Praxis-Special

Brass Recording – Aufnahme von Sax, Trompete und Posaune

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Neben den „Klassikern“ Vocal-, E-Gitarren- oder Drum-Recording ist die Aufnahme von Blasinstrumenten für die meisten vielleicht eine eher seltene Anwendung. Trotzdem sollte man die wichtigsten Handgriffe kennen, vor allem auch wissen, welche Mikrofone für welches Instrument infrage kommen. Insgesamt 28 Mikrofone haben wir an Trompete, Saxofon und Posaune verglichen und teilen unsere Erfahrungen. Wie immer findet ihr die Soundfiles auf unserer Website.

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(Bild: Marc Bohn, Stephan Lembke)

Was uns fern liegt, ist eine Aussage wie: „Das Mikrofon XY ist das Beste für die Aufnahme einer Trompete.“ Bei unserem Lauschangriff geht’s uns vor allem darum, euch an unseren Klangvergleichen teilhaben zu lassen − denn in der Beurteilung von Klang ist man oft geteilter Meinung. Umso wichtiger ist es, dass man sich selber ein Bild von den klanglichen Aspekten einer bestimmten Mikrofonierung machen kann. Unsere Online-Artikel aus der Reihe Lauschangriff beinhalten oft Videos, Soundfiles oder Bildergalerien, die euch als Leser einen Mehrwert geben. Bereits online findet ihr beispielsweise den Artikel „50 Jahre Shure SM57“ mit Klangbeispielen von Shures 545 bis zum heutigen SM57 oder einen Beitrag zum Royer R-121, der zeigt, wie ein Bändchenmikrofon vor dem Gitarren-Amp klingt.

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Hier findest du über 50 Mikros im Klangvergleich vor dem Gitarren Amp.

Hier findest du über 100 Mikros im Klangvergleich am Schlagzeug.

Hier findest du über 60 Mikros im Klangvergleich für Gesang.

Und das sind nur einige wenige aus dem Angebot der letzten Ausgaben. Mit dieser Story zum Thema Mikrofonierung von Blechblasinstrumenten wollen wir nun den Lauschangriff auf eine neue Ebene heben. Wir haben insgesamt 28 Mikrofone von unterschiedlichen Herstellern miteinander verglichen. Dazu zählen beispielsweise das Royer R-122V, die Bändchen-Röhre des amerikanischen Boutique-Herstellers, das Shure SM57, Sennheiser MD421 und MD441 oder Neumanns U47 − die Röhrenmikrofon-Legende. Was zunächst wie bunt gemischt wirken mag, ist jedoch eine Zusammenstellung bewusst ausgewählter Mikrofone, die fürs Recording von Blechbläsern je nach Stil und Richtung in den Tonstudios rund um den Globus verwendet werden.

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Klangvergleich im Studio mit einem amtlichen Bläsersatz und 28 Mikrofonen — einige davon sind im Bild zu sehen (von rechts oben im Uhrzeigersinn): AEA R84, Royer Labs R-122V, Sennheiser MD421, Shure KSM32, Coles 4038, Neumann TLM170, Royer Labs R-122 MKII, Sennheiser MD441, Beyerdynamic M380, Shure SM57, Neumann U47fet, Shure SM7b, Electro Voice RE20. (Bild: Marc Bohn, Stephan Lembke)

Die Testkandidaten

AEA R84

AKG C414

Audio Technica ATM350

Beyerdynamic M88TG, M160

Coles 4038

DPA 4011

Electro-Voice RE20

Gefell M930

Neumann U47fet, U87Ai, M149, TLM170

Rode NT-2

Royer Labs R-121, R-122 MKII, R-122V

SD Systems LCM85

Sennheiser MD 421, MD441, e609, e606

Shure SM7B, SM57, SM58, SM32, Beta98

 

Profis am Werk

Für die Recordings haben wir einen professionellen Bläsersatz, bestehend aus Trompete, Saxofon und Posaune, in das Gotteswegstudio A in Köln eingeladen. Die drei Musiker stehen unter anderem bei „Sing mein Song − das Tauschkonzert“ oder bei den Söhnen Mannheims auf der Bühne. Jeder Instrumentalist hat drei Passagen mit einer Dauer von 15 bis 20 Sekunden über jedes für sein Instrument passende Mikrofon eingespielt: eine mit hoher Lautstärke und vielen Stabs, etwas Sanftes mit langen Tönen, und die jeweilige Pentatonik, um die gesamte Range der Mikrofone abbilden zu können. Zu jedem Mikrofon gibt es also bis zu drei Klangbeispiele.

