Kenns'd eine, kenns'd alle?

Sounddesign: Gedanken zum Aufbau eines Super-Saw-Sounds

Anzeige

Es gibt wenige Sounds innerhalb des Genres der Dance-Music, die die Klangästhetik des kompletten Genres geformt haben – eines der bekanntesten Beispiele ist der typische 303-Sound. Nicht ganz so auffällig, aber nicht minder wichtig ist der Super-Saw-Sound, der dem Attribut »Breitwand« absolut gerecht wird. Von Einigen als »Trancehupen-Sound« verschrien, ist die Super Saw aber inzwischen in verschiedenen Varianten in sehr vielen Synthesizern zu Hause. In dieser Sounddesign-Folge werfen wir einen Blick auf den Ursprung und den Aufbau dieser besonderen Wellenform.

Anzeige

Der typische Super Saw-Sound wird nicht von jedem Synthliebhaber gefeiert. Völlig in Ordnung, Geschmäcker sind schließlich verschieden. Ich persönlich zähle mich zu den großen Fans dieser Klangästhetik und habe immer wieder große Freude daran, neue Facetten und Varianten der Säge zu entdecken. Aber was ist an der Super Saw denn nun eigentlich so super? Nun, die einfache Saw- bzw. Sägezahnwellenform dürften die meisten aus irgendeinem x-beliebigen Synthesizer kennen. Die Super Saw ist, ganz einfach gesprochen, einfach nur das Extrem davon – nämlich viele Sägezahnwellenformen, die einem Oszillator entstammen (wichtiger Unterschied zur Unisono-Funktion, mit der sich teilweise ähnliche Sounds erzeugen lassen). Geprägt und erfunden wurde der Begriff von der Firma Roland, als sie 1996 den JP-8000 auf den Markt brachten, der eben jene Super Saw als wählbare Wellenform für Oszillator 1 bot.

Der Sound eroberte damals die Dance-Musikszene im Sturm und prägte den Sound des Genres entscheidend mit. Nach und nach begannen auch andere Synthesizerhersteller damit, den Super-Saw-Oszillator zu übernehmen und in verschiedenen Varianten anzubieten. So findet sich im Access Virus ab der TI-Version der HyperSaw-Oszillator, im brandaktuellen Waldorf Kyra ist ebenfalls ein Hypersaw-Oszillator enthalten, und in Steinbergs Retrologue heißt die Funktion schlicht »Multi«. Jeder Softwaresynth, der irgendwie mit EDM in Verbindung steht (Serum, Spire, Avenger, Sylenth 1 & Co.), ist selbstverständlich ebenfalls damit ausgestattet.

Alle diese Oszillatoren bzw. Wellenformen sind nicht zwangsläufig Klone des Originals, sondern bringen ihren eigenen Sound mit ins Spiel. Doch gehen wir noch kurz einen Schritt zurück und betrachten, was der Super Saw-Oszillator genau macht.

Das Original aus dem JP-8000 erzeugt sieben Sägezahnwellen, die sich in Lautstärke, Stimmung und Phasenlage voneinander unterscheiden. Weiterhin gibt es zwei Parameter zur Konfiguration des Sounds, welche je nach Synthesizer leicht unterschiedlich benannt sind. Schauen wir uns wieder das Ursprungsgerät an, so finden wir die Regler »Mix«, der die sechs zusätzlichen Sägezähne zur Grundwellenform hinzublendet – je höher der Mix umso lauter sind die zusätzlichen Wellenformen zu hören –, sowie »Detune«, der die Verstimmung von sanfter Schwebung zum krassen Detuning regelt, wobei der mittlere, grundlegende Sägezahn nicht mitverstimmt wird.

Andere Varianten der Super Saw wandeln dieses Prinzip leicht ab. So verwendet beispielsweise die HyperSaw aus dem Access Virus TI neun statt sieben Sägezähne. Außerdem werden die zusätzlichen Sägezähne hier einzeln und nach und nach hinzugeregelt und nicht komplett wie beim JP-8000.

Hinzu kommt, dass die Hersteller bei der Gestaltung ihrer Oszillatoren natürlich auch eigene Klangvorstellungen einfließen lassen anstatt einfach nur zu kopieren – beispielsweise bei der grundlegenden Wellenform, was man in den Bildern 1 bis 3 deutlich sehen kann.

1 Die grundlegende Wellenform der Super Saw aus dem JP-8000 hat mit der typischen Sägezahnform nur wenig gemeinsam.
2 Beim Virus TI sieht die Wellenform eindeutig nach Sägezahn aus.
3 Auch beim Waldorf Kyra erkennt man die Sägezahnform – allerdings lassen sich die weiteren Sägezähne nicht komplett herausregeln, weshalb die Wellenform ständig in Bewegung ist.

Grundlegende Zutaten

Wenn der Oszillator allerdings den Großteil des Charakters ausmacht, stellt sich natürlich die Frage, welche weiteren Parameter in einen Super Saw-Sound mit eingreifen. Kurz gesagt: Es kommt darauf an. Generell bestimmt die Intensität des Detunings schon sehr stark, ob es eher in ruhigere oder härtere Gefilde geht. Bei klassischen JP-8000-Sounds spielen sicherlich der spezielle Sound des internen Chorus sowie die rudimentäre EQ-Sektion des Synthesizers mit je einem Bass- und einem Treble-Poti eine große Rolle.

