Studiotipps: Kniffe, die die Welt verbessern

Hilfe, das klingt alles so komisch!

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Es soll ja Menschen geben, die genau heraushören können, ob eine Aufnahme digital oder analog aufgenommen wurde; manche können angeblich sogar bestimmen, welche Sorte Kabel bei der Aufnahmekette verwendet wurde! Mir stellt sich da die Frage, ob man es auch hört, wenn man die leeren Papp-Verpackungen von Software-Plugins energetisch korrekt im Vorraum des Studios ausrichtet. Und sollte man wirklich die einsamen Seriennummern aus diesen ansonsten leeren Pappschachteln in einer kleinen Zauber-Schatulle gemeinsam vereinen, um so dem Mix mehr Zusammenhalt und „Glue“ zu geben?

Studiotipps_Vocal-Tracks mit Extra-Sahne_02

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Fernab von jeder Audio-Esotherik gibt es bestimmt den einen oder anderen von uns, der aus einer vermurksten Stereoaufnahme mit zwei unmöglich positionierten Mikros schon etwas Anständiges zaubern musste. Ein Anpassen der Phasenlagen und ein zeitlicher Abgleich der Mikrofonpositionen mag auf den ersten Blick als unwichtiges Thema für Audio-Nerds erscheinen, es kann aber oft zu einer weitaus deutlicheren Soundverbesserung beitragen als beispielsweise der Kauf eines noch so angesagten Plugins … Im Homestudio werden zwar meist eher Einzelsignale aufgenommen und gemischt, sobald dann aber mal ein kleinerer Background-Chor den Gesang unterstützen soll oder ein akustisches Drumset ins Spiel kommt, wird das Thema auch dort immens wichtig.

Phasenlage mit virtuellem Klangraum

Zwei tolle kostenlose Plugins für problematische Stereo-Aufnahmen sind „Phasebug“ von www.betabugsaudio.com und TB_Isone Surround von www.toneboosters.com. Jede Stereoaufnahme, auch eine noch so gut ausgerichtete, kann Probleme in der Phasenlage haben, die insbesondere im Homestudio bei der Aufnahme überhaupt nicht auffällt. Die Schallisolierung zwischen Aufnahmeraum und Regie ist hier oft nicht optimal, und einen Gitarren-Amp oder ein Drumset sind man nun einmal laut! Die Abhörsituation ist obendrein auch nicht immer mit einem Profistudio zu vergleichen, oder die Aufnahme wird ohnehin nur per Kopfhörer kontrolliert.

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Zwei kostenlose Helferlein, die fast jeder Stereoaufnahme helfen können: Mit Phasebug kontrollierst du die Phasenlage, Toneboosters IsoneSurround sorgt dafür, dass du die Auswirkungen auch unter nicht ganz optimalen Abhörbedingungen deutlicher wahrnehmen kannst!

Phasenlagen da wirklich durch das Verschieben der Mikroposition anzugleichen sollte zwar der einfachste Weg sein, aber unter solchen Bedingungen hören wir oft nicht das, was uns wirklich bei der Bestimmung der optimalen Mikrofonposition hilft! Die Kombination der beiden genannten Plugins führt jedoch zu einer eleganten Lösung: Mit dem Phasebug-Plugin kannst du die Phasenlage für jeden Kanal einstellen, und dank TB_IsoneSurround Free hast du gleichzeitig einen simulierten Abhörbereich, mit dem du selbst auf Kopfhörern oder unter nicht ganz optimalen Raumbedingungen die Auswirkungen der Phasenkorrektur hören und beurteilen kannst. Achte dabei besonders auf den Bassbereich und die Attacks der Sounds.

Oft gibt es eine Einstellung, mit welcher der Sound ohne jeden weiteren EQ oder anderen Klangprozessor präziser, direkter und voluminöser klingt. Natürlich deaktivierst du IsoneSurround danach wieder, das Plugin ist lediglich zur Abhörkontrolle gedacht. IsoneSurround Free kann man übrigens auch sehr schön zur optimalen Platzierung von mehreren Mikros nutzen. Einmal in den Masterkanal der Audiosoftware geschaltet, kann man mit einem geschlossenen Kopfhörer im Aufnahmeraum herumlaufen und optimieren, bis der Sound wirklich passt!

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PSP Stereo Controller und ddmf StereoeretS sind eine gute KontrollInstanz. Mit dem PSP Plugin lässt sich prima eine nicht ganz optimale Stereoplatzierung korrigieren, insbesondere für Drum-Overheads oder Stereoaufnahmen von Chören oder kleineren Orchester-Setups. Mit ddmf StereoeretS kannst du den Bassbereich zudem getrennt in der Stereobreite anpassen

Die Bassdrum gehört in die Mitte

Als Kontrollinstanz für Phasenlagen eignet sich beispielsweise das PSP Stereo Pack, kombiniert mit dem Plugin ddmf StereoeretS. Mit dem PSP Stereo Controller und dem ddmf Plugin kannst du auch optisch sehr schnell prüfen, ob du mit den Einstellungen des Phasebug-Plugins auf einem guten Weg bist. Die obere Anzeige im PSP Stereo Controller sollte möglichst immer im rechten Bereich aufleuchten. Im ddmf StereoeretS werden die Signale dann auch größtenteils innerhalb des gezeichneten X als vertikale Linien aufleuchten, horizontale Linien sollten dagegen seltener auftreten. Stell dir einfach eine Fliege statt Krawatte bei einem festlichen Anzug vor: Genau diese Form willst du nicht!

