Studiotipps: Kniffe, die die Welt verbessern

Lautstärke als Trick

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Früher gab es in manchen Studios einen Pseudo-„Geheimknopf“. Wenn man daran drehte, klang alles besser. Wenn der Produzent halt immer noch nörgelte, dass dem bereits professionellen Sound doch noch etwas fehlt, dann überlegte man kurz, steckte ein paar Kabel in der Patchbay um, machte eine kurze Pause und drehte mit wichtiger Miene am Geheimknopf. Meist machte der das gesamte Signal nur etwas lauter, weil er beispielsweise den Mix-Anteil vom Control-Room zusätzlich auf die Summe leitete. Das Ergebnis: Alle waren zufrieden, ein perfekter Mix.

Unser Ohr fällt selbst auf kleine Lautstärkeanhebungen schnell herein: Ein Gesamtmix klingt auf einmal besser, voluminöser. Selbst einen ausgiebigen Vorher-Nachher-Vergleich gewinnt eine einfache Lautstärkeanhebung in der Regel problemlos. Den Trick nutzen einige Plug-ins schamlos aus: Kaum ist beispielsweise ein Kompressor im Signalpfad, wird die Gesamtlautstärke bereits angehoben. Das gleicht die später angestrebte Kompression vielleicht etwas aus, unser Ohr fällt auf den Trick aber vorerst herein. Wow, das Plug-in klingt ja gut! Erst ein Blick auf den Grad der Kompression entlarvt das Ganze dann vielleicht als Täuschung, denn der Treshold ist noch zu weit oben, der Kompressor ist noch überhaupt nicht aktiv!

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Der EQ als Betrüger

Lautstärke macht uns auch bei Bearbeitungen mit einem EQ zu schaffen, ganz ohne dass wir das wollen oder beabsichtigen. Wenn wir ein Signal aufnehmen, dann gibt es oft störende oder fehlende Frequenzen, was wir gleich im ersten Moment wahrnehmen und dies mit einem EQ ausgleichen. Beispielsweise unnötige Signale im Bassbereich, eine leichte Absenkung der S-Laute oder auch eine fehlende Präsenz in den Höhen. Kaum dass der Kanal offen ist, wissen wir schon, was wir hier zu tun haben, das Signal hat eben Ecken und Kanten, die wir beheben möchten. Im Laufe einer Mischung aber ertappen wir uns vielleicht dabei, dass wir dieses nun recht ordentliche Signal immer weiter bearbeiten.

Im Mittenband leicht anheben, dann die Höhen noch etwas stärker herausheben und irgendwo fehlt da noch die Wärme − unter 1 kHz lässt sich da bestimmt noch etwas finden … Alle diese Anhebungen müssen jedoch nicht unbedingt etwas mit tatsächlichen Frequenzproblemen zu tun haben! EQ-Anhebungen können ebenso notwendig wie total überflüssig sein. Und je mehr wir im Frequenzbereich eines eigentlich schon recht ordentlichen Signals herumbiegen, desto eher besteht auch die Gefahr, am Ende einen frequenztechnisch unausgeglichenen Mix zu erhalten! Ein Beispiel dazu: Ein Sänger hat eine ohnehin schon recht nasale Gesangsstimme; unsere erste Reaktion nach dem ersten Aufziehen des Kanals mündete intuitiv in einer Absenkung im Bereich 2 −3 kHz und einer leichten Anhebung um etwa 500 Hz, um die Stimme etwas auszugleichen.

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Die erste Bearbeitung direkt nach dem Aufziehen des Kanals: Die Gesangsspur braucht etwas untere Mitten, die Spitzen um 2 kHz nehmen wir raus, Hi- und Lo-Cuts dazu, und schon passt das Signal!

Im Laufe einer Mischung wird nun zunehmend die Lautstärke dieser Spur ein Problem, das Signal setzt sich nicht gut genug gegen die E-Gitarren durch. Anstatt jetzt die Lautstärke zu korrigieren und beispielsweise mit der Automation im Sequenzer zu arbeiten, greifen wir auf den EQ zurück und machen nach und nach die Absenkung bei 2 − 3 kHz rückgängig. Die Stimme setzt sich jetzt perfekt durch, aber im Gesamtmix klingt es nicht mehr gut − nur noch laut. Natürlich verleitet ein Equalizer wie etwa der Oxford EQ mit seinen vielen Bändern und Parametern dazu, am Signal herumzuschrauben und die ganzen Dinge auch einzusetzen. Vielleicht klang ja auch schon deshalb manch analoger Mix von früher einfach entspannter, weil man nicht automatisch fünf bis zehn vollparametrische EQ-Bänder pro Kanal zur Verfügung hatte! Vor allem muss man bei diesen Bearbeitungen immer noch unseren Raum mit einbeziehen.

