Sounddesign: Synthetische Percussion-Sounds aus dem Hallgerät
von Klaus Baetz,
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Elektronische Drumsounds entstammen meistens einem Sampler oder Synthesizer. Alternativ kann man dafür aber auch ein Hallsignal verwenden. Drei leicht unterschiedliche Ansätze für diese Technik möchte ich euch gerne im Folgenden vorstellen.
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Was benötigt man eigentlich für einen zünftigen Drumloop? Wenn man sich auf Elektronische Musik konzentriert, dürfte an erster Stelle vermutlich die Kick-Drum stehen. Sie bildet das Fundament, die Basis des Tracks und ist eine komplette Wissenschaft für sich. Die Kick-Drum ist auch das Drum-Element, welches grundsätzlich die höchste Aufmerksamkeit erhält. Viele erinnern sich an die mörderische Bassdrum in Track XYZ von DJ ABC, aber wohl kaum niemand wird erwähnen, dass der Clap in demselben Track »sowieso alles weggefetzt« hat. Dabei sind die restlichen Percussion-Elemente wie Hi-Hats, Snare, Shaker, Claps, Cymbals etc. ebenfalls von hoher Wichtigkeit, denn sie machen aus simplem Four-To-The-Floor erst einen echten Groove − sie bringen die Sache zum Rollen und füllen die Leere zwischen den Bassdrum-Schlägen.
Da wir hier vorrangig Elektronische Musik betrachten, muss es sich bei diesen Percussion-Elementen aber keineswegs um eine echte bzw. gesampelte Aufnahmen von echten Instrumenten handeln − schließlich können auch atonale Synth-Noises wunderbar als Schlagwerkersatz herhalten.
In dieser Sounddesign-Folge wollen wir den Hall als Quelle für verschiedene Percussion- bzw. Groove-Elemente betrachten, und unser verhalltes Signal soll lediglich die Bassdrum sein.
Grundlegendes Setup
Zunächst benötigen wir für unser Vorhaben eine Bassdrum. Ob diese nun aus einem Sampler abgefeuert wird oder als Audiotrack vorliegt, ist vollkommen egal − wir benötigen sie lediglich als Audiokanal im Mixer unserer DAW. Davon ausgehend erzeugen wir nun mehrere Send-Wege, die wir mit jeweils einem Reverb-Plug-in bestücken. Sollten die Reverbs über einen internen Mix- bzw. Dry/Wet-Regler verfügen, müssen wir sicherstellen, dass dieser auf 100 % Wet steht.
Aber welcher Reverb soll es denn nun sein? Der HighEnd Convolution-Reverb, der sogar ein IR-Sample der ISS in seiner Library vorzuweisen hat? Oder vielleicht doch der unglaublich warm klingende »Vintage Plate«-Reverb? Die Antwort: Das lässt sich pauschal nicht beantworten, denn zunächst gilt hier das Prinzip »Ausprobieren«. Ein paar Daumenregeln können wir aber dennoch anwenden: Absolute CPU-Killer sollten wir zunächst hintenanstellen, denn ein perfekt und in allen Facetten berechneter Raum ist gar nicht gefragt. Außerdem ist es schön, wenn der Reverb diverse klanggestaltende Parameter im Direktzugriff hat. In meinem Fall habe ich beispielsweise auf den RoomWorks-Hall von Cubase zurückgegriffen − dieser existiert immerhin schon seit der ersten Cubase-SX-Version.
Weiterhin benötigt jeder dieser Reverb-Kanäle einen eigenen EQ. Viele Reverbs haben zwar rudimentäre EQs integriert − um mehr Freiheit zu erhalten, sollten wir uns aber dennoch auf externes EQing verlassen.
Variante 1: Offbeat-Reverb
Unsere erste Variante übernimmt die Rolle, die in den meisten Fällen wohl der »open Hi-Hat« zugedacht ist. Sie füllt die »Und«-Zählzeiten und verbindet somit die Bassdrum-Schläge. Ohne Sounddesign-mäßig bereits zu sehr ins Detail zu gehen, filtern wir mit dem EQ die Bässe aus dem Signal heraus und stellen die Raumgröße auf einen Wert um ca. 1 Sekunde herum ein. Anschließend widmen wir uns dem Pre-Delay, denn dieses bestimmt das Timing unserer Hi-Hat. Damit der Sound immer genau im Off zwischen den beiden Bassdrum-Schlägen spielt, müssen wir die Länge einer Achtelnote unseres Songs errechnen. Die Formel hierzu lautet »60sec / BPM des Songs« − das Ergebnis tragen wir anschließend als Pre Delay Wert ein.
