Wer heute im Pop-Bereich einen simplen Chart-Song auseinandernimmt, wird schnell feststellen, dass es längst nicht reicht, mit hervorragender Stimme einfach mal zwei Takes einzusingen. Da wird oft drumherum ein großes Effektfeuerwerk gezündet und obendrauf gedoppelt und getrickst, obwohl die Stimmen an sich bereits professionell aufgenommen wurden und die Künstler eine hervorragende Performance geliefert haben! Einige Plug-in-Tricks, mit denen du Signale mit künstlichen Dopplungen größer und voluminöser wirken lässt, möchte ich in diesem Workshop verraten.
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Immer wenn meine Oma Geburtstag gefeiert hatte, gab es neben vielen leckeren anderen Kuchen als Besonderheit einen großen Frankfurter Kranz. Von diesem konnte man selbst als Kind mit Vorliebe für Süßes kaum mehr als ein halbes Stück verputzen und war danach pappsatt. An diesen gehaltvollen Kuchen muss ich auch heute öfter denken, wenn ich mir anschaue, wie viele Plug-in- Schaltungen ich mir zum Thema Dickmachen und Doppeln inzwischen größtenteils mit dem Metaplugin (www.ddmf.eu) als Preset abgespeichert habe … Authentizität klingt anders − ganz sicher! Mein persönliches Kuchen-Highlight bei Oma war auch eher die grundsolide StachelbeerObsttorte und ihr sagenhafter Apfelkuchen, aber in diesem Workshop möchte ich ein paar Tipps loswerden, wie man sich akustisch eher in Richtung Frankfurter Kranz verbiegt …
Doppeln und nochmal doppeln
Zwei Takes aufnehmen, diese im Stereobild verteilen und dadurch mehr Breite im Mix erzielen − das kann jeder! Mit dem kleinen kostenlosen Plug-in ADT (www.vacuumsound.de) lassen sich solche Dopplungen aber gehörig aufpeppen. Dazu braucht es wie üblich zwei nahezu identische Takes, die jeweils mit unterschiedlichen Einstellungen und Delay-Zeiten des Plug-ins bearbeitet werden. Beide Spuren sollten als Stereospuren im Mixer anliegen, damit der Effekt auch deutlich zu hören ist. ADT verzögert das Originalsignal ähnlich der Zeitverzögerung einer Bandmaschine zwischen Aufnahme- und Abspielkopf. Dabei sorgen Wow&Flutter dafür, dass diese Verzögerung nicht ganz statisch bleibt. Die Bearbeitung wird nun immer gegensätzlich zum Originalsignal gemischt.
Somit entsteht selbst aus einer einzelnen Mono-Aufnahme bereits ein deutlicher Stereo-Eindruck. Die beiden echten Aufnahmespuren verteilen wir danach nur noch dezent im Stereobild, denn durch das ADT-Plug-in füllt ja jede Stereospur schon die komplette Stereobreite aus. So wird aus einem normalen gedoppelten Track schnell eine richtig breite Soundwand mit vier Stimmen, wobei der Trick mit Vocals ebenso gut klappt wie etwa mit EGitarren- oder Synthesizerspuren. Wichtig dabei: Soll ein Signal eher hinten im Mix stehen, solltest du die Stereobreite der Spuren und Dopplungen insgesamt reduzieren, damit der Mix durch solche Tricks nicht an Tiefenstaffelung verliert! Zudem solltest du solche Dopplungen immer auf ihre Monokompatibilität hin überprüfen und etwas mit den Delay-Zeiten experimentieren, bis diese Probleme beseitigt sind.
ADT-Chorus
Das kleine Plug-in kann man natürlich auch für das Breitziehen von Mono-Tracks benutzen. Neben der reinen ursprünglichen Dopplung, die man eh automatisch erreicht, indem man das Plug-in halt in einen beliebigen Audiotrack lädt, gefällt es mir für einen richtigen Chorus-Effekt sehr gut, der sich mit ddmfs Metaplugin sehr einfach basteln und als KombiEffekt abspeichern lässt. Dazu laden wir zwei ADT-Instanzen mit gegensätzlichen Einstellungen und geben abschließend nur das jeweils bearbeitete Signal aus. Das Originalsignal wird stumm – geschaltet. Die Stereobreite entsteht nun durch die unterschiedlichen Delay-Zeiten und unterschiedliche Parameter für Wow&Flutter.
Diese Konstruktion kann man so prima als Send-Effekt benutzen und damit Monosignale etwas aus der exakten Positionen zwischen unseren beiden Lautsprechern herauslösen − sehr schön beispielsweise für Lead-Vocals oder die klassische Solo-Gitarre. Dabei sollte der Effekt nur so dezent zu hören sein, dass er bewusst kaum wahrnehmbar ist − schaltet man ihn aber weg, klebt das Signal eben wieder an der fixen Position. Das ist ein prima Effekt, um beispielsweise Song-Abschnitte voneinander soundtechnisch zu trennen und der Hauptgesangsstimme im Chorus beispielsweise mehr Stereobreite aufzudrücken. Ein Tipp noch dazu: Das ADT-Plug-in macht sich als Einzeleffekt oder mit obiger Schaltung auch sehr gut, wenn man es einem True-Stereo-Chorus-Effekt vorschaltet.