Wenn wir davon ausgehen, dass heute eben viele Mischungen nicht mehr in idealer Umgebung eines akustisch optimierten Profistudios gemischt werden, dann ist es nur natürlich, dass bestimmte Aspekte einer Mischung unter diesen Bedingungen nur schwer zu kontrollieren sind. Wenn sich ein nicht ausgeglichener Raum dann noch mit solchen EQ-Versuchen und seltsamen Anhebungen kombiniert, ist es kein Wunder, wenn der Gesamtmix dann eben anders klingt als das Klangbild unserer Lieblings-CD.

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Die gleiche Gesangsspur nach zwei Stunden: Die ersten Ideen mit frischen Ohren sind dahin, unser Mix ist hier längst zu einem Kampf geworden, in dem sich nur noch laute und total frequenztechnisch verbogene Signale gegeneinander bekämpfen.

Gegensätze mischen

Einige Tontechniker schwören darauf, digitale EQs daher vorzugsweise zum Absenken zu benutzen, eher selten zum Anheben von Frequenzen. Das führt natürlich automatisch dazu, dass man eher ein Signal insgesamt lauter macht anstatt im Frequenzspektrum irgendwelche Bereiche anzuheben. Eine einfache Lautstärkeanhebung reicht oft auch schon, um ein Signal wieder nach vorne zu holen. Wenn es dann in anderen Bereichen zu laut wird, muss man eben die Automation bemühen! Um zu prüfen, wann man sich in solchen sinnlosen Anhebungen verrannt hat, habe ich irgendwann angefangen, immer eine gegensätzliche Instanz zu Testzwecken auszuprobieren.

Wenn ich beispielsweise bei 2 kHz eine Anhebung programmiert habe, einfach mal testen, ob das Signal ebenso gut klingt, wenn ich alles bis auf den besagten Bereich absenke und dann beide Bearbeitungen miteinander vergleiche. Manchmal klingt die erste Variante besser, und es ist einfach genau das, was der Sound braucht. Aber manchmal ertappe ich mich dabei, dass die zweite Variante furchtbar klingt und ich in Wirklichkeit gerade nur anfange, einen Sound lauter zu mischen als den nächsten.

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Zweimal der Oxford EQ: Mit der oberen Instanz werden bestimmte Bereiche eines Sounds angehoben. Allerdings hat dieser Sound vielmehr ein Lautstärke- und kein Frequenzproblem! Die untere Instanz versucht eine ähnliche Bearbeitung, hebt allerdings keine Bereiche an, sondern reduziert nur Frequenzen.

Lautstärke Absenken

Ganz simpel funktioniert auch der folgende Trick: Wenn man schon mehrfach bei einem Signal EQ-Anhebungen programmiert, dann sollte man den höheren Pegel danach wieder ausgleichen. Hat das Signal wirklich diese Anhebungen benötigt, klingt das Signal nur leise, aber trotzdem besser. Klingt es dagegen mit der folgenden Lautstärkeabsenkung eher dünn und unnatürlich, dann sollten wir die EQ-Bearbeitung gründlich überprüfen! Insgesamt kann dieser kleine Trick dazu beitragen, dass deine Mischung einen natürlicheren und damit hochwertigeren Gesamtsound bekommt.

Der Ausgleich per Metaplugin

In den Studiotipps habe ich oft auf das Metaplugin von www.ddmf.eu hingewiesen. Ich selbst benutze es im Alltag sehr häufig, weil sich bestimmte Verschaltungen von Plug-in-Ketten damit auf einfache Weise abspeichern und wiederverwenden lassen. Mit der neuen Version, die du zum Testen kostenlos von der ddmf-Webseite laden kannst, ist endlich eine Funktion zur internen Lautstärke-Anpassung ergänzt worden. So – mit lässt sich beispielsweise bei einem Plugin-Kompressor, der eine starke Lautstärke-Anhebung automatisch macht, vor dem Ausgang auf einfache Weise der Pegel wieder anpassen. Auch für unsere EQ-Anhebungen ei – ne tolle Sache! Fährst du mit der Maus über die virtuellen Kabel im Metaplugin, sind etwa auf der Hälfte der Strecke jeweils kleine Steuerelemente für die Lautstärkeanpassung zu sehen. Mit den Bypass-Knöpfen deiner DAW kannst du dann zwischen der unbearbeiteten Fassung und der Bearbeitung nun so lange hin und her schalten, bis es passt.

