Studiotipps - Kniffe die die Welt verbessern

Der Lernfaktor durch Ausprobieren!

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Als Kind hatte ich – ohne wirklich Ahnung davon zu haben – auf einmal den Job, bei einer kleinen Dorfveranstaltung die Tontechnik zu machen. Die PA habe ich zum Ärger meiner Eltern und unserer Nachbarschaft einige Tage vorher zu Hause ausprobiert: Wie laut geht das Teil? Wie klingt das? Was genau passiert, wenn man hier dreht und da schraubt?

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Zum Glück hat man damals solche Veranstaltungen nicht aufgezeichnet und gepostet, denn soweit ich mich erinnere, hat mir nachher jemand mitleidig auf die Schulter geklopft und gesagt: »Das wird schon, immer schön dranbleiben …«

Die PA-Anlagen, die wir früher von einem Proberaum zum nächsten geschleppt haben, bestanden nie aus Neve-Mischpulten oder legendären Mikros. Das war aus heutiger Sicht eher tontechnischer Elektroschrott. In der Hoffnung auf ein paar Unwissende findet sich solcher Ramsch bis heute bei eBay mit den irreführenden Worten »Legende« oder »Rarität«. Merke: Lausige und unnütze Dinge können ihren Stempel der Seltenheit völlig zu Recht tragen!

Heute sind wir alle Profis

Über das Internet haben
wir Zugriff auf alle möglichen Infos, und alleine bei YouTube kannst du locker ein Wochenende damit vertun, dir beispielsweise für die Frage nach dem ersten geeigneten Mikrofon unterschiedlichste Empfehlungen reinzuziehen. Wenn ich in den Kommentaren dann lese, ob ein China-Nachbau so klänge wie ein U47 oder C12, frage ich mich bisweilen, ob wir da nicht falsch abgebogen sind. Denn auf dem Weg zu einem professionellen Sound waren diese ganzen komischen Irrwege nicht vergebens. Ein U47 in den falschen Händen klingt auch furchtbar! Die gröbsten Fehler zu umschiffen, kannst du mit beinahe jedem Equipment lernen.

Wenn Einstieg nicht dein Thema ist, möchte ich dir mit diesen Studiotipps trotzdem Mut machen, in einem ruhigen Moment oder beim Sammeln von Ideen mal einige gewohnte Arbeitsweisen anders anzugehen (siehe auch Crosstalk ab Seite 14). Das kann auch im Profi-Umfeld durchaus mal interessant werden, denn einen guten Aufnahmeraum weiß man eigentlich erst dann wieder so richtig zu schätzen.

iZotope Neutron oder gar der günstige Einstieg Neutron Elements eignen sich für alle möglichen Signale und können diese analysieren und Bearbeitungen vorschlagen. Nicht immer passt das Ergebnis zu 100 Prozent – aber häufig weisen die Bearbeitungen in die richtige Richtung.

Gesang mal anders …

Manche alternative Herangehensweise habe ich in den letzten Jahren durch meine Familie gelernt. Wenn meine Lieben zu Hause mal ein paar Ideen aufnehmen wollen, dann schleppe ich gleich eine Kiste mit Krempel aus dem Studio an: Audio-Interface, Kabel, Mikros … Bin ich aber mal außer Haus, dann verselbständigt sich dieses Thema. So staunte ich vor einiger Zeit nicht schlecht, dass die einen Song komplett mit Gitarren und Gesangsspuren ergänzt haben, deren Spuren zudem noch ordentlich klangen. »Kannst du da was draus machen?« Ja sicher, klingt doch Ok!

Aufgenommen wurde das Ganze über ein iPhone mit der integrierten App für Sprachmemos, dann per AirDrop an den Rechner geschickt und in Garageband importiert und zum Tempo geschnitten. Die vorhandenen Spuren liefen ohne jede Synchronisation auf einen halboffenen Kopfhörer. In den Einstellungen der Sprachmemos-App musste man nur Audioqualität auf »verlustfrei« umstellen.

Ähnliches ist bei uns schon mit Mikros passiert, die eigentlich nicht für Gesang, sondern für Reportagen und Interviews konzipiert sind. Bisweilen geht ein einfacher Workflow eben über alles. Es nützt nichts, wenn die Idee oder Stimmung bereits futsch ist, bis wir amtliches Profi-Equipment korrekt eingerichtet haben. Aber lassen sich solche Takes wirklich einsetzen?

TDR Nova GE eignet sich sehr gut, um eine bestimmte Klangcharakteristik von einer Spur auf eine andere zu übertragen. Wähle dazu einfach die Spur als Referenz aus, und passe danach mit dem Range-Knopf die Intensität an.

Angleichen

Im schlimmsten Fall sind solche Ideen ja mögliche Kandidaten für einen fertigen Song, denn es war impulsiv vielleicht die beste Interpretation, die später nie wieder so gelang. Wie gleichen wir solche Aufnahmen an? Kann man diese Aufnahmen so kaschieren, dass am Ende niemand merkt, was da wirklich passiert ist?

