Ein großes Aha-Erlebnis beim Mischen mit Bussen hatte ich vor vielen Jahren bei der Produktion eines Audiodemos für einen einfachen Synthesizer. Der Song durfte nur dieses eine Gerät benutzen, und außer zwei Effektblöcken bot die Klangerzeugung lediglich einen gemeinsamen EQ, den man pro Kanal zuschalten oder deaktivieren konnte. Aus der Not heraus programmierte ich diesen als Low-Cut für den Bassbereich und konnte somit sicherstellen, dass der Rest des Playbacks sich nicht mit dem Bass und der Bassdrum ins Gehege kam. Im Grunde war das also ein Sounddemo auf zwei Stereobussen …
Das Demo erntete viel Lob, vor allem wegen des durchsetzungsfähigen Bassbereichs, der für so einen kleinen Synthesizer am Ende doch sehr ordentlich klang. Dieser Song war kein “richtiges” Mischen, aber die allgemeine Begeisterung für dieses Demo entstand hier durch die Verwendung von zwei Bussen.
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Hatte man früher ein einfaches analoges 8-Bus-Pult, dann gehörten Bass-Signale damals immer zusammen auf einen Bus. Refrain/Chorus-Spuren, wie etwa gedoppelte Gitarren, Vocals oder auch Synthesizerspuren, kamen oft auf einen eigenen Stereo-Bus, getrennt von einem weiteren Stereo-Bus mit den Basic-Sounds, die durch den gesamten Song führen. Die Drums bekamen ebenfalls einen Stereo-Bus, und ein Bus war dann noch für den Gesang übrig.
Eine normale 8-Bus-Konsole war dann zwar am Limit, aber mit dieser Vorgehensweise und dem entsprechenden Outboard-Equip – ment in den Inserts war man viel schneller mit dem Mix fertig! Neue Sounds betteten sich in diese fertige Struktur beinahe von alleine ein, und man konnte auf einfache Weise mit der Automation die Lautstärken für jede Instrumentengruppe dynamisch steuern.
Übrigens wurden die Busse damals natürlich auch oft für das Aufnahme-Routing benutzt, aber diese Variante gibt’s in aktuellen DAWs nicht, da wir hier natürlich jeden Eingang direkt auf jede beliebige Spur routen können.
Das Outboard-Equipment auf den Bussen können wir jedoch heute mit Leichtigkeit in unserer DAW simulieren. Ebenso wie etwa Effekt-Sends sind diese meist aber nicht automatisch im Default-Song deiner Software angelegt. Du musst dir dieses Setting zuerst selbst erstellen, und danach kannst du diese Ausgangsbasis in jedem neuen Song verwenden.
Der Start: Trenne den Bass
Um den Bassbereich bei Rock- und Pop-Produktionen auf einfache Weise von vornherein sauber zu halten und einen ersten Eindruck vom Mischen mit Bussen zu bekommen, erstellst du in deinem Audio-Sequenzer einen eigenen Bus, auf den du die Bassdrum und deinen E- oder Synthesizerbass routest: deinen Bass-Bus. Alle anderen Sounds, auch die Effekt-Sends, schickst du auf einen weiteren Bus − wir nennen ihn mal “Stereo-LR”. Beide Busse zusammen bilden am Ende dein Summensignal!
Mit einem EQ schneidest du nun auf dem Stereo-LR-Bus den Bassbereich dezent weg, ohne dass den Sounds wirklich substanziell etwas verloren geht − eventuell bietet sich hier auch eine leichte Anhebung im untersten Mittenbereich an. Auf dem Bass-Bus sorgst du nun dafür, dass dieser sich in diesem nun beinahe völlig freien Frequenzbereich so richtig austoben kann. Für ein ausgeglichenes Bassfundament könntest du ein Kompressor-Plug-in einfügen und abschließend den Bus auf Mono schalten.
Mehr als zwei? Bitte sehr!
Mit dem obigen Konzept hast du nun einen ersten Eindruck, was man im Frequenzbereich mit Bussen anstellen kann. Für die ersten Gehversuche würde ich eine einfache Aufteilung mit fünf Bussen empfehlen, die im Grunde eine Variante meiner früheren Bus-Anordnung auf dem 8-Bus-Pult entspricht. Die Effekt-Sends schicken wir diesmal übrigens direkt auf das Summensignal:
1. Lead-Vocals (oder Lead-Instrumente falls es ein Instrumentalstück ist)
2. Refrain/Chorus-Stereo für alle Spuren, die in einem typischen Rock- und Pop-Song in den Chorus-Passagen spielen
3. Basic-Sounds
4. Bass-Bus
5. Drums
Welche Instrumente man zusammen bearbeitet oder gemeinsam in der Lautstärke steuern möchte, hängt natürlich extrem vom Musikstil und der Zusammensetzung einer Band ab! Neben der reinen Gruppierung nach Instrumentengruppen, die auf den ersten Blick logisch erscheint, sollte man Busse vor allem auch zur dynamischen Steuerung einsetzen. Daher lohnt es sich, die Klänge auch anhand ihrer Funktion anzuordnen.