Sobald die Super Saw eine Lead-Sound-Position einnimmt, tut ihr ein guter Schuss Höhen sehr gut. Hierzu kann man einfach, falls vorhanden, den Noise-Generator des Synthesizers nutzen und sanft hinzumischen. Alternativ lässt sich auch die Resonanz eines sanften High-Cut-Filters für diese Zwecke nutzen.

Mehr Aggressivität bekommt der Sound durch die Modulation der Tonhöhe mit einem sehr schnell eingestellten Dreieck-LFO. Ein gleitender Pitch-Effekt, der entweder durch Portamento oder eine kurze Modulation durch eine Hüllkurve erzielt wird, sorgt für zusätzlichen Biss.

Als weitere Effekte vertragen sich mit dem Breitwandsound vor allem solche gut, die die Breite des Sounds einfach noch ein wenig mehr erhöhen. Ein Reverb mit einem hellen Klangcharakter und einer langen Nachhallzeit kann hier dem Ganzen noch eine weitere Dimension verleihen – der eh schon große Klang erhält deutlich mehr Tiefe. Soll der Sound hingegen eher perkussiv sein, so bietet sich ein Ping-Pong-Delay mit Achtel- oder 16tel-Delay-Zeiten an.

Ansonsten kann der Sound eine leichte Kompression vertragen – zusätzlich kann ein EQ mit einem wohlklingenden Höhenband wie beispielsweise ein Pultec noch deutliche Frische zum Sound beitragen. Wer dem Sound noch etwas zusätzliches Durchsetzungsvermögen verleihen möchte, boostet mit einem parametrischen EQ bei ca. 1,8 kHz um 3 bis 4 dB.

Als krönenden Abschluss sollten wir noch die Möglichkeiten zur Stereoverbreiterung ansprechen: Im JP-8000 kann man einfach zwei Super-Saw-Sounds layern und sie hart links und rechts pannen. Dieser Trick lässt sich auf andere Synthesizer übertragen, wobei es auch deutlich komfortabler geht – die Unisono Funktion des Access Virus TI etwa besitzt von Haus aus eine Pan-Spread-Funktion.

Bei den Software-Varianten ist teilweise schon ein Panning im Oszillator selber vorhanden – dennoch lässt sich auch hier durch Layering noch mehr Breite herausholen. Ich wünsche euch viel Spaß beim Experimentieren!

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Schöne Seite hier.

    Ich bin Hobby Spieler und Techno Fan. Ansonsten recht ahnungslos, was grundlegendes Sounddesign anbelangt. Komme von Orgeln und Keyboards.
    Ich habe mir vor 2 Jahren eine Yamaha Workstation gekauft. Und damit wahrscheinlich das schlechteste, was es an elektronischen Klängen geben kann. Bei Yamaha klingt alles nach Streichern (saw). Grell, greller, eklig, weichgespült. High-Cut rein … und keine Lautstärke mehr. Das Teil taugt in diesem Bereich absolut null. Natürlich Klänge, die 1001 Klavierklänge; schöne. Aber unter “Synthesizer” versteh ich was total anderes.

    In Ihrem Artikel klingen die Bearbeitungshinweise auch nach “grell”. Aber wenn ich da draußen die Supersaws höre, dann ist für das geilste daran: das Kratzen. Ich kann das als Laie nicht beschreiben. Aber man hört quasi jede Zacke raus. Nicht wie bei Geigen. Und wie ich dieses Profil mit meiner Workstation produzieren kann … vielleicht nie. Und das nervt wie’s Tier. Ich werde mir wohl ein Roland kaufen müssen, um endlich vernünftige elektronische Sounds zu haben. Yamaha ist ne Oma-Tüte.
    Die Yamaha FM Synthese – als Wunderwerk gepriesen, aber nirgends erklärt – ist ein absolut unzugängliches Feature, welches wohl auf dem trial-and-error Glücksspiel-Prinzip basiert. Sägezähne – oder was ähnliches – muss man da erstmal (blind!) erstellen. Physikstudium und Oszillograph sind empfohlen.
    Softsynths machen den ganzen Synthese-Kram wie nix! Wie garnix! 30 Sekunden, und man ist auf dem Trip. Nach 5 Minuten hat man den Klang, den man im Radio gehört hat.
    Aber mein Yamaha ist auch noch sehr be…scheiden beim skalieren. Samples integrieren: Essig! Billige Tempo-Variante, bei der ich maximal 4 von 12 Tönen gestimmt bekomme. Ganz seltsame Sache das.
    Also greift man zu den wenigen Sägezahn Samples, die drin sind. Und mit Ihren Tipps werde ich mal weiter probieren. Manche Parameter hab ich ja.

    Trotzdem kann man es nicht oft genug betonen: der Oszillator; in meinem Fall das Sample. Wenn’s da nicht stimmt, ist Alan Walker nichtmal annähernd zu erreichen. Alle Softsynth, die ich so gestöbert habe klingen in Reinform gleich. Nicht mein Yamaha. Ich würde diese Yamaha “Streicher-Säge” in der ganzen Welt heraushören.

    Vielen Dank für Ihren Internet-Auftritt hier. Hab schon viele interessante Sachen hier gelesen.

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.