Wie viele Plug-ins braucht ein guter Mix: Ist es jetzt besser oder schlechter?
von Björn Bojahr, Artikel aus dem Archiv
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Wie viele Plugins braucht ein guter Mix? Während sich ein Song so langsam aufbaut, tendiere ich dazu, die Spuren schon im Groben zu mischen — hier ein EQ, dort etwas Kompression, etwas Hall und Delay. Es soll ja schließlich auch professionell klingen. Zwei Stunden später ächzt mein Notebook — zugleich ertappe ich mich dabei, den Inhalt meines Plugin-Ordners möglichst gleichmäßig auf den Song zu verteilen … Bringt das überhaupt was? Und wie weit komme ich eigentlich mit den Bordmitteln meines Sequenzers?
Die Frage stellt mir immer mein Augenarzt, wenn ich eine neue Brille brauche. Und die Beantwortung fällt mir leicht: Wenn ich möglichst viele der kleinen Buchstaben an der Wand entspannt lesen kann, dann ist alles gut! Eigentlich dürfte das im Audiobereich nicht großartig anders sein: Wir fügen ein Plugin ein, bearbeiten den Sound und deaktivieren es danach, um uns zu vergewissern, dass diese Bearbeitung auch zielführend ist.
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Trotzdem arbeite ich leider oft nicht so! Stattdessen habe ich bestimmte Abläufe im Kopf. Ein Beispiel: Die Snare ist zu knallig und geht doch im Mix unter. Da nehme ich zuerst einen beliebigen Lo-Cut, dann Native Instruments Solid Bus Comp, und schließlich bearbeite ich mit dem Sonnox Oxford-EQ noch den Peak so, dass die Snare sich gut durchsetzt. Das klappt meist sehr gut.
Aber ob die Snare jetzt wirklich besser klingt? Brauchte die Snare überhaupt den Kompressor? Wozu hebe ich mit dem EQ immer einen bestimmten Bereich an − wäre Absenken nicht auch eine Lösung?
Referenz
Die Frage “Ist es jetzt besser oder schlechter?” lässt sich nur mit einem Vergleich beantworten. Egal wie aufwendig unser Studio akustisch optimiert wurde: Wir brauchen immer eine Referenz, an der wir uns orientieren können. Die Plugins eines Kanals zu deaktivieren, kann ein erster Schritt sein. Unser Ohr fällt auf geringe Lautstärkeanhebungen schnell herein und empfindet sie als “besser”, entlarvt sie nicht als einfach nur “lauter”.
Wie gleiche ich das aus? Hat die Spur eine höhere Lautstärke durch Kompression und EQ, deaktiviere ich die beiden Plugins und ziehe die unbearbeitete Spur etwas lauter. Oftmals ist das ernüchternd: Die Spur ohne Bearbeitung klingt manchmal sogar besser! Als alleinige Referenz reicht die trockene Spur auch nicht immer aus, denn je nach Abhörsituation kommt man schnell in die Gefahr, alle möglichen Dinge zu korrigieren oder zu bearbeiten, die im Mix nachher völlig irrelevant sind. Der Solo-Schalter auf jeder Spur ist manchmal ein echter Fluch!
“Mischen” bedeutet ja gerade nicht, dass wir minutenlang eine Spur solo hören und bearbeiten, sondern dass wir sie in einen Gesamtkontext einbetten! Das gelingt im Homestudio unter vielleicht nicht ganz so optimalen Abhörbedingungen − oder mit Kopfhörern − nur mit dem konsequenten Vergleichen mit Referenztracks.
Aber was ist ein guter Mix?
Suche in deiner Musiksammlung die CDs, die am ehesten deinem Soundideal nahe kommen. Organisiere dir einen Ordner mit den Referenztracks auf deinem Computer, und vergleiche deine Aufnahme oder Mischung laufend mit diesen Titeln. Wie laut ist die Bassdrum im Verhältnis zum Rest der Mischung? Wie laut ist der Bass im Verhältnis zu den Gitarren? Wie höhenreich sind die Overhead-Mikros des Drumsets? Wie wirkt deine Gesangsspur im Vergleich mit dem Referenztitel? Achte dabei immer auf die Verhältnisse der Sounds untereinander. Lautstärkeverhältnisse, Platzierungen im Stereobild und grobe Frequenzräume darfst du nicht einzeln für sich betrachten, sondern du solltest sie immer in einen Bezug zu den restlichen Sounds deines Referenztracks setzen.
Manchmal ist weniger mehr!
Um noch einmal das Beispiel vom Augenarzt zu bemühen: Es ist eigentlich egal, für welches Brillengestell ich mich am Ende entscheide. Wichtig ist, dass die Gläser passen!
