Über 100 Mikrofone im Klangvergleich am Schlagzeug
von Stephan Lembke, Artikel aus dem Archiv
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Mikrofonierung des akustischen Drumsets
Die Mikrofonierung des akustischen Schlagzeugs wird in der Recording-Szene oft als Königsdisziplin angesehen. Wer es schafft, einen fehlerfreien und mischbaren Drumsound zu produzieren, der bekommt oft die Anerkennung seiner Kollegen und natürlich ein positives Feedback der Musiker. Heutzutage wird selbst bei gutem Ausgangsmaterial mit Samples und Drum-Triggern gearbeitet, um den gewünschten Sound zu erreichen. Doch welchen Einfluss hat denn eigentlich schon die Mikrofonwahl auf das finale Ergebnis? Können wir unserem Klangziel damit schon näher kommen, ohne auf eine starke Nachbearbeitung setzen zu müssen? Auf diese Fragen wollen wir im kommenden Special genauer eingehen und haben dafür über 100 Mikrofone an den verschiedenen Positionen des Schlagzeugs aufgenommen.
Mit dem Brass-Recording-Special haben wir im Februar 2016 die Reihe der Mikrofonvergleiche im Rahmen der Lauschangriff-Serie eingeleitet. Dabei wurden 28 Mikrofone verschiedener Bauarten und Hersteller an Trompete, Posaune und Saxofon verglichen. Der anschließende Workshop im April gab weiteren Aufschluss darüber, welche Mikrofone sich besonders gut für die Aufnahme einer Pop-Brass-Section eignen. Zudem wurde deutlich, wo die Eigenheiten der Instrumente liegen und wie sich die Aufnahmesituation auf die Mikrofonwahl auswirken kann.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Steffen Holl mit dem Yamaha Recording Custom im auffallenden Surf Green. Die Felle wurden schon am
Tag vor der Session aufgezogen und durchgestimmt, damit es direkt losgehen kann und während der
Aufnahme kaum Verstimmungen auftreten.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Bei der Positionierung des Mikrofons in der Bassdrum ist Präzision gefragt — Waldemar Vogel kümmerte
sich um die vergleichbare Ausrichtung der Mikrofone, was sich bei manchen Mikrofontypen aufgrund der
Größe recht schwierig gestaltete.
Nun geht es an das nächste Instrument oder besser gesagt, die nächsten Instrumente − denn das Schlagzeug besteht ja aus vielen unterschiedlichen Elementen, die wiederum ihre Eigenheiten im Klang und damit auch in der Mikrofonierung aufweisen. So hatten wir diesmal nicht nur drei Instrumente vor den Mikrofonen, sondern mit Bassdrum, Snare Drum, Rack-Tom, Floor-Tom, Hi-Hat, Ride- und Crash-Becken sieben einzelne Bestandteile, die es aufzunehmen galt. Da viele der Instrumente sehr unterschiedliche Charakteristiken aufweisen, gibt es diverse Lösungen vieler Hersteller, die auf einen bestimmten Einsatz am Schlagzeug spezialisiert sind. Aufgrund der vielen Möglichkeiten mutierte unsere Mikrofonliste zu einem seitenlangen Excel-Sheet mit 110 Mikrofonen. Bei der Wahl der Mikrofone wurde darauf geachtet, dass neben aktuellen Mikrofonserien der Hersteller auch gerade die Klassiker zum Vergleich bereitstehen. »Geheimtipps« der Redaktion und außergewöhnlichere Hersteller durften dabei natürlich auch nicht fehlen.
Das Aufnahme-Team
Für die Aufnahmen haben wir mit dem Kölner Schlagzeuger Steffen Holl von der Band »2theUNIVERSE« (Single Black And White Rainbows, VÖ: 01.07.16) zusammengetan. Da Steffen auch als Drum-Tech unterwegs ist, konnten wir außerdem von seiner Erfahrung mit Trommeln, Fellen und Becken diverser Hersteller profitieren. Immerhin stellt der Klang des Instruments die wichtigste Grundlage für eine gelungene Schlagzeugaufnahme dar! Zudem war es sehr hilfreich, dass Steffen neben dem Einspielen der Klangbeispiele auch das Stimmen der Trommeln übernahm, um in jedem Take vergleichbare Ergebnisse zu garantieren.
