Sound Design – Vermischen von Sounds mit Zynaptiqs Morph 2
von Klaus Baetz,
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Herzlichen Willkommen zum vierten Teil der Sounddesign-Artikelreihe. In dieser Folge konzentrieren wir uns mal nicht auf das Erstellen eines bestimmten Sounds, sondern widmen uns einem einzigen Tool, welches eine Bereicherung im Werkzeugkasten eines jeden Sounddesigners darstellt: Zynaptiq Morph 2.
Morph 2 kann, grob gesagt, zwei Audiosignale miteinander verschmelzen, wobei dem einen Signal bestimmte Charakteristika des anderen Signals aufgeprägt werden und anders herum. Dadurch eröffnet sich eine große Spielwiese an Möglichkeiten, denn es macht einen Heidenspaß, verschiedenste Kombinationen von Signalen auszuprobieren und diese immer wieder auf andere Art und Weise miteinander zu vermengen. Morph 2 ist ein Effekt, für den es prinzipbedingt keine wirklichen Regeln gibt. Die Ergebnisse sind so stark vom Eingangsmaterial sowie den Feineinstellungen der Parameter abhängig, dass ich hier nur grobe Richtungen und Ideen vorgeben kann und will. Wichtig zu wissen ist, dass Morph nicht einfach zwei Soundquellen überblendet und man irgendwie beides überlagert, also gleichzeitig hört. Hier fließen bestimmte Charaktereigenschaften − z. B. alle rhythmischen Aspekte − des einen Sounds in den zweiten Sound hinein, und daraus entsteht ein völlig neuer Sound. Gezupfte Gitarren-Arpeggios plus Strings-Pad ergeben dann so etwas wie ein Pad, das in der Rhythmik des Arpeggios auf zauberhafte Weise wie mit einem Plektrum angezupft klingt.
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Die Bedienoberfläche
Die Prozesse, die diese abgefahrenen SoundBearbeitungen erlauben, basieren auf komplexen Algorithmen, und man muss warnen: Morph 2 ist sehr CPU-hungrig. Gerade beim Einsatz in größeren Produktionen benötigt man ein leistungsfähiges System oder muss hin und wieder bouncen. Das ist aber auch alles, was man zur Handhabung wissen muss, denn mit Morph Sounds zu kreieren, ist kinderleicht und sehr intuitiv. Das GUI von Morph 2 ist entsprechend minimalistisch und übersichtlich sowie nur mit wenigen Parametern ausgestattet. Wichtigstes Werkzeug ist das große X/Y-Feld, welches sich in der Mitte befindet und das dem direkten Morphen der Sounds dient. Links davon befinden sich, vom Preset-Dropdown abgesehen, diverse Parameter, die wiederum festlegen, wie Morph mit den Ein- und Ausgangssignalen umgeht. Unter »Algorithm« finden sich verschiedene Algorithmen, die die grundlegende Arbeitsweise und daher auch den Sound von Morph bestimmen. Dabei geht es nicht um verschiedene Qualitätsstufen, sondern um wirklich krasse Unterschiede darin, wie das Plug-in die Signale vermengt. Mit »Amp Sense« steuert man, wie der gewählte Algorithmus auf bestimmte Signalanteile reagiert − dieser Regler verhält sich also je nach Algorithmus unterschiedlich. »Formants« ist ein Formantshift-Effekt des Ausgangssignals, und »Complexity« beeinflusst die Komplexität des Ausgangssignals; mit diesem Regler kann man also beispielsweise aus zwei ereignisreichen und dynamischen Inputsignalen eine breiige Masse formen, indem man die Komplexität reduziert. Rechts vom X/Y-Feld gibt es dann noch eine prinzipiell selbsterklärende Mixersektion sowie einen rudimentären, jedoch effektiven Reverb.
Erste Schritte: Vocoder
Beim Gedanken an ineinander gemorphte Sounds denken vermutlich einige an einen Vocoder, und dieser Effekt lässt sich mit Morph 2 sehr einfach erzeugen. Dazu brauchen wir die Aufnahme einer Stimme, die wir in Input A schicken, sowie eine Synthesizerfläche, die Input B beschickt. Je nach RoutingMöglichkeiten der eigenen DAW kann man hierfür sowohl jeden beliebigen Softwareklangerzeuger als auch externe Hardware verwenden. Als Algorithmus verwende ich »Interweave«, schiebe das X/Y-Feld zunächst ganz nach oben links, und bewege es dann langsam nach unten, bis mir der Sound gefällt. Die »Amp Sense« habe ich relativ stark reduziert und zur Steigerung der Atmosphäre eine ordentliche Portion Reverb dazugegeben. Alternativ dazu habe ich bei einem Bass-Sound ein tolles Ergebnis bekommen, wenn ich den »Classic«-Algorithmus verwende, die Formaten leicht nach unten shifte und mich im X/YFeld ganz rechts in der Mitte aufhalte.