„Der Abstand macht es luftig“

Die Aussage hört man oft, und gerade bei der Aufnahme von Bläsern kann dies zu großen Missverständnissen führen − je nachdem, was man genau mit „luftig“ meint: einen räumlich-luftigen Sound oder einen intimen Sound mit Luft- und sogar anderen Nebengeräuschen, die beim Spielen der Instrumente entstehen. Der Abstand zum Mikrofon und der Winkel, in dem das Mikro zum Instrument gerichtet ist, sind beim Recording von Brass-Instrumenten sehr wichtig. Bei einem geringen Abstand sind vor allem beim Saxofon Luftgeräusche und die Mechaniken deutlich zu hören. Das kann für verschiedene Stile auch so gewollt sein.

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(Bild: Marc Bohn, Stephan Lembke)

Saxofonist Axel Müller erzählt: „Für Jazz hatte ich bisher den authentischsten Klang mit meinem Saxofon über ein RE20 von Electro Voice, das direkt in der Bell [das ist die große Schallöffnung am Ende des Bodys; Anm. d. Red.] positioniert war. Beim Pop richten wir es im Studio eher von außen zwischen Bell und Klappen mit ca. 50 cm Abstand.“ Auch bei unserer Aufnahme macht das RE20 eine gute Figur am Saxofon, die sich in einer ausgeprägten Brillanz der Töne äußert. Besonders bei einem dichten Arrangement oder im Pop-Bandkontext kann dieser Charakter aufgrund seiner Durchsetzungsfähigkeit sehr wünschenswert sein.

Auffällig ist zudem, dass das RE20 einen großen Sweetspot aufweist, und leichte Bewegungen des Musikers vor dem Mikrofon wirken sich sehr gering auf den Klang aus. Durch den fehlenden Nahbesprechungseffekt des RE20 ist zudem eine sehr direkte Mikrofonierung ohne Überbetonung der tiefen Frequenzen möglich.

Der Trichter macht den Klang

Grundsätzlich lässt sich sagen: Je näher man an die Bell mit dem Mikrofon heranrückt, desto voller und hauchiger wird der Klang. Richtet man die Membran weiter weg und beim Saxofon in Richtung Klappen, wird der Klang mittiger, und auch Griffgeräusche nehmen zu. Hier ist es ähnlich wie bei den Drums, je kleiner der Abstand zum Schalltrichter, umso lauter ist der Attack. Je größer der Abstand, desto räumlicher wird der Klang. Möglichst sollte der Raum dann auch eine gute Akustik haben, die man als klangliche Bereicherung wahrnimmt. Grundsätzlich aber hört es sich für uns auch natürlicher an, da ein größerer Abstand zum Instrument unserer gewohnten Hörposition entspricht. Dadurch entsteht ein ausgeglichener Sound mit weniger Griffgeräuschen.

Weniger Druck aufs Bändchen

In der Welt der akustischen Instrumente sind vor allem Blechblasinstrumente die Spitzenreiter, wenn es um Schalldruckpegel geht − 90 bis 100 dB sind im Durchschnitt immer drin, die Spitzenpegel können bis zu 115 dB erreichen. Nichts für sensible Ohren und schon gar nichts für empfindliche Mikrofone. Bei aktuellen Mikrofonen stellt der Schalldruckpegel eigentlich kein Problem mehr dar. Nimmt man jedoch eine Trompete über ein Bändchenmikro auf, sollte man einen gewissen Abstand einhalten, denn eine Trompete ist schon echt laut.

Aktive Bändchenmikrofone wie beispielsweise das R-122 von Royer übersteuern schon mal bei geringem Abstand. In der neuen MKII-Version gibt es zum Glück ein zusätzliches Pad von −15 dB, das man vorschalten kann. Damit können selbst die lautesten Brass-Töne aufgenommen werden. Aber bitte beachten: Bei Ribbon-Mikros können die Bändchen-Elemente auch mechanischen Schaden nehmen, da hilft auch ein nachgeschaltetes Pad nichts − also den Spieler bei sehr lauten Passagen sicherheitshalber noch ein wenig weiter vom Mikro weg rücken lassen. Bei dynamischen Mikrofonen spielt der Abstand allerdings keine Rolle, und die Entfernung kann deutlich geringer ausfallen.

