Mit den Overhead-Mikrofonen können bei der Mikrofonierung des Schlagzeugs zwei unterschiedliche Konzepte verfolgt werden. Zum Einen sollen die Becken des Schlagzeugs sehr direkt abgebildet und werden, da diese bei der Nahmikrofonierung der Trommeln kaum durchkommen. Zum Anderen kann es darum gehen, dass das gesamte Schlagzeug samt Snaredrum und Toms über die Overhead-Mikrofone abgenommen wird und damit ein zusammenhängender Schlagzeugklang entsteht. So ist bei der Mikrofonwahl natürlich zu bedenken, welches Konzept eher umgesetzt werden soll. Um den Mikrofonklang besser einschätzen zu können, werden in diesem Lauschangriff 50 Overhead-Mikrofone am Schlagzeug verglichen. Für einen strukturierten Vergleich der Klangbeispiele werden die Mikrofone nach Bauart gruppiert.
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Intro
Die Abnahme des Schlagzeugs „über Kopf“ bietet eine Reihe von Möglichkeiten, die klangbeeinflussend sind. Zunächst ist dabei die Entfernung der Mikrofone zu nennen, da diese einen extremen Einfluss auf die Direktheit des Beckenklangs und das Übersprechen der restlichen Schlagzeug-Komponenten hat. Je näher die Mikrofone an den Becken sind, desto wenige Übersprechungen entstehen und desto direkter ist der Klang der Becken. Bei weiterer Entfernung wird das gesamte Schlagzeug-Set mit der Overhead-Mikrofonierung abgenommen und die Trommeln kommen deutlicher durch. Ein weiterer Aspekt ist die Anzahl der verwendeten Mikrofone. Während das gesamte Schlagzeug durchaus mit einem Mono-Overhead auskommen kann, so wird für einen modernen Sound mit breitem Stereobild auf mindestens zwei Mikrofone gesetzt. Ist das Schlagzeug sehr weitläufig im Aufbau, kommen oft noch weitere Stützmikrofone zum Einsatz, welche etwaige „Löcher“ im Stereobild vermeiden lassen. An dieser Stelle soll jedoch nicht weiter auf mögliche Stereo-Mikrofontechniken eingegangen werden, um den Rahmen des Lauschangriffs nicht zu sprengen. Als dritter Aspekt beeinflusst natürlich die Mikrofonwahl den Klang, der mit der Mikrofonierung erzielt wird. So ist neben dem Frequenzgang beispielsweise auch die Richtcharakteristik sehr wichtig, da diese unter anderem für den Raumanteil und die Lautstärke der anderen Schlagzeug-Elemente auf den Overhead-Mikrofonen ausschlaggebend ist. In diesem Lauschangriff soll der Einfluss der Mikrofonwahl, anhand von Audiobeispielen, genauer betrachtet werden.
Da es bei dem Vergleich lediglich um den Klang der Mikrofone geht, wurde mit einem Mono-Overhead gearbeitet, das über dem Crash-Becken auf der HiHat-Seite positioniert wurde. Bei der Aufnahme der Klangbeispiele wurde darauf geachtet, dass die Mikrofon-Positionierung immer gleich blieb. Aufgrund der einfachen Platzierbarkeit wurden bis zu vier Mikrofone in einem Aufnahmedurchgang gleichzeitig aufgezeichnet. Die Erstellung der Klangbeispiele erfolgte im Kölner Gotteswegstudio A mit unserem Referenz-Mikrofonvorverstärker HV-3R der Firma Millennia. Weitere Hintergrundinformationen zur Aufnahmesession sind dem Drum-Recording Artikel der Ausgabe 07/2016 von Sound & Recording zu entnehmen. Die Klangbeispiele und Artikel zur Mikrofonierung der anderen Schlagzeug-Komponenten findest du hier.
Kondensatormikrofone
Bändchenmikrofone
Obwohl es sich beim SM57 der Firma Shure um ein dynamisches Tauchspulenmikrofon handelt, wurde es als einziger Vertreter seiner Gattung für den Vergleich zu den Bändchenmikrofonen gesellt.
