Sounddesign: Grundlagen des Multisamplings anhand einer Computertastatur
von Klaus Baetz,
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Innerhalb dieser Sounddesign-Reihe haben wir ja schon öfter mit Samplern zu tun gehabt, aber wir haben uns noch nie mit Multisampling beschäftigt. Daher möchte ich gerne anhand eines einfachen Beispiels demonstrieren, wie der Prozess des Multisamplings abläuft, und dazu verwenden wir einen Gegenstand, der ständig vor uns liegt: unsere Computertastatur.
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Jetzt mag der eine oder andere sicherlich berechtigterweise anmerken, dass eine Computertastatur sicherlich nicht das Spannendste ist, was man samplen kann. Völlig richtig, genau so ist es. Eine Tastatur hat allerdings den Vorteil, dass sie ein wunderbares Übungsinstrument zum Multisampling ist, denn jeder hat eine solche Tastatur, kann mit ihr experimentieren und dadurch lernen, was man beim Multisampling so alles beachten muss.
Klären wir aber zunächst kurz, was der Unterschied zwischen einem Sample und einem Multisample ist. Grob gesagt, wenn ein Sample eine Audioaufnahme ist, die ein gewisses Thema beinhaltet (z. B. einen Tastaturanschlag), so enthält ein Multisample mehrere Samples desselben Themas, jedoch in verschiedenen »Zuständen« (beispielsweise verschiedene Tasten oder verschiedene Anschlagsstärken). Das Multisample gibt uns also die Möglichkeit, Sounds genauer abzubilden und detailreicher aufzubauen.
Planung
Vor einer Samplingsession ist es zunächst wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, was wie und in welchem Umfang aufgenommen werden soll. Würden wir eine Computertastatur möglichst akkurat absampeln wollen, so müssten wir jede einzelne Taste in mehreren Anschlagsstärken und eventuell auch mit mehreren Mikrofonen aufnehmen – da kämen sehr schnell sehr viele Samples zusammen. Daher verwenden wir zum Üben in diesem Beispiel eine einzelne Taste (das H in der Mitte der Tastatur) und sampeln dieses in fünf verschiedenen Anschlagsstärken mit einem Mikrofon ab. Wir belassen es aber nicht bei einer einzelnen Aufnahme pro Anschlagsstärke, sondern nehmen direkt mehrere Anschläge auf, um daraus sogenannte »Round Robins« zu erzeugen. Dabei handelt es sich um inhaltlich dieselbe Aufnahme, die aber minimal anders gespielt wurde. Bei der anschließenden Wiedergabe werden diese Round Robins dann nach verschiedenen Prinzipien abgespielt und beugen so dem Machine-Gun-Effekt (der Sound klingt immer komplett gleich, wenn man ihn repetiert) vor.
Recording & Editing
Für die Aufnahme der Geräusche habe ich ein Rode NT-3-Mikrofon verwendet und dieses in ca. 20 cm Höhe über die Tastatur gehängt. Danach konnte es eigentlich schon losgehen – ich habe die Aufnahme in Cubase gestartet und immer zehn Anschläge derselben Taste in fünf verschiedenen Anschlagsstärken aufgenommen.
Wenn alle Aufnahmen im Kasten sind, folgen Sichtung und Editing des Materials. Gerade perkussive Sounds lassen sich besonders leicht mit Funktionen wie »Strip Silence« (in Cubase nennt sich diese Funktion »Stille suchen«) freistellen, sodass der Prozess des groben Schneidens entfällt. Bevor wir uns aber an die Detailarbeit machen, ist eine Sichtung der Aufnahmen sinnvoll – so können wir Sounds, die entweder überhaupt nichts taugen oder sich zu sehr von den restlichen Sounds unterscheiden, direkt aussortieren. Das übriggebliebene Material muss dann anschließend in den Feinschnitt, sprich: Die einzelnen Samples werden sauber geschnitten und gefadet.