Das kostenlose Plug-In Specan 32 simuliert die Optik eines alten Hardware-Analyzers. Eigentlich stellt die Software dadurch weniger Informationen dar — zur Unterstützung beim Mischen reicht diese Information jedoch oft aus.
Bei Plugins ist es ähnlich. Was nützt dir schon ein besonders professionelles, angesagtes oder teures Plugin? Viel wichtiger ist, dass es für die jeweilige Bearbeitung funktioniert! Die Grundausrüstung einer modernen DAW-Software beinhaltet normalerweise EQs, Kompressoren, Hall und Delay in ordentlicher Qualität. Selbst mit kostenlosen Plugins von Drittanbietern kannst du starten. Eine Möglichkeit bei EQ und Kompressor wäre etwa die Kombination aus TDR VOS Slick EQ und TDR Feedback Compressor II von www.tokyodawn.net. Kostet nichts, und die beiden gibt es für Mac und PC. Thrillseeker VBL von varietyofsound.wordpress.com wäre eine schöne kostenlose Ergänzung als zweiter Kompressor.
Warum so viele Worte über eine Grundausstattung?
Vor vielen Jahren waren analoge Mischpulte mit 3- und 4-Band-EQs, meist sogar ohne interne Kompressoren oder Gates völlig normal. Sie wurden um ein paar externe Dynamikprozessoren und Effektgeräte ergänzt, und mit dieser Technik produzierte man damals. Heute bietet die Grundausstattung einer DAW wesentlich mehr Features. Aber sind es wirklich Features, die uns soundtechnisch nach vorne bringen?
Bevor du mit Extras Sounds aufpolierst und mit anderen Plugins auf deine Aufnahmen losgehst, bearbeite jede Spur erst einmal mit den Grundlagen EQ, Lautstärke-Automation und Kompressor und bei Stereotracks oder Multi-Mikrofonierungen unbedingt auch der Phasenlage. Orientiere dich dabei an deinen Referenztracks für diesen Musikstil.
Zu viele Informationen und Parameter
Vor Kurzem habe ich das Plugin Specan 32 von pitonelab.ru/software ausprobiert. Es simuliert die Optik eines Klark Teknik DN60-Analyzers, der früher beinahe zur Grundausstattung jedes Profi-Studios gehörte. Heute haben wir viel detaillierte Anzeigen, selbst als kostenlose Freeware gibt es solche Tools … und trotzdem war ich fasziniert: Früher hat mir diese Information doch gereicht!
Nicht immer führt ein Überangebot an Features zu besserem Sound. Manchmal verleitet uns das eher, sich in sinnlosen Details zu verzetteln. Ich nutze beispielsweise einen Analyzer, weil meine Ohren mir nach einiger Zeit nicht mehr auf Anhieb verraten, ob ich im Bassbereich gerade zu laut werde und/oder im Höhenbereich zu schrill. Da hilft ein schneller Blick auf die Grafik als Referenz, und schon zügle ich meinen Appetit auf EQ.
Einfach, gut und klanglich absolut top: Die Plugins von Native Instruments sind auch in Touch-Screen Umgebungen komfortabel zu nutzen und verwirren nicht mit “Bling-Bling”.
Dieses Beispiel trifft natürlich auch auf viele Bereiche einer Plugin-Umgebung zu. TDR VOS Slick EQ habe ich absichtlich als Grundlage genannt, weil man nicht von unzähligen Optionen erschlagen wird. In den Herbstferien hatte ich im Urlaub nur ein Windows-Tablet dabei und wollte natürlich trotzdem an mehreren Songs feilen. Weil nicht jedes Plugin per Touchscreen komfortabel zu bedienen ist, habe ich oft mit Native Instruments Solid Mix EQ und dem Vintage Compressor-Bundle gearbeitet. Das Ergebnis klingt hervorragend! Und wenn ich die dort gemischten Ideen jetzt wieder am großen Computer anhöre, dann vermisse ich nichts und bin klanglich glücklich.
Früher hatte man einen festen Channelstrip am analogen Mischpult, der in gewisser Weise die Richtung vorgab. Zuerst wurden alle Signale damit bearbeitet. Dann schaute man, ob wirklich noch Spezial-Tools nötig waren. Die meisten Software-Sequenzer haben heute EQ und Kompressor-Funktionen pro Kanal. Vielleicht hast du in deiner Sammlung längst einen Lieblings-EQ und -Kompressor. Benutze beim nächsten Song doch einfach mal nur diese beiden Plugins oder die Grundausstattung deiner DAW.
