Tipps zu Social Media, Bio, Fotos, Bühnenauftritt, Interviews und Co.
Selbstvermarktungs-Tipps für deine Band
von Nicolay Ketterer, Artikel aus dem Archiv
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Wie schreibe ich als Künstler meine Bio, welche Fotos passen zu mir? Welche Social-Media-Kanäle sollte ich bedienen? Jene Fragen beantworten sich, wenn man die eigenen Ziele kritisch hinterfragt, meint Saskia Rienth. Die ehemalige Radiomoderatorin hat Medienkunst studiert und hilft Bands, sich passend zu präsentieren — wenn’s brennt, auch kurzfristig per Skype. Ein Blick auf Missverständnisse bei Selbstvermarktung, Social-Media-Inhalten und Bühnenshows.
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Saskia Rienth bezeichnet sich selbst als »Kommunikations-Coach für kreative Köpfe«. Die ehemalige Radiomoderatorin hat Medienkunst studiert und hilft Künstlern, ihre Stärken in ein passendes, individuelles Image zu übersetzen − für eine stimmige Biografie, Bandfotos, Social-Media-Präsenz und/oder Bühnenshow. Künstlern zeigt sie Stolperfallen auf und vermittelt ansteckenden Enthusiasmus.Ein Blick darauf, wie sich die eigene Musik als »Marke« präsentieren lässt.
Gerade die Pflege von Social-Media-Auftritten kann viel Zeit beanspruchen. Wie kann eine Band den Aufwand optimieren?
Ein klassischer Fall: Bands zeigen mir, dass sie bei Instagram, SnapChat, Facebook, SoundCloud und noch fünf weiteren Plattformen angemeldet sind. Das ist ein Full-Time-Job in Sachen Kommunikation. Ich frage dann: »Wollt ihr nicht hauptsächlich Musik machen?« (lacht) Die denken zunächst, sie müssten überall stattfinden. Stattdessen gehe ich einen Schritt zurück: Wo will die Band hin, wer wollen sie sein, wie wollen sie wirken? Welche Gefühle soll die Musik erzeugen? Daraus lassen sich die passenden Social- Media-Kanäle ableiten. Wenn ein Musiker gerne fotografiert − super, damit lässt sich direkt Instagram nutzen. Wenn die das überhaupt nicht mögen − warum sollten sie dann in dem Kanal stattfinden? Ich schaue immer, dass ich eine Welt um die Künstler aufbaue, in der sie sich sicher fühlen und die ihrer Kommunikation entspricht. Lieber etwas ganz oder gar nicht machen, statt sich zu verzetteln.
Nach dem Aussortieren bleiben in der Regel zwei Kanäle übrig. Das ist völlig ok, wenn man weiß, wo sich potenzielle Hörer aufhalten. Die Kommunikationswege haben wir uns überlegt, die Band kann sich wieder auf Musik konzentrieren, der Rest läuft nebenbei. Es geht darum, was sie eigentlich wollen: »Was könnt ihr relativ einfach umsetzen, ohne dass es viel Arbeit macht?«
Manchmal vermitteln Postings keine wirklichen Inhalte, sondern scheinen nur dazu zu dienen, Aufmerksamkeit zu erzeugen …
Viel entsteht aus der Unsicherheit heraus: »Was wollen wir eigentlich auf unserem Kanal kommunizieren?« Es ist wichtig, die Künstleridentität zu definieren. Du kannst erst kommunizieren, wenn du weißt, wer du bist. Wir schauen einfach, dass die Inhalte zur Band und Musik passen. Wenn die Band Facebook nutzt, empfehle ich, Kanäle von bekannteren Bands − zum Beispiel Milky Chance, Jennifer Rostock oder Vulfpeck − und »das Beste aus Social Media« zu abonnieren, um auf dem Laufenden zu bleiben.
