellt ist. Mit dem Apollo hast du da keine Latenz. Wenn du etwas hörst, dauert es ungefähr zwei Millisekunden, bis der Impuls am Gehirn ankommt. Studien haben gezeigt, dass wir alles, was unter zwei Millisekunden liegt, nicht als Latenz wahrnehmen. Alles, was darüber liegt, wird als Latenz empfunden. Das liegt wahrscheinlich daran, dass unser Gehirn so lange braucht, um den Impuls unserer Sinne zu empfangen.
Deshalb wurden diese zwei Millisekunden bei uns zu einer magischen Zahl. Uns ist es wichtig, dass wir mit unserer Latenz unter diesem Wert liegen. Es würde jetzt für uns keinen Sinn machen zu versuchen, sie beispielsweise auf 0,5 Millisekunden zu reduzieren.
Bist du selbst Musiker?
Ja, ich habe mit Gitarre angefangen, bin aber kein wirklich guter Gitarrist. Ich habe viel als Komponist fürs Fernsehen gearbeitet, und dazu musste ich auch Keyboard lernen, um über MIDI überhaupt Musik im Rechner mit virtuellen Instrumenten machen zu können. In den letzten 30 Jahren habe ich also viel in Studios gearbeitet, egal ob als Musiker, Komponist oder Recording-Engineer.
Hast du denn in der Zeit bereits mit Universal-Audio-Equipment gearbeitet?
Tatsächlich war ich kein Universal-Audio User. Ich habe viel mit Pro Tools HD gearbeitet und angefangen, Produkte zu entwickeln, die ich damals gebraucht habe, mir aber nicht leisten konnte. Dabei habe ich Schaltungen entwickelt, die ich auch Universal Audio vorstellte. Sie wollten meine Konzepte zwar nicht veröffentlichen, aber sie wollten mich mit an Bord haben, um dabei zu helfen, ihre Produkte zu entwickeln. Ehrlich gesagt, ich arbeite jetzt seit drei Jahren hier und bin zum absoluten Apollo-User geworden. Seitdem habe ich mein Hardware-Rack nicht mehr verwendet. Ich brauche meine Hardware nicht mehr, werde sie aber auch niemals verkaufen. Sie sieht gut aus, und es sind auch einige Sammlerstücke dabei. Alles, was ich im Rack als Hardware habe, habe ich jetzt auch als UADPlug-in.
Universal Audio steht für hochqualitative Plug-ins, die das Software-Abbild eines Hardware-Klassikers sind. Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Herstellern aus, deren Hardware ihr modelt?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir sind Partner von vielen Herstellern, deren Hardware wir nachbilden. Um ihre Marke für unsere Plug-ins nutzen zu können, zahlen wir eine Lizenzgebühr an sie. Auch sie müssen daher mit dem Plug-in zufrieden sein, denn es steht ja auch ihr Name drauf. Deshalb dauert dieser Entwicklungsprozess etwas länger. Es ist uns und unseren Partnern wichtig, dass das Plug-in alle Anforderungen erfüllt und der User wirklich das Gefühl hat, dass es ein Neve, ein 1176 oder ein Manley bzw. die originale Hardware ist.
Wie sieht die gemeinsame Entwicklung aus?
Unsere Partner sind stark in den Entwicklungsprozess involviert. Wir senden ihnen das Plug-in zu, sie testen es in ihrem Labor mit ihren Messgeräten und kommen danach zu uns ins Studio, wo wir weitere Tests durchführen und auch sehr viel reinhören. Unsere Partner haben natürlich eine gewisse Vorstellung davon, wo der Sound hingehen soll. Deshalb müssen wir natürlich vieles versuchen, um näher dorthin zu kommen. Wenn wir dann einen Punkt erreicht haben, an dem wir beide zufrieden sind, wird das Produkt veröffentlicht.
Was sind eure Ziele für dieses Jahr?