Die Top-5 der Session
An der Overhead-Position sind uns folgende Mikrofone in der Session besonders aufgefallen:
Bild: Stephan Lembke
AEA N22 (vom großen Bruder R84 (links) verdeckt): Das Newcomer-Mikrofon aus dem Hause AEA klingt deutlich anders als die restlichen Bändchenmikrofone. Die Becken werden sehr detailliert und im Verhältnis zu den anderen Komponenten des Schlagzeugs auch lauter abgebildet. Der erweiterte Frequenzgang ist vermutlich der aktiven Schaltung des Mikrofons geschuldet. Ein sehr schöner Overhead-Klang, wenn es bei der Mikrofonierung in erster Linie um die Abnahme der Becken gehen soll.
Beyerdynamic M160 (rechts): Der Bändchenmikrofon-Klassiker M160 von Beyerdynamic ist ein grandioses Overhead-Mikrofon, wenn das gesamte Kit abgebildet werden soll. Aufgrund der Hypernieren-Richtcharakteristik ist weniger Raum wahrnehmbar, als bei den anderen Kollegen desselben Mikrofontyps. Zudem weisen die Trommeln einen vollen Grundton auf, während die Becken dennoch präsent bleiben.
Bild: Stephan Lembke
Mojave MA301fet (rechts hinten): Das Großmembran-Kondensatormikrofon von Mojave ist ein sehr ausgewogenes und dennoch präsent klingendes Mikrofon, was als Klangcharakteristik im Overhead-Einsatz punkten kann. Das gesamte Schlagzeug klingt offen und direkt, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Die Becken werden detailliert abgebildet und es ist die maximale Flexibilität vorhanden, den Klang durch die Positionierung im Detail weiter abzustimmen.
Bild: Stephan Lembke
Neumann U87Ai (rechts): Mit dem U87 von Neumann hat es der absolute Mikrofonklassiker in unsere Top-5 Liste geschafft. Als Overhead besticht das Mikrofon durch seinen mittigen Klang, der die Becken trotzdem sehr direkt wirken lässt. Das gesamte Schlagzeug klingt ausgewogen, auch Bass- und Snaredrum sind klanglich für den Schlagzeugmix sehr brauchbar. Nicht ohne Grund ein so weit verbreitetes Mikrofon!
Bild: Stephan Lembke
Shure KSM137 (links vom Shure SM81 verdeckt): Unter den Kleinmembran-Mikrofonen hat uns das Shure KSM137 am meisten überrascht. Auch hier ist die Ausgewogenheit des Mikrofons zu nennen, die durch ein optimales Verhältnis von Becken und restlichem Schlagzeug geprägt ist. Klanglich geht ist hier eher in Richtung eines Großmembranmikrofons, was uns bei dieser Aufnahme sehr zusagt.
Outro
Die Top-5 Liste der Overhead-Mikrofone weist eine recht große Bandbreite auf. Dies liegt vor allem daran, dass bei der Overhead-Mikrofonierung verschiedene Aspekte gewünscht sein können. Soll ein angenehmes, räumliches Klangbild erzeugt werden, so bieten sich andere Mikrofone an, als für die direkte und nahe Abnahme der Schlagzeug-Becken an sich. Zudem ist natürlich auch ausschlaggebend in welchem Raum aufgenommen wird und welches Schlagzeug zur Verfügung steht. Soll sollte am besten eine breite Palette an Mikrofonen zur Verfügung stehen, um den meisten Aufnahmesituationen gerecht werden zu können. Genau hier setzt dieser Lauschangriff an. Die unterschiedlichen Qualitäten der Mikrofone können herausgehört und miteinander verglichen werden, um geeignete Kandidaten identifizieren zu können. Doch letztlich sollte man die eigenen Favoriten definitiv selbst ausprobieren, da gerade bei der Overhead-Mikrofonierung, das Handling der Modelle eine wichtige Rolle spielt. Nicht jede Bauart ermöglicht es auf einfache Weise, eine optimale XY- oder ORTF-Stereomikrofonie über dem Schlagzeug aufzubauen und eventuell müssen Kompromisse eingegangen werden. Also ausprobieren ist die Devise!