Um die eigene Identität zu definieren, legst du Künstlern zu Beginn gerne ein leeres Blatt hin …
Ich komme mit großen A1-Plakaten und vielen Buntstiften an, dazu jede Menge Fragen: Wer willst du eigentlich sein? Warum tust du dir das überhaupt an, dich mit deinem Herzblut auf eine Bühne zu stellen und eventuell ausgebuht zu werden? Künstler haben auf ihre Art und Weise ein positives Ego: »Mir ist das wichtig. Ich will, dass die Leute mich kennen, als angesehener Musiker gelten.« Andere sagen: »Eigentlich ist mir meine Person überhaupt nicht wichtig. Ich will eher eine Botschaft rüberbringen.« So eine Einordnung hilft − dann gehen wir in der Kommunikation weniger auf deine Persönlichkeit ein, eher auf das, was du zu sagen hast.
Es geht darum zu schauen: Was ist die Vision? Was sind deine Werte? Wie würdest du deine Musik beschreiben, welche Genres fließen mit ein? Wo liegen deine Stärken, wo deine Schwächen? Das gibt einen groben Einblick. Und dann schauen wir, wie wir das kommunizieren können. Ich wende mich gerne an die Texter: »Ihr könnt doch schreiben und wisst um die Kraft der Worte!« Es fällt uns allen nur schwerer, wenn man über sich selbst kommuniziert.
Wer eine Bandbiografie schreibt, sollte er in einer direkten »Wir«-Perspektive schreiben oder in der dritten Person?
Normalerweise fällt es Bands leichter, in der dritten Person über sich zu schreiben. Dadurch entsteht eine Art Vogelperspektive. Anpassen können wir es später immer noch.
Die Künstleridentität verortest du zudem zwischen einem »persönlichen Ich« und einer inszenierten Kunstfigur …
Ich male einen Strich auf ein Blatt Papier, rechts und links ein Kreuz: Das linke steht zum Beispiel für das »persönliche Ich«, rechts ist die Kunstfigur angesiedelt. Die steht für die Inszenierung − wie bei Lady Gaga oder David Bowie. Bei dem »persönlichen Ich« sind wir in der Regel im Singer/ Songwriter-Bereich, ganz nah am »Privaten« dran − was nicht heißt, dass derjenige alles von sich preisgibt.
Dann können die Künstler irgendwo auf der Linie ihr Kreuz setzen, wo sie sich selbst sehen − ganz aus dem Bauch heraus, ohne lang zu überlegen. Am Ende bedeutet das: Wenn jemand sein Kreuz bei der Kunstfigur setzt, will man eigentlich nicht sehen, wie die morgens ihr Frühstück essen, in ungeschminkter Haltung und ohne Künstler-Outfit. Die sind beim Social-Media-Content eher im Show-Modus angesiedelt: auf dem Weg zum Konzert, beim Aufbau, nach der Bühnenshow, bei Proben, beim Songschreiben − während ich den »persönlichen« Künstler, der dicht an seinem Privaten dran ist, auch gerne mal in seinem Umfeld sehen möchte. Dabei gilt es abzuwägen: Wie sehr zeige ich mein »Ich« auch privat, oder wie sehr bleibe ich im Musikergeschehen.
Wie bereitest du selbst deinen »Blick von außen« vor?
Oft höre ich mir im Vorfeld die Musik der Band bewusst noch nicht an. Ich finde es spannend, wenn die Band mir erst mal erzählt, wie sie sein wollen, und danach schauen wir auf die Musik, Texte und Kanäle. Dann kann ich relativ schnell sagen: Finde ich genauso wieder − oder: Ist ja was ganz anderes!