Da wir noch nie so viel Equipment zum Test vorliegen hatten, musste auch das technische Team erweitert werden. Für den reibungslosen Ablauf der Session wurde Waldemar Vogel aus dem Maarweg Studio in Köln engagiert. Besonders bei Schlagzeug-Aufnahmen hat Waldemar in den letzten Jahren viel Erfahrung sammeln können und kontrollierte die Position der Mikrofone stets akribisch.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Alles in doppelter Ausführung — die Tom-Mikrofone haben wir paarweise aufgenommen, um etwas Zeit
bei der Session einsparen zu können. Bei abgestimmten Mikrofonen wie den Audix D2 (Rack-Tom) und
D4 (Floor-Tom) wurden die Mikrofone trotz Empfehlung des Herstellers dennoch an beiden Trommeln
ausprobiert. So kann der Klangunterschied besser herausgestellt werden.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
An der Bassdrum standen uns mit 44 Mikrofonen die meisten Modelle für eine einzelne Komponente des
Schlagzeugs zur Verfügung. Dabei waren nicht nur dynamische und Kondensatormikrofone in großer Zahl
vertreten, sondern auch Grenzflächen und Bändchenmikrofone wie die Royer R-121 und R-122.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Das Telefunken M82 ist ein Bassdrum-Mikrofon der neueren Riege. Als Einstellmöglichkeit ist ein EQSchalter
am Mikrofon vorhanden, der eine Auswahl zwischen »Kick« und »High Boost« vorgibt. So kann
der Sound schon bei der Aufnahme stärker auf ein bestimmtes Genre abgestimmt werden. Zwecks Vergleichbarkeit
haben wir den EQ-Schalter bei allen Aufnahmen allerdings in neutraler Stellung belassen,
doch Ausprobieren lohnt sich!
Equipment
Yamaha stellte uns zu den Aufnahmen ein brandneues Recording Custom im grandiosen »Surf Green« und einer passenden 14″ x 5,5″ Aluminium Snare zur Verfügung. Es wurden nur das 12″ Rack-Tom und das 16″ Floor-Tom verwendet, die Bassdrum hatte einen Durchmesser von 22″. Als Felle kamen Remo Powerstroke 3 für Bassdrum und Toms sowie ein Powerstroke 77 für die Snare zum Einsatz. Alle Felle wurden in unbeschichteter Ausführung gewählt, was gerade bei der Snare eher unüblich ist. Für Steffen macht das Powerstroke 77 Clear allerdings eine hervorragende Klangeigenschaft an der Snaredrum aus: »Im Gegensatz zu beschichteten Fellen klingt die Snare mit dem durchsichtigen Fell noch ein bisschen voller und wärmer im Attack. Drummer reagieren zwar zunächst etwas komisch, wenn ich das Fell aufziehe, doch beim ersten Hören überzeugt es dann. Durch den 7 mil Verstärkungsring und dem 5 mil clear Dot (1 mil = 1/1000 Inch) auf dem doppelschichtigen Fell, kann ich meine Snares für die heutigen Ansprüche im Studio kontrolliert in fast allen Stimmungen tunen, um Musikrichtungen von Hip-Hop über Low-Ballads bis hin zu Hardhitter-Tunes zu bedienen.«
Der Beckensatz, bestehend aus Hi-Hat, Ride- und zwei Crash-Becken, kam aus der K-Serie der Firma Zildjian.
Aufnahmeseitig wurde wie auch bei der letzten Lauschangriff-Session ein Millennia HV-3R-Mikrofonvorverstärker verwendet, so soll die Beeinflussung des Klangs durch den Preamp minimiert und eine Vergleichbarkeit mit der Bläser-Session ermöglicht werden. Als DAW kam das Pro Tools HD-System des Gotteswegstudio A zum Einsatz.
