Die Begriffe »3D« und »Immersive Audio« regen die Fantasie an: Gerade im Bereich Sounddesign scheinen sich hier viele neue Türen zu öffnen. Dabei ändert sich am eigentlichen Grundgedanken des Sounddesigns zunächst einmal nichts, denn die Assets, also die einzelnen Soundelemente, werden nach wie vor traditionell erstellt. Erst wenn man eine Ebene weiterblickt und die Szenerie betrachtet, kommt die 3D-Positionierung ins Spiel, und eine solche Soundscape soll heute Thema sein.
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Da das Thema sehr komplex ist, man allerdings durch Binauralisierung die Möglichkeit hat, sich auch mit kleinem Besteck in diesen Dschungel vorzuwagen, wollen wir genau das tun. Zum Aufwärmen bauen wir daher im Folgenden eine kleine, sehr einfach gestrickte Soundscape, um überhaupt erst mal ein Gefühl für die Thematik zu bekommen und grundlegende Probleme zu erkennen. Als Werkzeuge verwenden wir den kostenlosen Binauralisierer dearVR micro, eine DAW, die VST3, AU oder AAX unterstützt sowie einen Kopfhörer.
Als Szenerie für unsere Soundscape soll uns das Innenleben eines Raumschiffs bzw. einer Raumstation dienen. Zur Gestaltung der Szene bedienen wir uns Standardsounds, um die Szene klar und leicht verständlich zu machen – jeder, der schon einmal einen klassischen Sci-Fi-Film gesehen hat, wird sich darunter etwas vorstellen können. Wir benötigen ein tiefes Dröhnen als Fundament, um etwaige Triebwerke zu simulieren sowie einen dumpfen tonalen Sound, der Spannung und Grundatmosphäre erzeugt. Dann verwenden wir klischeehaftes Computergepiepse, um einen Roboter oder eine Drone darzustellen sowie ein Zischen/Rauschen, was das Vorhandensein von arbeitender Maschinerie zeigt.
All diese Sounds lassen sich mit einem einfachen subtraktiven Synthesizer, wie ihn die meisten DAWs mitliefern, erstellen – daher sind wir auch nicht auf weitere Samples angewiesen. Wer mag, der kann diese grobe Vorlage natürlich jederzeit beliebig erweitern und verfeinern.
Synthsounds
Beginnen wir mit dem tiefen Wummern. Dazu benötigen wir einen einzelnen Oszillator, den wir um zwei Oktaven nach unten stimmen und eine Sinuswellenform spielen lassen – fertig ist die Laube. Wenn gewünscht, können wir den Sound noch mittels ein wenig Distortion minimal anrauen, aber auch nur so, dass es gerade wahrnehmbar ist.
Beim nächsten Element, dem tonalen Layer, habe ich mich für einen einzelnen Oszillator mit einer Multisaw-Wellenform entschieden, diesen um drei Oktaven nach unten gepitcht und den Sound dann mittels eines 12-B-LowPass-Filters bei ca .150 Hz stark gefiltert. Hinzu kommt ein wenig Resonanz und Distortion und außerdem ein langsamer LFO, der den Filter-Cutoff ganz dezent ein wenig moduliert.
Für das Computergepiepse verwenden wir einen einzelnen Dreiecks-Oszillator, welchen wir mit einem 12-dB-Highpass bei ca. 450 Hz ausdünnen. Außerdem benötigen wir einen LFO mit Sample&Hold/Random-Wellenform, der den Pitch des Oszillators recht stark moduliert. Die Geschwindigkeit des LFOs stellen wir auf ca. 8 Hz.
Für unser letztes Element, das Zischen, benötigen wir Weißes Rauschen und eine Amp-Envelope mit einer Attack-Zeit von ca. 200 ms sowie einer Release-Zeit von ca. 1,9 Sekunden. Zum Abschluss habe ich die Sounds grundlegend mit dem EQ bearbeitet.
Aufbau der Szenerie
Zunächst zeichnen wir ein paar MIDI-Events in unsere DAW: Wummern, tonaler Layer und Computerpiepsen spielen einfach nur einen Dauerton auf C3 – das Zischen triggern wir rhythmisch alle paar Zählzeit für eine Zählzeit an (z. B. immer auf der 1). Außerdem automatisieren wir das Filter der Zischspur so, dass es beim ersten Event komplett geöffnet ist, beim zweiten auf ca. 1 kHz geschlossen, dann wieder geöffnet usw.
Anschließend routen wir alle Audiosignale auf einen Stereobus, um das Signal später gesammelt bearbeiten zu können. Wir passen die Signale außerdem grob lautstärkemäßig aneinander an.
Nun folgt der Schritt in den 3D-Raum. Dazu fügen wir den dearVR Micro Binauralisierer auf allen Spuren als letzten Insert-Effekt ein und können mit seiner Hilfe die Elemente neu positionieren. Unser Wummern schieben wir via Elevation-Parameter nach unten. Klanglich ist der Unterschied allerdings subtil. Beim Zischen wiederum automatisieren wir den Elevation-Parameter so, dass er immer zwischen 0° und 90° hin und her wandert und bei jedem neuen Zischen eines der beiden Extreme erreicht. Via Azimuth-Regler positionieren wir den Sound dann vorne links, also bei ca. 40°. Auch unser Computergepiepse automatisieren wir, und zwar lassen wir den Klang via Azimuth-Parameter über seine Dauer hinweg einmal um 360° um uns herum wandern.
Wir haben also jetzt eine Soundscape mit einem zentralen Wummern, einem breiteren tonalen Layer, einem Zischen vor vorne links, welches leicht nach oben wandert, und einem Piepsen, welches um uns herumfliegt.
Finalisierung
Um der Szene noch einen größeren Anstrich zu verpassen, wäre ein plakativer Hall nicht schlecht. Innerhalb des dearVR Micro gibt es unten links eine Reflections-Sektion, mit der sich Raumeindrücke vermitteln lassen, die auch direkt korrekt positioniert sind. Ein normaler Stereo-Reverb funktioniert ebenfalls, allerdings fehlt ihm die 3D-Ebene, da er eben nur in Stereo vorliegt. Hier gilt es, einfach auszuprobieren, was funktioniert.
Wer in Sachen 3D-Audio die nächsten Schritte gehen möchte, sollte sich unbedingt den Spatial Audio Designer von New Audio Technology anschauen. Aber auch Waves bietet beispielsweise mit NX ein entsprechendes Werkzeug mit leicht anderem Ansatz an.
Der Spatial Audio Designer ist nicht nur Binauralisierer, sondern erlaubt auch das Erstellen komplexer Immersive-Audio-Mischungen.
Perfekt und gut nachvollziehbar.Besten DankKlaus!