Den letzten Fall hatte ich kürzlich: Auf dem Plakat standen Adjektive wie »bunt, jung, wild« − und das Artwork war schwarzweiß, wie ein Gruftie-Ding! (lacht) Am nächsten Morgen meinte der Künstler von sich aus: »Mein Artwork funktioniert eigentlich gar nicht.« − »Super, dass du das sagst − ist mir auch aufgefallen.« Das will ich nicht von oben herab sagen, sondern eine Sensibilisierung schaffen − Hilfe zur Selbsthilfe geben, sodass die Künstler verstehen, »ich wirke authentisch«.
Man sagt umgangssprachlich zwar: »Ich bin authentisch.« Tatsächlich ist Authentizität eine Zuschreibung von außen, wenn jemand sehr stimmig wirkt. In Berlin gibt es jemanden, der sich bei der Obdachlosenhilfe engagiert und einem Verein vorsitzt, aber einen Maserati als Dienstwagen fährt. Die Schlagzeile taucht gelegentlich in der Bild-Zeitung auf, weil die Leute dieses Bild nicht in ihrem Kopf zusammenbekommen. »Ist das ein riesen Arsch, oder steht ihm das natürlich zu, als Vorsitzender eines großen Vereins auch zu repräsentieren?« Sobald es stimmig durchdacht wirkt, wird jemand auch als authentisch wahrgenommen.
Ich kann die Musiker also beruhigen: Ihr seid immer authentisch, weil wir bei euch bleiben. Ich gebe die Bandbeschreibung nicht vor, sondern gehe vom Künstler aus: Wie muss das von euch kommend aussehen? Das sind die Unterschiede, die wir brauchen − es gibt heutzutage mehr Musiker denn je! Die Alleinstellungsmerkmale kennen die Bands vielleicht noch nicht, aber die arbeiten wir im Gespräch heraus. Die Identität, die wir definieren − ein Leitmotiv − erkläre ich den Musikern wie das Arbeiten am Mischpult: »Die einzelnen Instrumente für den Mix liegen klar vor uns, aber wie stark wir Bass oder Synthies reinnehmen, können wir selbst wählen. Innerhalb dieses Rahmens könnt ihr euch aufhalten.« Das habe ich gestern in einem Workshop bemerkt: Sobald dieser Rahmen klar war, mit allem, was auf dem Plakat stand, sind viele Probleme plötzlich geklärt, weil der rote Faden da ist.
Stichwort Interviews: Du versuchst, Künstlern bei Bedarf Unsicherheiten zu nehmen und bereitest sie vor …
Auf der einen Seite gebe ich ihnen einen Schutzpanzer mit, auf der anderen Seite stellen wir Themen fest, womit die gerne nach außen gehen. Das ist eine Gewinn für beide Seiten: Der Künstler weiß, sein »schwarzes Feld« kommt nicht zur Sprache: Wir schauen nach Alternativen, die diesen Wert auf andere Weise anders beschreiben, was du immer wieder erzählen kannst, ohne dass es dich zu sehr tangiert.
Wie sollte sich ein Künstler generell auf ein Interview vorbereiten?
Zunächst herausfinden, was der Anlass ist, und sich über den Journalisten und das Medium informieren. Beim Hörfunk: Ist das Interview live, oder wird es aufgezeichnet? Bei einer Aufzeichnung kann man seine Aussagen problemlos verbessern und sich mehr Zeit zur Beantwortung lassen. Bei Interviews mit mehreren Bandmitgliedern ist es gut, vorher festzulegen, wer sich zu welchen Themen äußert. Dann ist klar, wer auf welche Frage antwortet. Ansonsten: Am besten allgemeinverständlich sprechen und kurze, prägnante Sätze verwenden – in Schachtelsätzen kann man sich verlieren! So kann sich das Publikum die Sätze besser einprägen, der Künstler kann besser zitiert werden.