Vergleiche sind manchmal ernüchternd
Alle paar Jahre gibt es natürlich wieder das eine Plugin, das man einfach haben muss: “Seit ich dieses Plugin habe, klingen meine Mixe so räumlich − beinahe wie HD-Fernsehen mit 3D-Brille!” Solche Statements lassen uns schnell nach einer Demoversion im Web suchen; und im nächsten Mix pflastern wir das Wundermittel auf jede Spur. Was sich auf einer Spur einzeln noch gravierend auswirkt, ist manchmal jedoch im gesamten Mix kaum noch zu hören. Oft ist der Mix ohne dieses angebliche Wundermittel nur ein wenig leiser oder anders abgestimmt. Und manchmal ist spätestens nach einem Limiter im Masterbus wirklich nichts mehr von dem angeblichen Wundermittel übrig.
Fazit
Konzentriere dich auf einen guten EQ und Kompressor, den du leicht bedienen kannst und der dich nicht mit vielen Optionen vom Ziel ablenkt. Mische damit immer im Vergleich zu Referenztracks deines Musikstils. Diese Vorgehensweise hört sich sehr simpel an, kann aber zu einem weitaus solideren Sound führen als der Einsatz so mancher aufwendiger Sammlung angeblicher Profi Plugins. Viel Spaß beim Wiederentdecken der Basics!
Beim Lesen dieses Artikels brach ich regelrecht in Begeisterungsstürme aus. Endlich sagt mal jemand offen, dass auch bei der Musikproduktion weniger manchmal mehr ist!
Wie viele Jahre habe ich mich mit externen Zusatz-Plug-Ins herumgequält – einfach weil ich der Meinung war, dass diese wesentlich besser “klingen” als die Standard Cubase Plug-ins…
Bei den Instrumenten dasselbe Spiel: alle Zusatzpackages von Maschine zum Sonderpreis, die gesamte Instrumenten-Packung von Arturia zum Schnäppchenpreis sowie alles von IK Multimedia, Native – und wie sie alle heissen. Stundenlange Einarbeitung, Soundchecks, Querchecks, Klangvergleiche – und deshalb kaum Zeit für die eigentliche Komposition – man könnte ja den aktuellsten Sound oder Effekt verpassen…
Inzwischen bin ich endlich genau da gelandet, wo ich hingehöre: bei den Basics. Statt 50’000 Instrumenten und 5’000 Effekten nutze ich inzwischen praktisch nur noch die internen Cubase Plug-Ins. Diese tönen nämlich mit den richtigen Voreinstellungen mindestens genau so gut, wie spezielle Zusatzprodukte. Und das ist bestimmt nicht nur bei Cubase sondern auch bei den anderen State-of-the Art DAW’s der Fall.
Soundtechnisch bin ich zum Schluss gekommen, dass ich mit dem Verbund von HALion 5 und dem Übersynth Sylenth1 alles habe, was ich brauche. Nun bin ich jedoch wesentlich schneller als früher am Ziel, und das Resultat hört sich gar besser an als früher. Einfach, weil ich die wenigen eingesetzten Instrumente und Effekte inzwischen so gut kenne, dass ich damit einfach rascher zu einem guten Ergebnis gelange.
Vielen Dank also nochmals für diesen wunderbaren Denkanstoss – ich hoffe, dass auch andere Leser lieber früh als spät merken, dass weniger meistens mehr ist – ganz im Sinne des Minimalismus-Prinzips 🙂
Also dem kann ich nur zustimmen. Eine aktuelle CD Produktion (ja tatsächlich wollen manche Menschen noch CD’s…) mische ich mit den Borditteln von logic 8, obwohl ich auch alle nachfolgenden Versionen von Logic gekauft habe.
Externe EQs Sind meines Erachtens nach völlig sinnlos. Das Geld kann man sich wirklich sparen. Alleine ein phasengenauer EQ klingt tatsächlich anders, hat aber auch heute immer noch oft Latenz. Wenn man das nicht merkt, kann das ganz schön blöd enden.
Alleine in der Summe können externe Kompressoren und Limiter Sinn machen. Da findet sich tatsächlich mitunter besseres als die Bordmittel.
Hallo Björn
auch mich hat es immer fasziniert, wie man in den früheren Studiotagen gearbeitet hat und versuche auch immer, das so zu handhaben, weil die Mischungen mehr Eigenleben haben und auch transparenter sind. Was aber mal wirklich interessant für viele wäre:
wie hat es funktioniert, wenn mann nur 2 1176, 1 LA2A, 1 Pultec usw. hatte. Vielleicht kann man so einen Produktionsablauf einmal schildern bzw. auf eine DAW umsetzten.