75 % unserer Kunden sind Mac-User und 25 % nutzen Windows. Jetzt, wo wir auch mit der ASIO-Treiber-Technologie für Windows unsere Erfahrungen sammeln konnten, wollen wir in Zukunft weitere Produkte für beide Plattformen, Mac und Windows, entwickeln.
Wir haben Ende letzten Jahres die Thunderbolt-Unterstützung für Windows veröffentlicht, wo jetzt mit dem letzten Software- Update auch mehrere Units über Thunderbolt an Windows angeschlossen werden können. Mit dem Mac und Core Audio funktioniert das bereits seit 2015. Wir sind der einzige Audio-Interface-Hersteller mit solch einer nativen Lösung, die in ihrem eigenen Ökosystem arbeitet.
Du kannst natürlich auch andere Audio-Interfaces miteinander verbinden, aber das ist irgendwie umständlich, man benötigt mehrere verschiedene Kabel und muss verschiedene Mixer-Anwendungen bedienen. Bei uns läuft alles über ein System. Die Apollo-Interfaces sind die einzigen Interfaces, die man im Verbund mit einer Mixer-Anwendung und einer Clock betreiben kann und die dort als ein Gerät arbeiten.
Du sagtest, dass 25 % der Apollo-User mit Windows arbeiten?
Vielleicht wird sich das auch irgendwann Mal in der Waage halten. Mit der Thunderbolt-3-Unterstützung von Windows erwarten wir eine Steigerung bei unseren Usern mit Windows-System. Thunderbolt ist für die Audioübertragung einfach geeigneter als USB, und FireWire verschwindet gerade irgendwie hinter dem Horizont. Es gibt vielleicht auch Leute, die mit beiden Plattformen arbeiten. Diese können dann einfach ihre Thunderbolt Geräte anschließen, wo sie wollen, und es funktioniert.
Ist also in Zukunft auch ein Thunderbolt Kabel im Lieferumfang der Apollo-Reihe enthalten?
Nein, leider nicht! Unsere Geräte laufen über Thunderbolt 2, und so ein Kabel ist extrem teuer, weil an jedem Ende ein kleiner Mikrochip integriert ist. Die Thunderbolt-3- Kabel sind passiv und deshalb auch viel günstiger. Das andere Problem ist natürlich, dass für den einen User das Kabel zu kurz wäre und für den anderen etwas zu lang. Es wäre schwierig, ein Format zu finden, das für alle passt. Alles, was zusätzlich in das Paket mit reinkommt, steigert den Preis. Aus dem Grund packt kein Hersteller ein Thunderbolt-Kabel mit dazu.
Future Talk
Mittlerweile ist auch Lev Perry, der Senior Produkt-Manager von Universal Audio, zu uns gestoßen. Er erzählt uns begeistert da – von, wie viel Spaß ihm die Arbeit mit dem gesamten UA-Team bereitet: »Das ist auch wichtig für den Erfolg. Jeder arbeitet entweder an der Hardware oder der Software oder im Service, aber im Grunde muss auch alles zusammen funktionieren, und deshalb ist die Kommunikation untereinander so wichtig.«
Wie lange arbeitest du bereits in der Produktentwicklung?
Ich arbeite schon mehr als zehn Jahre in der Produktentwicklung. Davor habe ich als Recording-Engineer außerhalb der Industrie gearbeitet. Bei Universal Audio arbeite ich jetzt seit sieben Jahren. Davor war ich sieben Jahre lang Produktspezialist bei Digidesign.
Warum bist du damals zu Universal Audio gewechselt?
