Sounddesign: Wie man seinen Aufnahmen mehr Größe verleiht
von Klaus Baetz,
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Ich habe neulich verschiedene Schalter aufgenommen, wie beispielsweise Lichtschalter, Schalter an Geräten usw. Hauptsache, sie machen schöne Klack-Geräusche. Nach den Aufnahmen folgte dann eine größere Nachbearbeitungssession. Da wurde mir mal wieder bewusst, wie viel selbst an einem kleinen Schalterklacken herumgebastelt und optimiert wird. Eigentlich klassisches „Photoshopping“, nur mit Audio. Daher möchte ich in diesem Artikel mal einige simple Standardmöglichkeiten kurz anreißen, mit deren Hilfe man Sounds mehr Größe und Aufmerksamkeit verleihen kann.
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Der Begriff „Größe“ ist in diesem Zusammenhang vermutlich nicht optimal gewählt, aber er hat sich bei mir im Laufe der Zeit so eingebürgert. Größe bedeutet nicht zwangsläufig mehr körperliche Größe, ich will also einen kleinen Lichtschalter nicht zwangsläufig in ein überdimensionales Monstrum verwandeln. Es geht vielmehr um das gewisse Etwas, ein wenig mehr Druck, mehr Präsenz, mehr Knackigkeit und Strahlkraft. All diese schönen Attribute, mit denen wir Audioleute immer so gerne um uns werfen und die am Ende zu einem Ergebnis führen, welches sich in die Situation gut einfügt. Gerade dieser Punkt ist dabei zu beachten, denn der fetteste, brillanteste Lichtschaltersound ist beispielsweise in einer Filmszene, in der der Papa abends das Licht im Kinderzimmer ausknipst, vielleicht nicht wirklich passend.
Säubern des Materials
Dieser Schritt gehört noch nicht zur eigentlichen kreativen Vergrößerung, er ist aber ungemein wichtig und deshalb erwähne ich ihn nochmals. Sämtliche Säuberungs- und Reparaturmaßnahmen sollten vor der eigentlichen klanglichen Bearbeitung stattfinden, da dieser sich ansonsten negativ darauf auswirken kann. Beispiel: Rauschen. Wer seinen Sound bereits stark effektiert hat, der macht es einem Denoiser schwer bis unmöglich, das Signal noch vernünftig zu entrauschen.
EQing
Der EQ ist das vermutlich wichtigste und offensichtlichste Werkzeug, um dem Sound mehr Größe zu geben. Ein paar Fragen, die wir uns hier stellen können, sind: Kann der Sound ein wenig mehr Körper vertragen, indem wir die tiefen Frequenzen anheben? Hat der Sound eventuell zu wenig Brillanz, sollten wir also die Höhen verstärken? Gibt es besonders charakteristische Frequenzen, die wir featuren sollten, um den besonderen Klang des Sounds weiter zu unterstützen?
Gleichzeitig können wir, insofern das nicht schon im Vorfeld beim Aufräumen und Säubern des Audiomaterials geschehen ist, gewisse Nervfrequenzen absenken und dadurch den Klang weiter fokussieren.
Heutzutage liefern schon die Bordwerkzeuge einer DAW in der Regel sehr gute Ergebnisse, beispielhaft sei hier mal der neue Frequency EQ genannt, der seit Version 9 mit Cubase mitgeliefert wird.
Auch das breite Anheben von Bässen und Höhen gelingt sehr gut, persönlich verwende ich dafür allerdings auch sehr gerne Pultec-artige EQs wie beispielsweise den Waves PuigTec EQP1A. Diese verhalten sich ein wenig wie breite Pinsel, sind daher sehr einfach zu Bedienen und klanglich als reine Schönmacher zu bezeichnen.
