Der heißere Draht

Sounddesign – Telefonstimmen erzeugen und verfeinern

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(Bild: Shutterstock)

Ach ja, irgendwann musste es ja so weit sein. Was wäre eine Sounddesign-Reihe ohne diesen absoluten Klassiker: den guten, alten Telefonstimmeneffekt. In unzähligen Varianten wurde er schon in musikalischen Werken verwendet, und aus der Film- und Gaming-Landschaft ist er schon mal überhaupt nicht wegzudenken, denn wir Menschen telefonieren nun mal gerne und viel.

Eigentlich ist der Telefonstimmeneffekt gar nichts Besonderes und lässt sich sehr einfach reproduzieren. Man braucht nur ein steilflankiges Filter, und der grundlegende Effekt steht. Wer außerdem mal die Preset-Listen seiner Lieblings-EQs und -Filter durchforstet, der wird dort sicher auch das eine oder andere Telefoneffekt-Preset finden. Wir gehen an dieser Stelle deshalb einen Schritt weiter und schauen, wie wir diesen simplen Effekt noch weiter verbessern und realistischer gestalten können.

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Grundlagen

Als Rohmaterial benötigen wir eine ganz normale Sprachaufnahme. Dabei sollten wir allerdings darauf achten, dass diese von ordentlicher Qualität ist, sprich: Auch wenn wir es hier mit einem Lo-Fi-Effekt zu tun haben, schränken wir uns doch unnötig ein, wenn das Quellmaterial qualitativ nur mittelmäßig ist. Außerdem wichtig: Die Aufnahme sollte möglichst trocken sein, das gibt uns später mehr Flexibilität, um die Stimme in verschiedenen Räumlichkeiten zu positionieren.

 

Haben wir eine Aufnahme zur Hand, die funktioniert, fangen wir mit dem wichtigsten für den Sound an: dem Filter oder alternativ einem EQ mit flexiblen, steilflankigen Low- und Hi-Cut-Bändern. Als Faustregel kann man oft nachlesen, dass die Cutoff-Frequenz des Low-Cuts bei ca. 300 Hz und die des Hi-Cuts bei ca. 3 kHz einzustellen sei. Ich persönlich weiche von diesen Werten leicht ab und schiebe den Low-Cut eher in Richtung 400 Hz und den Hi-Cut in Richtung 2 kHz. Diese Werte sind jedoch stark von der Flexibilität des Filters abhängig und müssen je nach Regelmöglichkeiten noch angepasst werden. Für den Low-Cut verwende ich gerne eine Flankensteilheit von 48 dB/Oct, um da unten richtig aufzuräumen. Sollte zusätzlich noch ein Q-Regler zur weiteren Formung der Filterkurve zur Verfügung stehen, können wir die Kurve so formen, dass sie möglich eng ist und schnell steil abfällt, ohne dabei eine zusätzliche Resonanzspitze zu erzeugen.

Für den Hi-Cut-Bereich empfiehlt sich eine etwas sanftere Flankensteilheit, und daher tendiere ich hier zu 24 dB/Oct. So hat man immer noch einen deutlichen Filtereffekt, aber die Sprachverständlichkeit ist immer noch gewährleistet. Auch hier darf die Kurve mit einem eventuell vorhandenen Q-Regler recht eng gewählt werden. Das Feinjustieren der Cutoff-Punkte und Kurvenformen kann ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen, aber diese ist gut investiert, denn das Filter ist bei diesem Effekt unser wichtigstes, klangformendes Tool. Wenn unser Basis-Sound steht, können wir uns an die weitere Detailarbeit machen.

Resonanzen und Kompression

Um den Sound ein wenig quäkiger und nasal zu gestalten, können wir bei ca. 1,8 kHz mit einem EQ einen großzügigen Boost hinzugeben. Das Band sollte dabei weder zu breit noch zu schmal gewählt sein, denn der Effekt soll zwar künstlich, aber auch nicht nervig klingen.

Anschließend schalten wir vor unser Filter/EQ einen Kompressor, der gerne ordentlich zupacken darf. Eine kurze Attack-Zeit, Ratio-Werte um 4:1 sowie tiefe Threshold-Werte sind durchaus in Ordnung. Den Output-Gain stellen wir nur so hoch ein, wie die durchschnittliche Gain-Reduction des Kompressors ungefähr beträgt. Eventuelle Auto-Funktionen dürfen hier ebenfalls gerne verwendet werden.