Wenn dann alles komplett freigestellt und editiert ist, kann vor dem Export noch ein wenig Klangbearbeitung erfolgen. Ich habe mit einem linearphasigen EQ-Band des FabFilter Pro-Q3 den Bassbereich ausgedünnt und mittels Waves DPR-402 die Transienten der härteren Anschläge komprimiert. Dazu habe ich eine sehr kurze Attack- und Release-Zeit sowie eine Ratio von 4:1 verwendet und dann den Threshold an das Material angepasst. Abschließend können die Samples dann exportiert werden – hier bieten die DAWs verschiedene Möglichkeiten. In Cubase lassen sich mithilfe von Cyclemarker einzelne Samples sehr bequem exportieren.
Mapping
Im Sampler (in meinem Fall Native Instruments Kontakt) legen wir zunächst fünf Gruppen an, deren Tracking wir deaktivieren, damit die Samples immer in derselben Tonhöhe angespielt werden. Anschließend suchen wir uns aus jeder Anschlagsstärke die fünf homogensten Samples heraus und mappen diese jeweils in eine der fünf Gruppen. Gleichzeitig können wir uns über die einzelnen Velocity-Stufen Gedanken machen. Ich habe die leisesten Sounds von Velocity 1 bis Velocity 30 gemappt, die nächstlauteren Samples folgten dann von 31 bis 60, von 61 bis 90, von 91 bis 115 und von 116 bis 127.
Anschließend widmen wir uns den Round-Robin-Settings. In Kontakt finden wir diese in den »Group Start Options«. Dort wählen wir die Einstellung »Cycle Round Robin« und stellen anschließend für jede Gruppe die Position in der Round-Robin-Kette ein – das ist die Reihenfolge, in der die Gruppen hintereinander abgespielt werden. Eine Alternative wäre ein Random-Setting, wodurch die Gruppen komplett zufällig ausgewählt werden. Dabei kann es allerdings sein, dass auch mal dieselbe Gruppe zweimal hintereinander gespielt wird.
Wir haben allerdings noch mehr Möglichkeiten, um den Sound eine größere Varianz zu geben. Beispielsweise können wir dafür sorgen, dass jeder Tastenanschlag zufällig ein wenig nach oben oder unten gepitcht wird. Dazu aktivieren wir »Edit All Groups«, führen einen Rechtsklick auf das Tune-Poti durch und wählen im Menü »External Sources / Random Bipolar«. Dadurch wird eine neue Modulation erstellt, deren Intensität wir auf 0,5 ST verringern. Ein bisschen Auflockerung bringt außerdem eine leichte Modulation der Stereoposition durch die Tastaturposition. Wenn »Edit All Groups« immer noch aktiv ist, führen wir wieder einen Rechtsklick auf das Pan-Poti aus und wählen »External Sources / Key Position«. Die Modulationsintensität schieben wir auf ca. 15 % oder weniger.
Finalisierung
Zur Abrundung können wir noch einen Kompressor in die Instrument Insert FX laden, der den einen oder anderen Transienten abfängt. Wer mag, kann natürlich auch jetzt mit dem spielbaren Instrument herumexperimentieren und den Sound weiter feintunen. Ein Beispiel wäre ein EQ auf der Summe, der die Höhen etwas absenkt und die unteren Mitten boostet, um einen Anschlag zu erhalten, der weniger »clicky« und dafür kräftiger ist. Und natürlich kann man dieses Instrument nun nutzen, um eventuelle Fehlerquellen zu analysieren. Wie harmonisch sind beispielsweise die Übergänge zwischen den Velocitystufen? Sind eventuell mehr oder weniger Velocities notwendig? Sollte die »Velocity –> Volume«-Modulation angepasst werden? Werden noch mehr Round Robins oder allgemein mehr Samples benötigt, oder lässt sich das Ganze auch gut reduzieren? Viel Spaß beim Experimentieren!