Drumloops
Das Morphen zweier Drumloops stellt sich als etwas zeitaufwendiger heraus als das Erzeugen eines einfachen Vocoder-Effekts. Gerade beim Suchen der perfekten Position des X/YControllers kann ein wenig Zeit vergehen, was sich jedoch lohnt, denn es lassen sich sehr interessante Rhythmusveränderungen oder Slicing-Effekte entdecken. Auch hier sollte man dringend wieder die verschiedenen Algorithmen inkl. Änderungen der »Amp Sense«- und »Complexity«-Parameter durchprobieren, da man so mit geringen Modifikationen komplett unterschiedliche Ergebnisse erhalten kann.
Flächen Rhythmisieren
Statische Flächen lassen sich mit wenigen Handgriffen mit ordentlich Groove und Bewegung versehen. Dazu beschicken wir Input A mit einem Flächensound und Input B mit einem Drumloop, der möglichst ausgeprägte Transienten und eine hohe Dynamik besitzt. Da Morph 2 darüber hinaus auch Stereosignale als Input akzeptiert, kann eine breite Panoramaverteilung der einzelnen Events im Drumloop dem Flächensound zusätzliche Breite verpassen. Zum Aufprägen von Grooves eignet sich meiner Meinung nach der »Classic«-Algorithmus am besten. »Amp Sense« habe ich komplett auf-, »Complexity« hingegen komplett heruntergedreht. Das X/Y-Feld steht auf der X-Achse komplett auf Linksanschlag; auf der Y-Achse hingegen ungefähr ein Viertel nach oben hin. Reverb und »Formants« kann man nun ganz nach Geschmack hinzugeben; gerade mit dem »Formants«-Regler lassen sich noch interessante, filterartige Effekte erzeugen.
Mehr zum Thema Sound Design steht auch in der aktuellen Sound & Recording Ausgabe:
Sound & Recording 04/16 – Dante Special
In der Sound & Recording-Ausgabe 04/16 steht die Studio-“Verkabelung” mittels Dante-Netzwerks im Mittelpunkt. Dazu waren wir im Chellow Park Studio in England, wie auch bei Toneblasphemy, die bereits auf Dante umgestellt haben. Außerdem besuchten wir das neueingerichtete aber original 50er Jahre Studio namens Moonshine Records. In der Mixpraxis lauschen wir That’s the Spirit von Bring Me The Horizon und Henning Verlage analysiert Jack Garratts Breath Life.
Getestet haben wir das Audio-Interface Apollo Twin USB, den offenen Studiokopfhörer Audio Technica ATH 370x und das Grenzflächen-Kondensatormikrofon TG D71c von Beyerdynamic. Zu guter Letzt interviewten wir Marco Haas aka T.Raumschmiere über sein neues Album King of Gnarz.
Keinesfalls vergessen sollte man die Möglichkeit, dass die Parameter von Morph 2 auch automatisierbar sind. Gerade Bewegungen innerhalb des X/Y Feldes sind hier natürlich besonders interessant, wenn man beispielsweise verschiedene Soundscapes als InputSignale verwendet. Wenn man hier zwei Sounds wählt, die in sich schon durch verschiedene Modulationen ständig bewegt und verändert werden, und diese dann durch eine Automation des X/Y-Feldes permanent auf andere Art und Weise ineinander morpht, entstehen extrem spannende neue Ergebnisse.
Summeneffekte
Auch auf der Summe kann man Morph 2 gut verwenden. Je nach DAW sind dafür allerdings teilweise komplexe Routings durchzuführen. Einfacher ist es, einen Bounce seiner Produktion zu erstellen, diesen auf einer Audiospur zu importieren und dann dort mit Morph 2 zu bearbeiten. Experimentieren lohnt sich definitiv, denn man kommt hier leicht zu krassen, filterartigen Effekten sowie dem kompletten Verfremden des Sounds.
DJíng 2.0
Eine weitere spannende Sache, die eigentlich schon in den Bereich des DJings geht, ist die Möglichkeit, zwei Tracks ineinander zu morphen. Auch hier gibt es keine festgelegten Regeln, sondern man muss einfach mit den verschiedenen Algorithmen und Parametern herumspielen. Die Resultate reichen dann vom einfachen Quasi-Überblenden bis zum Aufprägen der Charakteristika des einen Tracks auf den anderen. Viel Spaß beim Experimentieren!
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