Der Cubase-eigene Bitcrusher erzeugt trotz seines Alters immer noch überzeugende Lo-Fi-Sounds.

Störgeräusche

Unser künstliches Telefonat klingt zwar quäkig und nasal, eben typisch nach Telefon, aber es klingt auch noch eindeutig zu sauber. Ein realistisches Telefonat ist hin und wieder von Störungen und Soundveränderungen geprägt. Einige davon bereiten wir jetzt vor und können diese dann je nach Wunsch dazufahren.

Zunächst wären da die üblichen Lautstärke- und Sprachverständlichkeitsschwankungen. Diese lassen sich ganz einfach nachbilden, indem wir entweder die Lautstärke und/oder die Grenzfrequenz des Hi-Cut automatisieren. Hiermit dürfen wir es aber nicht zu sehr übertreiben, denn eine vernünftige Sprachverständlichkeit sollte nach wie vor oberstes Gebot sein.

Als Nächstes rauen wir den Klang der Stimme ein wenig an. Hierzu sind vor allem Sättigungseffekte oder Bandmaschinensimulationen gut geeignet, diese sorgen für eine zusätzliche Kompression sowie leichte Verzerrungen. Ein Distortion-Plug-in ist selbstverständlich ebenfalls denkbar; dieses muss allerdings auch die etwas ruhigere Gangart beherrschen und das Signal nur leicht anzerren können. Wichtig ist, dass diese Effekte grundsätzlich immer vor dem Filter eingefügt werden, um den Telefoneffekt zu wahren.

Begeben wir uns als Nächstes zu den digitalen Artefakten. Hier wäre als Erstes der Bitcrusher zu nennen. Eine Reduktion der Bit- oder Samplerate erzeugt das typische, digitale Kratzen und Flirren, welches vor allem bei Handygesprächen hin und wieder auftreten kann. Beim Bitcrusher ist der Einschleifpunkt im Signalweg ganz entscheidend für den Grundsound, denn die Position vor oder hinter dem Filter macht einen sehr großen Unterschied. Die Frage ist hier einerseits, auf welcher Seite der Leitung die Störung auftritt. Auf der anderen Seite muss natürlich, wenn Realismus hier nicht wichtig ist, der persönliche Geschmack entscheiden.

Eine weitere Variante ist ein synthetischer Touch, den wir der Stimme mit einem Delay verleihen können. Dazu reicht ein einfaches Mono-Delay aus, bei dem wir eine sehr kurze Delay-Zeit zwischen 8 bis 15 Millisekunden einstellen. Das Feedback sollte irgendwo zwischen 30 und 45 % stehen. Eventuelle Modulationsmöglichkeiten können wir ganz nach Belieben dezent einsetzen. Dann fahren wir dieses Delay langsam mit dem Dry/Wet-Regler zu unserem Sprachsignal hinzu, bis die Stimme einen leicht metallischen und roboterartigen Klang erhält.

Für alle genannten Effektvarianten gilt, dass diese auch gerne automatisiert werden können und dann nur teilweise und an bestimmten Stellen das Signal verschlechtern. Dadurch kann das Gespräch realistischer wirken, wobei solche Effekte auch wieder von der eigentlichen Sprache ablenken können. Hier gilt es also abzuwägen.

Ein Delay mit sehr kurzer Delay-Zeit sorgt für metallische Effekte.

Hintergrundatmosphäre

Als Letztes möchte ich noch kurz das Schaffen einer Hintergrundatmosphäre erwähnen. Bei einem Telefonat lässt sich ja oftmals erahnen, wo sich der Gesprächspartner gerade befindet, und dadurch, dass wir eine möglichst trockene und saubere Sprachaufnahme verwenden, haben wir hier noch alle Möglichkeiten offen. Wenn wir also unsere Effektkette auf eine Gruppenspur oder einen Bus verfrachten, können wir zusätzliche Atmo-Sounds mit durchs Telefon schicken, wie beispielsweise eine Straßenatmosphäre oder die Innenaufnahme eines fahrenden Autos, um ein Gespräch am Steuer zu simulieren. Auch ein dezenter Hall auf der Sprachaufnahme ist denkbar, denn es gibt ja auch Leute, die gerne im Bad telefonieren.

               Viel Spaß beim Experimentieren!

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