Ich habe damals zwar als Produktspezialist gearbeitet, aber ich wollte schon immer daran arbeiten, die Produkte zu verbessern und neue zu entwickeln. Diese Möglichkeit hat man mir hier bei Universal Audio gegeben. Und das coole an Universal Audio ist für mich, dass wir hier mit unseren Plug-in Nachbauten der Recording-Klassiker unserer Hardware und unseren Audio-Interfaces die innovativen und neuen Technologien mit Vintage-Recording-Equipment an diesem Ort zusammenbringen. Bill Putnam Jr. hat hier ein Umfeld geschaffen, das uns die Möglichkeit gibt, diese Ideen umzusetzen und ein Produkt zu entwickeln, das beides vereint. Das war zu Beginn etwas verrückt, aber wir haben dieses Ziel gemeinsam erreicht. Wir sind nicht nur ein Hersteller von Audiotechnik, sondern auch ein Technologie-Unternehmen. Das ist ein wirklich moderner Job und auch sehr herausfordernd. Wir arbeiten mit Ingenieuren, Wissenschaftlern und natürlich auch mit Recording-Engineers zusammen, und es macht schon sehr viel Spaß, mit all diesen Leuten zu tun zu haben.
Was unterscheidet euch von anderen Herstellern?
Unsere Produkte sind universell einsetzbar und nicht nur da, um Musik aufzunehmen. Das Apollo ist dafür das beste Beispiel. Jeder, der zu Hause Hardware und Synthesizer besitzt, kann sein Zeug an das Apollo anschlie- ßen und durch unsere Plug-ins jagen. Und das ohne Latenz, wie bei einem analogen Mixer. Für jeden, der elektronische Musik macht, ist das Apollo eine gut Wahl, weil es den Workflow mit analogem Outboard liefert und alles im Rechner vereint. Der Schritt vom Hören des Sounds in der DAW zur Aufnahme ist sehr klein. Viele Apollo-Artists schließen ihre Outboard-Synth an das Apollo an und nutzen die DAW als MIDI-Sequenzer und bouncen vielleicht eine Stereo-Spur damit. Für sie ersetzt das Apollo den Mixer und liefert zusätzlich noch leistungsfähige Plug-in Effekte.
Wir haben so viele Veränderungen in der Audio-Branche erlebt, von Analog zu Digital und schließlich zum Arbeiten »in the box«. Was denkst du, wohin geht die Zukunft?
Es gibt Emulationen von uns, die bereits vor 10 oder 15 Jahren entwickelt wurden und die immer noch gut klingen, wie der LA2A oder der 1176. Allerdings haben wir in der Zeit auch sehr viel dazu gelernt, um die Audioqualität zu verbessern. Deshalb sind wir an dem Punkt, wo wir darüber nachdenken, diese Plug-ins zu updaten. Wir wollen einfach dort ein höheres Level erreichen und ein Plug-in entwickeln, das zwei Jahrzehnte bestehen kann. Wir wollen eigentlich keine alten Dinge aufrollen, sondern ständig nach vorne schauen. Universal Audio hat viele der Hardware-Klassiker entwickelt, und wir wollen eben auch, dass unsere Plug-in-Varianten auf Dauer bestehen und zum Klassiker werden.
Für uns ist es allerdings wichtig, die Latte für Audioqualität so hoch zu legen, dass niemand anderes sie erreicht. Wenn ein Konkurrent ein Produkt veröffentlicht, was unserem ähnlich ist, vergleichen wir es mit der originalen Hardware und mit unserem Plug-in. In neun von zehn Fällen fällt die Plug-in-Version des Konkurrenten durch, und oft ist das Produkt auch absolut zu vernachlässigen. Wir bauen jedes unserer Plug-ins nach den Platinen der Hardware digital nach, sodass es wirklich wie das Original klingt. Das ist auch der Grund, warum wir diese guten Ergebnisse bekommen. Andere schicken einfach ein Signal durch, machen ein paar Einstellungen und schauen, dass es irgendwie ähnlich klingt. Wir wollen das, was als Hardware gebaut wurde, digital und detailliert nachbauen, und das ist es, wofür Universal Audio steht.
Nutzt du lieber die Hardware oder das Plug-in?
