»Ich baue eine Maschine, dann trete ich einen Schritt zurück und betrachte ihre Funktion.« So umschreibt Soundkünstler Robert Henke aka Monolake Konzept und Entstehung seiner vielschichtigen Klangstrukturen, die Eingang in eigenwillige Club-Tracks und beeindruckende Installationen finden. Wir wollen in diesem Workshop konstruktive Merkmale und musikalische Wirkung von Roberts Maschinen-Beats untersuchen.
Der Vergleich von Musik und Maschine kommt nicht von ungefähr − Robert Henke ist ebenso Künstler wie studierter Ingenieur. Möglicherweise zeichnet sich seine Musik genau aus diesem Grunde durch eine Struktur aus, die gleichzeitig Stillstand und ruhelose Bewegung suggeriert und aus dieser inneren Spannung ihre Energie gewinnt. In Roberts Musik finden sich Beats, die aus feinen, miteinander verzahnten Elementen zu bestehen scheinen und die sich, gleich den Teilen einer unaufhörlich arbeitenden Maschine, ständig in Bewegung befinden, ohne dabei ihre Erscheinung sichtbar zu verändern.
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Diese Art der repetitiven Rhythmik nutzt Robert als musikalische Grundlage für seine Klanginstallationen ebenso wie für energiegeladene Club-Tracks, die im weitesten Sinne im Bereich des Minimal-Techno eingeordnet werden können. Wie lässt sich eine solche musikalische Wirkung erzielen? Welche Elemente nutzt Robert bei der Programmierung seiner Beats? Wir besuchen den Wahlberliner in seinem Homestudio.
4er-Beat oder Synkopen?
Um Musik bzw. Beats eine maschinenhafte Ästhetik zu verleihen, drängt sich als grundlegendes Gestaltungselement zunächst ein hohes Maß an Gleichförmigkeit über längere Abschnitte auf. Repetitive Elemente müssen den Ausdruck der Musik bestimmen, subtile, unauffällige Veränderungen erzeugen darüber hinaus ihren besonderen Reiz. »Das Kontinuum interessiert mich mehr als drastische Wechsel«, beschreibt Robert diesen musikalischen Ansatz.
Als Basis wählt Robert meist zwischen einem geraden 4-to-the-floor-Beat oder einem synkopischen Rhythmus aus. Das Gefühl von Dichte und Geschwindigkeit vermittelt Robert gerne mithilfe von durchgängigen 16tel-HiHat-Figuren. Um einem solchen, bisher noch recht beliebig wirkenden Pattern, die eingangs beschriebene Spannung zu verleihen, arbeitet Robert mit einigen interessanten Gestaltungsmitteln:
Klanggestaltung und Rhythmik
Bei Robert wird die Wirkung des Beats zu großen Teilen vom Charakter der verwendeten Sounds bestimmt. Die Besonderheit liegt darin, dass Robert fast ausschließlich synthetische Sounds anstelle von Samples verwendet. Dabei kommt meist Abletons FM-Synthesizer Operator zum Einsatz − wenig verwunderlich, denn Robert hat diesen Synthesizer entworfen und programmiert. Die Künstlichkeit seiner Sounds unterstreicht wiederum in hohem Maße die entsprechende Klangästhetik der Beats. Robert legt zudem Wert auf sehr einfache Klänge, meist auf Basis von Sinuswellen und Rauschsignalen: »Simple Sounds klingen sehr klar und direkt und haben somit die beste Durchsetzungskraft.«
Ein weiteres entscheidendes Argument für die Nutzung von Synthesizern als Drumsound-Erzeuger ist deren klangliche Flexibilität: »Samples sind vergleichsweise starr. Ich nehme jedoch über die Klanggestaltung im Synthesizer direkten Einfluss auf die Rhythmik.« Das bedarf etwas Erklärung: Robert programmiert seine Beats üblicherweise mit einer starren Quantisierung. Shuffles nutzt er nicht. Bestenfalls werden zwei Drum-Spuren um mehrere Ticks gegeneinander verschoben. Den rhythmischen »Dreh« erhält der Beat durch die gezielte Veränderung von Klangparametern der beteiligten Synthesizer, etwa den Hüllkurven. Mithilfe von variierenden Attack- und Decay-Werten erzeugt Robert den Groove. Auch Filtereinstellungen und natürlich Accents (mittels Velocity) verhelfen dem Beat zu seiner Dynamik.
Neben gezielter Programmierung im Editor ist die Modulation dieser Parameter mittels beatsynchroner LFOs oder Synthesizerinterner Stepsequenzer hoch interessant. So entstehen regelmäßige Veränderungen in Rhythmus und Sound, deren Intensität und Tempo bzw. Häufigkeit sich wiederum steuern lässt − ggf. auch live. Diese »regelmäßigen Unregelmäßigkeiten« tragen maßgeblich zum maschinenhaften Charakter und zur inneren Spannung des Beats bei.