Im Radio ist die Aufmerksamkeitsspanne sehr gering, deswegen solltest du nicht zu viele Aspekte in einen Satz packen. Gehe am Satzende mit der Stimme runter − so kann dich der der Redakteur gut schneiden und setzt O-Töne öfter ein. Was den Inhalt angeht: Fragen, die immer kommen, mache ich mir so angenehm wie möglich, sprich, auf die Bandnamen-Frage habe ich mehrere Antworten zur Verfügung, weil ich nicht immer auch das Gleiche erzählen will. Natürlich stimmen die auch alle, das ist ganz wichtig. Das freut auch den Journalisten, weil er sagt: »Super, die Info habe ich jetzt noch nie von dir gehört.«
Zum Thema Bandfoto: Früher gab es das gefürchtete Klischee der »Band vor der Mauer«.
Wie kann ein Foto aussehen, damit es eine Band passend widerspiegelt? Zum einen kann man von außen nach innen gehen: im Genre schauen, wie die Alben, die mir gefallen, und die Pressefotos der Bands gestaltet sind. Ich mache es eher andersrum, schaue mir die »Marktumgebung« für die Künstler an und lasse sie in ihrer eigenen Blase: Wenn die laut ihrem Plakat zum Beispiel ernst, wild, aber auch bodenständig wirken wollen, kann ich mich daran orientieren. Ich frage auch: Nach welcher Farbe oder welchem Muster klingt eure Musik? Manche hören Musik tatsächlich in Farben. So kommen wir dann auf »dunkelblauschwarz mit Neonröhren«. Neonröhre heißt, wir sind wahrscheinlich nicht draußen. Das alles lässt sich nicht pauschal sagen, ich hangle mich mit denen vor.
Der große Fehler, den Bands machen: »Meine Freundin ist Fotografin! Mein Kumpel ist Grafiker! Der macht uns jetzt mal ein Logo, und die Freundin fotografiert uns nächste Woche.« Der Gedanke ist völlig richtig, zu sagen, was aus unserem Umfeld können wir kostenlos nutzen. Aber wenn die Band nicht mit einer konkreten Idee zu denen kommt, verwenden die ihre eigenen Ansätze. Ich frage mich hinterher, warum die in einem Sonnenuntergang zu sehen sind, wenn sie eigentlich Hardcore machen: »Das war der Lieblingsspot der Fotografin.«
Du kümmerst dich auch um die Bühnendramaturgie bei Konzerten. Was wird denn bei der Bühnengestaltung oft übersehen?
Ganz wichtig: die visuelle Kommunikation! Der Bandschriftzug sollte irgendwo an der Bühne auftauchen. Auf Fotos weiß sonst keiner mehr, wer die Support-Band war. Oder man läuft im strömenden Regen beim Stadtfest an der Bühne vorbei − die Band klingt cool, aber man wartet natürlich nicht, bis die mal ihren Namen sagen. Ich habe das zur Not schon auf einen Gitarrenkoffer getaped, wenn es nicht viele Buchstaben sind. Mittelfristig sollte es natürlich etwas sein, das auch cool aussieht, zur Band und zum Artwork passt, aber im ersten Moment ist es wichtiger, den Schriftzug irgendwie auf die Bühne zu klatschen − Hauptsache, diese Info ist da. Dann kann man sich für den nächsten Gig eine idealere Lösung überlegen − zum Beispiel im Baumarkt Material besorgen oder mit einer Lichterkette arbeiten.
Worauf sollten Bands beim Thema Bühnen-Outfit achten?
Viele Newcomer-Bands gehen am Anfang mit ihrer privaten Persönlichkeit auf die Bühne. Denen sage ich, dass sie nicht im gleichen Outfit rumrennen können, wie sie auf der Couch rumgammeln. Als Konzept in Ordnung! Aber eigentlich brauchen Bands für die Bühne ein extra Outfit. Das kann sehr nah an dem sein, was sie sonst auch anziehen − aber es geht um den inneren »Switch«.
Das ist auch bei Schauspielern zu beobachten, wenn die in ihre Rolle gehen. Das muss natürlich so nicht auf Musiker zutreffen − ich bin weit weg davon, die in eine Rolle zu stecken. Wir setzen ein Spotlight auf bestimmte Facetten und lassen andere eher unter den Tisch fallen.