Mit dem ddmf StereoeretS kann man abschließend im Bassbereich die Stereobreite einengen. Mit dem Crossover-Regler wählst du dazu die Trennfrequenz und kannst nun mit dem Regler „Width“ im Low-Feld den Bassbereich kontrollieren. Bei der Aufnahme eines Drumsets kannst du zusätzlich mit den PanoramaVerschiebungen des PSP Stereo Controllers erreichen, dass die Bassdrum am Ende wirklich zentral in der Mitte wahrgenommen wird und die Sounds der Overhead-Mikros dazu passend im Stereobild verschoben werden. Mischst du die Einzelmikros zusammen, wirst du feststellen, dass sich die Signale auf Anhieb wesentlich besser zusammenfügen!

Voxengo PHA-979

Phasebug gibt es leider nur für PC, aber es gibt natürlich auch ein Plugin, was diese Aufgabe für beide Welten perfekt erledigt: Voxengo PHA-979 ist ein Plugin, welches neben der reinen Phasenlage auch gezielt zeitliche Verzögerungen ausgleichen kann. Vielleicht gibt es ja auch mal klangliche Gründe, weshalb wir zwei Mikros in unterschiedlichen Entfernungen aufstellen möchten, oder einem völlig verdrehten Stereobild ist nur mit der Phasenlage alleine nicht mehr zu helfen. Für sich alleine genommen klingen beide Signale vielleicht hervorragend, nur gemischt passt das Signal einfach nicht.

Hier könntest du ganz simpel mit den Spurverzögerungen deiner Audiosoftware arbeiten, komfortabler geht es aber mit Voxengos kleinem Helferchen: Route beide Mikros auf einen Stereoeingang, lade PHA-979 in den Aufnahme-Insert, klapp die Korrelationsgradanzeige aus, aktiviere den Knopf „Mono Mix“, und verzögere nun eine Spur im Millisekunden-Bereich. Neben der akustischen Kontrolle kann dir hier auch die Grafik helfen: Sobald hier insbesondere der Bassbereich nahe an der 1 und der obere Bereich irgendwo zwischen 0 und 1 ausschlägt, stimmt die Richtung wahrscheinlich. Abschließend kannst du natürlich auch hier noch die Phasenlage justieren, die ja eventuell auch noch angepasst werden muss.

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Voxengos PHA-979 eignet sich nicht nur zur Phasenjustierung, sondern auch zum gezielten Entfernungsausgleich zwischen den Signalen.

Übrigens gibt es im PSP MixPack zur Kombination mit dem PSP Stereo Controller auch das kleine Helferlein PSP MixSync2, was ähnlich praktisch bei zeitlichen Verzögerungen helfen kann. Neben der reinen Millisekunden-Einstellung gibt es dort auch eine Einstellung in Entfernungen, sodass man mit einem Maßband auf dem Fußboden zwei Mikros vor dem Gitarren-Amp ohne großen Aufwand angleichen kann. Das klappt zwar in der Praxis nicht immer auf Anhieb, ist aber ein guter Startwert, um sich dann an die bestmögliche Einstellung heranzutasten.

Kompressortricks

Mit zeitlichen Verzögerungen lassen sich natürlich auch noch diverse andere Experimente anstellen. Wenn man den Sidechain eines Kompressor vorverzögert, kann dieser beispielsweise auf schnelle Transienten des Eingangssignals schon reagieren, bevor diese den Audiopfad des Kompressors er – reichen. Mit dem Metaplugin von www.ddmf.eu lässt sich so eine Schaltung auf einfache Weise umsetzen: Dazu verzögern wir das Originalsignal mit dem Voxengo PHA-979 oder PSP MixSync2 und routen den Sidechain direkt in das Kompressor-Plugin.

Die jeweilige Delay-Zeit gleichen wir dann mit dem identischen Wert im Feld PDC des Metaplugins wieder aus. Normalerweise wirst du hier mit Werten zwischen 0 bis 4 ms arbeiten, sollte der Kompressor aber für Ducking-Aufgaben eingesetzt werden, kannst du auch höhere Werte ausprobieren und die Release-Zeit entsprechend verlängern. Das kann in Kombination gerade mit den typischen Set-And-Forget-Kompressoren wie etwa Native Instruments VC 2 A oder Softubes Summit Audio TLA-100A ganz neue Klangpaletten eröffnen.

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Eine ganz neue Soundpalette für Kompressoren mit Sidechain-Funktion: Mit dem ddmf Metaplugin lässt sich eine solche Schaltung auf einfache Weise abspeichern und jederzeit wieder aufrufen!

Esoterik oder nicht?

Mit falsch eingestellten Phasenlagen und zeitlich falsch ausgerichteten Tracks kann man einen kompletten Mix ruinieren − oder erst möglich machen! Oft reicht zwar ein simpler Phase-Switch am Mixer und ein Mono-Schalter auf dem Master − und natürlich kann man, anstatt die Overheads beim Drumset aufwendig zu bearbeiten, dort auch ganz simpel den Bassbereich beschneiden und diesen komplett durch ein einziges Mikro vor der Kick ersetzen. Mir hat es aber schon so manche Aufnahme gerettet, bei der ich zuerst viel zu lange mit allen möglichen EQs an den Einzelsignalen herumgeschraubt habe und es dann doch nie so richtig mit den Raummikros zusammen passte. Mit den obigen Tricks hast du nun einige solide Rettungstricks in der Hinterhand, die eventuell dazu führen werden, dass sich problematische Signale wieder zusammenfinden.

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Gitarrenaufnahme für Nerds − ohne eine Anpassung der Phasenlage wird das hier garantiert nichts mehr. Eine Aufnahme wird sicherlich nicht durch die Anzahl der Mikros besser! Manchmal ist weniger auch einfach mehr …

 

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