Die ausführlichen Artikel inklusive Sound-Files für den direkten Klangvergleich findet ihr unter folgenden Links:
Und so haben wir getestet: Immer möglichst identische Position, gleiches Schlagzeug, gleicher Raum und gleiches Interface. Dazu ein Schlagzeuger, der immer die gleichen Grooves spielte. Hier ein Beispiel:
Aufnahme der Beispiele
Zunächst sollte man sagen, dass ein Klangvergleich von Fachleuten (zu Recht) immer kritisch beäugt wird. Grund dafür sind die vielen Variablen, die einen Einfluss auf den Klang des Mikrofons haben, wodurch ein allgemeingültiger Vergleich mit hundertprozentigem Ergebnis nicht möglich ist. Dem stimmen wir auch vollends zu! So spielen die Stimmung der Trommeln, Größen der Becken, Beschaffenheit des Aufnahmeraumes und Positionierung der Mikrofone eine große Rolle. Ein Mikrofon kann bei der einen Aufnahme sehr gut funktionieren und möglicherweise in einer anderen Situation nicht überzeugen. Ein allgemeingültiger Test wird mit diesem Lauschangriff allerdings auch nicht angestrebt. Es geht vielmehr darum, den Klang so zu erfahren und zu vergleichen, wie wir es auch schon bei unzähligen Soundchecks von einer Aufnahme erlebt haben. Der Aufnahmetechniker probiert mehrere Mikrofone aus und wählt das für die Aufnahme geeignete Mikrofon. Genau diese Hörerfahrung soll das Ziel der Lauschangriff-Reihe sein!
Mit jedem Mikrofon wurde zu diesem Zweck ein Klangbeispiel aufgenommen, bei dem zunächst das jeweilige Instrument des Schlagzeugs als Einzähler angespielt wurde, bevor die Einbindung in einen Groove erfolgte. So ist zum einen der Solo-Klang in den Beispielen vorhanden, und zum anderen kann auch das Übersprechen mit anderen Instrumenten des Schlagzeugs beurteilt werden. Dies ist für die klangliche Bewertung eines Mikrofons ebenfalls ein wichtiges Kriterium, das jedoch oft außer Acht gelassen wird.
Alle Aufnahmen wurden in Mono angefertigt, um auch bei typischen Stereo-Signalen, wie beispielsweise Overheads oder Räumen, keine Beeinflussung durch die Positionierung vorzunehmen. Die Mikrofone wurden immer so nah wie möglich aneinander aufgestellt, um wenig Abweichung in der Position am Instrument zu erreichen. Die Anzahl der gleichzeitig aufgenommenen Mikrofone hing dabei von dem jeweiligen Instrument ab. So wurde z. B. nur ein Mikrofon am Schlagfell in der Bassdrum aufgezeichnet, während in der Overhead Position vier Mikrofone passend angeordnet werden konnten.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
An den AKG Bassdrum-Mikrofonen D12 und D112 lässt sich die Entwicklung des Klangs eines tiefabgestimmten
Mikrofons gut nachvollziehen. Während das D12 noch recht mittig und neutraler wirkt, so ist
der Attack-Bereich beim D112 deutlich gefeatured und der Bassbereich ist für das nötige »Pfund« verstärkt.
Dieser Grundklang lässt sich allerdings auch kaum in der Mischung nachträglich verändern. Neuere
Mikrofone wie z. B. das Audix D6 gehen in der Klangbearbeitung dabei sogar noch einige Schritte
weiter.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Die Klangunterschiede des alten Sennheiser MD421N zur aktuellen Version MD421-II sind doch umfangreicher
als erwartet. Das Vintage-Mikrofon weist eine deutlich umfangreichere Basswiedergabe auf, und
auch im Übersprechen mit der Snare Drum wirkt der Klang angenehmer.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Das C414XLII und das C414 B-ULS sind in einigen Aspekten grundlegend verschieden. Klanglich ist die
Frage nach dem »besseren« Mikrofon allerdings nicht klar zu beantworten. Während das C414 B-ULS an
der Bassdrum überzeugen kann, liegt das C414-XLII an den Toms unseres Yamaha Drumsets klanglich
weiter vorn.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Bei der Hi-Hat muss es nicht unbedingt ein Kondensatormikrofon sein: Sowohl dynamische Mikrofone
wie das Sennheiser MD441, das Beyerdynamic M201 oder das Shure SM57 können bei SchlagzeugSounds
des Rock- und Pop-Genres aufgrund der reduzierten Höhen sinnvoll sein. Selbiges gilt auch für
Bändchenmikrofone wie das Beyerdynamic M160, das aufgrund seiner Bauweise einen Pegelabfall in
den hohen Frequenzen aufweist.