Es kommt wirklich darauf an. Wir haben hier beides. Viele unserer Kunden nutzen nur die Hardware, und andere können sie sich nicht leisten und kaufen deshalb die Plug-ins. Wir wollen, dass denjenigen, die sich keine teure Hardware leisten können, keine wichtigen Features fehlen, weil sie nicht mit analogem Outboard arbeiten. Wir stellen aber auch Hardware her; wir finden sie schön, und sie ist was Solides. Hardware vor sich zu haben, ein Signal durchzujagen und an den haptischen Knöpfen zu drehen hat schon etwas Besonderes.
Für unsere Plug-ins haben wir die Technologien in der Hardware studiert, um die Röhren, Transistoren, Wandler, Übertrager und Spulen digital nachzubauen. Deshalb dauert die Entwicklung auch bis zu zwei Jahre. Unsere digitale Nachbildung einer Röhre ist einzigartig und von der Industrie bisher unerreicht. Was diese Röhre im virtuellen Plug-in tut, ist genau das, was auch in der Hardware passiert. Mit diesem Thema setzen sich unsere Ingenieure wirklich sehr intensiv auseinander.
Aber das Ergebnis spricht für sich. Wenn du das Apollo anschließt und den 610 lädst, können es viele nicht glauben, weil er einfach fantastisch klingt! Damit klingen die Vocals, der Bass, die Keyboards, einfach alles klingt besser. Der Grund ist, dass diese Röhre, die wir dort gemodelt haben, genau an dieser Stelle einfach super wichtig ist. Sie ist für die harmonischen Verzerrungen und den Umgang mit den Transienten verantwortlich. Es ist irre, welche Wissenschaft dahinter steckt. Wir emulieren praktisch die analoge Absicht, die hinter der Technik steckt.
The Vault
Nachdem wir viele sehr intime Einblicke in die Entwicklung von Universal Audio bekommen haben, gehen wir einen Stock tiefer in einen Bereich, der, wie Scott sagt, der interessanteste Teil ist. Hier sind in Racks die originalen Hardware-Vorlagen der Plug-ins verbaut. Also die Analog-Klassiker, die für das Plug-in Model gestanden haben. »Die heiligen Hallen von Universal Audio«, könnte man sagen. Dort fühlte ich mich wie ein kleines Kind, das auf die Nationalmannschaft trifft, die 1954 Weltmeister wurde. Von Fußballern war zwar nix zu sehen, aber wir treffen dort William Shanks, der als Produkt-Manager für die Entwicklung der UAPlug-ins verantwortlich ist. Er arbeitet bereits seit fünfzehn Jahren für Universal Audio; seit zwölf Jahren ist er Produkt-Manager.
Will, wie kamst du zu Universal Audio?
Eigentlich ging ich zu Universal Audio, um Hardware für mein Studio zu kaufen. Dann fragten sie mich immer öfter, ob ich nicht mal in ihre neuesten Entwicklungen reinhören könnte. Das war wirklich ganz am Anfang, bei den ersten Plug-ins. Ich war von der Arbeit der Ingenieure fasziniert. Ich habe davor schon viele Plug-ins gehört, die mich aber nicht überzeugten. Das war bei den UAD-Plug-ins anders. Dann haben sie mich immer mehr in den Prozess der Klangentwicklung involviert. Das war, als wir den EMT 140 entwickelt haben.
Wie sieht deine Aufgabe jetzt aus?
Hauptsächlich beschäftige ich mich mit der Klangauswertung. Ich mache viele Hörvergleiche zwischen der Hard- und der Software, damit wir so nah wie möglich an den originalen Sound rankommen. Egal wie du die Einstellungen wählst, der Klang muss sich decken. Das ist unser Ziel! Unsere Entwickler analysieren dazu die Schaltungen der Hardware und emulieren sie digital Komponente für Komponente. Als Produkt-Manager bin ich der Vermittler zwischen den Ingenieuren, den Produktdesignern, den Anwendungsentwicklern, dem Sales- und Marketing-Team sowie der Qualitäts-Analyse. Ich stelle sicher, dass das Produkt so gut, wie es uns nur möglich ist, veröffentlicht wird. So, wie ein Produzent eine Platte produziert, mache ich das mit der Software.