Ein einfaches Beispiel dazu: Wenn du einen Rock-Song mit Gesangsspuren, Drums, Bass, zwei Gitarren und Keyboard-Sounds aufnimmst, dann werden die Gitarren- und Keyboard-Parts sicher im Refrain anders spielen als im restlichen Stück. Wahrscheinlich gibt es hier mehr Spuren, die Gitarren habt ihr vielleicht gedoppelt, und auch der Keyboarder spielt obendrauf auch noch andere Sounds. Diese zusätzlichen Spuren fasst du auf dem Chorus-Bus zusammen, um diese gegen das Grundgerüst des Songs gezielt in der Lautstärke abstimmen zu können. Eine leichte Absenkung der Basic-Sounds im Refrain lässt sich zudem viel leichter automatisieren, als jedes Instrument einzeln abzustimmen. Mir hat zudem die Unterscheidung immer sehr geholfen, mir bewusst zu machen, was ich mit einer bestimmten Spur will: Soll die nach vorne, oder gehört die mehr zum Grundgerüst?
Der Chorus eines typischen Rock- und Pop-Songs kann ruhig etwas dichter klingen, ein Kompressor-Plug-in auf diesen Sounds und vielleicht auch eine EQ-Anhebung im Präsenzbereich kann dazu führen, dass die Sounds sich hier automatisch besser durchsetzen, allerdings dürfen sie auch nicht die Solo-Instrumente oder die Gesangsstimme plattmachen. Das Feintuning macht’s … Im Basic-Sounds-Bus kannst du probehalber etwas die Höhen reduzieren und hier einen sehr dezenten Kompressor einsetzen, der nur wenig in das Geschehen eingreift.
Sättigung
Immer mehr Plugins kommen aktuell auf den Markt, die die »Wärme« analoger Mischpulte oder das Verzerrungsverhalten von analogen Bandmaschinen simulieren sollen. Hast du deinen Mix wie oben aufgeteilt, sind solche Experimente ein Kinderspiel: Füge das Plug-in mit drastischeren Einstellungen in die Inserts des Refrain-Bus, bei den Drums und beim Bass-Bus ein. Die restlichen Spuren sollten dagegen eine sehr dezente Einstellung bekommen. Das entspricht ungefähr dem Ergebnis, was man früher am analogen Pult automatisch erzielte: Die Chorus-Instrumente hat man vielleicht mal “hot” aufgenommen, ebenso Drums und Bass, die restlichen Instrumente hat man aber meist sehr akkurat eingepegelt.
Ausblick
Natürlich sind die obigen Tipps eine einfache Variante, die eher zu einfachen Rock- und Pop-Songs passt, und sicher würde auch niemand auf die Idee kommen, andauernd mit einer DAW die Beschränkungen eines analogen 8-Bus-Pults zu simulieren! Busse lohnen sich aber in jedem Fall, weil wir mit ihnen bestimmte Funktionsgruppen unserer Mischung einfacher kontrollieren können und wenn wir bestimmte Instrumentengruppen gemeinsam im Frequenz- oder Lautstärke – bereich bearbeiten möchten. Beide Varianten haben wir, mit unserem einfachen Bus-Konzept kombiniert, ausprobiert.
Ein passendes virtuelles Mischpult für die eigene Stilrichtung zu erstellen, einen Default-Song in der DAW zu basteln, der einen schon von alleine dahin trägt, wo man normalerweise hin will … das kann dauern. Oft habe ich am Ende einer guten Mischung den ganzen Song leergeräumt und nur die wichtigsten Plug-ins in den Bussen und Effekt-Sends gelassen und benutze diese Vorlage dann als Grundlage immer wieder neu. Viele Plug-ins, die auf Bypass geschaltet sind, la – den auf den Bussen gleich mit, sodass ich diese mit einem Mausklick aktivieren kann − beispielsweise NIs VC 76 auf den Vocals oder Softubes TLA-100A auf dem Bass-Bus. Auch einfache Hi- und Lo-Cuts sind bereits auf den Bussen platziert, sodass diese nur noch an die neuen Aufnahmen angepasst werden müssen.
Das spart zum einen Zeit und sorgt dafür, dass man auch in einer virtuellen Umgebung mit tausend Möglichkeiten nicht, wie früher im analogen Studio, bestimmte bewährte Ideen immer von Grund auf neu entwickeln muss. Letztlich trägt es vielleicht auch dazu bei, dass eine Produktion einen gewissen persönlichen Charakter bekommt, der sich durch alle Mischungen nach und nach durchzieht − fast wie im analogen Zeitalter …