Grundlegend verschieden
Die Mikrofone unserer Vergleichsreihe weisen aufgrund der unterschiedlichen Bauarten und Wandlerprinzipien teilweise immense Klangunterschiede auf, gerade bei Mikrofonen aus verschiedenen Anwendungsgebieten ist dies der Fall. An der Snare Drum oder den Toms wirkt daher ein Clip-Mikrofon schon sehr anders als ein dynamisches Mikrofon. Hier kommen dann für die Mikrofonwahl neben dem Klang auch noch weitere Faktoren ins Spiel. So ist je nach Schlagzeugaufbau wenig Platz für die Positionierung der Mikrofone, und kleinere Gehäuse wie beim Sontronics DM-1T sind dabei einfacher zwischen Becken und Toms zu platzieren als ein Electro-Voice RE20.
Um einen guten Klangeindruck zu bekommen, sollte der Vergleich daher zunächst innerhalb einer Kategorie vorgenommen werden, bevor man anfängt, die Bauarten der Mikrofone zu vermischen. Eine Grenzfläche wird natürlich immer anders klingen als ein Bändchenmikrofon, und ein dynamisches Mikrofon macht am Ride-Becken auch eine andere Figur als das Kleinmembran-Kondensatormikrofon.
Alt oder doch besser neu?
Einige Mikrofone wie das Sennheiser e602 oder das Shure SM57 lagen uns sowohl in alter als auch in neuer Ausführung vor. Da stellt sich natürlich die Frage, ob der Klang der Mikrofonserien über die Jahre gleichgeblieben ist.
Wir mussten dabei feststellen, dass dies beim Sennheiser e602 nicht der Fall war. Die neue Version (e602 II) ist dabei etwas schwächer auf der Brust und bringt weniger Low-End mit als das Original. Allerdings wird der »Attack« wiederum deutlicher betont. Als interessante Alternative mit mehr Bassanteil ist das e902 zu nennen, welches eher wie eine Mischung beider Varianten des e602 wirkt.
Auch im Falle des SM57 besitzt die Vorgängerversion Shure 545 etwas mehr Klangfülle an unserer Snare Drum. Der stärker ausgeprägte Präsenzbereich ist auch bei der neuen SM57-Version zu erkennen. Allerdings fällt der Unterschied hier insgesamt deutlich geringer aus.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Kleinmembran-Mikrofone sind auch hier schon lange gerne gesehen. Die beiden Vintage-Mikrofone
Neumann KM84 und AKG C451 sind durchaus die gängige Wahl am Schlagfell der Snare. Aufgrund des
hohen Schalldrucks sollte allerdings das jeweils vorhandene Pad genutzt werden. Bei dem neueren
KM184 von Neumann ist dieses nicht mehr vorhanden, was das Mikrofon bei unserer Aufnahme auch an
die obere Grenze des Maximalpegels brachte.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Auch vor Bassdrum können Kleinmembran-Mikrofone eingesetzt werden. Das spezielle Drum-Mikrofonset
der Firma Earthworks besteht sogar neben zwei Overheads aus einem dritten Kleinmembran-Mikrofon,
das mit einem aufsteckbaren EQ-Pad klanglich für die Bassdrum-Abnahme optimiert wird.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Die Grenzflächenmikrofone eigenen sich bei der Schlagzeugaufnahme nicht nur für die Positionierung in
der Bassdrum. Auch als Raummikrofone ist ihr Einsatz empfehlenswert, allerdings muss hier viel mit der
Platzierung im Raum experimentiert werden. Wichtig ist dabei, dass die Mikrofone auf einem glatten
Untergrund verwendet werden.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Optisch ist das Bändchenmikrofon M160
von Beyerdynamic (rechts im Bild) im
Vergleich zu anderen Modellen dieser
Bauart eher unscheinbar. Doch klanglich
überzeugt vor allem in der Wiedergabe
der Mitten. Die Snare Drum wird dadurch
zu einem kraftvollen Biest!