Die robusten Teile halten dem hohen Schalldruckpegel stand. Hier ist besonders das Sennheiser MD441 hervorzuheben, welches einen sehr vollen und dichten Ton an allen drei Blasinstrumenten aufnehmen lässt. Dynamik- und Pegelsprünge sind in der Wellenform kaum zu erkennen, und ist das Mikrofon einmal eingepegelt, wird es auch von der lautesten Trompete nicht aus der Reserve gelockt.

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Die Posaune wurde auch mit dem Bändchenmikro Coles 4038 eingespielt (Bild: Marc Bohn, Stephan Lembke)

Clips für mehr Beweglichkeit

In Fernsehproduktionen mit vielen Musikern, wie „Sing mein Song − Das Tauschkonzert“, ist der Platz auf der Bühne oft begrenzt. Deshalb werden dort vorzugsweise Clip-Mikrofone eingesetzt. Sie brauchen kein Stativ und werden einfach vor den Trichter geklemmt. Recht platzsparend also. Außerdem ist der Musiker freier beim Spielen seines Instruments, weil er nicht an ein Mikrofon auf einem Stativ gebunden ist, sondern sich frei auf der Bühne bewegen kann. Die Proben zu „Sing meinen Song …“ finden in einem Mannheimer Studio statt, mit dem gleichen Equipment, mit dem die Show in Südafrika produziert wird.

Das heißt also: Das Studio wandert komplett mit in den Süden. Das ist ein großer logistischer Aufwand, bei dem jedes unnötige Gewicht beim Transport gerne eingespart wird. Bei der Positionierung der Clip-Mics ist Sorgfalt geboten, denn schon kleine Positionsveränderungen vor dem Trichter können sehr große Auswirkungen auf den Klang haben. In der Mitte ist der Ton beispielsweise höhenlastiger und gerade bei der Trompete sehr grell, während er am Rand ausgeglichener ist und weniger Luftgeräusche aufgenommen werden, weil die Membran nicht im direkten Luftzug platziert ist.

So kann über die Position vor dem Trichter schon am Sound gebastelt und gefiltert werden. Interessant ist auch, wenn man den Clip komplett nach außen wegkippt, sodass der Diffus- und nicht der Direktschall aufgenommen wird. Dadurch entsteht ein sehr räumlicher Klang. Beim Aufnehmen der Clip-Mikrofone sind bei lauten Tönen teilweise tieffrequente, perkussive Attack-Geräusche zu hören, was auf die starke Luftbewegung und die nahe Mikrofonierung zurückzuführen ist.

Insgesamt wirkt der Klang der Clips weniger höhenreich, weist jedoch z. B. bei der Posaune viel vom eigentlichen Anblasgeräusch auf. Durch die nahe Positionierung tritt eine Anhebung der tiefen Mitten und Bassfrequenzen auf, die einen unnatürlichen Charakter erzeugt und in der Nachbearbeitung des Signals durch ein Filter reduziert werden sollte.

Klangunterschiede

Der Vergleich unseres Mikrofonarsenals lässt die Bandbreite erkennen, welche durch die Mikrofonwahl an den jeweiligen Instrumenten zu erzielen ist. Bei einer groben Unterteilung und dem Versuch einer Klassifizierung sollten die Mikrofontypen und Richtcharakteristiken nicht außer Acht gelassen werden. So klingen die Bändchenmikrofone recht voluminös, weisen einen „runden“ Ton auf und besitzen angenehme Höhen, die aufgrund des abfallenden Frequenzgangs im Höhenbereich dem Klang der Blasinstrumente gut tun.