Wenn nur wenig Publikum zu einem Konzert kommt − wie kann ich das vielleicht sogar zu meinem Vorteil nutzen?
Ich ermuntere Bands, sich nicht zu ärgern, wenn mal nur 20 oder 30 Leute kommen. »Ihr habt die Möglichkeit, Konzerte anders und völlig neu zu machen. Spielt damit: Wenn nur zehn Leute kommen, holt die hoch an die Instrumente und macht mit denen zusammen Mucke! Oder macht ein Dunkelkonzert − was auch immer! Mit wenigen Leuten ergeben sich nochmal ganz andere Möglichkeiten, sodass es wirklich zu einem einmaligen Event wird. Das ist letztendlich das, was ein Konzert sein soll! Die Leute machen Fotos, erzählen das am WG-Küchentisch, und schon nimmt es seinen Lauf − im Gegensatz zu einer Show, die so tut, als ob die Musiker die größten sind − und natürlich ist allen klar, dass dem nicht so ist. (lacht) Das zu überspielen, kann zwar an der Oberfläche funktionieren, aber wenn ich aus dem Konzert rausgehe, sagen mir Bauchgefühl und Intuition, dass da etwas nicht stimmt. Damit kann man sich leicht sein eigenes Grab schaufeln!
Bei den einzelnen Bandmitgliedern bestehen oft unterschiedliche Motivationen, aus welchem Grund jeder Musik macht und wo er damit hinwill. Solange man nicht drüber spricht, gehen alle davon aus, dass man am gleichen Strang zieht …
Absolut! Deswegen ist das auch Bestandteil der Definition auf dem Plakat. Es geht darum: Was ist eure Vision, wo wollt ihr hin? Oft heißt es: »Erfolg haben!« Was heißt denn Erfolg? Dann stellt sich heraus: Für den einen bedeutet Erfolg, dass er davon leben kann. Der Nächste will nur mal auf Tour gehen, findet er cool. Der Dritte will einmal im Leben in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin spielen.
Die Schlüsselfrage liegt in den Prioritäten. Die Bandgründer haben ihre Band in der Regel auf Prio A. Je nach Bandmitglied kann das mal bis zu Prio C gehen! Wie wichtig ist das gerade, welchen Stellenwert hat es in meinem Leben? Es geht nicht darum, Prio A zu sein. Es ist wunderbar, wenn die Band sagt: »Wir haben Familie, Jobs, für uns ist das ein tolles Hobby. Wir freuen uns, wenn wir lokal regelmäßig spielen können.« Die machen das auf Prio B oder C, dann gibt’s keine Probleme.
Es ist nur problematisch, wenn der eine sagt, er hat Prio A und der andere Prio C. Der »A-Priorist« ist frustriert von den C-Leuten, die nie Zeit haben und nicht mitziehen. Im Gegenzug sind die C-Leute irgendwann frustriert: »Nerv doch nicht ständig − du weißt genau, dass ich da andere Termine habe.« Das ist nur eine Frage der Zeit, bis es knallt. Dann merkt man relativ schnell am Anfang: Wir kommen definitiv nicht auf einen grünen Zweig, das kann gar nicht gehen! (lacht)
Viele wollen auf der Bühne selbstsicherer sein. Was kann denen die Unsicherheit zu nehmen?
Die ist meist situationsabhängig. Der Sänger ist in der Regel sicher, wenn er singen kann. Sobald der Song aufhört, geht’s los: Die Situation ist ungewohnt, die Unsicherheit fängt an. Bandmitglieder unterhalten sich intern oder wurschteln herum. Da sage ich gerne: »Du bist der Sänger, die Augen des Publikums liegen die ganze Zeit auf dir. In dem Moment, wo du dich wegdrehst oder hinter der Bühne was holst, gibt’s einen totalen Bruch mit dem Publikum und der Beziehung, die du gerade aufgebaut hast. Bleib doch bei denen, die feiern dich voll dafür!