Experimentieren statt studieren
In der Recording-Welt wird immer davon gesprochen, dass es eigentlich »keine Regeln« gibt und sich jeder kreative Ansatz lohnt, sofern das Ergebnis zum Ziel führt. Dennoch haben sich durch unzählige Fachbücher, Magazine und Vorlesungen an Tontechnik-Schulen gewisse Vorgehensweisen eingeschlichen, die von einigen Tontechnikern als Regeln interpretiert werden. Doch gerade die Abweichungen vom »üblichen Weg« führen zu interessanten Ergebnissen.
So ist z. B. die Aufnahme der Toms (egal welcher Größe) mit Mikrofonen, die eigentlich für die Bassdrum gedacht sind, ein interessanter Weg der Klanggestaltung. Die Anhebungen im Attack-Bereich und die Fülle des Tons sind auch bei hohen Rack-Toms eine willkommene Klangeigenschaft. Bei unseren Klangbeispielen wird dies mit dem alten Sennheiser e602 demonstriert, das in einigen Studios mittlerweile Standard an den Toms geworden ist.
Bei der Mikrofonierung der Hi-Hat lässt Waldemar Vogel durchblicken, dass er dieses Element des Schlagezeugs oft mit einem dynamischen Mikrofon abnimmt: »In einem Pop-Rock-Mix verzerre ich das Hi-Hat-Signal sowieso in den meisten Fällen, dann kommt der ohnehin schon ›crunchy‹ Sound eines dynamischen Mikrofons besser, und man hat nicht ganz so viel Übersprechen wie mit einem Kleinmembran-Kondensatormikrofon.«
Andersherum können Kleinmembran-Kondensatormikrofone auch wunderbar an den Trommeln des Schlagzeugs funktionieren. Die Toningenieur-Legende Al Schmitt sagte uns im Interview in der letzten S&RAusgabe, dass er die Snare Drum immer mit einem AKG C452 (baugleich mit dem C451) am Schlagfell und einem SM57 unten am Teppich abnimmt. Für viele scheint dies genau umgekehrt zu funktionieren. Die Klangbeispiele zeigen, dass die Klarheit und detaillierte Auflösung des C451 der Snare definitiv zugutekommt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass andere Hersteller die Snare Drum- und Tom-Mikrofone ihrer Modellreihe direkt als Kleinmembran-Kondensatormikrofone ausgeführt haben. Dies gilt übrigens auch für alle Clip-Mikrofone, die wir getestet haben.
Im Falle der Kleinmembranmikrofone ist das DPA 4011C als Überraschungskandidat zu nennen. Besonders außen vor der Bassdrum (ja, ich meine die Bassdrum!) bringt das winzig aussehende Mikrofon ordentlich »Wumms« mit − da kann im Vergleich so manches Großmembran-Mikrofon im Low-End-Frequenzbereich direkt einpacken.
Die Wahl der Overhead- und Raummikrofone sollte auch nicht nur auf die »üblichen Verdächtigen« eingeschränkt werden. In beiden Positionen haben sich besonders Bändchenmikrofone als gut klingende Alternative herausgestellt. Durch die bauartbedingte Absenkung der hohen Frequenzen erzeugen die Bändchen ein sehr ausgewogenes Klangbild. Gerade bei starker Kompression von Raummikrofonen sorgt dies auch dafür, dass die Becken nicht zu stark überbetont werden. Wenn es allerdings doch ein wenig mehr Hi-Fi sein darf, dann macht das Royer SF-2 eine sehr gute Figur. Durch die detailliertere Höhenwiedergabe weicht es im Klang doch recht deutlich von den anderen Bändchenmikrofonen ab.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Der Vergleich der Großmembran-Kondensatormikrofone zeigt deutliche
Klangunterschiede auf. Dabei klingt das Lewitt LCT550 recht höhenreich
und präsent, während das AKG C414 B-ULS den Bassbereich fokussiert.