Es gibt auch einige Reverbs wie beispielsweise das Waves H-Reverb, welches bereits eine automatische Syncfunktion für das Pre-Delay anbietet − wirklich notwendig ist das aber nicht.
So sollten wir ein Reverb-Signal erhalten, welches immer zwischen den Bassdrum-Schlägen erklingt und nun an unsere Bedürfnisse angepasst werden kann − beispielsweise können wir mit einem Compressor den Attack-Anteil des Signals deutlicher hervorarbeiten.
Variante 2: Filler
Eigentlich ist diese Soundvariante der ersten Variante relativ ähnlich − auch hier erzeugen wir wieder einen Sound, welcher zwischen den Bassdrum-Schlägen sitzen soll. Die Ausrichtung und Entstehung ist aber eine andere, denn, wie der Name schon sagt, soll es um zusätzliches Füllmaterial gehen.
Zunächst nutzen wir wieder unseren EQ, um die Bassanteile aus dem Reverb-Signal herauszufiltern. Anschließend schleifen wir in den Signalweg unseres Hallsignals einen Compressor ein, den wir via Sidechain vom Bassdrum-Kanal aus antriggern. Empfehlenswert wäre es, wenn der Compressor sowohl über eine Hold-Funktion als auch über ein Filter im Sidechain-Weg verfügt. Sollte kein Filter vorhanden sein, kann man aber auch das Signal der Bassdrum auf einen eigenen Effektweg schicken, auf diesem mittels Filter-Plug-in die Bässe herausnehmen, und dieses Signal dann abschließend als Sidechain-Trigger verwenden.
Den Compressor stellen wir so ein, dass er ordentlich zupackt und das Hallsignal komplett herunterdrückt, wenn die Bassdrum triggert − eventuelle Autogain-Funktionen müssen dazu natürlich abgeschaltet sein. Attack und Release stellen wir auf einen sehr kurzen Wert, Hold erhält zunächst dieselbe Zeit wie unser Pre-Delay im ersten Beispiel. Somit sollte das Reverb-Signal immer zwischen den Beats »auftauchen«. Um dem Sound nun einen »saugenden« Effekt zu verleihen, verkürzen wir nun die Hold-Zeit um zunächst 30 bis 40 ms und erhöhen gleichzeitig die ReleaseZeit um ca.50 bis 60 ms. Hier ist Feintuning gefragt, aber das Hallsignal sollte nun zwischen den Schlägen »angesaugt« werden.
Variante 3: Hi-Hats mittels Delay
Unsere dritte und letzte Variante soll »closed Hi-Hat«-ähnliche Sounds erzeugen. Die Hallzeit unseres Reverbs stellen wir auf ca. 200 ms und gestalten den Raum klanglich nach unseren Wünschen. Mit dem darauffolgenden EQ cutten wir die Bässe unterhalb von 1 kHz stark weg und sorgen ausgleichend für einen kräftigen Höhen-Boost via Shelfband. Zur rhythmischen Gestaltung schleifen wir in unseren dritten Reverb-Kanal zusätzlich noch ein Delay-Plug-in ein, welchem wir ein Mischverhältnis von 100 % bescheren. Das Delay syncen wir zum Hosttempo und stellen die Zeit auf 16tel-Noten. Abschließend wird das Feedback auf ca. 60 % eingerichtet. Falls das Delay über eine PingPong-Funktion verfügt, darf diese gerne aktiviert werden.
Ausblick
Aufbauend auf diesen drei verschiedenen Szenarien kann man nun natürlich Sounddesign-mäßig aus dem Vollen schöpfen und noch viel tiefer einsteigen. Das Beispiel zeigt aber auch mal wieder, dass man Effekte jederzeit zweckentfremden sollte. Viel Spaß beim Experimentieren!