Oktaven im Hintergrund
Es gibt sicher viele Möglichkeiten, aus einer Gesangsstimme einen kompletten Chor zu zaubern. Um eine Gesangsspur etwas anzudicken, kann man das ADT-Plug-in prima mit zwei nachgeschalteten Pitch-Shift-Plug-ins vor dem Hall kombinieren. Dabei wird das Signal eine Oktave tiefer und höher gepitcht, und diese Frequenzen werden dem Original leise beigemischt. Der Pitch-Shifter sollte hier – für klanglich hochwertig sein, zur Not pitcht man die Spuren nach dem ADT-Plug-in offline mit einem entsprechenden Audioprogramm. In Cockos Reaper könnte man beispielsweise das mitgelieferte Plug-in Rea-Pitch benutzen und das Audiosignal in einem der qualitativ besseren Modi einmal eine Oktave nach unten und oben gleichzeitig transponieren und dieses dann dem Originalsignal wieder beimischen.
Auch hier gilt: Diesen Effekt muss man dezent einsetzen, sonst klingt er zu aufdringlich! Das ADT-Plug-in sorgt zuerst dafür, dass das Signal leicht verzögert und gedoppelt wird, die beiden Pitch-Shifter simulieren einen Chor-Effekt, und das alles landet im recht kurzen Hall mit kurzer Decay-Zeit. Dieser Effekt wird dem Gesang lediglich ganz dezent beigemischt und dient nicht wirklich zur Erzeugung eines Raumeindrucks, sondern lediglich als Dickmacher. Natürlich kann man diesen Effekt auch noch auf Pitch-Shifter mit Formant-Verschiebungen erweitern …
Bittersweet und Reverb
Wo wir gerade beim Thema Hall sind: Mit dem kleinen Plugin Bittersweet von Flux (www.fluxhome.com/products/freewares/ bittersweet-v3) kann man den Hall-Send so vorbearbeiten, dass Transienten stärker oder schwächer auf dein gewohntes Lieblings-HallPlug-in treffen. Eine Transientenverstärkung bei perkussiven Sounds führt beispielsweise dazu, dass die Hallfahne lauter wahrgenommen wird und dadurch die Lautstärke des HallSends insgesamt reduziert werden kann. Für Vocals dagegen eignet sich genau der andere Weg. Dort kann ein Reduzieren der Transienten zu einem homogeneren Hallsignal beitragen. Harte Konsonanten werden dadurch etwas auf dem HallSend reduziert, und ein etwas stärkerer Raumeindruck stört dadurch weniger im Gesamtmix.
Bittersweet und ADT
In Kombination mit dem ADT-Plug-in kann man Bittersweet ebenfalls einsetzen. Viele gedoppelte Spuren sind ja eben nur dann gut, wenn man die Dopplung kaum bewusst wahrnimmt und sie das Originalsignal dezent unterstützen. Transienten führen aber genau dazu, dass wir diese deutlich heraushören. Mit Bittersweet kann man die Transienten der Dopplungen abschleifen und die gedoppelten Takes somit automatisch unserer Aufmerksamkeit entziehen. Dazu fügst du Bittersweet einfach hinter dem ADT-Plugin oder einer der bisher vorgestellten ADT-Schaltungen ein und reduzierst den Transienten-Anteil des Signals.
Akzente setzen
Von Togu Audio Line gibt es mit dem TAL-Filter-II (kunz. corrupt.ch) ein kostenloses Plug-in, mit dem man mehrfach eingespielte, gedoppelte Spuren rhythmisch einfach akzentuieren kann. Das ist insbesondere dann nützlich, wenn die Dopplungen nicht alle ganz perfekt gespielt wurden und man auch mit Audio-Quantisierungen oder dem Editieren einzelner Audioschnipsel nicht weiterkommt. Das TAL-Filter-II synchronisiert alle Filter-, Pan- und Lautstärkebewegungen immer synchron zum Songtempo. Bei gedoppelten Rhythmusgitarren kann man damit schön die Attacks völlig synchron zum Songtempo herausarbeiten. Dabei lohnt es sich, mit den Filtern des Plug-ins zu experimentieren: Einfach einen Verlauf einzeichnen, der die Attacks etwas betont und die Signale nach hinten etwas in den Höhen abdämpft − manchmal reicht das schon, um die Dopplungen anzugleichen.
Sahnetorte
Diese ganzen Tricks sind natürlich alles nur Details, die in dieser oder ähnlicher Form in einem Song normalerweise nur sehr dezent eingesetzt werden. Der tontechnische Laie wird sie bewusst kaum wahrnehmen, und übertrieben ein – gesetzt klingen diese Effekte auch extrem unnatürlich. Aber dezent eingesetzt, lässt sich damit manchmal unser Ohr überlisten, und wir können viele Spuren größer und voluminöser erscheinen lassen. Wichtig dabei ist aber die Mischung: Wenn alle Spuren gedoppelt, laut und breit im Stereomix platziert werden, dann ist die Wirkung dahin! Viel Spaß beim Experimentieren!