Wie viel Zeit verbringt ihr damit, die Komponenten der Hardware zu studieren, bevor ihr sie emuliert?
Ich bin ein Audio-Engineer und kein Elektrotechnik-Ingenieur. Aber ich verbringe sehr viel Zeit damit, die Klangeigenschaften, die Spezifikationen des Geräts und das Block Diagramm zu studieren. Unsere Ingenieure, die über 50 Jahre an Erfahrung besitzen, gehen all diese Sachen ebenfalls durch und schauen sich die komplizierten Diagramme an. Dann gehen wir alles nochmal zusammen durch, um gemeinsam davon zu lernen.
Wir verbringen viel Zeit mit der Forschung, bevor wir mit einem Projekt wirklich beginnen. Dann legen wir fest, wie die Klangcharakteristik aussehen und wie die Emulation der Röhre, der Übertrager und den anderen Bauteilen aussehen soll, was abhängig von ihrer jeweiligen Komplexität ist. Das ist natürlich bei Hallgeräten, Kompressoren oder EQs unterschiedlich, da dort verschiedene Bauteile für ihre Einzigartigkeit sorgen. Erst danach wissen wir ungefähr, wie lange das Projekt dauern wird.
Bei welchem Plug-in war die Umsetzung am schwierigsten?
Da waren einige, die sehr komplex sind. Aber am schwierigsten waren wahrscheinlich das »Ocean Way Studios«-Plug-in und unsere erste Bandmaschinen-Emulation, mit deren Entwicklung wir mehrere Jahre vor dem Release begonnen haben. Damals arbeiteten wir noch auf einem UAD-1-System, und wir wussten, dass wir die Emulation aufgrund der Technologie nicht so akkurat hinbekommen würden, wie wir es wollten. Deshalb mussten wir auf UAD-2 warten, wo uns ein DSP zur Verfügung stand, der für die Umsetzung leistungsfähig genug war. Von Projekt zu Projekt gibt es immer wieder neue Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, weil die Technologien des analogen Outboards sehr unterschiedlich sind. Auch das, woran wir aktuell arbeiten, ist sehr, sehr komplex.
Welches ist dein Lieblings-Plug-in?
Das ist definitiv das AKG BX20! Ich liebe den Sound und mag es, an Reverbs zu arbeiten. Es ist ein sehr nützliches Tool für den Klang, den ich mag.
Wer kommt mit den Ideen für die Plugins?
Die Ideen kommen von überall, entweder von intern oder von extern. Wir haben eine Liste mit vielen Ideen, die wir durch – gehen, bevor wir uns für das nächste Projekt entscheiden. Das ist eine Sache, die wir zusammen mit dem gesamten Team entscheiden. Ein ganz wichtiger Teil sind auch unsere Partnerschaften. Wir heben uns von anderen Herstellern dadurch ab, dass wir respektvoll mit der Arbeit der Entwickler der originalen Hardware umgehen.
Sie haben so hart an der analogen Umsetzung gearbeitet, dass wir auch das Beste aus unseren Plug-ins herausholen wollen. Und wir setzen ja auch das Logo des originalen Herstellers drauf. Wir arbeiten viel an der Qualität, und unsere Partnerschaften erlauben es uns, die Produkte noch besser zu machen, da wir ihren Input haben und sie uns bei der Umsetzung unterstützen, indem sie uns die technischen Details über den gesamten Signalfluss liefern.
Way Home
Nach den Interviews gaben wir unsere Besucherausweise wieder am Empfang ab, verabschiedeten uns bei den Gastgebern und machten uns auf den Weg in den nahegelegenen Rosewoods State Park, wo wir noch eine kleine Runde um riesige Bäume drehten und die vielen gewonnenen Eindrücke sacken ließen. Der Besuch bei Universal Audio war absolut beeindruckend. Hier wird Audiotechnik von jedem Mitarbeiter bis ins kleinste Detail gelebt und mit einer Leidenschaft entwickelt, die man in den Produkten hört.