Bei mir hat vor allem die Investition in eine wirklich (!) gute Abhöre dem Plugin-Wahnsinn ein Ende bereitet. Tatsächlich bleibt am Schluss eigentlich nur ein Kompressor und ein EQ, der eine oder andere Spezialist für Sound Design und Modulation übrig.
Was mir dabei auch noch aufgefallen ist: Reverbs als Plugins sind oftmals ihr Geld nicht wirklich wert! Ich kaufte mir deshalb neulich wieder hardware…
Lieber Björn,
Beim Lesen dieses Artikels brach ich regelrecht in Begeisterungsstürme aus. Endlich sagt mal jemand offen, dass auch bei der Musikproduktion weniger manchmal mehr ist!
Wie viele Jahre habe ich mich mit externen Zusatz-Plug-Ins herumgequält – einfach weil ich der Meinung war, dass diese wesentlich besser “klingen” als die Standard Cubase Plug-ins…
Bei den Instrumenten dasselbe Spiel: alle Zusatzpackages von Maschine zum Sonderpreis, die gesamte Instrumenten-Packung von Arturia zum Schnäppchenpreis sowie alles von IK Multimedia, Native – und wie sie alle heissen. Stundenlange Einarbeitung, Soundchecks, Querchecks, Klangvergleiche – und deshalb kaum Zeit für die eigentliche Komposition – man könnte ja den aktuellsten Sound oder Effekt verpassen…
Inzwischen bin ich endlich genau da gelandet, wo ich hingehöre: bei den Basics. Statt 50’000 Instrumenten und 5’000 Effekten nutze ich inzwischen praktisch nur noch die internen Cubase Plug-Ins. Diese tönen nämlich mit den richtigen Voreinstellungen mindestens genau so gut, wie spezielle Zusatzprodukte. Und das ist bestimmt nicht nur bei Cubase sondern auch bei den anderen State-of-the Art DAW’s der Fall.
Soundtechnisch bin ich zum Schluss gekommen, dass ich mit dem Verbund von HALion 5 und dem Übersynth Sylenth1 alles habe, was ich brauche. Nun bin ich jedoch wesentlich schneller als früher am Ziel, und das Resultat hört sich gar besser an als früher. Einfach, weil ich die wenigen eingesetzten Instrumente und Effekte inzwischen so gut kenne, dass ich damit einfach rascher zu einem guten Ergebnis gelange.
Vielen Dank also nochmals für diesen wunderbaren Denkanstoss – ich hoffe, dass auch andere Leser lieber früh als spät merken, dass weniger meistens mehr ist – ganz im Sinne des Minimalismus-Prinzips 🙂
Also dem kann ich nur zustimmen. Eine aktuelle CD Produktion (ja tatsächlich wollen manche Menschen noch CD’s…) mische ich mit den Borditteln von logic 8, obwohl ich auch alle nachfolgenden Versionen von Logic gekauft habe.
Externe EQs Sind meines Erachtens nach völlig sinnlos. Das Geld kann man sich wirklich sparen. Alleine ein phasengenauer EQ klingt tatsächlich anders, hat aber auch heute immer noch oft Latenz. Wenn man das nicht merkt, kann das ganz schön blöd enden.
Alleine in der Summe können externe Kompressoren und Limiter Sinn machen. Da findet sich tatsächlich mitunter besseres als die Bordmittel.
Früher haben wir das 02r als Mixer gehabt und nie einen kompressor benutzt, ausser auf vocals, hat trotzdem super geklungen ?
Super erklärt ?
Hallo Björn
auch mich hat es immer fasziniert, wie man in den früheren Studiotagen gearbeitet hat und versuche auch immer, das so zu handhaben, weil die Mischungen mehr Eigenleben haben und auch transparenter sind. Was aber mal wirklich interessant für viele wäre:
wie hat es funktioniert, wenn mann nur 2 1176, 1 LA2A, 1 Pultec usw. hatte. Vielleicht kann man so einen Produktionsablauf einmal schildern bzw. auf eine DAW umsetzten.
Bei mir hat vor allem die Investition in eine wirklich (!) gute Abhöre dem Plugin-Wahnsinn ein Ende bereitet. Tatsächlich bleibt am Schluss eigentlich nur ein Kompressor und ein EQ, der eine oder andere Spezialist für Sound Design und Modulation übrig.
Was mir dabei auch noch aufgefallen ist: Reverbs als Plugins sind oftmals ihr Geld nicht wirklich wert! Ich kaufte mir deshalb neulich wieder hardware…