Immer häufiger packen Plug-in-Hersteller eine große Auswahl an vorgefertigten Presets in ihre Produkte, und nicht selten tragen diese sogar die Namen bekannter Mix-Engeneers oder Musikproduzenten. Aber bedeutet das wirklich, dass wir nun so gut und schnell mischen können wie ein Chris Lord-Alge oder ein Tony Maserati? Und wenn nicht, können Presets trotzdem sinnvoll zu einem besseren Workflow beitragen?
Und Eins vorweg: Nein, man kann nicht so gut wie ein Chris Lord-Alge mixen, nur weil man seine Presets benutzt. Trotzdem können diese erstaunlich hilfreich sein, und das nicht nur für Anfänger. Auch erfahrene Mixer und Musikproduzenten benutzen sie regelmäßig als Ausgangspunkt oder als Inspiration für einen Sound, auf den man vielleicht sonst nicht gekommen wäre. Natürlich klingt jede E-Gitarre anders und benötigt eine andere Bearbeitung. Dementsprechend passt das »CLA Gtr Amp1«-Preset für den Waves SSL G Channel auch nicht immer perfekt. Aber es klingt zumindest besser als das »CLA Kick 3«-Preset auf den Gitarren; und auch deutlich besser als das Plug-in in der Grundeinstellung. Insofern bringt uns das Preset also schon mal weiter.
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Von hier aus können die Einstellungen recht schnell und mit wenigen Handgriffen an den gewünschten Sound angepasst werden – vorausgesetzt, das Preset ist sinnvoll gewählt. Aber auch als Vergleich oder Inspiration sind solche vorgefertigten Schablonen hilfreich. So kann man in den meisten Plug-ins über eine A-B-Funktion die eigenen Einstellungen mit den Hersteller-Presets vergleichen. Nicht selten wird man feststellen, dass diese genauso gut oder besser klingen. Oder zumindest ein anderes Bild von dem Instrument zeichnen, auf das man selbst nie gekommen wäre. Aber so hilfreich solche Presets bei einzelnen Instrumenten auch sind, man muss trotzdem recht viele Änderungen selbst vornehmen.
Etwas anders sieht die Sache aber bei Effekten aus. Möchte ich z. B. ein schönes Viertel-Delay haben, dann funktioniert bei fast jedem Plug-in ein entsprechendes Preset perfekt. Es ist in der Regel das richtige Routing voreingestellt, und das Delay synchronisiert sich automatisch zum Songtempo. Im schlimmsten Fall muss man vielleicht noch das Feedback ändern. Aber in den meisten Fällen kann es genauso verwendet werden.
So ähnlich verhält es sich auch mit dem Hall. Schon in den 90ern hat man bei Hardware-Hallgeräten ein Preset geladen und, wenn überhaupt, dann nur ein bis zwei Parameter optimiert. Braucht man einen großen Raum, lädt man sich einfach das »Huge Room«- oder »Grand Hall«-Preset und stellt sich den Reverb nicht von Null an zusammen. Hier sind die Hersteller-Presets also essenziell für einen schnellen Workflow, und wirklich jeder benutzt sie.
Es müssen aber nicht immer die vorgefertigten Presets von anderen sein. Auch eigene können sehr hilfreich sein. Wie oft haben wir schon ein Plug-in geladen und die Parameter immer wieder gleich eingestellt.
Wenn ich z. B. den SSL-Kompressor lade, dann werden in 99 % der Fälle die Ratio auf 4:1, Attack auf 10 s, Release auf 0.1 s und der Make-Up auf 0 gestellt. Das nimmt natürlich nicht viel Zeit in Anspruch, aber wenn man das ca. zehn Mal pro Mix, bei fünf bis sechs Mixen pro Woche, machen muss, dann nervt das. Diese technischen Kleinigkeiten können den kreativen Prozess unnötig zäh und langwierig machen. Wäre da ein eigenes Default-Preset nicht hilfreich, sodass das Plug-in schon beim Laden genau diese Einstellung hat? So auch das Factory-Preset, dass ich z. B. für den Fabfilter Pro-Q3 erstellt habe, bei dem die benötigten sieben EQ-Bänder gleich voreingestellt sind und mit dem Hardware Controller korrespondieren, den ich im Studio benutze.
Zusätzlich zu solchen Default-Presets können aber auch spezifische Voreinstellungen für bestimmte Instrumente hilfreich sein. So z. B. das »Git start«-Preset, dass ich für den Sonnox EQ habe. Hier sind bereits ein Low- und High-Filter aktiviert und alle Frequenzen so eingestellt, wie ich sie für E-Gitarren am liebsten benutze. Oder auch das »W-BV1«-Preset für den Soundtoys Decapitator, der das Mischen von Backing-Vocals erleichtert. So muss man immer nur einen Knopf drücken, um seinen Lieblingssound zu bekommen und nicht jedes Mal aufs Neue acht bis zehn Regler bedienen.
Presets können unseren Workflow also durchaus sinnvoll beeinflussen und beschleunigen – unabhängig davon, ob vom Hersteller oder von uns selbst erstellt. Besonders wenn man sie als Grundlage sieht, von der man aufbauen und weiterarbeiten kann. Man fängt ja auch nicht an, seine Lautsprecher jeden Tag neu zu verkabeln.