Immer wieder hört man die Frage: Welches Hall-Plug-in ist denn nun das beste? Vor dem Jahrtausendwechsel war es die große Lexicon-Fernbedienung, die im Tonstudio Mixprofis und Amateurbude voneinander zu unterschied. So ist die Idee vielleicht verständlich, auch das beste Plug-in zu finden! Heute gibt es so viele verschiedene Plug-ins, die alle für sich beanspruchen, den einzig wahren Sound zu liefen. Braucht man die also alle?
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Vor vielen Jahren, als Drumsamples noch exklusiv in Hardware-Sampler wanderten, gab es eine trickreiche Lösung für amtlichen Hall: Viele Hersteller packten zu den eher trockenen Kits ein spezielles Effekt-Drumkit hinzu, das die gleichen Klänge eben mit professionell aufbereitetem Hall enthielt. Das konnte man sich leicht hinzumischen und hatte so im Grunde genau den Sound, den man eben sonst nur mit sündhaft teurer Hardware erhielt.
Bei speziellen Effektklängen funktioniert dieses Prinzip auch hervorragend. Bei den typischen Alltags-Situationen passte es im Ergebnis aber häufiger nicht zum Song, denn irgendwie war das Hallgerät zwar legendär, die Einstellung aber auf eine sehr bestimmte Klangästhetik festgefahren und ließ sich nur mit viel Mühe ändern.
Heute haben wir im Rechner ganz andere Möglichkeiten: Effektketten sind für unsere moderne DAW-Umgebung ein Leichtes, und damit einher gehen tatsächlich mehr Möglichkeiten, Hallsignale in unseren Mix einzubetten. Und auch wenn die folgenden Tipps vielleicht zunächst ein wenig Gebastel bedeuten, können die Anpassungen dir helfen, insgesamt zu einem besseren Sound zu gelangen.
Letztlich ist ein Hall im Mix − egal wie authentisch er auch simuliert oder aufgenommen wurde − am Ende im Zusammenklang eher modellierte Klangkunst als ein authentisches Abbild der Realität.
Mehr Dichte
Soll dein ganzer Song einfach nur voller und dichter klingen? Ein Equalizer (EQ) vor dem Effekt-Plug-in kann hier helfen, denn der Wunsch nach mehr Dichte bedeutet bisweilen, dass dein Hall in einem bestimmten Frequenzbereich etwas stärker vertreten sein soll. Insbesondere die Bassfrequenzen werden bei den meisten Hall-Plug-ins eher mit einer langen Hallfahne bedacht, sodass ein einfaches Lauterdrehen im Mix oft nicht funktioniert.
Mit einem EQ kannst du nun die tiefen Frequenzen vor dem Hall-Effekt absenken und auch genau den Bereich im Mix etwas anheben, den du präsent nach vorne holen möchtest. Passe danach die Hall-Zeit etwas an. Dadurch, dass die meisten Hall-Plug-ins unterschiedlich auf hohe und tiefe Frequenzbereiche reagieren, musst du die Hall-Zeit nach dem EQen meist etwas korrigieren.
Den EQ vor dem Hall nutze ich häufig auch für einzeln mikrofonierte Toms. Die bekommen bei mir häufig einen Badewannen-EQ (Bässe und Höhen anheben, die Mitten recht breit absenken), und das kollidiert dann wiederum mit dem Halleffekt, der genau diese Mitten wiederum brauchen könnte! Einfach vor dem Hall diesen Bereich wieder etwas anheben und schon bekommen wir fette Rock-Toms.
Eine Absenkung irgendwo zwischen 6 bis 8 kHz, um beispielsweise S-Laute abzusenken, ist ebenfalls ein Anwendungsfall, wo so ein EQ vor dem Hall-Effekt helfen kann. Hall verstärkt solches Zischen teils recht unschön und hebt sie durch die lange Hallfahne deutlicher hervor. Der Klassiker für S-Laute ist übrigens ein De-Esser vor dem Hall-Effekt, wenn ein einfacher EQ mal nicht mehr ausreicht.
Mehr Hall ohne Matsch
In Kombination mit diversen Hall-Plug-ins, habe ich Waves MV2 ganz neu entdeckt. Mit dem Low-Level-Schieber werden die leisen Passagen etwas angehoben und gelangen so lauter in den Hall-Effekt. Die lauteren Passagen packe ich dagegen mit MV2 gar nicht an, der High-Level-Schieber bleibt daher in Maximalstellung. Ähnliche Effekte versucht man häufig mit Sidechain-Kompressoren, die das Hallsignal etwas absenken, wenn ein lautes Eingangssignal anliegt. Wenn man das nicht richtig abstimmt, entstehen aber merkwürdige Pump-Effekte, die einen komischen Raumeindruck erzeugen. Hier drehen wir das Ganze nun um und sparen uns den Krampf mit aufwendigen Sidechain-Routings und diffiziler Abstimmung. Vielmehr haben wir hier mit einem kleinen Plug-in einen sehr ähnlichen Klangeindruck ohne großen Aufwand.