Durch Klanggestaltung zum Groove: Robert Henke aka Monolake konstruiert seine Beats fast ausschließlich aus Synthesizersounds, die oftmals dem Software-FM-Synth Ableton Operator entstammen. Rhythmus, Sounddesign und Struktur des Patterns sind eine Einheit. Während die eigentliche Programmierung des Patterns zunächst eher konventionell in Form von MIDI-Files im Editor von Ableton Live passiert, sorgt im zweiten Schritt eine ausgefeilte Soundgestaltung für Groove und rhythmisch-klangliche Finessen.
Bild: Robert Henke
Bild: Robert Henke
Bild: Robert Henke
Bild: Robert Henke
Bild: Robert Henke
Bild: Robert Henke
Bild: Robert Henke
Bild: Robert Henke
Bild: Robert Henke
Bild: Robert Henke
Percussion aus dem Synthesizer
Neben den schon angesprochenen Instrumenten Kick, Snare und Hi-Hat komplettiert Robert den Beat mit diversen Percussion-Elementen. Erst hier werden bisweilen einzelne Operator-Sounds durch Samples ergänzt, die auch gestackt sein dürfen. Beliebt ist auch ein Sinus-Subbass mit langem Decay, der die Kick unterstützt und ggf. die Funktion einer Bassline übernimmt. Grundsätzlich nutzt Robert rein elektronische, »abstrakte« Klänge als Percussion. »Es soll gleichzeitig opulent und doch luftig klingen«, erklärt Robert. Eine gewisse Komplexität ist gewünscht, das Klangbild und der Beat sollen jedoch durchweg aufgeräumt und strukturiert wirken.
Das Verschieben einzelner Spuren gegeneinander ist auch an dieser Stelle erneut ein beliebtes Mittel zum Erzeugen von rhythmischer Komplexität. Mit diesen neuen Elementen erstellt Robert Patterns, die nach ungeraden Taktzahlen, also z. B. alle 1, 3 oder 5 Takte, subtile Variationen erhalten. Diese, etwas ungewöhnliche Aufteilung der Patterns verleiht dem daraus erstellten Track einen nicht unbedingt DJ-kompatiblen, aber interessanten Touch.
Maschinen im Arrangement
Fertige Patterns bezeichnet Robert gerne als »Maschinen« − im Sinne einer perfekt ausgeführten und rundum stimmigen Konstruktion, die eine bestimmte Art von Funktion und Aufgabe ausführt.
Um ein Track-Arrangement zu erstellen, geht Robert recht konventionell vor: Es entsteht in klassischer HipHop-Manier durch das Muten von Sequenzerspuren. Er vergleicht dabei den Output seiner »Maschinen« mit – einander und ordnet dann das vorhandene Material auf der Timeline seines Sequenzers an. Ein weiterer Schritt ist der Austausch von Elementen zwischen den einzelnen Track-Abschnitten.
Breaks entstehen ebenfalls mittels Einzelsound-Programmierung im MIDI-Sequenzer. Loops oder Beat-Repeat-Effekte verwendet Robert nicht. Breaks müssen nicht immer ein Mehr an Sounds und Effekten bedeuten. Das Weglassen bestimmter Elemente ist bisweilen wesentlich effizienter. Nebenbei funktioniert diese Reduktion als Vorsichtsmaßnahme gegen das Überladen des Tracks − rhythmische Komplexität ist nicht gleichbedeutend mit vollgeladenen Patterns! Auch (oder gerade) mit wenigen Elementen lassen sich höchst trickreiche Beats zaubern.
DJ-Kompatibilität berücksichtigt Robert bei seinen Tracks nicht. Sie entsteht erst bei einer eventuellen Live-Aufführung im Club.
Robert Henke / Monolake
Robert Henke lässt sich wahrscheinlich am treffendsten als »Klangforscher« bezeichnen. In den frühen 90ern wird sein musikalischer Output mit Veröffentlichungen auf Moritz von Oswalds Kultlabel Chain Reaction / Basic Channel erstmals von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. In den folgenden Jahren entstehen allein unter dem Pseudonym Monolake acht Alben, einige davon auf dem eigenen Label Imbalanced Computer Music veröffentlicht.
Musikproduktion und deren Live-Darbietung sind jedoch nur ein Teil von Roberts Aktivitäten. 1999 wird er Mitbegründer der allseits bekannten Berliner Softwareschmiede Ableton, nur um sich dort wenig später zugunsten seiner Künstlerkarriere wieder zu verabschieden und sich intensiv mit multimedialer Kunst zu beschäftigen. Performances und Installationen führen ihn u. a. in die Londoner Tate Galerie, das Pariser Centre Pompidou und die Art Gallery of New South Wales in Sydney. Seit 2009 besitzt der studierte Informatiker und Tongestalter eine eigene Professur für Sounddesign an der UdK Berlin. Aktuell beschäftigt sich Robert dort vornehmlich mit dem Thema Wellenfeldsynthese.