Hier muss die Mikrofonwahl also je nach Grundklang des Schlagzeug-Sets
gewählt werden.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Stäbchen-Kondensatormikrofone machen grundsätzlich für eine recht
natürliche Übertragung des Raumsignals Sinn. Der Anblick sollte allerdings
nicht täuschen — gerade das DPA 4011C und das Telefunken
M60FET bringen einen sehr vollen Klang mit ausreichend Bass mit.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
In der Positionierung sind die Kleinmembranmikrofone mit seitlicher Einsprechrichtung
nicht immer einfach auszurichten. Während die Hi-Hat
davon profitiert, kann ein stark schwingendes Ride-Becken schon mal in
die Quere kommen. Das weiße Milab DC-196 ist übrigens ein Großmembran-Mikrofon,
das allerdings in seinen Abmessungen kaum von den
Kleinmembranern abweicht.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
An den Trommeln (besonders den Toms) ist auf genügend »Luft« bei der
Ausrichtung zu achten. Befindet sich das Mikrofon zu nah am Schlagfell,
wird der Klang schnell zu resonant. Manchmal kommen einem jedoch die
Becken in die Quere, und die Positionierung der Mikrofone gestaltet sich
nicht so einfach.
Mindestens eine Top 5
Gerne hätten wir während der Aufnahmen jeweils ein einziges Mikrofon als »den Favoriten« für jedes Instrument des Schlagzeugs herausgefunden. Doch eine einzige Wahl zu treffen ist aufgrund der Klangvielfalt leider nicht möglich. Es muss dabei auch immer das zu gewünschte Klangideal im Hinterkopf bleiben. So funktioniert beispielsweise der Attack-reiche Death-Metal-Bassdrum-Sound eines Grenzflächenmikrofons nicht unbedingt gut für eine Indie-Singer/Songwriter-Produktion. Dennoch gibt es einige Kandidaten, die uns an den jeweiligen Instrumenten sehr positiv im Gedächtnis geblieben sind. Eine detaillierte Auflistung mit einer Beschreibung unserer Erkenntnisse findet ihr auf unserer Website in den jeweiligen Artikeln zu den Klangbeispielen.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Bei den Testkandidaten für die Abnahme von Hi-Hat und Ride wurde
es insgesamt etwas übersichtlicher. Dennoch waren für diesen
Zweck weit über 30 Mikrofone verschiedener Hersteller und Wandlerprinzipien
im Einsatz.
Bild: Ingo Hermes, Stephan Lembke, Marc Bohn
Auch an der Snare Drum kamen verschiedenste Bauarten zum Einsatz.
Interessant ist der Klangunterschied zwischen Clip-Mikrofonen
und den typischen dynamischen Vertretern à la Shure SM57.
Outro
Ihr seid gespannt auf die Klangbeispiele? Dann kann die Materialschlacht in digitaler Form weitergehen! Unter Lauschangriff könnt ihr den Vergleich der Beispiele selbst anstellen und euch ein eigenes Bild vom Klang der jeweiligen Mikrofone am entsprechenden Instrument machen. Zudem bekommt ihr in den dazugehörigen Artikeln noch weitere Infos zur Mikrofonpositionierung bei einer Schlagzeugaufnahme und erfahrt weitere Einzelheiten zu einigen Mikrofonen.
Damit es jedoch nicht zu unübersichtlich wird, haben wir uns dazu entschlossen, die Beispiele nach Instrumentengruppen sortiert zu veröffentlichen. Dies geschieht über die nächsten drei Monate verteilt und beginnt im Juli mit der Bassdrum und den beiden Toms. Falls ihr unseren Newsletter noch nicht abonniert habt, wird es also höchste Zeit, um die Beispiele nicht zu verpassen! Natürlich sind wir auch auf euer Feedback zu den jeweiligen Mikrofonen gespannt.
Hallo,
prinzipiell geile Aktion und super Artikel, vielen Dank!
Gibt es eine Möglichkeit die Soundfiles für eigene Vergleiche offline zu erhalten?
Gruß
Max
Hallo Max,
gerne hätten wir euch die Daten auch offline zum Download bereitgestellt, aber da gab’s leider technische Hürden…
Lieben Gruß