Vor vielen Jahren war ich als Zuhörer zum finalen Mix einiger Songs eingeladen, zu denen ich Synthesizer-Sounds beigesteuert und Klavier gespielt hatte. Abgesehen davon, dass es immer ein Erlebnis ist, wenn man seine Sounds mal in professioneller Akustik genießen kann, weiß ich noch, dass ich völlig platt war, wie toll der Gesamtsound geklungen hatte. Lag bestimmt auch daran, dass hier vom riesigen Mischpult und analogem Band bis zur vollgestopften Equipment-Wand eben alles da war, was ich zu Hause nicht hatte, oder? Ich war neugierig und wollte unbedingt lernen, wie man so einen Sound macht. Die Antwort war ernüchternd: »An den Spuren von dir haben wir doch kaum was gemacht, mal ein bisschen EQ hier und da, aber sonst passte das doch! Wichtig war doch vor allem der Gesang!« Und der war absolut professionell gesungen, arrangiert und dann auch noch perfekt aufgenommen worden. Ich hätte gewettet, dass meine Spuren alle neu gemischt worden waren! Am Ende interessierte es niemanden mehr, dass die Synthis nur Plug-in-Effekte hatten, weil die Gesangsspuren eben die gesamte Aufmerksamkeit im Mix auf sich zogen.
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Werbetricks
So muss man auch manche Bewertung von der einen oder anderen Tonstudiolegende verstehen, die man zu Einsteiger-Equipment im Internet findet. Sicher hatten die das Zeug mal ausprobiert, und schlecht klang das auch nicht! Aber für die wichtigste Gesangsspur kam sicher deren »normales« Equipment und Können zum Tragen, und damit interessiert es im Gesamtmix niemanden mehr, was denn sonst noch eingesetzt wurde. Diese Arbeitsweise klappt im Homestudio natürlich ebenso, selbst wenn unser Mikrofon nicht den Preis eines Kleinwagens gekostet hat!
Eigentlich geht es ja vielmehr darum, wie man diese Spuren singt, als um die Tatsache, dass unsere Aufnahme mehr oder weniger Höhen besitzt. Letztlich müssen wir bei solchen Werbe-Aussagen auch immer das Umfeld im Hinterkopf behalten: Es gibt Aufnahmestudios, da ist schon der Klang der eigenen Schritte beim Betreten des Aufnahmeraumes zum Niederknien gut. Wen interessiert es dann noch, ob ein Mikro die Höhen etwas überbetont und in den höchsten Frequenzen klirrt? Was unter nicht ganz so optimalen Bedingungen eventuell eine mixtechnische Katastrophe ist, wird man in so einem Umfeld kaum noch als störend wahrnehmen!
Was nützt es uns?
Wenn du einen wirklich guten Vocal-Track aufnehmen möchtest und mit den aktuellen Ergebnissen auch nach vielen Experimenten nicht zufrieden bist, fahr doch mit deiner Band mit ein paar Demotracks im Gepäck in ein größeres Musikgeschäft und probiere aus, welches Mikrofon dort wirklich zu deiner Stimme oder deinem Instrument passt. Ich wiederhole in diesem Zusammenhang gerne einen Tipp aus einer der letzten Folgen: Anstatt immer nur Großmembran-Mikros im Blick zu haben, teste auch mal hochwertige Bühnenmikros. Die eignen sich hervorragend für Aufnahmen, werden aber auch bei eurem nächsten Live-Auftritt zu einer deutlichen Soundverbesserung beitragen! Es gibt da kein generelles Rezept, denn manchmal passt auch ein günstiges Mikro perfekt zur Stimme!
Achte beim Vergleichen darauf, ob das Mikrofon und die Stimme sich in der Kombination mit eurem Song vertragen. Den Gesangsspuren auch durch die Wahl eines passenden Mikrofons besondere Aufmerksamkeit zu widmen, einen Schwerpunkt im Mix zu setzen, zahlt sich beinahe immer aus! Eventuell musst du gar nicht für jede Situation gerüstet sein und ein Mikrofon für jede Aufnahmesituation finden. Vielleicht reicht es einfach, dass du für deine konkrete Situation eine gute Lösung suchst?