Dynamikbearbeitung
Über die Feinheiten der Kompression könnte man ewig lang referieren, und das soll auch gar nicht Teil dieses Artikels sein, daher nur kurz ein paar Anmerkungen: Kompression ist natürlich ein ungemein wichtiges Tool beim Vergrößern von Sounds. Dabei ist es aber ungemein wichtig, das Signal vorher einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Nehmen wir wieder unser Schalterbeispiel: Je nachdem, wie wir das Schalterklicken aufgenommen haben, haben wir zu Beginn vielleicht einen extrem ausgeprägten Transienten, den wir ohne Bedenken mit einem Kompressor, Limiter oder einem Sättigungstool ein wenig abschleifen können, ohne dass sich das überhaupt klanglich negativ auswirkt. Sollten wir dann gleichzeitig das Volume anheben, bringen wir damit die restlichen Anteile des Signals nach vorne, was den Sound größer erscheinen lässt. Das ist aber im Beispiel meiner Schalteraufnahmen auch der Raumklang. Prinzipiell ist das nicht schlecht, es muss jedoch darauf geachtet werden, ob der natürliche Raumklang der Aufnahme zur Szenerie passt oder bearbeitet werden muss.
Formung des Signals
Ähnliche Möglichkeiten bietet ein Transienten-Designer. Vor einigen Jahren noch ein Spezialtool, sind sie mittlerweile ebenfalls weit verbreitet und extrem nützliche und einfach zu bedienende Werkzeuge. Vor allem ihre Fähigkeit, die Sustain-Phase eines Signals zu verstärken, macht aus ihnen bei der Vergrößerung von Sounds ein ungemein wertvolles Tool. Gerade perkussive Sounds, die vielleicht etwas zu nah mikrofoniert wurden, wirken nach der Aufnahme oftmals weitaus weniger mächtig, da ihnen die nötige Rauminformation fehlt. Bevor man nun mit Reverb experimentiert, kann man sich hier zunächst mit einem Transienten-Designer behelfen, den Attack eventuell ein wenig abschwächen und die Sustain-Phase deutlich verstärken.
Ebenfalls ein wenig Größe lässt sich mit einer dezenten Verlängerung des Signals durch Timestretching erzeugen. Hierbei gilt es allerdings, sehr behutsam vorzugehen, denn Timestretching erzeugt Artefakte und verschmiert das Signal.
Dopplung/Parallelbearbeitung
Eine Dopplung wie beispielsweise bei einer Gitarrenaufnahme ist hier nicht gemeint. Es geht darum, das Signal auf eine zweite Spur zu kopieren, dort stark zu bearbeiten und dieses Ergebnis dann dem Original hinzuzumischen. Eine Parallelkompression ist zum Beispiel eine tolle Möglichkeit, dem Signal mehr Kraft zu geben. Die zweite Spur wird einfach extrem stark komprimiert und dann dem Originalsignal hinzugemischt.
Ein weiterer spannender Ansatz ist das Pitching inklusive Zeitkorrektur durch Timestretching. Wenn man das kopierte Signal beispielsweise eine ganze Oktave nach unten pitcht, so klingt es nicht nur tiefer, sondern auch „schmieriger“ und verleiht, leicht hinzugemischt, dem Original mehr Körper.
Exciter & Enhancer
Falls dem Sound im Bass- oder Höhenbereich Frequenzbereiche komplett fehlen oder sie extrem unterrepräsentiert sind, kann man hier mit einem Exciter bzw. Enhancer nachhelfen, denn diese generieren die fehlenden Frequenzen nach verschiedenen Methoden. Klassiker im Plug-in Bereich sind hier Waves Renaissance Bass und MaxxBass, welche beide zusätzliche Tiefen mithilfe des Residual-Effekts erzeugen. Damit lässt sich das Bassfundament leicht aufwerten, allerdings kann es hier auch ganz leicht zu viel des Guten sein.
Delay & Reverb
Zu guter Letzt sollen natürlich Delay und Reverb nicht unerwähnt bleiben. Mit dem Verbreitern eines Sounds mithilfe von Delays haben wir uns ja schon in Ausgabe 12/2016 befasst. Im Schalterbeispiel ist der Einsatz eines Delays jedoch eher schwierig, da der Schaltersound auf Grund des stark ausgeprägten Transienten sehr schnell zum Flamming neigt.
Mit einem Reverb lässt sich wunderbar Größe generieren. Zu Beginn sprach ich ja von eventuell zu nah aufgenommenen Sounds, denen die Räumlichkeit fehlt, mit dem Reverb kommt sie nun strahlend zurück, und bei purem Sound-Design kann der Raum manchmal auch gar nicht groß und abgedreht genug sein.