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Platten Kompressor-Klangbrei ganz dezent hinzu zu mischen kann vom Rockpiano bis zum Drumset eine gute Lösung sein, mit dem Meta – plugin und einem beliebigen schnellen Kompressor-Plug-in klappt das auf Anhieb.

Parallelkompression

Ein schönes Einsatzbeispiel für diese Pegelanpassung ist etwa die Beimischung eines stark komprimierten Signals zum Originalsignal. Normalerweise flacht ein Kompressor Signalspitzen durch das Reduzieren der Lautstärke ab, bei starker Parallelkompression mischen wir dagegen einen völlig plattgequetschten Klangbrei ganz dezent unserem Originalsignal hinzu. Insbesondere bei perkussiven Signalen, aber auch dezent auf einem kompletten Bus, mag das bisweilen besser klingen als die normale Variante.

Mit dem Metaplugin lässt sich so eine Schaltung nun dank der neuen Parameter in Windeseile konstruieren. Der Kompressor sollte eher zur flinken Sorte gehören und sehr schnell regeln können − beispielsweise wären der NI Solid Bus Comp, PSP Buscomp oder auch eine der bekannten Urei-Emulationen hier erfolgsversprechend. Im Metaplugin fügst du diesen Kompressor nun parallel zum Durchlauf des Signals ein und regelst mit den neuen Lautstärkeknöpfen lediglich das Signal hinter dem Kompressor. Damit der Kompressor auch das Signal ordentlich verdichten kann, braucht er ja ein eher lautes Eingangssignal, du dämpfst also immer nur das Signal hinter dem Kompressor.

Viele aktuelle Kompressor-Plug-ins verfügen bereits über eingebaute Dry/Wet-Steuerelemente. Der NI Solid Bus Comp kann diese Bearbeitung schließlich auch ohne das Metaplugin. Mit dem Metaplugin klappt es allerdings wirklich mit jedem Software-Kompressor!

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Platten Kompressor-Klangbrei ganz dezent hinzu zu mischen kann vom Rockpiano bis zum Drumset eine gute Lösung sein, mit dem Meta – plugin und einem beliebigen schnellen Kompressor-Plug-in klappt das auf Anhieb.

Bass-Boost

Sehr schön eignet sich diese Funktion auch für Multiband-Bearbeitungen. Dem Metaplugin liegt ja eine Frequenzweiche (Crossover) bei, sodass solche ParallelBearbeitungen beispielsweise nur auf den Bassbereich beschränkt bleiben können. Das führt zu einem sehr gleichmäßigen Bassfundament und kann nicht nur für Dance und House manchmal die ideale Problemlösung sein. Dazu fügst du vor dem Kompressor das Crossover-Plug-in in die Signalkette ein und benutzt dort lediglich den unteren Frequenzbereich. Stelle die Übergangsfrequenz auf einen zu deinem Musikstil passenden Wert, und komprimiere diesen Bereich danach ähnlich wie eben platt. Ein niedriger Treshold und eine hohe Ratio sorgen mit kurzen Attack- und Release-Zeiten für einen gleichmäßigen Subbass. Diesen mischst du nun ganz dezent deinem Signal hinzu. Insbesondere auch bei Akustikbässen oder sehr dynamischem E-Bass-Spiel kann diese Schaltung ein echter Tipp sein!

Fazit

Unseren Ohren gefallen Signale oft besser, sobald sie lauter sind. Wir sind (zum Glück) keine Referenzmessgeräte für Lautstärkepegel, und so müssen wir lernen, auch nicht so von uns zu denken. Kleine Lautstärkevariationen zum Testen, oder eine 3-dB-Lautstärkeabsenkung, fest programmiert auf der Taste eines Hardware-Controllers, kann im Endeffekt zu einem entspannteren Mix und zu hochwertigeren Einzelsignalen führen. Viel Spaß beim Ausprobieren!

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Man Man Man ……. Fach chinesisch selbst für mich 10 jahre DAW’s und ich raff eure aussage nicht

    Schreckliche Erklärung

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