Für jede Situation gerüstet
Bei einem Konzertmitschnitt wurde ich neulich überrascht, denn der Schlagzeuger spielte bei einem Stück auf einmal ein ganz anderes Becken als in der Probe! Kontrabass hin oder her, auf allen Mikros auf der rechten Seite hörte man nur noch dieses Becken − im Saal war es natürlich auch zu laut! In diesem Fall zeigte sich die Qualität der Mikrofone daran, dass eine spätere Korrektur absolut unproblematisch war. Ich hatte extra mehrere Plug-ins ausprobiert, aber selbst mit günstigen Freeware-Plug-ins klang das Ergebnis völlig okay! Das kenne ich auch ganz anders.
Viele günstige Mikrofone reagieren bei solchen hochfrequenten, lauten Pegeln keineswegs gutmütig, und man muss sehr genau aufpassen, mit welcher Software man solche Probleme später überhaupt noch korrigieren kann! Aber wie häufig hast du solche Situationen? Meist haben wir doch immer die gleichen Musiker vor dem Mikrofon! Gerade dadurch, dass sich unser Raum und Musikstil nicht andauernd verändern, kannst du mit der Zeit ganz eigene Kniffe und Tricks entwickeln. Hat dein Raum akustisch ein paar Schwächen, kannst du probieren, ob du durch geschicktes Platzieren und Ausnutzen der Richtcharakteristik deiner Mikros genau diese Schwächen kaschieren kannst.
Aufgaben zum Basteln
Dabei ist auch Lernen durch Experimentieren ein sinnvoller Ansatz: Wenn du gleichzeitig Gitarre und Gesang aufnehmen willst, probiere als erste Aufgabe, nur ein einzelnes Mikro so hinzustellen, dass beide Signale im richtigen Verhältnis zueinander auf der Aufnahme landen. Dann nimm zwei Mikros und versuche, eine größtmögliche Isolation zwischen den Signalen zu erreichen, die zusammengemischt immer noch harmonisch klingt! Versuche danach eine breite Stereo-Abbildung ohne auffällige Phasenprobleme und dennoch ein gutes Lautstärkeverhältnis zwischen Gitarre und Gesang mit nur zwei Mikros hinzubekommen. Auf dem Weg zwischen diesen Extremen wirst du sicher ein paar Positionen entdecken, die spitze klingen, und auch welche, die furchtbar sind. Die furchtbaren wirst du im Alltag aber nur erkennen und vermeiden können, wenn du sie kennst und ihnen mal begegnet bist! Es ist eigentlich viel wichtiger, den richtigen Platz für ein Mikrofon zu finden, als unheimlich viele verschiedene Modelle zu besitzen! Erst durch solche Experimente findest du auch heraus, in welchem Abstand und welcher Position dein Mikrofon seine Stärken hat.
Keine Ausreden
Zurück zum Eingangsbeispiel: Ich war ja so gespannt, wie es klingen würde, wenn meine Sounds durch teure Studio-Effekte gejagt werden. Das habe ich aber nicht zu hören bekommen, weil die Sounds in Kombination mit den restlichen Spuren schon gut klangen! Warum etwas ändern, was doch im Zusammenspiel gut funktioniert? Wir schreiben die zischelnden S-Laute dem Mikrofon zu und ärgern uns anstatt einfach eine Lösung zu suchen. Selbst Effekt- Details, wie eine breitgezogene Gesangsspur in einem kurzen Übergang, analysieren wir auf unseren Lieblings-CDs und verpassen so dann schnell den Moment, wo wir längst dicht genug dran sind! Die gleiche Zeit hätten wir lieber in die Spuren investieren sollen, die den Mix prägen! In den Screenshots zu diesem Artikel habe ich ein paar Beispiele dazu aufgelistet und versucht zu zeigen, dass man auch mit durchaus günstigen Lösungen zu hervor – ragenden Ergebnissen kommen kann. Sicher gibt es gewisse Studiostandards, aber es ist nicht zwingend gesagt, dass sie zu deinen Anforderungen passen! Konzentriere dich stattdessen auf die wichtigen Spuren, übe diese, und versuche, sie besser zu singen oder zu spielen. Und probiere dann eher Equipment aus, das genau zu deiner Soundvorstellung und deinen Anforderungen passt. Viel Spaß beim Experimentieren!