Man nehme ein paar gut abgehangene 60er- und 70er-Scheiben, zerkleinere sie zu feinen Sample-Slices, verrühre sie sorgfältig mit aktuellen HipHop- und Elektro-Elementen und verkoche das Ganze zu einem leckeren Beat-Gebräu — fein abgeschmeckt mit viel Witz und würzigen Vintage-Keyboards. Fertig ist das delikate Beat-Gulasch à la Siriusmo — guten Appetit!
Siriusmos Mashup-Songs sind ein kräftig gewürzter und gehaltvoller Gaumen…, sorry: Ohrenschmaus, der seinesgleichen sucht − nichts für kalorienbewusste Minimal-Fans. Mit schlafwandlerischer Sicherheit mixt der Berliner Producer 60er- und 70er-JahreSounds mit aktuellen HipHop- und Dancefloor-Zutaten zu energiegeladenen SongKunstwerken zwischen den gängigen GenreSchubladen. Mal rumpelt es hiphoppig aus den Boxen, mal geht es schnurgerade in Richtung Dancefloor. Grundsätzlich wird das Sound-Menü schräg-verschwurbelt und mit kräftigem Augenzwinkern dargereicht.
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Siriusmo produziert unter bewusst simpel gehaltenen Bedingungen und damit höchst effizient. Nicht weiter verwunderlich, dass ein solches Talent früher oder später seinen Weg ins Rampenlicht finden muss: Die Berliner Techno-HipHop-Stars Modeselektor zählen zu den Fans der ersten Stunde − und Siriusmos gefeiertes Debütalbum zu den ersten Veröffentlichungen auf Modeselektors Label Monkeytown. Wir besuchen Siriusmos Beat-Koch-Show in seiner Berliner Soundküche.
Beste Zutaten
Für besonders wichtig hält Siriusmo die sorgfältige Auswahl seiner Beat-Zutaten. Als Ausgangsmaterial dienen meist Einzelsounds, die verschiedensten, oftmals obskuren 60erund 70er-Jahre-Platten entliehen werden: »Flohmarktfunde mit möglichst seltsamen und verrückten Covern faszinieren mich. Polnische oder tschechische Jazz-, Funk- und Rock-Einspielungen haben vielfach einen sehr eigenen Charme. Die Musiker haben damals oft versucht, amerikanisch zu klingen, was aber nicht immer ganz geklappt hat − ähnlich wie bei mir selbst …« (lacht)
Siriusmo nutzt das »schräge« Element dieser Aufnahmen, um allzu typischen Sound-Klischees aus dem Wege zu gehen und seiner Musik eine subtil »komische« Komponente zu verleihen. Diese Wirkung wird durch Mos gekonnten Umgang mit seinen zahlreichen Vintage-Keyboards unterstützt.
Doch zurück zum Beat: »Der Beat ist das ausschlaggebende Element. Der Groove muss einen packen, dann sind Stilfragen und Tempi meist zweitrangig.«
»Mein Beat-Programming funktioniert ähnlich wie die Session-Aufnahmen einer Band«, sagt Siriusmo. »Ich spiele unterschiedliche Versionen einer Idee ein und versuche, aus diesem Material etwas möglichst Ansprechendes zu formen. Der gesamte Prozess ist ein ständiges Ausprobieren, Ergänzen und ggf. Verwerfen.« Der Breakbeat in unserem hier gezeigten Beispiel entsteht aus live eingespielten Einzel-Samples und geschnittenen Loop-Fragmenten. Die wichtigsten Arbeitsgeräte sind Cubase, der Native Instruments Drumsampler Battery und das Sugar Bytes Effekt-Plug-in Turnado.
Bild: Matthias Fuchs, Archiv
Bild: Matthias Fuchs, Archiv
Bild: Matthias Fuchs, Archiv
Bild: Matthias Fuchs, Archiv
Bild: Matthias Fuchs, Archiv
Bild: Matthias Fuchs, Archiv
Bild: Matthias Fuchs, Archiv
Live gekocht
Siriusmo startet seine Songs nicht grundsätzlich mit der Beat-Programmierung: »Wenn sich der Beat um ein bestehendes Element ›herum hangelt‹, kann das sehr geil sein.«
Zum Einspielen der Sounds nutzt Mo gerne Native Instruments Drum-Sampler Battery. Eingespielt wird live auf einem MIDI-Keyboard: »Das Live-Einspielen ist wichtig für den Groove. Es schafft Lebendigkeit. Ich quantisiere möglichst nichts oder allenfalls die ›Eins‹. Wenn eine Aufnahme komplett daneben geht, spiele ich sie lieber noch einmal neu ein.«
Neben Sample-Schnipseln verwendet Mo gerne live eingespielte, »echte« PercussionInstrumente. Dabei darf es sich auch um jedwedes zweckentfremdetes Studioinventar handeln: »Hauptsache, es klappert und groovt …«
Sobald eine gewisse Sound-Ästhetik existiert, formt sich in Mos gedanklicher Vorstellung die Grundidee eines Grooves. Der ist zunächst in den seltensten Fällen von den Hauptinstrumenten Kick und Snare geprägt. In unserem Beispiel-Beat handelt es sich stattdessen um ein halb-tonales PercussionElement mit schrägem Groove. Die weiteren Elemente bestimmen dann, in welche Richtung sich der Beat letztlich entwickeln wird.