Ich hatte auch mal einen Bassisten, der während der Show auf den Boden guckte, weil er nicht wusste, wo er hinschauen soll. Bei der Tour-Vorbereitung hatte ich ihm einen Zettel auf die Bühne gelegt: »Nach oben gucken.« (lacht) Er meinte, es verunsichert ihn, wenn er den Leuten direkt in die Augen sieht. Dem sagte ich: »Kein Problem! Du kannst zum Beispiel oben zwischen die Augenbrauen schauen.« Den Punkt kann man gut anschauen, und jeder denkt, du schaust ihn direkt an, aber eigentlich ist der Blickpunkt einen Tick drüber.
Ich sage allen auch, dass sie gerne rundherum ins Publikum schauen sollen, nicht nur in die berühmte Mitte. Dazu teile ich das Publikum in drei Reihen auf: die vordere, mittlere und ganz hinten − davon jeweils noch rechts und links. Das sind viele Fixpunkte, durch die man mit den Augen im Raum wandern kann. Das hat dem Bassisten geholfen, erst mal den Blickkontakt im Groben herzustellen, ohne ihnen in die Augen zu gucken. Ich war völlig überrascht − nach ein paar Shows hat er das selbstverständlich gemacht, ist nach vorne an die Bühne gekommen, hat sich hingekniet und sein Basssolo gespielt!
Ganz oft wollen Musiker wie ihre Idole abgehen, sind aber wahnsinnig schüchtern und trauen sich nicht. Aus dem Grund entsteht eine introvertierte Haltung, die eigentlich den Umständen geschuldet ist. Das gilt auch bei Ansagen: Wenn der Sänger keine Ansagen in die Stille hinein machen will, sozusagen im Trockenen, kann man − wie vorhin erwähnt − ein bisschen Musik drunter legen, sodass sich der Sänger nicht ganz so verloren oder nackt vorkommt.
Was kostet denn deine »Rundum-Betreuung« für eine Band?
Bei Labels und Firmen habe ich meinen normalen Satz, für Musiker und Künstler direkt ist es etwas günstiger − 75 Euro pro Stunde. Ich schnüre aber auch gerne Pakete, wenn klar wird, dass wir uns mehrere Stunden treffen oder über Wochen miteinander arbeiten werden. Da wird’s dann deutlich günstiger.
Bei größeren Bands ist das kein Thema, aber gerade Newcomer haben ein knappes Budget. Die stecken manchmal ihr gesamtes Geld in die EP-Produktion, in alles, was die Musik selbst betrifft, haben aber nicht auf dem Schirm, dass für Promo, Marketing und Kommunikation auch noch Kosten anfallen müssen. Wir finden uns dann auf dem passenden Niveau.
Viele Künstler möchten gelegentlich Input. Ich gebe sozusagen Hilfe zur Selbsthilfe, gehe mit ihnen immer mal wieder die Bühnen-Show oder Materialien durch und gebe ihnen Ansätze mit. Eine Woche später machen wir wieder eine Stunde.
Andere Bands wollen das als »Crash-Kurs« in drei, vier Tagen durchziehen − denen schnüre ich ein Paket. Das reicht von 500 bis 2.000 Euro − je nach Zeitaufwand.
Ich arbeite aber auch mit Förderstellen zusammen (z. B. der Berliner Music-Pool, der Mannheimer Band-Support oder die »Club-Tour« von Vita-Cola und der Zeitung »Spießer«; Anm.d.Red.), wo die Kosten teilweise mitfinanziert werden.
Sehr interessant und hilfreich, auch für alte Hasen wie mich.
Den Artikel werde ich mal mit meinen Bandkollegen teilen.
Dito!