Eine schnelle Möglichkeit für Einsteiger besteht darin, einfach die gleiche Automatik-Software zu nutzen, die du vielleicht eh für deine aufgenommenen Signale benutzt. iZotope Neutron Elements beispielsweise analysiert das Eingangssignal und liefert dir passende Einstellungen für EQ, Kompression und Sättigung. Wenn dir das Ergebnis klanglich zusagt, kannst du einfach deine speziellen Takes ebenso über so eine Software analysieren lassen. Für meinen Geschmack muss man die Automatik zwar in jedem Bereich etwas zähmen und in der Intensität zurückschrauben, insgesamt bügelt die Software aber die Unterschiede dann recht ordentlich und mit wenig Aufwand aus. Ergänzt um einen Hi- und Lo-Cut, sind die Bearbeitungen selbst bei merkwürdigem Eingangssignal häufig recht zielführend.

Mit wenig Aufwand verbiegt das TDR-Plug-in auch schräge Aufnahmequellen einigermaßen in die Richtung des angestrebten Grundklangs.

TDR Nova GE

Die EQ-Plug-ins von Tokyo Dawn Records gehen nicht ganz so brachial ans Werk und lassen sich zur Anpassung einer Klangcharakteristik sehr detailliert einstellen. TDR Nova GE ist da wirklich unglaublich: Du analysierst im Bereich »Smart Operations« deine professionell aufgenommene Spur und belässt die restlichen Einstellungen einfach auf ihren Standard-Einstellungen. Erzeuge eine neue Spur mit den Aufnahmen in abweichender Klangästhetik, und füge dort ebenfalls TDR Nova GE ein. In Smart Operations wählst du als Referenz die andere Plug-in-Instanz und stellst »Operation« auf »Static Match«. Reduziere den Range-Knopf knapp auf die Hälfte, und taste dich dann nach Gehör an die richtige Dosis heran.

Solche Automatik-Plug-ins sind auch im Profistudio ein Tipp, zumindest sollte man die mal ausprobiert und sich den Workflow und die Qualität der Ergebnisse selbst angehört haben. Das Anlegen von Videoton aus verschiedenartigen Quellen lässt sich mit solch einer Hilfe beispielsweise schnell im Groben anpassen. Zeit ist häufig auch Geld …

Ich habe mir den Spaß mal gemacht, in einem selbstgesteckten Wettbewerb Aufnahmen zu bearbeiten und mir später die Ergebnisse solcher Software im Vergleich anzuhören. Nicht, dass die Software immer gewonnen hätte, aber dennoch nutze ich seitdem ab und zu diese Abgleiche.

Natürlich kannst du Resonanzen in TDR Nova auch manuell suchen. Mit der Funktion, ein Band solo zu schalten und individuell zu prüfen, geht das auch recht zügig.

Resonanzen und Raumanteile sind bei Aufnahmen außerhalb vom richtigen Studio häufig ein Problem. Im TDR EQ analysierst du hier einfach dein Audiosignal und wählst in den Smart Operations am Ende »Dynamic Deresonate«. Biege dir mit einem normalen EQ dahinter deinen Klangeindruck nun so zurecht, wie du ihn im Mix benötigst, und prüfe durch das Bypass-Schalten des TDR-EQs, ob dir die Bearbeitung zusagt oder nicht.

In einem ordentlichen Aufnahmeraum braucht man so etwas eigentlich nicht, aber insbesondere, wenn du eben mal andere Aufnahmen einbetten musst, kann diese kleine Funktion dir eine Menge Zeit sparen. Kombiniert mit einem Gate dahinter reduzierst du den Raumanteil ganz dezent weiter und hast eventuell mit wenigen Klicks schon eine völlig brauchbare Variante in deinem Mix.

Einfacher und vor allem schneller klappt es aber mit der Automatik von TDR Nova, zumal auch gleich passende dynamische Bearbeitungen vorgeschlagen werden.

Fazit

Wenn man sich mal auf die Reise macht und solche komischen Aufnahmen in einen Song einbaut, dann passieren mindestens zwei Dinge: Zum einen lernt man seinen guten Raum und das ganze professionelle Equipment wieder richtig schätzen – ein ordentliches Mikrofon in optimierter Umgebung spart so unglaublich Zeit, die man am Ende besser in den musikalischen Gesamtkontext investieren kann. Zum anderen ist es auch erstaunlich, wie dicht man heutzutage mithilfe von solchen Automatik-Kniffen an einen professionellen Sound herankommt. Die Zeit rauschender und dumpfer 4-Spur-Aufnahmen sind zum Glück Vergangenheit.

Da fehlt zwar auch heute immer noch viel, keine Frage. Früher hat sich aber kaum jemand die Arbeit gemacht, die Dinge so aufwendig anzugleichen, und kam alleine dadurch schon niemals in die Nähe eines brauchbaren Takes.

Ich denke, in ein paar Jahren dürften Erfindungen wie die iZotope Spire Studio oder optimierte Mikrofonkombinationen wie etwa im aktuellen MacBook Pro 16″ durchaus dazu führen, dass wir auch im professionellen Umfeld häufiger mit solchen Aufnahmen konfrontiert werden.

Und vielleicht hilft es uns heute schon, bei mancher Diskussion oder Neuanschaffung etwas relaxter an die Themen heranzugehen. Muss ein günstiges China-Mikro wirklich wie ein U47 klingen? Hauptsache, es klingt gut, oder?

Mit obigen Tricks habe ich auch schon mal ein Solo in einen Song eingebaut, das nur von den Mikros der mitlaufenden Videokameras mitgeschnitten wurde. Das würde ich natürlich nicht als geplante Herangehensweise empfehlen. Aber sollte es vorkommen, kriegen wir doch heute auch so etwas hin. Der höhere Raumanteil war dann einfach kreative Freiheit. Ich wünsche dir viel Spaß mit obigen Experimenten!

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