In Kombination mit dem Effektsignal kann dies zudem dazu führen, dass du im Ergebnis mit kürzeren Hallzeiten und weniger Hallfahne dennoch einen sehr ausgeprägten Hall-Eindruck erzeugen kannst. Eine höhere Lautstärke der Erstreflexionen bietet sich eventuell ebenfalls an. Deren Anhebung verstärkt den Raumeindruck noch weiter, obwohl du in Wirklichkeit ja eigentlich weniger Hall-Anteil einsetzt und dadurch deinen Mix von Hallmatsch befreist.
Das MV2-Plug-in klingt übrigens je nach Hall-Effekt auch dahintergeschaltet sehr gut, insbesondere wenn du den Hall eher als Effektsignal, beispielsweise zum Andicken von Drumsounds, nutzen möchtest.
Komische Resonanzen
Manches Hallprogramm passt vielleicht beinahe, aber irgendwie klingt es im Zusammenhang und trotz aller Schrauberei nicht so richtig perfekt … Da gibt es je nach Hall-Algorithmus bestimmte Frequenzen, die einfach besonders hervorstechen − und bisweilen passen diese einfach nicht zum Eingangssignal. Beispielsweise werden die tiefen Frequenzen einer Akustikgitarre noch betont, obwohl du die eh schon überall abgesenkt hast. Oder bei einer Stimme gibt es einen nasalen Bereich, den du eigentlich so nicht hervorheben möchtest.
Ein Trick besteht nun darin, hier den EQ zuerst hinter dem Plug-in zu platzieren, damit du das Zusammenspiel zwischen Hall und Eingangssignal überhaupt gemeinsam bewerten kannst. Du beseitigst mit diesem EQ dahinter nun gezielt alle nervenden Frequenzen. Dazu suchst du mit einem Peak-EQ die entsprechenden Bereiche und senkst diese recht schmalbandig ab. Das Ergebnis hat dann zwar keine störenden Resonanzen mehr, klingt aber meist völlig unnatürlich und gar nicht mehr wie ein realistischer Hall-Effekt.
Der Trick besteht nun darin, dieses EQ-Plug-in zu verschieben, sodass es mit genau diesen ganzen Absenkungen vor dem Hall-Effekt sitzt. So bleibt die Klangcharakteristik deines Hall-Effekts erhalten, aber die nervenden Resonanzen kommen erst gar nicht zur Geltung.
Vorne im Mix und dennoch Hall
Gerade für die Hauptstimmen oder -instrumente in einem Mix ist es ja meist wichtig, dass diese präsent und klar zu hören sind. Je mehr Hall du hinzufügst, desto mehr wandern die Signale im Klangeindruck nach hinten und verschwimmen mit den restlichen Spuren.
Für die Hauptsignale ist ein sauber abgestimmtes PreDelay wichtig. Dabei kommt es nicht immer darauf an, dass du exakte Notenwerte wählst. Wenn du eine 16tel-Note in Millisekunden umrechnest und diesen Wert als Verzögerung in deinem Hall-Plug-in vorgibst, bedeutet das ja nicht, dass dein Hall-Signal dann sofort voll einsetzt. Meist gehört zur Hall-Charakteristik ein eher langsamer Einschwingvorgang, und dieser muss in Kombination mit dem PreDelay musikalisch passen.
Ein Trick ist, einfach den Click-Track oder ein paar Drums auf den Hall-Effekt zu routen und die Verzögerung zu diesem Signal nach Gehör so einzustellen, dass es zum Tempo des Songs rhythmisch passt. Diese Einstellung nutzt du dann für deine Spuren im Mix, die trotz Hall vorne erklingen sollen.
Fazit
Ich möchte diesen Artikel mit der Empfehlung abschließen, auch den mitgelieferten Hall in deiner DAW mal ganz neu mit diesen Tricks auszuprobieren und dort mehr als nur Size und das Preset-Menü zu kennen. Vielleicht braucht es bisweilen gar keine weiteren legendären Plug-ins mit noch mehr Hardware-Authentizität, manchmal führt auch das Beschäftigen mit einfachen Effektketten und den Bordmitteln deiner DAW schon zu neuen Klangdimensionen. Ich wünsche dir viel Spaß beim Experimentieren!