Vor allem die Programmierung von Kick und Snare ist dabei der entscheidende Faktor: Soll der bisher vorhandene Groove mithilfe einer 4/4-Kick »geradegerückt« und mit einem Tempo um 130 BPM in die TechnoRichtung geschickt werden? Sollen Kick und Snare einen Breakbeat bilden? Soll es aufgeräumt und gerade oder eher schräg und »wonky« klingen?
Im weiteren Verlauf nutzt Siriusmo gelegentlich auch fertige Loops aus seinem Fundus. Sie lassen sich ggf. mit passenden Timestretch-Tools an das Vorhandene anpassen und erlauben eine schnelle und effiziente Arbeitsweise bei der Komplettierung des Beats. Auch noch an dieser Stelle kann sich die Wirkung des Beats in eine vollkommen neue Richtung entwickeln. Es macht Sinn, solche Optionen unbedingt zulassen und sich dabei nicht scheuen, vorhandene Elemente ggf. zu entfernen.
Vor allem im Bassbereich sollte beim Doppeln von Sounds wie immer unbedingt auf sorgfältiges Tuning und EQing geachtet werden, um einen schwammigen und unpräzisen Sound zu vermeiden. Mo schließt sich vielen seiner Kollegen an: »Beats sollten unbedingt so einfach und effizient wie möglich gestaltet sein. Je einfacher, desto interessanter und wirkungsvoller ist der Beat.«
Das komplette Menü
Siriusmo sieht seine Stücke eher als Songs denn als Tracks. Ihre Struktur entspricht zwar nicht unbedingt dem klassischen Songschema, ist diesem jedoch eher verwandt als einem typischen und DJ-kompatiblen Track-Verlauf.
Für das Arrangement erzeugt Mo zunächst mindestens zwei Varianten des Beats. Die Grundidee (s. o.) ist in beiden enthalten, Kick und Snare sind jedoch meist deutlich verschieden gesetzt. So kann eine Variante sehr »luftig« und »langsam« wirken, während die Zweite deutlich dichter gesetzte Beats enthält und somit »vollen Alarm« und das Gefühl von hohem Tempo vermittelt.
Auch klanglich dürfen sich beide Varianten voneinander unterscheiden, beispielsweise kann eine Variante mit verzerrten, die andere mit sauberen Sounds arbeiten. Auffällig »breite« und raumgreifende Klänge wie etwa sehr massive, lange Bassdrums machen sich nicht zuletzt in »ruhigeren« Abschnitten sehr gut.
Besonders im Breakbeat-Bereich (Drum& Bass, DubStep usw.) ist diese A/B-Arrangiertechnik beliebt. Siriusmo erweitert sie gerne um weitere Abschnitte zu einer Song-ähnlichen Form. Die einzelnen Beat-Varianten werden dabei schließlich auf Songabschnittslängen gebracht, mithilfe von Effekt-Plug-ins und Controllern in Echtzeit weiter variiert und mit Spannungsbögen versehen − fertig.
Bild: Matthias Fuchs, Archiv
Bild: Matthias Fuchs, Archiv
Siriusmo
Für Siriusmo, mit bürgerlichem Namen Moritz Friedrich, eine musikalische Schublade zu finden, ist ein fast aussichtsloses Unterfangen — zu vielschichtig und unkonventionell sind seine Song-Konstruktionen und Remix-Meisterwerke. In Ermangelung passender Begrifflichkeiten einigen wir uns auf »HipHop-Mashups«. Seit 2000 veröffentlicht Siriusmo EPs auf verschiedenen Labels, zu den bekannteren zählen das Sonar Kollektiv und Boys Noize Records.
Beeindruckend sind Siriusmos Remix-Credits: Da finden sich Bonaparte, Digitalism, Sido, die Puppetmastaz und Zombie Nation, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Der endgültige Durchbruch gelingt 2011 mit dem Debütalbum Mosaik auf Monkeytown Records, dem Label der bekennenden Siriusmo-Fans Modeselektor. Aktuelles Werk ist der Nachfolger Enthusiast, auf dem Moritz zwölf herrlich schräge HipHop-, Funk- und Techno-Karikaturen präsentiert — ein echtes Feuerwerk aus verrückten Beats und eigenwilligen Sounds.