Dies sollte man jedoch nicht pauschalisieren. Zum Beispiel sind bei der aufgenommenen Royer-Familie deutliche Unterschiede in der Auflösung der Höhen zu hören. Während das R-122V die grellen Höhen der Trompete zügelt, wirkt es an der Posaune zu reduziert. Hier ist der Klang des R-122 MKII „offener“, und die Obertöne kommen besser zur Geltung. Durch die typische Achter-Charakteristik der Bändchen ist zudem die Räumlichkeit des Aufnahmeraumes deutlich wahrzunehmen. Lediglich beim Beyerdynamic M160 ist diese nicht so ausgeprägt. Grund dafür ist die für ein Bändchenmikrofon untypische Richtcharakteristik Hyperniere.

Die Kondensatormikrofone klingen aufgrund der detaillierteren Höhendarstellung im Vergleich zu den Bändchen- und dynamischen Mikrofonen „luftiger“ und stellen z. B. beim Saxofon den Klang des Luftstroms weiter in den Vordergrund (besonders beim Røde NT-2 und Neumann M149 wahrzunehmen). Etwas „dunkler“ klingende Mikrofone wie z. B. das Shure KSM32 sorgen bei Trompete und Posaune dafür, dass die Höhen bei laut gespielten Tönen direkt angenehmer wirken. Einen bleiben Eindruck hinterließ das Neumann U47 am Saxofon. Aufgrund der Ausgewogenheit zwischen den einzelnen Klangbestandteilen und der hervorragenden dynamischen Ansprache war es für unseren Saxofonisten Axel Müller ein klarer Favorit.

Die dynamischen Mikrofone weisen untereinander zum Teil große Unterschiede auf. Während das Sennheiser MD421 sehr brillant und präsent klingt, bietet das Shure SM58 in Kombination mit der Posaune einen sehr „runden“ Klangcharakter. An der Trompete wirkt das SM58 hingegen etwas „dünn“ und das Schwestermodell SM57 überzeugt uns durch einen durchsetzungsfähigen, vollen und trotzdem ausgewogenen Klang.

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Audio Technica ATM 350, Shure Beta 57 in der Standardversion. Gibt es auch als baugleiches Clip-Mic. Ein unter Bläsern sehr beliebtes Studio- und Live-Mikrofon ist das LCM 85 von SD-Systems. (Bild: Marc Bohn, Stephan Lembke)

Die Qual der Wahl

Bei der Session war festzustellen, dass die 28 Mikrofone eine Vielzahl an unterschiedlichen Klangcharakteren bieten. Je nach Musikrichtung, Instrument und Spielweise macht es definitiv Sinn, sich genauer mit der Mikrofonwahl auseinanderzusetzen. Was bei unseren Aufnahmen außen vor gelassen wurde, sind die Schaltmöglichkeiten der Mikrofone selbst (Richtcharakteristik, Filter etc.). Neben der Positionierung wäre so ein weiterer Eingriff in den Klang der Aufnahme möglich, würde hier jedoch den Rahmen sprengen.

Falls das Anhören aller Mikrofone für euch vielleicht nicht infrage kommt, möchte ich euch an diese Stelle eine Hörempfehlung je Instrument aussprechen. Ziel ist es dabei nicht, eine „Top 3“-Liste aufzustellen, sondern den unterschiedlichen Klangcharakter aufzuzeigen. Bei der Trompete bieten das Neumann TLM170, das britische Bändchen Coles 4038 und das Shure SM57 ein großes Klangspektrum. Für die Posaune sind das Beyerdynamic M380, das Shure KSM32 und das Sennheiser MD421 zu nennen. Am Saxofon sollten das Sennheiser MD441, das Gefell M930 und natürlich das Neumann U47 einmal angehört und verglichen werden.

Bläser sind laut

Ich hoffe, wir konnten euch einen kleinen Einblick in die Mikrofonierung von Blasinstrumenten geben und auch einige Klangeindrücke vermitteln, die wir während der Bläser-Session gesammelt haben. Am besten ist es aber, wenn ihr euch die Soundbeispiele auf unserer Website anhört und euch ein eigenes Bild macht. Dort gibt es insgesamt vier Beiträge, die an den einzelnen Stellen noch einmal tiefer ins Detail gehen. Ergänzend dazu zeigen euch die Hörbeispiele die Klangeigenschaften der unterschiedlichen Mikrofone und der verschiedenen Positionen vor Saxofon, Trompete und Posaune.

Weitere Klangbeispiele findet ihr auf soundcloud.com/ (weit nach unten scrollen).

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